Olivgrüner Karriereknick für von der Leyen
Wenn man wie Ministerin Ursula von der Leyen knapp 180 000 Soldatinnen und Soldaten sowie rd. 60 000 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „befehligt“, dann sind Stolpersteine vorprogrammiert, aber langsam habe ich den Eindruck, dass die Ministerin kein Fettnäpfchen auslässt. Und wenn sie dann nach einer Skandalserie Führungsschwäche bei ihren „Mannen“ diagnostiziert, dann stellt sich endgültig die Frage, wer unser Militär denn „führt“?
Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass die Verteidigungsministerin erst dann handelt, wenn schon Überdruck im Kessel ist. Stangentanz in Pfullendorf, Korvettenkauf ohne Ausschreibung, Ausmusterung eines Gewehrs, das überall zu treffen scheint, nur nicht bei der Bundeswehr, kein offenes Wort zur Stationierung in der Türkei, eilfertiges Nachplappern der Trump-Forderung nach einer Erhöhung der Militärausgaben usw. Die Umbenennung von Kasernen oder der Feldzug gegen rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr haben ihre Berechtigung, aber warum erfolgt das erst dann, wenn die Skandalwellen ins Verteidigungsministerium schwappen und auf der Bonner Hardthöhe schon Land unter ist?
Unzureichende Treffsicherheit
Bereits 2015 hatte Ministerin von der Leyen entschieden, dass das Standardgewehr der Bundeswehr, das G 36 von Heckler & Koch, ausgemustert werden müsse, da es mit der Treffsicherheit hapere. Zwar schossen andere Armeen in dieser Welt „fröhlich“ damit weiter, aber auch ich begann dann doch zu zweifeln. Natürlich sollen unsere Soldatinnen und Soldaten bestens ausgerüstet sein, wenn man sie in ferne Lande schickt.
Nur merkwürdig, dass befragte Soldaten nicht über Mängel bei der Präzision berichteten und letztendlich das Landgericht Koblenz zu dem Schluss kam, dass der Hersteller genau das geliefert habe, was auch vom Verteidigungsministerium bestellt worden war. Da fragt man sich als Bürger und Steuerzahler letztendlich schon, warum die Ministerin das Gewehr ausmustern lässt. Vor dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages hatte von der Leyen laut Pressemitteilung ihres Ministeriums am 27. April 2015 noch erklärt: „Und den Schluss, den ich aus diesem Abschlussbericht ziehe, ist, dass das G 36 so, wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat.“ Wenn das Gericht recht hat, dann wurde wohl das falsche Gewehr bestellt! Zwar nicht von der jetzigen Ministerin, aber dann eben von ihren Vorgängern. Oder ist das Gewehr doch nicht so schlecht, dann hat sich die Ministerin mit ihrer vorschnellen Entscheidung zur Ausmusterung vergaloppiert.
Ausschreibung – wozu das denn?
Wer wie ich auch schon mal in einem Ministerium gearbeitet hat und seit langer Zeit in der Industrie tätig ist, der kennt die Vorschriften zur Ausschreibung von Aufträgen. Kopierpapier oder auch der Ankauf von Bildmaterial, natürlich nicht ohne Angebot und bei größeren Vorhaben nicht ohne Ausschreibung. Manchmal ist dies ein lästiges Prozedere, aber im Sinne des Steuerzahlers oder des Aktionärs eines Unternehmens ohne Zweifel richtig.
Aber wer wird schon so kleinlich sein, wenn das Verteidigungsministerium fünf Schiffchen für die Badewanne der Ministerin bestellt!!! Kaum zu glauben, dass das Kartellamt auf Anregung einer Werft, die übergangen wurde, zu dem Schluss kommt, dass fünf Korvetten zum Gesamtpreis von 1,5 Mrd. Euro nicht ohne Ausschreibung bestellt werden könnten. Jetzt wo die Marine Schiffe braucht, da wollte man doch mal zügig handeln …! Als Steuerzahler bin ich sprachlos über die Argumentation des Ministeriums: Die beteiligten Unternehmen hätten doch solche Schiffe bereits früher einmal geliefert, da handle es sich um eine Nachbestellung.
