Europaparlament: An Veggie-Wurst verschluckt

In welcher Welt lebt die Mehrheit des Europaparlaments?

Das Europarlament und die EU-Kommission machen es mir immer schwerer zu glauben, dass sie einen echten Beitrag zur europäischen Zusammenarbeit leisten. Nur gemeinschaftliches Handeln kann Europa im politischen Wettstreit einen Platz am Tisch der entscheidenden Staaten oder Organisationen sichern, doch wer sich für ein Verbot von Veggie-Burger oder Tofu-Wurst ausspricht, statt dringende politische und wirtschaftliche Probleme zu lösen, der lebt in einer eigenen Realität. Um es etwas flapsig zu sagen: Die Hütte brennt und die Feuerwehr debattiert über den Einsatz von Wasser oder Löschschaum. Jeder Zuschauer würde sich eine andere Löschtruppe wünschen. Zum Glück finden solche Diskussionen nicht bei einem realen Feuer statt. Das Europaparlament dagegen ist sich wirklich zu nichts zu schade. Ich kenne niemanden, der eine Packung mit dem Aufdruck Wurst, Schinken oder Schnitzel aus dem Regal genommen und einen fleischlichen Inhalt erwartet hätte, wenn in nicht zu übersehenden Buchstaben dort ‚Veggie‘, ‚Vegan‘ oder ‚Vegetarisch‘ prangt. Ganz anderer Meinung ist Bundeskanzler Friedrich Merz, der meine Frau und mich fast sprachlos zurückließ, als er bei Caren Miosga meinte: “Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan”.

Braune Ackerfläche bis zum Horizont. Keine Hecke, keine Steinmauer. Blauer Himmel und einige weiße Wolken.
Wenn sich das Europarlament Gedanken über Begrifflichkeiten macht, sollte es zuerst vor der EU-Haustüre kehren. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beworbene und dann schnell wieder vergessene ‚Green Deal‘ mag ein Deal im Sinne des US-Präsidenten Donald Trump sein, doch ‚Grün‘ ist er nicht. So wurde der Einsatz des Wildpflanzenkillers Glyphosat für weitere zehn Jahre auf den Äckern in der Europäischen Union ermöglicht, und weiterhin wird der größte Teil der Agrarsubventionen nach der Fläche verteilt. Auf dieses traurige Thema bin ich in meinem Beitrag ‚EU: Green Deal im Glyphosatnebel verschollen. EU-Kommission hat kein Herz für Insekten und Wildkräuter‘ eingegangen. (Bild: Ulsamer)

Wenn Unsinn zur Politik wird

Zwar stimmte die Mehrheit der deutschen Unions-Abgeordneten im Europaparlament nicht im Sinne ihres Parteivorsitzenden gegen ein Verbot von ‚Veggie‘-Schnitzel & Co., aber das Europaparlament schaffte es dennoch mit 355 Ja-Stimmen für eine entsprechende Gesetzesänderung zu stimmen und sich mal wieder der Lächerlichkeit preiszugeben. 247 Mandatsträger stimmten gegen den von der französischen Konservativen Céline Imart angezettelten Aufstand gegen die Veggie-Wurst. 30 Parlamentarier konnten sich zu keiner Entscheidung aufraffen und enthielten sich der Stimme. Laut ‚tagesschau.de‘ beklagte Céline Imart “ein echtes Verwechslungsrisiko”, denn pflanzenbasierte Ersatzprodukte enthielten nicht dieselben Nährstoffe. Imart hat selbst einen Bauernhof, und ihr und ihren Mitstreitern scheint bisher nicht aufgefallen zu sein, dass die Grundlagen für vegane oder vegetarische Produkte auch von Landwirten kommen, daher ist es absurd, wenn sie behauptet, es ginge ihr „um Anerkennung für die Arbeit unserer Landwirte“! Vielleicht geht Céline Imart ja mit verbundenen Augen zum Einkaufen, ansonsten könnte sie nicht von einem „Verwechslungsrisiko“ sprechen. Sogar der CDU-Abgeordnete und umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion Peter Liese, der sich gerne für die Bauern in die Bresche wirft, betonte, es sei „schade, dass sich die Mehrheit im Europäischen Parlament in einer Zeit, in der wir wirklich andere Probleme haben, mit so einem Unsinn beschäftigt“. Recht hat er!

Vegane Lebensmittel in einem Regal. Die Produkte heußen 'Like Chicken Burger', 'Like Chicken Filet' oder 'Like Döner' und es folgt aufjeder Packung der Hinweis auf das Ursprungsmaterial 'Soja, Erbsen'.
Wer der französischen Europaabgeordneten Céline Imart zustimmt und eine Verwechslungsgefahr von veganer oder fleischlicher Wurst befürchtet, der müsste eigentlich auch das alkoholfreie Bier neu benennen, da sich dieses von der Aufmachung her nur durch den Zusatz ‚alkoholfrei‘ unterscheidet. Sind denn E-Autos wirklich Autos? Seit Carl Benz und Gottlieb Daimler das Auto erfunden haben, wurde es überwiegend mit einem Verbrennungsmotor angetrieben. Und wie steht es mit dem ‚Jägerschnitzel‘? Darf in der Schwarzwaldgemeinde Todtmoos noch ein Schlittenhunderennen stattfinden, obwohl die Hundegespanne Mangels Schnee schlittenähnliche Gefährte auf Rädern über den Trail ziehen? Wenn diese Gedankenwelt der EU unserem Leben übergestülpt wird, kommt leider Schlimmes dabei heraus. (Bild: Ulsamer)

