EU: Green Deal im Glyphosatnebel verschollen

EU-Kommission hat kein Herz für Insekten und Wildkräuter

Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen zeigt mal wieder ihr wahres Gesicht: Der Einsatz des Wildpflanzenkillers Glyphosat soll für weitere zehn Jahre auf den Äckern in der Europäischen Union möglich sein. Hatte die einst als deutsche CDU-Verteidigungsministerin gescheiterte Ursula von der Leyen nicht mit großen Worten einen Green Deal angekündigt, der als erstes die Kernenergie als nachhaltige Energieform einstufte, um nun für eine weitere Dekade dem Herbizid Glyphosat Tür und Tor zu öffnen? Zwar bestreitet die EU-Kommission im Gegensatz zu zahlreichen US-Gerichten, dass Glyphosat krebserregend sei, doch eines lässt sich nicht wegdiskutieren: Glyphosat tötet alle Pflanzen ab, die besprüht werden, wenn sie nicht zuvor gentechnisch verändert wurden. Nur die resistente, genmanipulierte Feldfrucht überlebt in Monokulturen, Wildblumen und Wildkräuter haben das Nachsehen und werden abgetötet. Mit den fehlenden Kräutern und Wildblumen verringert sich auch die pflanzliche Vielfalt, Insekten finden keine Nahrung und dem Regenwurm knurrt der Magen auf Feldern, die vor der Einsaat restlos abgeräumt und dann noch mit Glyphosat ‚behandelt‘ werden. Unter einem Green Deal habe ich mir etwas anderes vorgestellt, doch wo Ursula von der Leyen und ihresgleichen schalten und walten, da geht es der Natur weiterhin an den Kragen und so manchem Bürger ebenfalls. Die Verlängerung des Glyphosateinsatzes nach Gutsherrenart wurde nur möglich, weil sich die EU-Staaten nicht auf ein Verbot einigen konnten. Die Ampelregierung enthielt sich bei der Abstimmung, obwohl es im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP heißt: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ Für mich ist das ein Wortbruch der schlingernden Ampelregierung und ein Armutszeugnis für die gesamte EU. Als ich am 29. November 2017 meinen Beitrag ‚Glyphosat killt Acker(un)kräuter , Insekten und die politische Kultur‘ veröffentlicht habe, da wollte und konnte ich mir nicht vorstellen, dass die EU-Kommission sechs Jahre später den Einsatz dieses Herbizids um weitere zehn Jahre verlängern würde!

Traktor beim Versprühen chemischer Hilfsmittel. Im Hintergrund ein mahnendes weißes Steinkreuz.
Noch immer werden viel zu viele sogenannte ‚Pflanzenschutzmittel‘ eingesetzt, die in Wahrheit die Biodiversität zerstören und als Herbizide Wildkräuter vernichten oder als Insektizide Wildbienen und Schmetterlinge schädigen. (Bild: Ulsamer)

Glyphosat vernichtet Wildpflanzen

Seit Jahrzehnten zerstört die einseitige Landwirtschaftspolitik der EU die Natur, denn ihre ‚Gemeinsame Agrarpolitik‘ (GAP) ist im Grunde eine grünlackierte Subventionsmaschine geblieben, die nicht nur zum Insektensterben beiträgt, sondern auch die familiengeführten kleineren landwirtschaftlichen Betriebe ruiniert. Größe ist in Massenställen und auf Monokulturen bis zum Horizont die Folge einer Agrarpolitik, die zu stark auf Subventionen ohne Sinn für Natur und Gesellschaft setzt. Das billige Schnitzel oder Ei, selbst dann, wenn die Tiere in gigantischen Stallanlagen ein elendes Dasein durchleiden, ist der EU-Kommission und einem Gutteil der EU-Parlamentarier wichtiger als der Schutz von Tier und Natur. Und gleiches gilt für den Ackerbau oder die Nutzung von Grünland, wo die Natur ebenfalls unter den Pflug und in die Mähmaschine geraten ist. Statt einer Umkehr in der Agrarförderung, die auf Ökologie und Nachhaltigkeit abzielt, belässt es die EU bei etwas nett drapiertem Grün. Der Green Deal ist eine irreführende Wortkombination, denn ‚Grün‘ hat bei der EU-Kommission leider wenig mit der Natur zu tun. Und mit wem die EU-Kommission so ihre ‚Deals‘ macht, das möchte ich gerne wissen. Zumindest Bayer/Monsanto als weltweit größtem Glyphosathersteller wird es freuen: nach dem Willen der EU-Kommission darf die Hexenküche weiter auf Volldampf brodeln. Mehr zu diesem Thema finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, in meinem Blog-Beitrag ‚Die Hexenküche brodelt: Insektizide, Herbizide, Pestizide, Neonics …‘.

