Weltfremde Politiker sollten ein Praktikum als Brummi-Fahrer machen
Auf den ersten Blick ist die Entscheidung der Verkehrsminister der Europäischen Union (EU) natürlich begrüßenswert: Brummi-FahrerInnen sollen zukünftig nicht mehr in ihren Fahrerkabinen schlafen dürfen, sondern in einem ordentlichen Bett. Zuerst verkündete der österreichische FPÖ-Minister Norbert Hofer ein generelles Verbot, in den Fahrzeugen zu nächtigen, doch dies wurde flugs durch eine Sprecherin revidiert: Das Verbot für Übernachtungen im Fahrerhaus solle nur für die Wochenenden gelten. Na gut, es kann einem Minister schon mal passieren, dass er an alle Wochentage denkt, aber nur das Wochenende gemeint hat. Bei Norbert Hofer werden die Unterschiede der Tage nicht so groß sein: Der Chauffeur lenkt die Dienstlimousine, häufig wird die Welt aus Hubschrauber oder Flugzeug betrachtet und selbstredend gibt es überall eine gehobene Hotelübernachtung. Und genau diese würde ich auch jeder Fahrerin oder jedem Fahrer eines Lkws gönnen, denn letztendlich fahren sie Güter durch Europa, die wir alle brauchen.
Wo sollen die FahrerInnen ihr müdes Haupt denn betten?
Aber nun kommt das große ABER! In einer Zeit, in der innerhalb der EU in vielen Staaten noch nicht einmal ordnungsgemäße Parkplätze für alle Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die wegen der vorgeschriebenen Ruhezeiten oder aus anderen Gründen abgestellt werden müssen, kann ich nur über die Weltfremdheit der EU-Verkehrsminister lachen. Mit solchem Unsinn ruinieren sie das ohnehin angeschlagene Ansehen der für uns alle wichtigen Europäischen Union vollends. Warum parken denn Lkw an Ein- und Ausfahrten von Autobahnparkplätzen, obwohl dies verboten ist? Warum verbringen die FahrerInnen Nächte oder das Wochenende in Gewerbegebieten, obwohl sie dort nichts ein- oder ausladen müssen? Warum parken Lkw längere Zeit an Bundes- oder Landstraßen, obwohl es noch nicht einmal eine Toilette gibt? Dies machen die Betroffenen doch nicht, weil sie dies wollen, sondern weil die ausgewiesenen Parkplätze Mangelware sind!
Gehen wir nun mal von der Sinnhaftigkeit der EU-Vorschläge aus, dann frage ich mich schon wie die zwei Millionen Lkw-Fahrer, von denen die EU-Verkehrsminister ausgehen, denn ein Übernachtungsquartier finden werden? Die wenigen Hotels an Autobahnen und die Gasthöfe an Bundes- und Landstraßen würden sich über die neuen Gäste sicherlich freuen. Allerdings dürfte es dann in den vorhandenen Betten ziemlich eng werden. Da nicht jeder Fahrerin und jedem Fahrer danach sein dürfte, seine gewohnte Fahrerkabine in Einzelbelegung mit einem Sammelquartier zu tauschen, müssten sie sich mit ihrem Sattelzug, mit Anhänger oder eben nur der Zugmaschine auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Doch auch dies dürfte nicht so einfach sein, denn wo können oder dürfen denn Lkw übers Wochenende abgestellt werden? Aber einem Verkehrsminister sind solche Banalitäten selbstredend fremd, denn während es sich der Politiker schon mal bequem macht, sucht sein Fahrer ja einen Parkplatz – allerdings nur für einen Pkw.
Den Verkehrsministern bei Wahlen die Quittung verpassen
Bei diesen Vorschlägen kann ich nur ausrufen: ‚Setzen, sechs!‘. Aber Schulnoten beeindrucken EU-Verkehrsminister nicht, dessen bin ich mir bewusst, da hilft nur bei den nächsten Wahlen ein kritischer Blick auf die Wahlzettel: Wenn die Namen dieser Minister draufstehen sollten, dann kann ich nur abraten, dort ein Kreuzchen zu machen. Wer in seinem Wolkenkuckucksheim wohnt – wie diese EU-Verkehrsminister -, der hat jeden Anspruch verspielt, noch ernstgenommen zu werden. Damit wären wir auch noch beim Geldbeutel der Brummi-FahrerInnen, der es nicht immer zulassen dürfte, das nächstgelegene Hotel anzusteuern. Und es muss dann ja auch noch zu den Fahrstrecken und den Ruhezeiten passen. Aber weder das Geld noch die Ruhezeiten spielen bei den genannten Verkehrsministern eine Rolle, die wir SteuerzahlerInnen luxuriös alimentieren. Selbst die angepeilte finanzielle Besserstellung der FahrerInnen würde die Kosten nicht auffangen, die durch Hotelübernachtungen entstehen. Doch gehen wir der Einfachheit halber davon aus, die Kosten würden durch die Speditionsunternehmen übernommen, dann bliebe trotzdem noch die Frage der nicht vorhandenen Übernachtungsmöglichkeiten.
Vielleicht hätte der österreichische Verkehrsminister Hofer statt die Nacht mit seinen Kollegen durchzudiskutieren, mal besser geschlafen – notfalls in einer Fahrerkabine -, dann hätte er bei der morgendlichen Pressekonferenz nicht von einem „absoluten Kabinenschlafverbot“ gesprochen. Auch für die Wochenenden, die zahlreiche FahrerInnen weit entfernt von Familie und Freunden verbringen müssen, stehen doch absehbar gar keine Schlafplätze bereit! Da Norbert Hofer und seine Kollegen viel unterwegs sind, könnten sie in dieser Zeit ihr Bett ja einem Lkw-Fahrer überlassen.
Infrastruktur endlich auf Vordermann bringen
Eine wirtschaftliche und soziale Besserstellung der Lkw-FahrerInnen sehe auch ich als wichtige Aufgabe innerhalb der EU. Die Politik kann jedoch als Folge ihres bisherigen Versagens keine Verbote in die Welt setzen: stattdessen müssen zuerst Infrastrukturen geschaffen werden, die von Parkplätzen über Sanitäreinrichtungen bis zu Übernachtungsmöglichkeiten reichen. Die EU macht sich lächerlich, wenn sie immer nur neue Regularien schafft – siehe Datenschutz-Grundverordnung -, aber nichts tut, um die Lage der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Eigentlich sollte man Verkehrspolitiker, die den Blick für die Realität verloren haben, aus dem Amt werfen: Vielleicht könnten sie dann ein Praktikum als Lkw-Fahrer absolvieren.
Im nächsten Schritt werden die Beschlüsse der EU-Verkehrsminister mit dem Europäischen Parlament diskutiert, aber ob dort die politischen Geisterfahrer wie Norbert Hofer und seine Amtskollegen gestoppt werden, wage ich zu bezweifeln. Am Rande bemerkt: Von Andreas Scheuer, unserem deutschen CSU-Verkehrsminister, hätte ich auch mehr Realitätssinn erwartet.
Eine Antwort auf „EU: Wie viele Lkw-Fahrer pennen bei den Verkehrsministern?“