Erdogans eifrigste Wähler: Türken in Deutschland

Ist die Integration vieler türkischer Migranten gescheitert?

Bei meiner Tätigkeit in der Automobilindustrie und bei einem Zulieferer habe ich viele Arbeitskollegen getroffen, die ich als bestens integriert angesehen habe, und dies gilt auch für so manchen unserer Nachbarn mit Wurzeln in der Türkei. Umso sprachloser war ich nach der vorhergehenden Parlamentswahl 2015 und der Abstimmung über das Referendum, das dem türkischen Präsidenten einen deutlichen Machtzuwachs erbrachte. Recep Tayyip Erdogan hatte sich die Machtfülle geradezu auf den Leib schneidern lassen, und mit dem neuen positiven Wahlergebnis für Erdogan treten die Verfassungsänderungen in Kraft. Die eigentliche Überraschung war für mich nicht der Versuch eines Politikers, die eigene Machtbasis zu stärken, sondern die hohe Zustimmung bei Türken, die in Deutschland leben und in der Türkei wahlberechtigt sind.

Jubelnde Türken in Deutschland und Relativierungsversuche.
Medien berichten zurecht, dass zwei Drittel der Türken, die in Deutschland zur Wahl gingen, für Erdogan stimmten, und schon beginnt die Relativierung: Es seien doch nur 700 000 zur Wahl gegangen, von 3 Millionen türkischstämmigen Bürgern. Dies ist selbstredend eine Milchmädchenrechnung, da natürlich Kinder und Jugendliche nicht wahlberechtigt waren – und auch nicht alle Türkischstämmigen noch das Wahlrecht in der Türkei haben. Kleinreden bringt nichts, es wäre an der Zeit, dass gerade auch die türkischen Verbände sich deutlicher als bisher zu unserer deutschen Verfassung und Gesellschaft bekennen. (Screenshot, „Twitter“, 25.6.18)

Viele Türken in Deutschland jubeln Erdogan zu

Wie kann es sein, dass Erdogan unter Einsatz aller politischen und rechtlichen Machtmittel in der Türkei bei den Präsidentschaftswahlen ‚nur‘ auf 52,6 % der Stimmen kommt, in Deutschland dagegen auf 64,8 %.  Dagegen konnte Erdogans AKP bei der Parlamentswahl ‚nur‘ 45,5 % der Stimmen verbuchen. Warum stimmten aber in Stuttgart bei der Parlamentswahl 57,6 % der Türken für die AKP, in Essen waren es sogar 66,5 %, in Berlin dagegen nur 45,3 %. Auch bei den vorhergehenden Abstimmungen zeigte es sich, dass Erdogan in den großen Städten der Türkei keine Mehrheit erreichen konnte, und dies trotz der gnadenlosen Unterdrückung oppositioneller Kräfte und der Beherrschung nahezu aller Medien durch die AKP.

Eifrig wird dann in Deutschland von manchen Politikerinnen und Politikern wieder beklagt, wir hätten uns in Deutschland nicht ausreichend um die Integration der türkischen Arbeitsmigranten gekümmert und vorschnell wird wieder mehr Geld für die Integration gefordert. Ich glaube allerdings, man kann Integration weder erzwingen noch erkaufen, denn der Zugezogene muss auch den Willen und die Bereitschaft aufbringen, sich um eine Einbeziehung in die deutsche Gesellschaft zu bemühen. Völlig abträglich ist in diesem Zusammenhang die Ballung von Migranten oder Flüchtlingen, da sich dann Parallelgesellschaften bilden und der Druck zur Integration fehlt.

Cem Özdemir in "Twitter" mit seiner Kritik an Türken in Deutschland, die Erdogan zujubeln.
Cem Özdemir spricht das aus, was viele denken: „Die feiernden deutsch-türkischen Erdogan-Anhänger jubeln nicht nur ihrem Alleinherrscher zu, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus.“ Wir brauchen keine Verteufelung oder Diffamierung einzelner Bevölkerungsgruppen, aber es ist an der Zeit – reichlich spät – über die Integrationskraft einer Gesellschaft, in diesem Fall unserer, offen zu sprechen. (Bild: Screenshot, „Twitter”, 25.6.18)

Ist die Integration fehlgeschlagen?

Positiv aufgefallen ist mir in dieser Diskussion mal wieder Cem Özdemir, der den Nagel auf den Kopf trifft: „Die feiernden deutsch-türkischen Erdogan-Anhänger jubeln nicht nur ihrem Alleinherrscher zu, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus.“ Selbstverständlich steht jeder Bürgerin und jedem Bürger das Recht zu, zu wählen wen sie oder er möchte. Aber es darf sicherlich die Frage gestellt werden, warum Türken in Deutschland gerne die Vorteile unseres Rechts- und Sozialsystems nutzen, dann aber für einen Autokraten stimmen, der Andersdenkende ins Gefängnis werfen lässt.