Ein Distelfing bzw. Stieglitz sitzt an einer zum Teil verblühten Kratzdistel.
Zuerst finden Hummeln auf Disteln Pollen und Nektar, danach erfreuen die Samen zahlreiche Distelfinken. Trotz einer starken Abnahme gilt der Stieglitz in den Roten Listen noch als ungefährdet. Dies zeigt aber auch das Problem der Roten Listen, die nicht selten erst reagieren, wenn die Tier- oder Pflanzenart bereits um ihre Existenz fürchten muss. Mehr zur prekären Situation vieler Vogelarten in meinem Blog-Beitrag: ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. (Bild: Ulsamer)

Es wird leiser in den Resten der Natur, denn immer weniger Wildbienen summen durch die Landschaft und viele Vogelstimmen sind verstummt. Wo sollen Insekten und Vögel auch leben, wenn Feldraine mit dem Traktor niedergewalzt werden oder der Saum am Acker auf einige Grasbüschel geschrumpft ist? Zunehmend mehr Hecken, Bauminseln, Lesesteinhaufen oder Tümpel sind aus der Agrarlandschaft verschwunden. Aber nicht nur auf Äckern mit Pestizideinsatz und häufig gemähtem Grünland, sondern auch in Forstkulturen finden kleine und große Wildtiere kaum noch Nahrung oder ein Plätzchen für den Nestbau. So manches Wildtier ist wie Eichelhäher oder Igel aus den Agrarwüsten in die urbanen Bereiche geflohen, wo sie auf einen naturnahen Garten oder Park hoffen. Es ist daher kein Wunder, dass eine neue Studie von Axel Hochkirch u. a. unter dem Titel ‚A multi-taxon analysis of European Red Lists reveals major threats to biodiversity‘ den weiteren Rückgang der Biodiversität aufzeigt. Ausgewertet wurden die Roten Listen mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Europa: 19 % sind vom Aussterben bedroht, bei den Wirbellosen, zu denen die Insekten zählen, gilt dies sogar für 24 %. Weltweit könnten in den nächsten Jahrzehnten zwei Millionen Arten verschwinden. Passt in eine solche Zeit der weitere Einsatz von Glyphosat? Sicherlich nicht! Für mich ist es abwegig, dass beim Straßenverkehr noch das letzte Mikrogramm an Feinstaub als möglicher Krankmacher eine bedeutsame Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt, kritische Einschätzungen von Glyphosat wie z. B. von der International Agency for Research on Cancer (IARC), einer Organisation der World Health Organization (WHO), werden dagegen weitgehend von der EU-Kommission negiert. Die IARC kam bereits 2015 nach Auswertung von 1 000 Studien durch unabhängige Experten zu dem Schluss, Glyphosat sei “probably carcinogenic to humans”. Diese Aussage basiert auf einer – damals – „limited“ Beweislage bei Menschen als Folge von Glyphosat und „sufficient“ Evidenz bei Tieren, die Glyphosat ausgesetzt wurden. Nicht wenige US-Gerichtsverfahren gingen zugunsten von Menschen aus, deren Krebserkrankungen auf die Arbeit mit dem Glyphosat haltigen Herbizid ‚Round-up‘ zurückgehen sollen. Die Experten, die sich mit Glyphosat im Auftrag der IARC befassten, kamen zu dem Schluss, dass Glyphosat in Reinform und in entsprechenden Mischungen für den Einsatz auf Feldern und in Gärten genotoxisch wirke, sprich Änderungen im genetischen Material von Zellen auslösen können. Sollte bei solchen Verdachtsmomenten Glyphosat weiter eingesetzt werden dürfen? Nein, so meine nicht nur ich, sondern auch NABU, BUND, WWF oder Greenpeace, um nur diese Natur- und Umweltschutzorganisationen zu nennen.

