Die christlich-jüdische Kultur kennt Aufklärung und Reformation
Vielleicht hat Horst Seehofer, der neue Bundesinnenminister, mit seiner Feststellung „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ in der „Bild“-Zeitung nur den Landtagswahlkampf in Bayern einläuten wollen, ehe dies sein Nachfolger als Ministerpräsident, Markus Söder, tun konnte. Vielleicht hat er sein neues Amt als Heimatminister gleich mit einem Paukenschlag in der Öffentlichkeit einführen wollen. Ganz sicher wusste er, dass ihm Ablehnung von Grünen, Linken und SPD, auch von den Liberalen und sogar von der Bundeskanzlerin entgegenschallen würde. Geradezu ungewohnt deutlich widersprach auch Angela Merkel, doch ist dies keine Neuigkeit: „Von meiner Seite möchte ich sagen, dass unser früherer Bundespräsident Christian Wulff gesagt hat, der Islam gehört zu Deutschland. Und das ist so, dieser Meinung bin ich auch.” Merkel hatte dies 2015 in die Begrüßung des Erdogan-Gesandten, des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu, eingebaut. Werden somit wieder mal nur alte Schlagworte ausgetauscht? Dieser Meinung bin ich nicht: Das Thema ist zwar alles andere als neu, aber es wurde bisher nur oberflächlich diskutiert und Ansätze für eine kritische Debatte wurden im Keim erstickt.

Grundlagen der Kultur herausarbeiten
Hinter den Schlagworten verbergen sich unterschiedliche Ansichten zum Islam und seiner Stellung in Deutschland, und daher sollte es nicht bei einem politischen Scharmützel bleiben, sondern wir müssen etwas tiefer bohren. Es geht nicht um die kleinste GroKo, die ohnehin seit der letzten Bundestagswahl vor sich hin schwächelt, sondern im Kern enthält diese Diskussion ein zentrales gesellschaftliches Thema: Wo liegen die Wurzeln der deutschen und europäischen Kultur und wohin soll und wird sich unsere Gesellschaft entwickeln? Und dabei geht es nicht darum, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die dem Islam angehören, aus unserer Gesellschaft zu drängen oder sie zu diskriminieren, sondern die – noch – Mehrheitsgesellschaft muss sich selbst darüber im Klaren werden, auf welcher Wertebasis sie handelt und wie sie ihre eigene Identität sieht. Daraus resultiert wiederum eine Abwägung, welche Art von Integration in diese Kultur möglich ist. Dies ist aus meiner Sicht auch die Grundaussage von Horst Seehofer: „Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Gebräuche aufgeben.”
Anmerken möchte ich auch, dass zwischen den Aussagen von Horst Seehofer, z.B. beim Flüchtlingsthema, und seinen politischen Handlungen zumeist eine gewaltige Diskrepanz besteht. Und dies obwohl er in einem Interview mit der „Welt“ (18.3.18) unterstrich: „Das heißt: So sprechen wie man denkt, und so handeln, wie man denkt.“ Dennoch halte ich es für besonders wichtig, die Grundfragen zum Spannungsverhältnis des Islam und der christlich-jüdischen Kultur in Deutschland aufzugreifen, um diese Thematik auch nicht der AfD zu überlassen. So hielt ich es schon für ein Versagen der Parteien der Mitte, dass nicht sie, sondern die AfD im letzten Bundestagswahlkampf per Plakat die Unveräußerlichkeit der Gleichberechtigung der Frauen betonte.

