2% des BIPs für das Militär
Bauunternehmen und Zementfirmen müssen an Donald Trump begeisterte Briefe schreiben, denn er möchte nicht nur in eine Mauer an der Grenze zu Mexiko investieren, sondern auch in die Infrastruktur. Zumindest letzteres ist sicherlich kein Fehler, wenn man die US-amerikanischen Eisenbahnverbindungen, viele Straßen oder Kläranlagen betrachtet. Aber nicht genug! Der US-Präsident hat noch ein zweites Steckenpferd entdeckt, bei dem ihm zumindest bisher nicht Richter und Politiker im eigenen Land in die Suppe spucken: Die Militärausgaben müssen nach seiner Meinung schleunigst erhöht werden. Und gerade Deutschland schulde der NATO, die er vor kurzem noch für obsolet erklärt hatte, viele Milliarden. Nach einer kurzen Zeit der Nachdenklichkeit formiert sich auch in Deutschland und Europa eine Marschkolonne in Richtung höhere Militärausgaben. Man traut sich kaum noch zu fragen: Wofür sollen wir das zusätzliche Geld denn ausgeben?
Merkel hält Erhöhung für alternativlos
Auch in Mecklenburg-Vorpommern, gewissermaßen im Zentrum der Weltpolitik, immerhin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dort ihren Wahlkreis, erinnerte sie an einen Beschluss der NATO-Staaten aus dem Jahre 2014. In Wales hatten sich alle dazu bekannt, bis 2024 den Militäretat auf jeweils 2% des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Da wir in Deutschland bisher bei 1,2% liegen, gewiss noch ein langer Weg. Sigmar Gabriel äußerte als Außenminister zwar Bedenken, doch die Bundeskanzlerin sieht mal wieder keine Alternative. Und dass sich Ursula von der Leyen als zuständige Ministerin für höhere Verteidigungsausgaben ausspricht, ist natürlich zu erwarten. Beim Besuch der Ministerpräsidenten von Tschechien und der Slowakei betonte dann die Bundeskanzlerin erneut: “Es ist unstrittig innerhalb der Bundesregierung, dass wir unser Verteidigungsbudget erhöhen müssen.”
Ehe ich mit meinem Beitrag fortfahre, hier ein Bekenntnis: Ich war nicht bei der Bundeswehr, sondern habe als Helfer des Technischen Hilfswerks meinem Land gedient. Dennoch sehe ich sehr wohl die Notwendigkeit einer konsequenten Verteidigung gegen Gefahren, die uns und unseren Partnern heute durch den Islamischen Staat (IS) oder morgen durch wen auch immer drohen.
Aufgabenkritik ist elementar
Aber ich halte es auch für legitim, nein sogar für erforderlich, zuerst klar die Aufgaben zu definieren und dann in die Kasse zu greifen. Dabei geht es nicht nur um eine Bewertung zukünftiger Angriffsszenarien, sondern besonders um die Frage, wo die Bundeswehr heute eingesetzt werden soll. Ergänzend muss auch das Thema angesprochen werden, in welchem Umfang Ausgaben für Entwicklungskooperationen oder die Aufnahme von Migranten angerechnet werden. Und schlussendlich erlaube ich mir auch die Frage: Warum tragen wir eine Mitverantwortung und damit auch die Kostenbelastung, wenn andere – wie in Afghanistan und im Irak – auf ein militärisches Eingreifen drängen und wir anschließend die Scherben aufsammeln dürfen.
Ursache und Wirkung nicht verwechseln
Das von den USA begonnene militärische Eingreifen in Afghanistan hat bis heute nicht zu einer deutlichen Stabilisierung der Lage geführt und auch die internationale Bedrohung durch islamistische Terroristen hat keineswegs abgenommen. Gleiches gilt für den Feldzug im Irak, wo die Ablösung eines Diktators eingeleitet wurde, ohne wirklich zu wissen, wie der Weg in die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingeschlagen werden kann. Auch die als Grund für den Einmarsch genannten Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins wurden nicht gefunden. Fake News!?
Der IS bekam durch diese Vorgehensweise erst die Chance, sich dynamisch zu entwickeln und sich u.a. nach Syrien auszudehnen. Eine Flüchtlingswelle kam ins Rollen, die dann auch Europa erreichte. Die Frage von Ursache und Wirkung muss bei einer Kritik der Aufgaben, die militärisch beantwortet wurden oder sollen, auch einbezogen werden. Der eine startet – vielleicht sogar aus sicherheitspolitisch akzeptablen Gründen – einen Krieg und der andere bekommt die humanitären Folgen zu spüren. Ist dies eine gelebte Partnerschaft, wenn Donald Trump dann auch noch per Twitter Deutschland als Schuldner darstellt?
