Der Service lässt häufig zu wünschen übrig
Seit über 30 Jahren fahren wir regelmäßig mit Fähren nach Irland. Mal vom französischen Roscoff oder Cherbourg aus oder von den walisischen Häfen Holyhead und Fishguard bzw. von Cairnryan in Schottland. Und wenn es über England geht, dann kommen häufig noch Fährverbindungen über den Ärmelkanal oder auch von Amsterdam nach Newcastle hinzu. Dabei sind und waren wir uns immer bewusst, dass eine Nutzung dieser Fähren – zumindest überwiegend – eher einer Fahrt mit dem ÖPNV gleicht als einer gehobenen Schiffspassage. Ein echter Konkurrenzdruck fehlt, denn nicht wenige Strecken bedient nur ein Anbieter oder zwei Fährgesellschaften scheinen sich auf zweifelhafte Servicestandards geeinigt zu haben. Bei so mancher Fährverbindung ist das Ankommen wohl bereits die eigentliche Leistung, die man sich ganz ordentlich bezahlen lässt. Da findet sich die Verpackung eines vom Vorgänger gemampften Riegels eingeklemmt in der Koje. Gelenkig wie man noch ist, musste ich bei DFDS nach Newcastle über die Mittelkonsole des Autos mit der Schaltung auf die Beifahrerseite klettern, um dort auszusteigen, weil die Fahrzeuge extrem eng an die Wand gepackt wurden! Oder man bezahlt für eine Leistung, die gar nicht erbracht wird, so jüngst bei einer Reise mit der Stena Line von Rosslare nach Cherbourg geschehen. Mal kommt man sich wie in einer Spielhalle mit zahllosen Automaten vor, mal ist man froh, wenn man bei Sonne draußen sitzen kann und sich die Enge im Schiffsinneren erspart. Würden Hoteliers ihre Häuser so führen wie manche Fähre über die Meere schippert, dann wären sie schnell pleite.
Kritik trifft auf taube Ohren
Im Grunde waren wir gewarnt, als wir Stena wählten, um von Irland nach Frankreich zu reisen, denn diese schwedische Fährgesellschaft bringt es auf ziemlich unterirische Bewertungen, so reichte es bei ‚Trustpilot‘ (Stand: 22. November 2024) nur zu 2,6 von 5 Sternen, und sage und schreibe 47 % der Bewerter haben überhaupt nur einen Stern vergeben. So mancher hätte am liebsten gar keinen Stern markiert, doch das geht im System nicht. Bei ‚Tripadvisor‘ reichte es immerhin zu 3,5 von 5 Punkten. Bei ‚HolidayCheck‘ vergaben die Reisenden 2,6 von 6 Punkten. Das sind keine verlockenden Reviews, und ganz bestimmt würden wir bei entsprechenden Kritiken nie in ein solchermaßen beurteiltes B&B oder ein Hotel einchecken. Bei Fähren hat man aber meist keine Wahl, und die Fährverbindung vom irischen Rosslare ins französische Cherbourg reizte uns, da wir noch das eine oder andere Ziel in der Normandie ansteuern wollten. So buchten wir für den 17. April 2024 eine Überfahrt mit der ‚Stena Vision‘.
Über Visionen kann man trefflich streiten, aber das ganze Schiff mutete eher wie von vorgestern an, ganz bestimmt nicht wie eine maritime Zukunftsvision und das ist auch kein Wunder, denn die Fähre wurde bereits 1981 auf einer Werft im polnischen Gdynia (Gdingen) auf Kiel gelegt. Nicht das Alter des Schiffs war allerdings das Problem, sondern der Verkauf einer Leistung, die nicht erbracht wurde. Deshalb schrieb ich am 22. April 2024 an das Stena-Servicecenter: Bei Stena hat uns diesmal überrascht, dass uns eine Leistung angeboten und verkauft wurde, die dann nicht erbracht wurde. Bei unserer Buchung hieß es: „Abendbuffet inkl. Bier, Tischwein u. Softdrinks“. Auf unseren Hinweis an die Mitarbeiter bei der Essensausgabe auf die eingepreisten Getränke folgte ein sehr freundliches Gespräch mit dem zuständigen Manager. Er kannte das Problem, dass auf der deutschen Internet-Seite auf Getränke verwiesen würde, die im Preis eingeschlossen seien, doch dieses Leistungsversprechen konnte an Bord nicht erfüllt werden. Es liege keine Schankgenehmigung in irischen Gewässern vor. Kein Problem, denn das Essen schmeckte nicht