Dem Islam fehlen Aufklärung und Reformation
Als Martin Luther 1517 seine 95 Thesen an das Portal der Schlosskirche in Wittenberg anschlug, trug er berechtigte Kritik vor und daraus resultierte – wie wir alle wissen – eine Kirchenspaltung. Die religiösen Diskurse waren das eine, gewalttätige Auseinandersetzungen das andere, aber seit langem führen die Wege der evangelischen und katholischen Kirchen wieder zueinander. Ähnliches sollte man auch vom Islam erwarten dürfen, doch durch die bis heute anhaltende Überlagerung mit politischen Bezügen herrscht häufig bittere Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten, um nur diese beiden Ausrichtungen zu nennen. Diese religiös-politischen Konflikte werden nach Deutschland getragen und nicht zuletzt auch durch die türkische Regierung unter Präsident Erdogan, durch Saudi-Arabien oder den Iran gefördert, was beim Islamunterricht beginnt und endet bei der Unterstützung zum Bau von Moscheen durch teilweise fragwürdige Gruppierungen. Hier würde ich mir ein deutlicheres Bekenntnis von weltlichen und religiösen Führern ‚der‘ Muslime zu den freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Grundlagen unserer deutschen und europäischen Gesellschaften wünschen. Aber auch die Bundesregierung sollte nochmals überdenken, mit welchen Partnern sie zusammenarbeitet.

Aus meiner Sicht hat der Islam in seiner breiten Mehrheit bis heute keine Aufklärung erlebt, die in Europa das Tor aufstieß für rationales Denken und religiöse Toleranz. Letztendlich basiert auf der Aufklärung, die um 1700 die europäischen Gesellschaften erfasste, auch die Entstehung einer kritischen Öffentlichkeit. Die Anerkennung des Individuums hat sich auch in Europa nur langsam durchgesetzt, ganz zu schweigen von der Gleichheit der Menschen bei Wahlen usw. Auch der Kampf der Frauen für die Gleichstellung mit den Männern war in unseren Breiten kein Zuckerschlecken, und hier gibt es durchaus noch viel zu tun, aber in den muslimischen Staaten – man denke nur an Saudi-Arabien – wurde noch nicht einmal begonnen, die Kluft zwischen Mann und Frau zu schließen. Und nicht wenige Übergriffe von Flüchtlingen auf Frauen – und nicht nur auf deutsche – haben ihren Ursprung auch in einem mittelalterlichen und patriarchalischen Frauenbild.
Trennung von Staat und Religion nicht durchgesetzt
So lange Staat und Religion in muslimischen Staaten nicht wirklich getrennt sind, und daraus resultierend auch andere Religionen in Freiheit ausgeübt werden können, wird es immer zu Konflikten kommen. Und häufig kommen Asylsuchende und andere Migranten aus Regionen, die ihren mittelalterlichen und orientalischen Traditionen sehr verhaftet sind, und sich mit der Integration in eine offene Gesellschaft schwertun. Zwangsehen auch mit jungen Mädchen oder sogenannte ‚Ehrenmorde‘ haben nun einmal in unserer Gesellschaft keinen Platz.

Integration kann daher auch nicht heißen, dass wir freundlich über solche Exzesse hinwegschauen, um nur nicht eine ‚Friede, Freude, Eierkuchen‘-Mentalität zu gefährden oder die Willkommenskultur-Euphoriker gegen sich aufzubringen. Gebetsmühlenartig wiederholen die meisten Politikerinnen und Politiker, dass selbstredend auch alle Flüchtlinge oder alle muslimischen Zuwanderer auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen, aber wie ist es im Einzelfall? Wenn jemand zwar auf dem Grundgesetz steht, dies aber weder lesen noch einhalten möchte, dann muss gehandelt werden. Schnell wird dann bei Flüchtlingen, die Gesetze gebrochen haben, auf deren Ausweisung verwiesen, doch in Wahrheit sitzen immer nur einige wenige Ausreisepflichtige im Flugzeug, wogegen es gleichzeitig eine deutlich höhere Zahl an Neuankömmlingen gibt. Völlig unsinnig erscheint immer wieder die Auswahl der Abzuschiebenden, denn manche von ihnen haben sich integriert, bereits einen Job gefunden, aber vielleicht sind sie leichter zu greifen als solche, die ins kriminelle Milieu abgetaucht sind.
Gibt’s Islam und Scharia nur im Paket?
