Stuttgarter Zoo: Finanzministerium auf holpriger Suche nach neuem Caterer

Zum Glück stimmt das Nahrungsangebot für die Tiere in der Wilhelma

Nun habe ich in meinem Erwerbsleben in einem Ministerium, bei einem großen Mittelständler und einem weltweit aktiven Großunternehmen so manches gesehen, aber dass man einen Caterer oder Kantinenbetreiber vor die Tür setzt, ehe man einen leistungsfähigen Nachfolger hat, das habe ich nirgendwo erlebt. Das schafft die öffentliche Hand in Form des baden-württembergischen Finanzministeriums allerdings beim überregional bekannten Zoologisch-Botanischen Garten Stuttgart, der Wilhelma. Und der Vorsitzende des Fördervereins, Georg Fundel, meint wohl, es komme auf ein paar Monate hin oder her auch gar nicht an! Ob er als früherer Chef des Stuttgarter Flughafens auch so gedacht hat? Na gut, der gehört ja auch der öffentlichen Hand! Selbstredend habe ich nichts gegen Qualitätsverbesserungen, aber ein Imbisswagen als Zwischenlösung ist nun wirklich nicht der Knüller.

Vorausschauende Planung geht anders: Das baden-württembergische Finanzministerium unter der grünen Ministerin Edith Sitzmann treibt die Ausschreibung für den Betrieb der Restaurants im Zoologisch-Botanischen-Garten in Stuttgart so holprig voran, dass die Besucher jetzt durch einen Imbisswagen bzw. in einem Zelt verköstigt werden, obwohl voll eingerichtete Restaurants bereitstehen. (Bild: Ulsamer)

Nach 55 Jahren zu kurz gesprungen

Das Finanzministerium hat nach 55 Jahren mit dem gleichen Pächter – der Schuler-Gastronomie – die Verköstigung der Menschen, zum Glück nicht der Tiere, europaweit ausgeschrieben. Dagegen spricht natürlich nichts, warum nicht mal den Markt abklopfen, wer was zu welchen Konditionen anbieten kann. In den letzten Jahren wurde der Vertrag mit Schuler ohnehin nur noch in Jahresscheiben verlängert, was verständlicherweise nicht zur Investitionsfreude des Pächters beigetragen hat. Wie man aber bei einem Anlauf von über einem halben Jahrhundert dann die Ausschreibung so vornimmt, dass sich eine Lücke bis zum neuen Betreiber der Gastronomie ergibt, das kann ich mir allerdings nicht erklären. Ich sage nur Flughafen Berlin-Brandenburg, Elbphilharmonie oder Stuttgart 21: Zeitliche und finanzielle Abläufe scheinen nicht die Stärke von Ministerien, vielen Kommunen oder öffentlichen Unternehmen zu sein.

Nun kennen meine Frau und ich die Wilhelma schon seit Kindertagen und danach auch mit eigenen Kindern und inzwischen mit Enkelkindern. Bisher wurden alle satt und dies bei ordentlicher Qualität: Bei manchen Kritikern fragen wir uns schon, welche Erwartungen sie an eine solche Gastronomie haben! Wir waren immer froh, dass es durch die Selbstbedienung zügig ging und im Regelfall auch genügend Platz für unsere größer werdende Familie war. Unsere Kinder und Enkelkinder zog es zu den Tieren und Essen war wichtig, aber nicht das zentrale Anliegen. Wer nur gepflegt essen möchte, der muss eigentlich auch nicht extra in den Zoo gehen.

Bei uns stimmt die Qualität der gärtnerischen Versorgung im Zoologisch-Botanischen Garten Stuttgart, der Wilhelma, so hört man leise die Pflanzen aufatmen. Da haben es die menschlichen Gäste schlechter erwischt, die müssen jetzt im Winter am Schaubauernhof mit Bockwurst und Pommes im Freien stehen. Da ist es bei uns doch echt gemütlicher! (Bild: Ulsamer)

„Glas Wein“ als zentraler Leitgedanke?