nur zahlreichen Schulklassen, die das Büfett stürmten, sondern auch uns. Ich erkundigte mich nach der Rückkehr bei Stena, warum Leistungen verkauft werden, die nicht erbracht werden können. Nachdem eine Antwort ausblieb, erinnerte ich per Mail an die Beschwerde. Ebenfalls keine Antwort. Stena verwies vorbeugend darauf, dass „Die Beantwortung von Reklamationen … aktuell bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen“ kann. Vielleicht werden bei Stena auch Wochen und Monate verwechselt. Wer weiß! Oder liegt es daran, dass das 1981 auf Kiel gelegte Schiff erst Ende 1986 fertiggestellt wurde? Da werden sich wohl nicht seit dem verspäteten Stapellauf alle Zeiten verschoben haben? Aber Spaß beiseite: Am 23. Oktober 2024 schrieb ich an den Geschäftsführer der deutschen Stena Line GmbH, Mikko Juelich. Und was geschah? Vier Wochen nichts! Doch dann trudelte eine Mail ein, in der schlichtweg erklärt wurde, man habe eine neue Buchung übermittelt und damit sei es wohl auch gut. Dass die angehenden Passagiere auf einer mehrmonatigen Reise sind, das wird nicht ins Kalkül gezogen, und mit Sicherheit lese ich bei Buchungshinweisen nur, ob Tag, Uhrzeit und Hafen noch stimmen. Denn man weiß ja nie. Sieben Monate für eine solche Antwort sind reichlich lang, aber Schwamm drüber. Nicht ganz passend ist es, dass der Gesamtpreis der Überfahrt der gleiche geblieben war, obwohl in der nachgereichten Buchung die Kosten für das Abendessen reduziert worden waren, worauf Lutz Lippmann, Travel Contact Center Agent der Stena Line, mit einem roten Strich hingewiesen hatte. Leider hat er die Zeile darüber nicht zusätzlich markiert, denn dort kostete das Frühstück für zwei Personen plötzlich statt 30 nun 36 Euro. Was für ein Zufall! Damit war diese schräge Geschichte aber noch nicht zu Ende. Kommentarlos wurden am 27. November über die Kreditkarte sechs Euro rückerstattet, um die sich der Preis fürs Abendessen reduziert hatte. Diesen Betrag nachträglich beim Frühstück aufzuschlagen, dies war als Trickserei wohl doch zu durchsichtig. Eine kleine und zeitnahe Entschuldigung hätte gereicht, doch bei Stena geht man lieber den umständlichen Weg. Ich bin zwar nicht pingelig, und der Betrag ist minimal, doch so sollte man mit Kunden nicht umspringen. Deshalb wundern mich die miesen Bewertungen, die zuhauf für Fahrten mit Stena abgegeben werden, nicht im Geringsten. Mich persönlich würden negative Kritiken stören, bei Stena sehen das manche Mitarbeiter und wohl auch die Eigentümer anders.
Fehlender Wettbewerb
Fehler können überall passieren, das weiß ich aus meiner eigenen jahrzehntelangen Erfahrung in einem Ministerium und in der Industrie, doch dann sollte man als Unternehmen schnell reagieren und sich zumindest entschuldigen und den Ausgleichsbetrag für die nächste Reise gutschreiben. Dass Deutschland und weite Teile Europas häufig als eine Servicewüste bezeichnet werden, das wundert mich nach den Erfahrungen mit Stena und anderen Fährunternehmen nicht. Die soziale und ökologische Marktwirtschaft kann in unserer wettbewerbsintensiven Welt nur bestehen, wenn Unternehmen nicht allein die eigene Kasse klingeln hören wollen, sondern die Kunden als Partner betrachten! Verwunderlich ist es, dass die EU-Kommission seit Jahren die Automobilindustrie mit ständig neuen Anforderungen am Gängelband durch die Manege führen will, doch bei Fähren darf es aus den Kaminen qualmen. Natürlich kommen technologische Neuerungen bei Fähren wegen der langen Nutzungszeit zögerlicher voran als beim Pkw, das steht außer Frage, aber es reicht nicht, wenn man – wie bei Stena – „Connecting Europe for a Sustainable Future“ auf den weißen Schiffsbauch pinselt. Nachhaltigkeit habe ich mir anders vorgestellt, und diese Kritik gilt gleichermaßen für andere Fährunternehmen.