Verlässliche Zahlen zu Muslimen in Deutschland gibt es nicht wirklich, doch ausgehen kann man von etwa 5 Millionen. Und warum dann die Aufregung, so könnte man fragen, denn in Deutschland leben 82 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Nicht der Prozentsatz, der je nach Ausgangsbasis bei 4,5 bis 5 % an der Gesamtbevölkerung liegt, springt ins Auge, sondern das Entstehen von Parallelgesellschaften. Wir haben es erstmals mit einer starken Zuwanderung von muslimischen Migranten in wenigen Jahren zu tun, und dies führt auch dazu, dass der Anteil der türkischen Muslime kleiner geworden ist. Jeder zweiter Muslim stammt inzwischen nicht aus der Türkei, und die Migranten aus der Türkei leben zumeist schon seit längerer Zeit in Deutschland. Mögen die Lebensgewohnheiten in Anatolien, aus dem noch scheinbar ‚Gastarbeiter‘ kamen, schon deutlich anders ausgesehen haben als in deutschen Landen, so sind die kulturellen Unterschiede noch gravierender, wenn Zuwanderer aus dem arabischen oder afrikanischen Raum, aus Syrien, Afghanistan oder Pakistan stammen. Ein immer wieder angeführter Vergleich mit deutschen Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Zuwanderung von Russland-Deutschen oder ‚jüdischen Kontingentflüchtlingen‘ – wer kam eigentlich auf diesen Begriff? – ist irreführend, denn die kulturellen Unterschiede waren kleiner und die Religion gleich oder doch überwiegend christlich oder jüdisch.

Auch die Rechtssysteme haben beim Islam wenig mit unseren sehr liberalen Vorstellungen gemeinsam: Die Scharia erlaubt die Steinigung bei außerehelichem Geschlechtsverkehr und das Verbrennen des Korans kann auch so betraft werden. Lassen wir diese extremen Formen der Bestrafung beiseite, so bleibt dennoch die Aussage bestehen, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau bisher nach der Scharia nicht mehrheitsfähig ist. Bei all den politischen Kräften in Deutschland, die sich wortreich für die Gleichberechtigung einsetzen, wäre ich froh, wenn sie dies mit aller Deutlichkeit auch tun würden, wenn die Zweitfrau eines Flüchtlings einreisen darf. Grüne und Linke, die sich sofort Horst Seehofer mit seiner Islam-Aussage entgegenstellten, sollten auch ebenso wortreich auf solche für mich nicht nachvollziehbaren Fälle reagieren. Ausnehmen muss ich hier ausdrücklich Cem Özdemir, der mehrfach sehr deutlich klargestellt hat, dass Integration nur bei Anerkennung des Grundgesetzes funktionieren kann.
Der Islam ist heute zumeist mit der Scharia, einer Rechtsprechung wie im Mittelalter, verbunden, und daher stellt sich die Frage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel sich dessen bewusst ist? Darf sie dann – wie der Kurzzeit-Bundespräsident Christian Wulff – betonen, der Islam gehört zu Deutschland? Nicht alle islamischen Staaten handeln nach der Scharia, aber in den letzten Jahren dringen deren Grundsätze immer stärker auch in die politischen Entscheidungsebenen vor, die sich bisher eher am Westen orientierten. Ein Beispiel dafür ist Nigeria.

Renaissance: Selbstbewusstes Bürgertum entsteht in Europa
Auf die dunklen Jahre des Mittelalters folgte in Europa die Renaissance, die im 15. und 16. Jahrhundert gewaltige Kräfte freisetzte, welche einen Modernisierungsschub in Kunst und Kultur, aber auch in Wirtschaft und Technik ermöglichten. Die Erfindung des Buchdrucks befeuerte – siehe Reformation – auch die schnelle Verbreitung neuer Ideen. Es bildete sich ein selbstbewusstes Bürgertum heraus, das sich nicht zuletzt durch die im harten Wettbewerb erworbenen Finanzmittel Zugang zu den Machtzentralen der damaligen Zeit verschaffte. Gerade in dieser Ära gab es auch einen intensiven Austausch mit muslimischen Gelehrten, und diese Quelle für die Weiterentwicklung auch in Europa soll keinesfalls in Abrede gestellt werden. Noch heute reisen zahlreiche Touristen nach Spanien, um die historischen Stätten zu betrachten, die muslimische Herrscher in Al-Andalus errichteten. Damit gehen wir zwar noch weiter in die Geschichte zurück, doch auch dieser Hinweis soll nicht fehlen: Neben den kriegerischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit gab es eben auch einen Austausch zwischen christlichen und muslimischen Regionen. Nicht selten gewinnt man den Eindruck, dass der Islam in diesen Epochen offener war als zum Teil heute.