…vast sums of money to NATO & the United States must be paid more for the powerful, and very expensive, defense it provides to Germany!
Zum Hilfspolizisten degradiert?
Mögen die US-Präsidenten auch wechseln und können ihre Charaktere nicht unterschiedlicher sein als Donald Trump und Barak Obama, trotzdem fühlen sich die USA immer wieder und noch immer als der Weltpolizist. So hat auch Obama fleißig den Drohnenkrieg fortgesetzt. Und Trump, der sich doch auf die USA konzentrieren und international weniger intervenieren wollte, ließ in Afghanistan die größte Bombe des US-Militärs abwerfen – unterhalb der Nuklearwaffen – und in Syrien wurde mal flott ein Großangriff auf die Schergen Assads gestartet. Natürlich kostet die weltpolitische Rolle viel Geld: So geben die USA für ihr Militär 3,5% des BIPs aus. Aber sind dann alle anderen wirklich Drückeberger, die ihren Militäretat nicht auf 2% erhöhen wollen? Selbstredend müssen wir uns auch in Europa militärisch so aufstellen, dass wir nicht zur leichten Beute eines unfreundlichen „Nachbarn“ werden können. Auf den Weg zum Hilfspolizisten, der auf der ganzen Welt eingreift, sollten wir uns jedoch nicht schicken lassen.
Legen wir die feinsinnige Unterscheidung zwischen Kampf- und Ausbildungseinsätzen bzw. Hilfseinsätzen oder Militärbeobachtern beiseite, dann ist die Bundeswehr heute – man möge sich dies einmal vor Augen halten – in Afghanistan, im Kosovo, in Syrien und im Irak, in Mali und im Mittelmeer, am Horn von Afrika vor Somalia, im Sudan und in der Westsahara aktiv. Müssen wir uns da mangelndes Engagement vorwerfen lassen? Wohl kaum!
Und trotz der unglaublichen Nazi-Vergleiche des türkischen Präsidenten Erdogan sind Bundeswehr-Soldaten und -Soldatinnen immer noch von der Türkei aus aktiv. (siehe “Wenn die gemeinsamen Werte verwelken. Bundeswehr aus Incirlik abziehen”)
Ganz generell steht die Antwort auf die Frage noch aus, welche Erfolge die einzelnen Missionen wirklich erzielen. Der Kampf gegen Schlepper im Mittelmeer und deren menschenverachtende Umtriebe scheint bisher nicht zu großen Erfolgen geführt zu haben. In Afghanistan lässt sich ebenfalls kein Durchbruch zu Sicherheit und Freiheit erkennen. Aber auch in Mali – um nur drei Aufgabenfelder zu nennen – könnten die Belastungsproben noch bevorstehen. Wir dürfen uns nicht in immer mehr Krisenherde hineinbegeben, ohne zuvor klare Ziele für die Missionen zu definieren. Stets müssen auch Ausstiegsszenarien eine scheinbare Alternativlosigkeit verhindern.
Erst nachdenken, dann Geld ausgeben
Kommen wir zu den Eingangsfragen zurück, dann lässt sich feststellen, Deutschland engagiert sich militärisch in immer mehr Konflikten, die Erfolge sind allerdings überschaubar. Dies ist für mich ein triftiger Grund, eine unvoreingenommene Aufgabenkritik durchzuführen. Ansonsten stolpern wir von Konflikt zu Konflikt. Sollte sich ergeben, dass wir für berechtigte Einsätze mehr Budgetmittel benötigen, dann sollte auch dies abgewogen werden.
Keinen Sinn macht es, mehr Geld zu fordern ohne klare Einsatzziele für diese Mittel zu haben. Und dies gilt, obwohl der NATO-Beschluss von 2014 höhere Ausgaben vorsieht, und dies gilt erst recht dann, wenn der US-Präsident in seiner Twitter-Politik zu Mehrausgaben drängt. Längerfristige Verlässlichkeit scheint ihm ohnehin abzugehen: Innerhalb weniger Monate ist die NATO “obsolent” und dann ein “Bollwerk” des Friedens.
Am Ende des Beitrags kann ich es mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wir in Deutschland inzwischen mehr als eine Million Migranten aufgenommen haben. Alleine im Bundeshaushalt fallen für die dadurch entstehenden Aufgaben jährlich 20 Mrd. Euro an. Auslöser für die Migrationsbewegung sind auch Krisen, die wir nicht angezettelt haben. Vielleicht können wir diese Kosten gegenrechnen und die Bundeskanzlerin kann dies Donald Trump per Twitter mitteilen.
4 Antworten auf „Frieden schaffen mit mehr Waffen?“