Wenn die Tagebau-Besetzer auf ein Fläschchen von der Polizei warten
Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet: die Besetzer des Tagebaus Garzweiler im Rheinischen Braunkohlerevier rechten öffentlich darüber, ob sie die Polizei gut mit Essen und Getränken versorgt habe. Ja, das kann doch nicht wahr sein! Wer illegal einen Tagebau stürmt, eine Kohlebahn blockiert oder was auch immer besetzt, der sollte doch selbst an eine Stärkung im Rucksack denken! Oder hat Mama ganz vergessen, vegane ‚Stullen‘ zu schmieren und ein Bio-Schorle einzupacken? Und wenn die Klimaschützer dann auch noch umliegende Äcker zertrampeln und von einem Berliner Grünen daraufhin der Ruf erschallt, die Möhren seien schließlich nicht wichtiger als das Klima, dann zweifle ich wirklich an der Ernsthaftigkeit einiger Klimaaktivisten. Und das, obwohl ich das Anliegen teile: Wir müssen die Erderwärmung bremsen, und dies wird uns nur gelingen, wenn weltweit aus der Kohle ausgestiegen wird.

Erik Marquardt verdreht die Realität
Da antwortet der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt allen Ernstes auf die Aussage der Polizei, man habe die Besetzer mit „Getränken und Lebensmitteln“ versorgt: „Getränke gab es 2 x, korrekt. Auf Essen mussten die Menschen im Tagebau über 13 Stunden warten.“ Hoffentlich bringt er sich zu den Sitzungen des Europaparlaments sein Futter selbst mit oder findet zumindest den Weg in die Kantine! Wenn man sich aufmacht, anderer Leute Eigentum zu besetzen, dann ist doch der Aufmarsch der Polizei mit einkalkuliert, ja, dieser ist sogar gewollt! Und die Polizei ist aus meiner Sicht kein Pizzadienst!

Selbstredend wird jeder Kritiker sofort von Erik Marquardt zum Anti-Demokraten abgestempelt: „Wer sich darüber lustig macht, belacht auch die Demokratie“. Nein, ich lache ganz gewiss nicht über unsere demokratischen Lebensverhältnisse, denn vor drei Jahrzehnten musste ein Teil unserer Landsleute noch am eigenen Leib spüren, was es heißt, in der SED-Diktatur zu leben. Und vor 75 Jahren war Deutschland in der menschenverachtenden NS-Diktatur versunken. Also über unsere Demokratie würde ich niemals lachen, denn sie ist ein hohes Gut. Aber ich erlaube mir durchaus ein Lachen, wenn Besetzer wie Marquardt scheinbar erwarten, dass die Tafel im Tagebau auch noch von den Ordnungshütern oder gar der RWE reich gedeckt wird. „Die Aktion von #endegelaende ist zu Ende. Der Widerstand gegen Kohle und Kapitalismus noch lange nicht“, so die Organisatoren. Hatten denn die Teilnehmer erwartet, dass die ‚Kapitalistenknechte‘ auch noch ein Mittagessen reichen? Erik Marquardt sollten wir nicht auf den Leim gehen, wenn er sich eine eigene Wirklichkeit zurechtbastelt.

Möhren und das Klima
Und dann wird noch aus Neukölln vom grünen Mitglied des Abgeordnetenhauses Georg P. Kössler per Twitter ein verärgerter Bauer angegangen: „Deine Möhren sind nicht wichtiger als unser Klima. Sorry.“ Da frage ich mich schon, welche Eigentumsvorstellungen manche Grünen haben? Und daran ändert sich auch nichts, wenn der Organisator der Besetzungsaktion – ‚Ende Gelände‘ – eine Entschädigung zusagt. Aber der rot-rot-grüne Senat in Berlin setzt ja auch auf einen Mietendeckel und viele liebäugeln mit Verstaatlichungen von Wohnraum. Ist das ein Vorgeschmack auf einen Rückmarsch in die DDR? Und ganz ehrlich, was soll denn dann der nachfolgende Streit, wer was zertrampelt hat und ob es eigentlich wirklich Möhren waren. Die Möhren hat doch erst der Abgeordnete Kössler zum Thema gemacht!

Palaver von allen Seiten
Zeitgleich zu den Besetzungsaktivitäten im Rheinischen Braunkohlerevier trafen sich in Bonn 3 000 Teilnehmer zur UN-Klimakonferenz. Eigentlich recht viele Menschen, würde ich sagen. Aber in Kattowitz waren es 30 000 – und werden es auch in Santiago de Chile im November wieder sein. Entscheidungen waren nicht zu erwarten, denn die sollen dann mal wieder in Chile fallen. Allerdings bleiben diese UN-Konferenzen meist vage und sind auch nicht bindend. Wir brauchen aber Politiker und allerlei andere Interessenvertreter, die nicht nur palavern, sondern endlich handeln. Denn die Erderwärmung lässt sich mit Reden alleine nicht aufhalten, es müssen konkrete Handlungen folgen. In Deutschland brauchen wir eine energiepolitische Gesamtstrategie, die den Ausstieg aus der Kohle ebenso umfasst wie regenerative Energien und die Frage der Speicherung, z.B. mit Wasserstoff.
Dieser schleppende Prozess ist schwer zu ertragen, und daher sehe ich mich auch auf Seiten der Aktivisten, die für mehr Engagement gegen den Klimawandel streiten. Aber fällt eigentlich Erik Marquardt & Co. nicht auf, dass sie – ebenso wie gewalttätige Grüppchen – das Geschäft von RWE und den Befürwortern der Kohle betreiben? Wer sich ins Unrecht setzt, der macht den Widerstand gegen die CO2-Schleudern und den Raubbau an der Natur unglaubwürdig. Und so hoffe ich sehr, dass sich ‚Fridays for Future‘ nicht vereinnahmen lässt. Irgendwie mag ich gar nicht glauben, was so mancher Grüne im Bund oder in Berlin von sich gibt, denn das bin ich aus Baden-Württemberg zum Glück nicht gewohnt. Da bin ich auch mal gespannt, was Erik Marquardt im Europaparlament wirklich in Sachen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz bewegen wird! Bitte auf keinen Fall Vesper und Bio-Limo vergessen, wenn es wieder zu einer Demo oder Besetzung geht!

Eine Antwort auf „Garzweiler: ‚Mama hat vergessen, mir mein Vesper einzupacken‘“