Türkei: Rückfall statt Modernisierung
Ein Beispiel für einen Rückfall ist auch die Entwicklung in der Türkei, denn Mustafa Kemal Pascha reformierte als erster Präsident der modernen türkischen Republik von 1923 bis 1938 sein Heimatland. Das Parlament verlieh ihm 1934 den Namen Atatürk – Vater der Türken. Er orientierte sich zwar an westlichen Demokratien, doch schuf er ein eigenständiges Staatsmodell. Die Schulbildung auch für Mädchen und die Gleichstellung von Mann und Frau setzte er um, die Rechtsprechung orientierte sich nicht mehr am Koran, sondern sehr stark am Schweizer Zivilrecht. Religiöse Gerichtshöfe wurden abgeschafft. Atatürk setzte eine spezielle Säkularisierung um, die nicht die Trennung von Staat und Religion als Ziel hatte, sondern die Religion dem Staat unterordnete. Die Abschaffung von Sultanat und Kalifat stand am Beginn seiner Amtszeit, und manchmal hat man den Eindruck, dass Erdogan heute wieder gerne der Sultan wäre, zumindest ließ er sich schon mal den entsprechenden Palast bauen. Oder sieht er sich gar als neuer Kalif, der nicht nur politischer Herrscher ist, sondern als ‚Stellvertreter des Gesandten Gottes‘ auch die religiöse Bewegung vertritt.
Beim von Erdogan initiierten Verfassungsreferendum stimmten in Essen 76% der Teilnehmer für eine Machtausweitung des Präsidenten, in Düsseldorf votierten 70% dafür und in Stuttgart immerhin auch noch 66%. Über 63 % der Türken, die sich in Deutschland an der Abstimmung beteiligten, unterstützten den Zuwachs der Machtfülle ihres Präsidenten. Mit der Integration in Deutschland kann es also wohl nicht weit her sein! Und wie kann es sein, dass 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken in Deutschland leben, einem Land das hohe Maßstäbe in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie täglich umsetzt und zumeist auch vorlebt, und diese dann für eine Verfassungsänderung in ihrem Heimatland stimmen, die die Macht einer Person nicht nur zementiert, sondern weiter erhöht. In der Türkei selbst sprachen sich nur 51 % für die vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewünschten Verfassungsänderungen aus, obwohl er dort in allen Medien omnipotent vertreten war. In Istanbul, Ankara oder Izmir stimmte die Mehrheit gegen Erdogans Verfassungsänderung!
Moderate Kräfte bisher chancenlos
Die Freiheits- und Bürgerrechtsbewegung, die in Ägypten, Tunesien oder in Libyen für kurze Zeit die Straßen beherrschte, war nicht nur ein Versuch, die politischen Despoten loszuwerden, sondern sie verbanden sich auch mit dem Wunsch, den Islam zu modernisieren oder eine Trennung von Staat und Religion zu erreichen. Aber auch dort zeigte es sich, dass überkommene politische Regime zwar gestürzt werden konnten, doch letztendlich ein echter Modernisierungsschub im Denken keine Chance hatte. Der Weg in die Moderne darf eben nicht bei Fernsehgeräten oder Smartphones enden, sondern muss auch die gesamten Lebensverhältnisse umfassen.