Gespannt bin ich, welche ‚Eierlegende Wollmichsau‘ das Finanzministerium aus dem Hut zaubern wird, die nur Vorteile hat, zusätzlich alle Bedürfnisse befriedigt und den unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht wird. Einerseits wird das Preis-Leistungs-Verhältnis moniert, zum Teil gelten die Preise als zu hoch, aber andererseits hat Georg Fundel laut „Stuttgarter Nachrichten“ (15.12.17) eine ‚brillante‘ Idee: „Manche Gäste würden sich gern an einen weiß gedeckten Tisch setzen und sich ein Glas Wein bringen lassen.“ Das mag ja stimmen, aber wie passt es mit der großen Zahl der kleinen Gäste zusammen, die auf einen „gedeckten Tisch“ beim Zoobesuch wenig Wert legen, und wer trinkt denn tagsüber „ein Glas Wein“ – oder auch mehr – im Zoorestaurant?  Welche Besuchergruppen hat der Vorsitzende des Fördervereins, dem auch wir angehören, denn im Blick? Es hätte schon jetzt nichts dagegengesprochen, am Abend oder bei speziellen Veranstaltungen, weitere Angebote für Fundels Klientel anzubieten oder bekommen wir dann zwei Restaurantkategorien? Für die etwas lauteren Familien mit Kindern, die nicht auf die Bedienung am Tisch warten wollen, und für die genüsslich ihren Wein schlürfenden Gäste, die ihren Fixpunkt im Restaurant haben und Tiere als schmückendes Beiwerk betrachten. Ich glaube kaum, dass eine solche Veränderung Familien mit Kindern, die ihr Vesper auch aus Kostengründen im Bollerwagen oder im Rucksack transportieren, zu einem Abstecher ins Zoorestaurant bewegen wird.

Über Konzepte für das Catering kann man trefflich streiten, aber kritikwürdig ist es, wenn die Ausschreibenden – das Finanzministerium – und die sicherlich auch gehörte Zooverwaltung sowie der Verein der Freunde und Förderer der Wilhelma nicht in der Lage sind, Ausschreibung, Festlegung des neuen Pächters und Neustart so abzustimmen, dass sich keine Lücke ergibt. Die Zeit des Imbisswagens und eines Zeltes – jeweils vor der Tür eines voll ausgestatteten Restaurants – wird sich durch Umbauten ohnehin weiter verlängern, da vom neuen Pächter umfassende Investitionen erwartet werden. So werden sich die Türen der Restaurants sicherlich nicht Ende März, sondern vielleicht eher im Sommer wieder öffnen.

Puh, da haben wir aber Glück, dass man unsere Versorgung nicht auch neu ausgeschrieben hat, so müssen wir uns jetzt nicht auf Futtersuche machen. (Bild: Ulsamer)

Voraussicht fehlt

Bin ich froh, dass das Ausschreibungsdebakel nur uns Menschen und nicht die Tiere und Pflanzen im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma betrifft! So werden sie nicht hungern oder verwelken! Von unserer Verwaltung erwarte ich als Bürger allerdings, dass sie vorausschauend und nachhaltig arbeitet. Die Vergabe der neuen Pacht für die Restaurantbetriebe in der Wilhelma stimmt mich hier nicht optimistisch.

Ich hoffe, dass bei der Auswahl des Restaurantbetreibers darauf geachtet wird, dass die Wilhelma maßgeblich aus Steuergeldern getragen wird und daher das Interesse der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen muss. Die bereits eingeleitete Regionalisierung der eingesetzten Nahrungsmittel muss auf jeden Fall fortgesetzt und intensiviert werden. Für Kinder und Jugendliche hat ein Zoologisch-Botanischer Garten größte Bedeutung, denn in vielen Fällen erleben gerade Stadtkinder Tiere und Pflanzen hautnah nur noch im Zoo, so z.B. im Insektarium. Dort bildet sich oft auch ein Fünkchen ökologischen Bewusstseins heraus. Gemütliche Weinstuben finden sich dagegen in Stuttgart allenthalben.

 

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