Eine Hummel und ein bräunlicher Käfer sitzen auf einer lila Blüte.
Insekten benötigen mehr blühende Wildpflanzen und ein Plätzchen für die nachwachsenden Generationen. Das Artensterben kann nur gestoppt werden, wenn im Agrarbereich wieder naturnäher gearbeitet wird. Weitere Informationen hierzu finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‘Schmetterlinge und Wildbienen benötigen Hilfe‘. (Bild: Ulsamer)

Glyphosat raubt Insekten die Nahrung

Der Entomologische Verein Krefeld, der sich seit über 100 Jahren der wissenschaftlich orientierten Insektenkunde widmet, hat in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 einen Rückgang der Biomasse von Fluginsekten von mehr als 75 % festgestellt – und dies in über 60 Naturschutzgebieten. Ganz folgerichtig ist der Schwund an Insekten auf landwirtschaftlichen Monokulturen noch dramatischer. Die Forschungsstation Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg beobachtet seit einem halben Jahrhundert Insekten, und das Ergebnis ist erschreckend: Der Rückgang der Schwebfliegen beträgt bis zu 97 %! Hunderte von wissenschaftlichen Untersuchungen verzeichnen weltweit einen katastrophalen Rückgang der Insekten, doch die EU-Kommission lässt für weitere zehn Jahre zu, dass Glyphosat Wildkräuter oder Klatschmohn, Kamille, Flockenblume, Schwarze Königskerze, Saat Esparsette, Natternkopf, Kratzdistel, Wilde Möhre oder Schafgarbe vernichtet und damit Insekten die Nahrung raubt. Der Insektenschwund wird ungebremst weiter voranschreiten, wenn Herbizide wie Glyphosat oder Insektizide nicht stärker beschränkt bzw. ganz vom Markt genommen werden! Die EU müsste bei Natur- und Umweltschutz vorangehen, doch ein zerstrittener Ministerrat, ein schwächelndes Parlament und eine EU-Kommission ohne Bezug zu unserer Natur führen unseren Kontinent in die falsche Richtung.

Einige wenige blühende Mohnblüten am Rand eines grünen Ackers.
Mohnblumen sind im Saum zwischen Acker und Feldweg selten geworden, denn wo Glyphosat zuschlägt, da überleben keine Wildblumen. (Bild: Ulsamer)

Die EU-Kommission wird die Verlängerung des Einsatzes des Totalherbizids Glyphosat um zehn Jahre sicherlich mit einigen minimalen Einschränkungen zu kaschieren versuchen, die ausreichen, damit sich die Entscheider selbst auf die Schulter klopfen können, doch für den Erhalt der Natur und eine echte Änderung der EU-Agrarpolitik ist dies ein erneuter Tiefschlag. Der ‚Green Deal‘, den Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin proklamierte, ist längst entzaubert und versinkt jetzt endgültig im Glyphosatnebel.

 

Ein brauner Käfer und eine schwarz-rote Blasttwanze auf einer weiß blühenden Pflanze.
Ich hatte gehofft, der Glyphosatnebel würde sich endlich verziehen, doch die EU-Kommission mit Ursula von der Leyen an der Spitze verlängert die Zulassung des Herbizids um zehn Jahre! Das Gegenteil wäre richtig gewesen: ein Verbot! So werden Wildblumen und so manches Kräutlein am Wegesrand weiter vernichtet und den Insekten auf diese Weise Lebensraum und Nahrung entzogen. (Bild: Ulsamer)

 

Eine bunt blühende Wiese mit roten, gelben und weißen Blüten.
Mehr Wiesen sollten wieder so aussehen, denn zumeist wurde aus ihnen Dauergrünland, das fünf bis sieben Mal pro Jahr gemäht wird. Es ist höchste Zeit für eine Neuorientierung des Agrarsektors, wenn wir von den bereits ökologisch arbeitenden Bauern absehen: ‚Deutschland braucht mehr blühende Wiesen. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge suchen Nektar und Pollen‘. (Bild: Ulsamer)

 

Marienkäfer mit schwarzen Punkten auf den roten Flügeldecken sitzt auf einer Distel.
Marienkäfer sind fliegende Sympathieträger und hilfreiche Geister im Kampf gegen Blattläuse. Die in Gewächshäusern gerne eingesetzte asiatische Verwandtschaft verdrängt nach ihrem Flug in die Freiheit die einheimischen ‚Glückskäfer‘. Mehr dazu in: ‚Marienkäfer: Glücksbringer auf Quartiersuche. Medien stilisieren Marienkäfer zur Plage‘. (Bild: Ulsamer)

 

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