Und rückblickend muss auch gesagt werden, dass sich auf dem Tahir-Platz in Kairo das mittelalterliche Verständnis vieler Männer von den Rechten der Frauen Bahn brach. „Dutzende Männer umringen eine Demonstrantin, drängen sie ab. Es werden immer mehr, teilweise bis zu 100 Männer. Sie begrabschen die Frau, schlagen, vergewaltigen sie“, so Anna Osius in einem Bericht des Deutschlandfunks (20.9.13). Betroffen sind Demonstrantinnen und Journalistinnen, die Zahl geht in die Hunderte. „Die Islamisten sind die Täter! Die Muslimbrüder und Salafisten wollen so ein Zeichen setzen, dass Frauen auf der Straße nichts zu suchen haben.“ So eine Stimme aus Ägypten.
Dies erinnert mich an die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht 2015/16 in Köln durch junge Männer aus Nordafrika. Die Dimension der Gewalt war zwar noch geringer, aber auch in dieser deutschen Großstadt, direkt vor dem Dom, zeigte es sich, wohin ein mittelalterliches Frauenbild führen kann. Aber auch der Wunsch nach einer Öffnung des Islams kann in Deutschland zum Teil nur unter Polizeischutz gelebt werden. „Männer und Frauen beten hier nebeneinander – nicht getrennt wie sonst üblich. Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi und die Politologin Elham Manea leiten das Gebet. Die Predigt hält die Berliner Frauenrechtlerin Seyran Ates. Sie sagt: ‚Wir kämpfen für die Liebe‘. Doch nicht nur Journalisten, jüdische und christliche Gäste bevölkern den Saal. Am Eingang stehen auch mehrere Personenschützer. Denn, wer an islamischen Traditionen und Tabus rüttelt, wer auf offener Bühne den ideologischen Streit mit militanten Salafisten sucht, lebt gefährlich.“ So der „Merkur“ über die in Berlin von Seyran Ates gegründete Ibn Rushd-Goethe-Moschee.
Dialog, aber keine Anbiederung
Die Oberflächlichkeit vieler deutscher Politikerinnen und Politiker wurde auch in den Reaktionen auf Horst Seehofers Interview deutlich. Die meisten schienen ohnehin nur den Satz gelesen zu haben, „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, aber schon die nächste Aussage „Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland“ hat sie wohl inhaltlich überfordert. Es könnte auch sein, dass sie da schon zum Handy gegriffen hatten, um den Medien ihre Sicht der Dinge zu übermitteln. Aber wen wundert es? Mich nicht, habe ich doch auch bei einer eigenen Buchveröffentlichung zu einem gänzlich anderen Thema Prügel bezogen, da viele Kritiker aus Medien und Politik leider zu keiner Differenzierung im Stande waren und auch kaum zwei Seiten meiner umfassenden Analyse gelesen hatten.
Ralf Stegner, der immerzu aussieht, als habe er gerade eine Kröte geschluckt, konnte den tieferen Sinn einer Debatte um die geistigen und kulturellen Wurzeln unseres Landes nicht verstehen: “Dass der Heimatminister sich als Erstes mit Ausgrenzung beschäftigt, statt sich um die zu kümmern, die hier leben, ist doch ganz bezeichnend.“ Dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD assistierte die neue SPD-Justizministerin Katarina Barley: „Theoretische Debatten wurden lange genug geführt“, sagte Barley der „Rheinischen Post“. Da kann ich nur milde lächeln, denn das Gegenteil ist der Fall: Grundsätzliche gesellschaftspolitische Debatten werden in Deutschland von SPD und CDU schon lange nicht mehr geführt! Aber auch der FDP-Chef, den ich eigentlich für realitätsnäher gehalten hätte, wusste nur zu vermelden: „Weder verlangt irgendwer die Übernahme islamischer Sitten, noch ist das Christentum Staatsreligion.” Darum geht es ja auch nicht, möchte ich Christian Lindner zurufen, aber die Frage nach den Wurzeln unserer Gesellschaft und deren Weiterentwicklung wird wohl noch erlaubt sein. Dialog ist zwingend erforderlich, und dies gilt auch für alle Menschen in unserer Gesellschaft – ohne jede Diskriminierung wegen der jeweiligen Religion, Kultur oder Staatsangehörigkeit. Grüne und Linke ließen gänzlich die Bereitschaft vermissen, über die zentrale Zukunftsfrage nach unserer Identität zu sprechen.

