Taschenspielertricks der Bundesregierung verfassungswidrig
So kann es gehen, wenn eine Bundesregierung versucht, mit Tricksereien die finanziellen Spielräume auszuweiten: Das Bundesverfassungsgericht hat – auf Antrag von Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – zurecht die nachträgliche Umbuchung von Kreditermächtigungen aus dem Coronatopf zum Klimaschutz gestoppt. Keine Frage, finanzielle Unterstützung war während der Coronapandemie wichtig, was selbstredend für den Klima- und Transformationsfonds gilt, doch der Zweck heiligt nun mal nicht alle Mittel. Von FDP-Finanzminister Christian Lindner fühlte man sich an der Hand genommen und zu den Hütchenspielern in der Fußgängerzone geführt, wo man gleichfalls nicht weiß, unter welchem Hütchen gerade das kleine Objekt verborgen ist. Naht die Polizei, werden die Betrugsutensilien schnell weggepackt. Diesen Zeitpunkt hat die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP allerdings verpasst, zu sicher waren sich Finanzminister Christian Lindner, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz, und nun verpasste ihnen das Bundesverfassungsgericht eine schallende Ohrfeige: Das Verschieben von 60 Mrd. Euro – sprich entsprechenden Kreditaufnahmen – wurde schlichtweg als verfassungswidrig eingestuft.
Warnungen vor Finanztricksereien gab es reichlich
Zuerst etwas bedröppelt und dann mit Unschuldsmiene stand FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner vor den Medienvertretern, und meinte allen Ernstes – laut Frankfurter Rundschau – man habe die Verschiebung der Kreditermächtigungen von Corona zum Klima so vorgenommen „wie nach bestem fachlichem Rat wir es verfassungsrechtlich für verantwortbar gehalten haben“. Bei SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hätte mich diese Aussage weniger gewundert, denn er hat ja auch beim Cum-ex-Thema deutliche Gedächtnislücken offenbart, doch nun scheint auch Bundesfinanzminister Lindner an Vergesslichkeit zu leiden! Hatte nicht der Bundesrechnungshof betont: „Die Bildung kreditgedeckter Rücklagen in Sondervermögen hebelt die Schuldenregel aus und präjudiziert kommende Haushaltsberatungen.“ Und weiter hieß es: „Dies verletzt das Jährlichkeitsprinzip und beeinträchtigt das parlamentarische Budgetrecht.“ Auf eine solch kritische Einschätzung bin ich schon am 9. Januar 2022 in meinem Blog-Beitrag ‚Bundesrechnungshof watscht Bundesfinanzminister Lindner ab‘ eingegangen, und davor hatte ich unter dem Titel ‚Nachtragshaushalt: Vom Wumms zum Booster. Seifenblasen von Olaf Scholz und Christian Lindner‘ am 15. Dezember 2021 die Kritik des Bundes der Steuerzahler aufgegriffen, „In der Haushaltspolitik leistet sich die Ampel einen Fehlstart. Die neue Regierung baut den bereits bestehenden Klimafonds zu einem gigantischen Schuldenfonds mit zusätzlichen 60 Milliarden Euro Kredit aus. Dieser Vorgang ist verfassungsrechtlich bedenklich und nicht zustimmungsfähig im Bundestag!“ Leider verhallten die Stimmen des Bundes der Steuerzahler ebenso wie die des Bundesrechnungshofs im Finanzministerium, und daher konnte erst das Bundesverfassungsgericht die Ampelregierung auf ihrem verfassungswidrigen Weg stoppen.
