Kommunen müssen schärfer gegen Sprayer vorgehen
In vielen Kommunen habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie den Kampf gegen Sprayer aufgegeben haben, die aus Natursteinmauern einen Schandfleck machen, die Unterführungen und Fassaden mit ihrem sinnentleerten ‚Gekritzel‘ verunzieren. Und wer keine Spraydose für ein Graffito zur Hand hat, der greift zu Aufklebern, um gutwillige Augen zu terrorisieren. Wenn man dann noch den Müll einbezieht, der an immer mehr Stellen zurückgelassen wird, dann verdüstert sich das Stadtbild. Die Mehrheit der vermeintlichen ‚Künstler‘ hinterlässt keine wirklichen Bilder, sondern zumeist purzeln Buchstaben über die Wände. Es ist eben nicht jeder, der auf eine Spraydose drücken kann, ein Banksy, so wie auch nicht jeder, der einen Farbpinsel schwingt, zu einem Rembrandt, Monet oder Kandinsky wird. Mit deutlichen Worten hat sich der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer des Themas Graffiti angenommen und eine Belohnung ausgesetzt, die zur Ergreifung von Sprayern führt, welche in einer Tübinger Unterführung die gegnerischen Schmierfinken mit dem Tode bedrohen.
Graffiti zerstören Urbanität
In vielen deutschen Städten gibt es Flächen, die für die Sprayer-Szene freigegeben sind, doch die Dosen-Freischärler ziehen frisch gestrichene Hausfassaden magisch an. Auch entlang von Bundes- und Landstraßen verfolgen uns Sprayer, die sich wohl für Künstler halten. Natürlich kann man über Kunst streiten, aber das wahllose Durcheinander von Buchstaben und Linien ergibt noch lange kein Kunstwerk. Besonders abstoßend finde ich es, wenn z.B. Schülerarbeiten wie in einer Unterführung in Bad Cannstatt – einem Stadtteil von Stuttgart – mit Gekrakel verunstaltet werden. Mit den Geschichtskenntnissen hapert es auch etwas, wenn ein Monolith auf einem keltischen Hügelgrab von 550 vor Christus mit einer Ritterfigur ‚ergänzt‘ wird. Selbst an der East Side Gallery in Berlin, einem noch erhaltenen Teil der ehemaligen Berliner Mauer, wurden Street-Art-Gemälde rücksichtslos verunziert.
Die Putzkolonnen kommen in vielen Städten weder den Müllsündern noch den Sprayern nach, doch damit wird das Problem nicht kleiner, sondern immer größer. Wo eine Hausmülltüte auf einem Papierkorb thront, da sammeln sich sofort weitere Pizzakartons oder leere Flaschen. Und dem ersten Buchstaben an der Hauswand folgt schnell der Rest des Alphabets, wenngleich nicht in der richtigen Reihenfolge oder als sinnvolle Aussage. Künstlerische Arbeiten im öffentlichen Raum sind auch nicht tabu, sondern locken Besitzer von Spraydosen ebenso an wie Zeitgenossen mit Filzstiften und Aufklebern. Es ist kaum zu ertragen, in welcher Weise unsere Städte mit einer Graffiti-Schicht überzogen werden. Durch die zahllosen Schmierereien wird echte Urbanität zerstört. Und gleichfalls echte Graffiti-Kunst verunglimpft.
Gemeinschaft setzt Rücksichtnahme voraus
Der Fahndungsdruck muss deutlich erhöht werden, um mehr Sprayer auf frischer Tat oder zumindest danach zu ertappen. Sie müssen dann für die entstandenen Schäden aufkommen und sollten auch über Sozialstunden bei der Beseitigung ihrer ‚Werke‘ handgreiflich tätig werden. Dasselbe gilt für alle, die unsere Kommunen und die Landschaft vermüllen. Dabei würde ich auf mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum an besonderen Schwerpunkten setzen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich ja nicht überwacht zu fühlen. Als Steuerzahler kann es wirklich nicht sein, dass die einen unsere Lebenswelt nach Gutdünken verunstalten und wir dann auch noch für die Beseitigung des Unrats in Form von leeren Einmalverpackungen und Graffiti aufkommen!
Privaten Hausbesitzern ist es sicher nicht zuzumuten, gegen Graffito mit dem eigenen Geldbeutel anzukämpfen. Zu einem funktionierenden Gemeinwesen gehört es, dass wir uns auf Mindeststandards einigen: Wenn jeder macht, was er will und dabei seine Mitmenschen schädigt, dann muss er eine rechtliche Antwort erhalten, die ihn zum Nachdenken animiert. Eine echte Gemeinschaft kann nur überleben, wenn sich jeder an die Mindestregeln hält.
Street Art ist auch Kunst
Während bei den Graffiti-Sprayern kunstvoll gestaltete Buchstaben überwiegen, stehen bei Street Art zumeist die Bildelemente im Vordergrund. An so mancher Lärmschutzwand oder trostlosen Fassade könnte ich mir durchaus eine Verschönerung durch Street Art vorstellen, aber vielleicht sollten die meisten Sprayer doch zu Hause mal auf einem Blatt Papier üben und dann nach einer selbstkritischen Einschätzung des Könnens von einem Auftritt im öffentlichen Raum absehen. Leider überwiegen die Schmierfinken, die Spraydose, Pinsel, Filzstift und Aufkleber nur einsetzen, um einen positiven Gesamteindruck zu zerstören. Oder welchen Sinn soll es machen, andere Kunstwerke als Projektionsfläche für die eigene Verwirrtheit zu benutzen?
Ganz anders gelagert sind die Arbeiten eines Banksy, der politische und gesellschaftliche Themen gekonnt auf die Hauswand ‚malt‘. Ganz passend zur Brexit-Debatte gestaltete er im englischen Fährhafen Dover eine trostlose Hauswand um und schuf ein einprägsames Werk zum EU-Austritt: Jeder, der vorbeifährt, fragt sich, wer denn da auf der Leiter steht und einen Stern aus der EU-Flagge heraus meißelt.
Unsere Städte und Gemeinden dürfen auch optisch nicht verkommen: Und dies bedeutet, dass nicht jeder Sprayer ungehemmt Fassaden und Mauern verunstalten darf, und nicht jeder kann beliebig seine Aufkleber anbringen, wo es ihm passt. Filzstiftspuren gehören gleichfalls nicht an öffentliche Plätze. So würde ich es sehr begrüßen, wenn sich weitere Oberbürgermeister und Bürgermeister – wie Boris Palmer – eindeutig gegen die Sprayer-Szene stellen würden. Dabei gilt wiederum, dass es nicht auf wohlfeiles Reden ankommt, sondern es müssen Taten folgen im Kampf gegen die Graffiti-Verwüstungen.
Danke für deine ausführlich dargelegte Meinung zum Thema Graffitos. Ich bzw. meine Hausgemeinschaft haben auch seit Jahren mit immer wieder neuen Graffitos zu tun. Wir lassen sie immer schnell entfernen und haben inzwischen auch einen Dauerauftrag mit einem Graffitientfernungsunternehmen. Ich gebe dir recht, dass mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum das Problem eindämmen könnten – jedoch wird da das altbekannte Dilemma Freiheit oder Sicherheit auf den Tisch gebracht.