Die eigene Geschichte ist wichtig
Wer die Zukunft gestalten möchte, der muss auch wissen, woher er kommt. Hier beginnt doch bereits die Verunsicherung in Deutschland. Wir müssen aber über unsere Herkunft sprechen können, ohne dass uns von bestimmten Politikerinnen und Politikern sofort ein Sprechverbot erteilt wird. Die Ursprünge unserer heutigen Gesellschaft sehe ich in christlichen und jüdischen Traditionslinien, und nun mal nicht im Islam. Darüber kann auch der Austausch mit islamischen Gelehrten, den beispielsweise auch der deutsche Staufer-Kaiser Friedrich II. intensiv pflegte (und Gedanken-Austausch ist ja genau das, was Not tut), nicht hinwegtäuschen, und niemand wird leugnen, dass unser heutiges Zahlensystem über arabische Wissenschaftler von Indien nach Europa kam. Doch die zentralen Errungenschaften wie Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Gleichberechtigung von Mann und Frau, unser heutiges Wirtschaftssystem, die Trennung von Kirche und Staat, die enorme Fortentwicklung der Technik haben ihre Grundlage im europäischen, christlich-jüdischen Denken.
Und wenn wir schon in geschichtlichen Dimensionen verweilen, dann dürfen wir auch die schwärzeste Zeit nicht vergessen, in der Nazi-Deutschland die jüdischen Mitbürgerinnen und -bürger verfolgte und in Konzentrationslagern ermordete. Zu unverbesserlichen Neonazis gesellen sich immer mehr Antisemiten aus dem arabischen, nordafrikanischen und asiatischen Raum, die auf deutschem Boden Juden angreifen oder beschimpfen. Hier erwarte ich ein härteres Vorgehen von Politik, Polizei und Justiz gegen alle Täter, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens attackieren.
Wir müssen offener als bisher auch Fragen zu den Grundwerten unserer Gesellschaft diskutieren, und wer dies nicht tut, der spielt der AfD in die Hände. An jedem Wahltag höre ich das Gejammer der Vertreter von CDU, CSU, SPD, Grünen, Liberalen und Linken über die gestärkte Position der AfD, aber dies bleiben hohle Phrasen, wenn wir nicht beginnen, die Fragen aufzugreifen, die Menschen in Deutschland bewegen. Und damit meine ich nicht nur Bürgerinnen und Bürger, die ihren Stammbaum auf die alten Germanen oder Kelten zurückführen wollen, sondern alle Menschen.
Über unsere Landesgrenzen hinweg sollten wir aber auch mit den muslimischen Staaten darüber diskutieren, warum Religionsfreiheit zumeist eine Einbahnstraße darstellt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Deutschland fast 3 000 Moscheen gebaut bzw. eingerichtet, und dies steht unseren muslimischen Nachbarinnen und Nachbarn auch zu, aber wie gehen die islamischen Staaten mit dem Kirchenbau und der Freiheit der Religionsausübung auf ihrem Hoheitsgebiet um?

Warum lassen wir es zu, dass die türkische Religionsbehörde Diyanet über sogenannte Kooperationspartner in hunderte von Moscheen in Deutschland hineinregiert? Warum können noch immer durch die Türkei bezahlte und entsandte sogenannte Konsulats-Lehrer in Deutschland türkische Kinder indoktrinieren? Hier wurde über Jahre am falschen Ort gespart! Sicherlich wird durch diese ‚Lehrkräfte‘ der Völkermord an den Armeniern oder die brutale Verfolgung der Kurden nicht angesprochen, denn ansonsten würden sie in der Türkei im Knast landen. Die baden-württembergische CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann antwortete auf Nachfragen der Landtags-Grünen: „Ein Modellwechsel ist derzeit nicht geplant.“ Dies halte ich für völlig falsch: Die Lehrkräfte müssen durch die deutschen Behörden eingestellt und bezahlt werden, die Ausbildung sollte in Deutschland nach am Grundgesetz orientierten Studienplänen erfolgen.