In einem offenen Brief hatten sich Unternehmen wie Aldi Süd, Lidl oder die Rügenwalder Mühle bei den EU-Abgeordneten dafür eingesetzt, die bisherigen Begriffe weiter einsetzen zu dürfen. „Ein Verbot von vertrauten Begriffen würde es Unternehmen deutlich erschweren, ihre Produkte zu verkaufen, insbesondere für die Zielgruppe der Flexitarier, die bewusst nach pflanzlichen Alternativen suchen, die ähnlich wie ihre tierischen Pendants zubereitet und verwendet werden können. Von dem drohenden wirtschaftlichen Schaden wäre Deutschland besonders betroffen, denn Deutschland ist der mit Abstand größte Markt für pflanzliche Alternativprodukte in Europa.“ Die Mehrheit der Parlamentarier hielt trotz allem an ihrem Verbot für die Begriffe Schnitzel, Burger oder Wurst in Kombination mit dem Zusatz Vegan usw. fest. „Unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes will die EU vertraute Begriffe wie Tofuwürstchen oder Seitan-Schnitzel verbieten – das ist nicht Verbraucherschutz, das ist Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie“, so der Geschäftsführer von ‚foodwatch Deutschland‘. Da kann ich nur zustimmen! Was sich immer häufiger in Brüssel und Straßburg abspielt, das hat nichts mehr mit dem Gedanken eines freiheitlichen Europas zu tun.

Eine Skulptur von Jeanne d'Arc hoch zu Ross auf einem Sockel aus bräunlichem Marmor. Dahinter mehrstöckige Häuser.
Einst kämpften Französinnen wie Jeanne d’Arc oder die heroische Symbolfigur Marianne für die Freiheit ihres Landes oder die Revolution, heute zieht Céline Imart gegen die Veggie-Wurst in die Schlacht. Im Bild die Skulptur von Jeanne d’Arc im französischen Orléans. (Bild: Ulsamer)

Das waren noch Zeiten, als Französinnen wie Jeanne d’Arc im Hundertjährigen Krieg gegen englische Invasoren in die Schlacht zog oder Marianne in der Französischen Revolution zur Symbolfigur wurde, die für die Freiheit auf die Barrikaden stieg. Aber musste ausgerechnet Céline Imart aus dem südfranzösischen Aguts einen Antrag ins Europaparlament einbringen, der an Absurdität kaum zu überbieten ist? Imart und all diejenigen, die sich für ein Verbot der Bezeichnungen Veggie-Wurst oder Tofu-Schnitzel aussprachen, haben sich wohl gehörig an Worten verschluckt, die im Grunde Klarheit statt Verwirrung schaffen! Ich kann nur hoffen, dass sich die EU-Staaten, die noch zustimmen müssen, diesem Unsinn widersetzen! Ja, die politische Hütte brennt in Europa und weltweit, doch das Europaparlament scheint das in der Mehrheit nicht zu erkennen, sondern watet tiefer in den Bürokratensumpf! So habe ich mir unser Europa, unsere Europäische Union nicht vorgestellt!

 

Mehrere Kuckucksuhren aus Holz im historischen Stil hängen an einer Wand.
Vermutlich ergeht es dem Verbot der Veggie-Wurst wie der Beendigung der Zeitumstellung, die das Europaparlament ebenfalls befürwortet hat, doch ein entsprechender Beschluss der Parlamentarier blieb bis heute folgenlos. Die Zeitumstellung, die nachweislich gesundheitliche Probleme hervorruft, löste ein so lautes Grummeln aus, dass die EU-Kommission in einem Anflug von Bürgernähe eine breitangelegte Umfrage durchführte, an der sich 4,6 Mio. Bürgerinnen und Bürger beteiligten und mehrheitlich gegen die Zeitumstellung votierten. Der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verkündete daher 2018: „Die Menschen wollen das, wir machen das“. Mehr dazu in: ‚EU: Im Jammertal der Zeitumstellung. Die EU muss handlungsfähig und bürgernah werden‘. (Bild: Ulsamer)

 

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Blick in das Regal eines Discounters mit vegangen Produkten. Alle Erzeugnisse sind gut erkennbar beschriftet.Es ist wirklich grotesk, wenn sich das Europaparlament in einer politisch angespannten Zeit, wo es um Migration, innere und äußere Sicherheit, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Sicherung des Waffenstillstands in Gaza, um US-Zölle und die chinesische Dominanz bei seltenen Erden oder elektronischen Bauteilen, Staatsschulden und wirtschaftliche Flaute geht, über die vermeintliche Verwechslungsgefahr veganer Produkte mit Schnitzeln aus Fleisch Gedanken macht und dazu ein Gesetz auf den Weg bringt. Weniger Bürokratie lässt sich auf diesem Weg nicht erreichen. (Bild: Ulsamer)

 

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