In weiten touristischen Bereichen und so auch bei Fahrten über den Ärmelkanal hat sich nach unseren Erfahrungen das Angebot in den letzten Jahrzehnten eher verbessert, denn dort ist der Konkurrenzdruck über und unter Wasser – Kanaltunnel – erheblich. Und Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft! Für Fähren, die nach Irland fahren, scheint das offensichtlich eher nicht zu gelten. Dies ist in technischer Sicht nicht verwunderlich, denn so manche Fähre befuhr erst das Mittelmeer oder verkehrte zu nordeuropäischen Destinationen, um dann auf ihre alten Tage nach Irland eingesetzt zu werden. Hier gab es auch früher schon negative Ausreißer, denn die bereits vor Jahren eingestellte Fähre, die zwischen dem walisischen Swansea und Cork in der Republik Irland pendelte, war so betagt, dass sich vor dem Internetzeitalter das Reisebüro weigerte, Tickets zu verkaufen mit der Begründung: „Da hört man es ja rosten.“
Bei zahlreichen Ladeabläufen in den vergangenen Jahrzehnten hatte ich bei unterschiedlichen Fährgesellschaften den Eindruck, dass bei jeder Fahrt Neulinge am Werk waren, und dies am wenigsten in Calais oder Dover bzw. Cairnryan (P&O). Dort spielt der Faktor Zeit wohl eine größere Rolle als bei den Fähren, die über eine längere Distanz unterwegs sind. Manches Mal müssen Fahrzeuge unmittelbar an die Wand geparkt werden, dass man beispielsweise bei DFDS auf der Fahrt von Amsterdam nach Newcastle das Vergnügen hat, über die Mittelkonsole zu klettern und durch die Beifahrertür auszusteigen. Bei Stena ging es auf der ‚Horizon‘ mit dem Auto steil aufs Oberdeck, dann im Rückwärtsgang in die Parkbucht. Und so konnte unser Fahrzeug auf dem gleichen Deck mit uns parken, immerhin hatten wir zumindest ein Dach über dem Kopf. Bei jeder Verladung verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass Touristen im Zeitalter von Billigfliegern eine beständig kleinere Rolle spielen und es im Grunde um Lkw oder deren Aufleger geht. Speditionen bringen eben rund ums Jahr Geschäft für die Fährgesellschaften. So müssen sich die Pkw-Gäste an Lkw auf dem Weg zum Aufgang vorbeidrücken.
Überfahrt als erträgliches Übel
Irish Ferries gibt sich zwar gerne als ‚echt‘ irische Fährgesellschaft zu erkennen, doch seit 2005 fahren die Schiffe unter zypriotischer Flagge und damit einher ging die Anwerbung von preisgünstigerem Personal aus Asien oder Nordeuropa. Die anderen Fährgesellschaften eiferten nach, und so kann man nur hoffen, dass im Ernstfall an Bord kein babylonisches Sprachgewirr entsteht. Da ich in der Automobilindustrie tätig war, bin ich mir bewusst, dass zumeist kein Fahrzeug ohne Mitarbeiter mit Migrationshintergrund fertiggestellt würde, doch die Kommunikation erschien mir trotz Sprachbarrieren flüssiger als auf vielen Fährschiffen. Einem Verwirrspiel gleichen die Namenswechsel bei Irish Ferries & Co. Manchmal haben wir den Eindruck, die Fährschiffe würden an einer Tauschbörse weitergereicht. So hat die ‚Oscar Wilde‘ von 2007-2013 nichts mit dem gleichnamigen Schiff zu tun, das 2003 unterwegs war bzw. seit 2004 die Strecke Calais-Dover bedient, wobei es sich wieder um ein anderes Schiff handelt. Aber auch zahlreiche weitere Fährschiffe sind für unterschiedlichste Eigner unter wechselnden Flaggen unterwegs. Im Grunde wäre das positiv, wenn sich bei den Fähren jeweils ein Aufwärtstrend bei Qualität und Service erkennen ließe. Irgendwie passend, dies nur nebenbei bemerkt, beherbergte die ehemalige ‚Oscar Wilde‘, die vom neuen Eigner Mediterranean Shipping Company (MSC) den Namen ‚GNV Allegra‘ verpasst bekam, Migranten, die an der italienischen Küste anlandeten. Oscar Wilde suchte – wegen Homosexualität verfolgt – in Paris Zuflucht, wo er als Migrant 1900 verarmt starb. Inzwischen pendelt die ‚Ex-Oscar-Wilde‘ zwischen Barcelona und dem größten Naturhafen Europas auf Menorca, dem Port de Maó.
Es ist ernüchternd, aber alles Meckern über mangelnde Leistungen von Fährgesellschaften nutzt wenig, denn wenn man ein bestimmtes Ziel im Vereinigten Königreich oder in der Republik Irland erreichen möchte, dann muss man – trotz schlechter Bewertungen und eigener Erlebnisse – mitfahren! So gesehen haben es Fährunternehmen besser als Automobilverkäufer oder der Bäcker gegenüber, denn es gibt in deren Umfeld reichlich Konkurrenz. Der mangelnde Wettbewerb bei verschiedenen Strecken, die auf dem Weg nach Irland nützlich sein können, führt leider häufig zu einem spärlichen Service. Die Mängel scheinen bereits einkalkuliert zu sein, denn sie sind vom Ausmaß her so, dass man sich aufregt, vielleicht eine negative Bewertung im Internet abgibt, aber auf den Weg zum Anwalt verzichtet. Und mangels Alternativen geht man wieder an Bord einer Fähre, obwohl man bei der letzten Fahrt unzufrieden war. Eigentlich ist es schade, dass nicht auch die Überfahrt, sondern nur die historischen und kulturellen Ziele bei der An- und Weiterreise die schönen Momente ergeben.
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Die schwedische Stena Line ist eines der größten Fährunternehmen der Welt und steht nicht nur nach meiner Meinung mit dem Kundenservice auf Kriegsfuß, was sich bei einem Blick in verschiedene Bewertungsportale erkennen lässt. Zwei Fährschiffe der Stena Line im irischen Hafen Rosslare. (Bild: Ulsamer)