Jeder kleine Sachbearbeiter im Einkauf würde bei einer solchen Vorgehensweise bei weit geringeren Einkaufswerten Probleme bekommen, aber an der Ministerin perlt auch ein Einspruch des Kartellamts ab – genauso wie das Urteil des Koblenzer Landgerichts.
Stangentanz in Pfullendorf
Ein Tänzchen an der Stange im Aufenthaltsraum in der Pfullendorfer Kaserne sollte wohl die anwesenden Herren erheitern, aber Frau Leutnant hatte sich die Aufnahme in die Sanitätseinheit in der baden-württembergischen Staufer-Kaserne wohl etwas anders vorgestellt – und „schon“, besser gesagt spät, kam der Skandal ins Rollen. Zwar tut sich die zuständige Staatsanwaltschaft mit einer Strafverfolgung der Vorwürfe schwer, die von Mobbing über menschenverachtende Aufnahmerituale bis zu merkwürdigen sexuellen Handlungen reichen, aber dem Führungskodex der Bundeswehr – der Inneren Führung – entspricht dies sicherlich in keinster Weise.
Und im Sinne der Gleichstellung soll es bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall zu sexuellen Übergriffen auf einen männlichen Obergefreiten gekommen sein.
Ausschließen können wir solches Fehlverhalten in keiner Institution und schon gar nicht, wenn dort rd. 240 000 Menschen tätig sind. Aufhorchen lässt aber schon, wenn bei den Nachforschungen zu Tage tritt, dass Vorgesetzte Bescheid wussten, ohne einzugreifen.
Oberleutnant als „syrischer Flüchtling“
Immer wenn ich denke, schlimmer kommt’s nimmer, dann steht das nächste Fettnäpfchen bereit: Franco A., ein Oberleutnant der Bundeswehr, ausgerechnet auch noch bei der deutsch-französischen Brigade eingesetzt, wird als syrischer Flüchtling vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt. Den deutschen Behörden fällt mal wieder nichts auf, auch nicht, dass der Herr Oberleutnant in seiner Masterarbeit rechtsextreme Positionen vertritt und ein rechtes Netzwerk zusammenbastelt. Nur gut, dass die österreichischen Behörden wichtige Hinweise liefern und sich herausstellt, dass Offenbach, der Herkunftsort von Franco A., doch nicht in Syrien liegt!
Jetzt wird es aber Zeit, so scheint Verteidigungsministerin von der Leyen zu denken, den Gegenangriff zu starten. Kasernen werden nach Wehrmachtsdevotionalien durchsucht, und auch gleich das Foto des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform abgehängt. Die Namensgeber von Kasernen sollen nochmals überprüft werden. Sicherlich nicht falsch, aber hätte dies nicht schon längst geschehen müssen? Es darf doch nicht wahr sein, dass erst wenn das Skandalfeuer auflodert im Ministerium die Alarmglocken läuten. Reichlich spät, dann aber ohne Augenmaß, macht sich immer wieder Flinten-Uschi auf den Kriegspfad.
Wir nehmen, wen wir kriegen …
So lautet wohl inzwischen die Devise bei der Bundeswehr. Schaut man in die Personalstrategie der Bundeswehr, die Ende 2016 vorgesellt wurde, dann heißt es dort: „In Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels kann nur eine moderne, flexible und wertschätzende Organisation im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen.“ Wer möchte da widersprechen! Aber wer wird bei einer Organisation anheuern, wo er sexuell belästigt wird oder mal an der Pole-Dance-Stange antreten muss. Wertschätzend ist dieses Verhalten sicherlich nicht.
Und weiter heißt es: “Künftig können auch Bewerber ohne Schul- und Berufsabschluss auf eine Einstellung hoffen – falls sie das nötige Potenzial besitzen. Die Bundeswehr setzt dabei auf die interne Ausbildung und Qualifizierung ihrer Mitarbeiter.“ Das klingt ja wunderbar, aber dann müssen auch die Umgangsformen stimmen: Noch mehr als bisher werden auch Minderjährige „anheuern“, und sie bedürfen besonderer Zuwendung. Verstärkt wohl auch politischer Bildung!