Keinen Rückschritt tolerieren
Ich zweifle daran, dass die Frage, ob der Islam zu den Grundlagen unserer Gesellschaft und unserer Kultur gehört, wirklich sachlich diskutiert werden wird. Zu viele Politikerinnen und Politiker fühlen sich bei inhaltlichen Debatten zunehmend unwohl und belassen es lieber bei wolkigen Aussagen. Ganz persönlich bin ich jedoch der Meinung, dass unserer Gesellschaft offene Aussprachen, ein intensiverer Dialog gut zu Gesicht stehen würde. Für einen schlechten Scherz halte ich es, wenn am 17. März im „Handelsblatt“ der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, die Meinung vertritt: „Horst Seehofer schürt mit seiner Aussage unnötig innergesellschaftliche Konflikte und Vorurteile, die nicht zuletzt die Polizei auszubaden hat.“ Weit haben wir es gebracht, wenn ein Polizeifunktionär schon von einer Debatte abrät, da sonst Konflikte drohen würden, die die Polizei schlichten müsse.

Ist es ein Wunder, dass das Verhältnis vieler Deutscher zu ihren politischen Repräsentanten getrübt ist, wenn diese fröhlich ihren (Schlinger-)Kurs fahren und nicht nach der Meinung ihrer Wählerschaft fragen? So ergab bereits 2016 eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov für den TV-Sender SAT.1 erhoben hatte, dass 70 % der Deutschen der Ansicht waren, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Und schon damals standen sie damit im Gegensatz zur Bundeskanzlerin, aber was grämt das Angela Merkel? Tricky Angie ist ohnehin immer der Meinung, dass sie alles richtig macht. Ganz aktuell ergab auch eine von Civey für „Focus“ durchgeführte Umfrage, dass 65 % der Befragten es positiv sehen, dass die Diskussion um den Islam in Deutschland wieder angeregt wurde, bei Anhängern der Union sind es sogar 73 % und bei der FDP 82 %. Dies sollte Angela Merkel und Christian Lindner doch zu denken geben.

In den Dialog über die Wurzeln unserer Gesellschaft müssen wir alle einbeziehen, die daran teilnehmen wollen und die auch bereit sind, offen zu diskutieren. Eingeschlossen sind dabei für mich auch unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es kann aber nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker schon vor der Debatte festlegen wollen, was dabei herauskommt. Zu den zentralen Gesichtspunkten muss – nach meiner Meinung – auch gehören, dass wir keinen Rückschritt in Sachen Menschenrechte oder Gleichberechtigung von Mann und Frau, bei Demokratie und Rechtsstaat oder der Trennung von Religion und Staat zulassen, denn ansonsten würden wir uns an dem von unseren Vorfahren erkämpften Fortschritt vergehen.
auch wenn es diesem land aktuell gut geht, so sind sehr viele völlig zu recht besorgt über den rasch schwindenden werte-grundkonsens in der gesellschaft (ja der hängt wohl am Christentum und einen anderen gibt nicht), auf dem letztlich das grundgesetz, der sozialstaat, ja die demokratie basiert. appelle helfen nicht, wenn die erfahrung auf der strasse immer deutlicher ist, wir leben in verschiedenen welten, die sich schon weitgehend entkoppelt haben – auch unter den deutschen, den europäern und bei den migranten sowieso. und wer sich nicht verbunden fühlt, der trägt auch keine transfers auf dauer, und fühlt sich keiner jugend verbunden, die zu hause nicht deutsch spricht… aber all das wird von den GroKo Parteien weggedeutet und den medien massiv stigmatisiert.