Wenn die Ampelregierung jetzt so tut, als hätte sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und dabei sachkundige Kompetenz in die Entscheidungsfindung einbezogen, dann ist das lächerlich! Im Grunde musste man kein Verfassungsrechtler sein, um zu erkennen, dass ein Nachtragshaushalt verfassungswidrig ist, wenn er nach Ablauf des Jahres rückwirkend beschlossen wird. Kredite, die abweichend von der Schuldenbremse zur Abfederung der Corona-Folgen im Bundestag genehmigt wurden, können nicht nach dem Ende der Notlage beliebig verschoben werden, so das Bundesverfassungsgericht am 15. November 2023. Scholz, Lindner und Habeck haben sich als Hütchenspieler offensichtlich – und dies trotz sachkundiger Warnungen – verkalkuliert. Statt jedoch Innezuhalten und den Bundeshaushalt so zu gestalten, dass die Schuldenbremse eingehalten werden kann, fordern zahlreiche Politiker gerade auch der Grünen, die Schuldenbremse am besten gleich aus dem Grundgesetz zu streichen oder bei jeder Gelegenheit eine Notlage auszurufen, die dann wieder überbordende Kredite erlaubt. Ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen, die immer gerne über die Zukunft fabulieren, wollen bedenkenlos die Kreditlast für nachwachsende Generationen erhöhen. „Die faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die ‚Schuldenbremse‘ bei gleichzeitiger Anrechnung als ‚Schulden‘ im Haushaltsjahr 2021 ist demzufolge unzulässig“, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Dies sollte als Aufforderung verstanden werden, nicht nach neuen Schlupflöchern zu suchen, sondern einen Haushalt aufzustellen, bei dem Einnahmen und Ausgaben wieder in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden. Schluss muss auch sein mit allerlei Sondervermögen und Nebenhaushalten, aus denen sich längst ein politischer Graubereich entwickelt hat. Gänzlich anders sehen das die Ko-Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Ricarda Lang, und Saskia Esken von der SPD, denn sie wollen die Schuldenbremse loswerden und bei Krediten richtig zulangen. Eines ist bei solchen Politikerinnen und ihren männlichen Counterparts sicher: Es wird immer einen Grund geben, um nach mehr Krediten zu rufen und die Schuldenlast für nachwachsende Generationen zu erhöhen. Ausgabendisziplin ist manchen Politikerinnen und Politikern leider fremd.
Finanzminister und FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner ist als Hütchenspieler aufgeflogen. Die Ampelregierung hat mit ihren Finanztricksereien nicht nur sich selbst geschadet, sondern auch der politischen Kultur! Sozialdemokraten, Grüne und Liberale scheint es kaum zu stören, dass zunehmend weniger Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs der Ampelregierung mittragen.
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Das Ministerium der Finanzen sitzt in Berlin in einem geschichtsträchtigen Gebäude. Auf das Königlich Preußische Kriegsministerium folgte in der Weimarer Republik das Reichswehrministerium. Das verbrecherische NS-Regime ließ in seinem sprichwörtlichen Größenwahn das Gebäude an der Wilhelmstraße aus preußischer Zeit abreißen und für das Reichsluftfahrtministerium von Hermann Göring einen 2 000 Räume umfassenden Neubau errichten. Nach dem von der NS-Diktatur begonnenen und zum Glück für uns alle verlorenen Zweiten Weltkrieg zog zuerst die Sowjetische Militäradministration ein. Am 7. Oktober 1949 wurde im Festsaal die DDR gegründet. Bis zur Wiedervereinigung diente der Gebäudekomplex, der ab 1961 direkt an der Berliner Mauer lag, als ‚Haus der Ministerien‘ der Deutschen Demokratischen Republik. Vor dem Haus der Ministerien demonstrierten am 16. Juni 1953 die Bauarbeiter der Stalinallee für eine Senkung der Arbeitsnormen. Sie forderten den Rückstritt der SED-Regierung, die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie freie und geheime Wahlen. Der Volksaufstand wurde am 17. Juni von sowjetischen Panzern brutal niedergewalzt. Von 1991 bis 1995 war an diesem Ort die Treuhandanstalt tätig, seit 1995 ist hier der Sitz des Ministeriums für Finanzen. (Bild: Ulsamer)
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