„Außerdem wird geprüft, ob die Soldatenlaufbahn für Bürger aus anderen EU-Staaten geöffnet werden kann.“ Hier fühle ich mich schon ein bisschen an die Endzeit des Römischen Reichs erinnert, denn auch da wurden die Reihen mit Soldaten aus anderen Ländern aufgefüllt. Aber auch dieses Rekrutierungsreservoir lässt sich – wenn man es möchte – nur ausschöpfen, wenn die Attraktivität der „Truppe“ stimmt.
Hilft mehr Geld?
Zwar hatten die NATO-Staaten bereits 2014 in Wales den Entschluss gefasst, zukünftig 2 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Unter den europäischen NATO-Staaten schafft dies ausgerechnet Griechenland! Aber denen geht es finanziell auch glänzend! Oder doch nicht? An diesem Beispiel lässt sich leicht erkennen, dass eine generelle Vorgabe völlig absurd ist. Kaum war Donald Trump an der Macht, da versuchte er, seinen „Partnern“ mal richtig Dampf zu machen. Meistens per Twitter, mal in ruppiger Form persönlich, aber das scheint auch schon inhaltlich zu reichen. 140 Zeichen ist eine ganze Menge, und wen interessieren schon noch Details?! Und die poltrigen Aussagen des US-Präsidenten sind zwar länger, aber nicht ergiebiger als seine Tweets.
Für mich erschreckend, dass nicht nur Ministerin von der Leyen, sondern auch die Bundeskanzlerin eilfertig die Zielvorgabe wieder aufgriffen, ohne die zu finanzierenden Aufgaben zu benennen. „Ja, wir wissen, dass wir einen größeren, einen faireren Teil der Lasten für die gemeinsame Atlantische Sicherheit tragen müssen“, sagte Ursula von der Leyen zur Eröffnung der 53. Münchner Sicherheitskonferenz am 17. Februar 2017. Wenn wir bisher keinen ‚fairen‘ Anteil tragen, dann hätte Donald Trump Recht. Ganz so sehe ich dies allerdings nicht!
Nur zur Richtigstellung: Unsere Soldatinnen und Soldaten sollen gut ausgerüstet ihre Aufgaben erfüllen, aber zuerst müssen diese definiert und dann die notwendigen Budgetmittel festgelegt werden. Umgekehrt kann es nicht funktionieren.
Wer führt denn bei der Bundeswehr?
Nach Franco A. und seinem rechtsextremen Netzwerk wurde es der Verteidigungsministerin mulmig, die sich sicherlich noch immer als prädestinierte Nachfolgerin von Angela Merkel sieht, und sie zeigte ihrer Truppe, wo es fehlt: An der Führung! “Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen”, betone Ursula von der Leyen in einer ZDF-Sendung. Sie muss es wissen, denn sie ist die Chefin des „Vereins“. Allerdings dachte ich immer, dass die Führung bei der Ministerin, wie auch bei jedem Vorstandsvorsitzenden in einem Unternehmen anfängt.
Vorausschauendes Denken und Handeln scheint im Verteidigungsministerium nicht sehr ausgeprägt zu sein, ansonsten würde man dort nicht ständig von einem neuen Skandal eingeholt. Ein Frühwarnsystem für Missstände in der Bundeswehr ist zwingend erforderlich: Wenn die Führung über Probleme aus den Medien erfährt, dann besteht Handlungsbedarf. Wir brauchen eine stabile Bundeswehr, die nicht von Skandalen geschüttelt wird.
Ich kann nur hoffen, dass die Auslandseinsätze anders und besser geplant werden als die Aktivitäten in Deutschland. Rechtsextreme Netzwerke gehören ebenso wenig in die Bundeswehr wie ein „Stangentänzchen“. Das Schlechtreden von Gewehren und der Milliardenkauf von Marineschiffen ohne Ausschreibung zählen ebenfalls nicht zu den Glanzstunden der Ministerin. Wenn Flinten-Uschi ihren Karriereknick überwinden möchte, dann bedarf es mehr Transparenz und echter Führung – und diese muss im Büro der Ministerin beginnen und nicht in der Schreibstube irgendeiner Kaserne!
Eine Antwort auf „Flinten-Uschi auf dem Kriegspfad“