Ehe man sich versieht, sind auch immer zahllose Beschwichtiger zur Stelle, die mangelnde Integration auf die konservative Haltung zurückführen, die viele Arbeitsmigranten auszeichne, die aus ländlichen Regionen nach Deutschland gekommen seien. Aber wie ist es zu sehen, wenn junge türkischstämmige Deutsche Präsident Erdogan rechtzeitig zur Wahl ihre Aufwartung machen? Meinen Augen wollte ich nicht trauen, als ich zwei Spieler der deutschen Nationalelf mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan posieren sah: Aber nicht jeder, der hin und wieder den Fußball richtig trifft, wie Mesut Özil und Ilkay Gündogan, muss sich täglich auch mit Politik beschäftigen. Wer mit der deutschen Nationalelf nach Russland zur Weltmeisterschaft auf Reisen geht, der sollte zumindest wissen, dass unser Präsident Frank-Walter Steinmeier und nicht Recep Tayyip Erdogan heißt. Und wenn die Volksseele kocht, dann hat natürlich auch der deutsche Präsident sofort ein Stündchen frei, um sich mit den politischen Irrläufern zu unterhalten. Vielleicht hätten die beiden – unterstützt von Cenk Tosun – ihre Trikots anbehalten sollen, anstatt sie einem türkischen Politiker in Wahlkampfzeiten zu überreichen, der die Türkei auf einen islamistischen Kurs und weg von Europa steuert.

Präsident Erdogan umgeben von Özil, Gündogan und Tosun in einem Londoner Restaurant.
Özil und Gündogan unterstützen Erdogan im Wahlkampf. Ist die Integration in unser freiheitliches Gemeinwesen bei ihnen gescheitert?. (Bild: Screenshot, “Twitter”, 15.5.18)

Natürlich hat jeder Sportler das Recht, sich politisch zu äußern – hierzu zählt auch eine Trikotübergabe an Erdogan – dann sollten sie auch dazu stehen. Halbherziges Zurückrudern macht hinterher auch keinen Sinn, wenn in Deutschland Unmut laut wird. Wer wie Gündogan „Respekt an meinen Präsidenten der Republik“ auf sein Trikot schreibt, der hat etwas beim Wort und Inhalt von Integration missverstanden. Solche Vorbilder taugen sicherlich nicht dazu, junge türkischstämmige Bürger näher an unsere Gesellschaft heranzuführen.

Nicht alle über einen Kamm scheren

Selbstredend dürfen wir nicht alle türkischstämmigen Mitbürger über einen Kamm scheren, doch auch die Nichtwähler müssen sich fragen lassen, warum sie nicht gegen Erdogan gestimmt haben. Wer aber aus vollem Herzen einem Politiker wie Erdogan den Weg bereitet, der es mit Demokratie und Rechtsstaat nicht so genau nimmt und die Opposition beständig unterdrückt, der sollte sich auch der offenen Diskussion stellen: Wenn wir in Deutschland integrationsunwillige Gruppierungen zulassen, dann stärkt dies nicht unser Gemeinwesen, sondern gefährdet seine Grundmauern. Ich erhoffe mir auch von den liberalen türkischen Kräften in Deutschland klarere Worte zum Abdriften mancher Türken in Deutschland in ein nationalistisches und islamistisches Fahrwasser.

Von der deutschen Politik sollte auch ein kritischer Blick auf Moscheen und ihr Umfeld geworfen werden, die über die türkische Religionsbehörde Ditib von Präsident Erdogan und seiner AKP ferngesteuert werden. Die Ausübung einer Religion ist Privatsache, doch wenn religiöse Strukturen für politische – in diesem Fall islamistische – Zwecke genutzt werden, dann muss rechtlich ein Riegel vorgeschoben werden. Grundvoraussetzung dafür ist aus meiner Sicht aber auch die überfällige Debatte über die Stellung des Islam in Deutschland. Und nicht mehr hören kann ich dann den Aufschrei derer, die einen solchen Dialog als abträglich für die Integration bezeichnen. Das Gegenteil ist richtig. Das ewige Beschwichtigen und Wegschauen führt nicht weiter.

Erdogan spricht nach der gewonnenen Wahl vom Balkon des AKP-Gebäudes zu seinen Anhängern.
Der türkische Präsident bewegt in der Türkei die Massen, aber er bekommt trotz der Unterdrückung der Opposition und der Verfolgung der Kurden schlechtere Wahlergebnisse als bei den Türken in Deutschland. Dies sollte uns nachdenklich machen. (Bild: Screenshot, „Twitter”, 25.6.18)

Integration – wohin?

Wenn es uns nicht einmal gelingt, bei vielen türkischstämmigen Mitbürgern das Bewusstsein für gelebte Demokratie und die Bedeutung des Rechtsstaats zu wecken, wie wollen wir dies dann bei Hunderttausenden von Flüchtlingen ‚schaffen‘, die aus noch entfernteren Regionen kommen und noch weniger von der Gleichberechtigung der Frauen halten und noch weiter von unserer christlich-jüdisch-abendländischen Kultur entfernt sind? Mit „Wir schaffen das“-Ausrufen der angeschlagenen Bundeskanzlerin und Merkels Halsstarrigkeit werden wir gar nichts schaffen! Die Grundwerte, die im Grundgesetz zusammengefasst sind, sind nun mal nicht verhandelbar. Und Integration kann daher auch nicht das Zusammentreffen der Kulturen in der Mitte heißen, denn dies würde die Aufgabe lang umkämpfter Werte bedeuten. Und – ganz ehrlich – ich möchte weder in einem von Islamisten beherrschten Dorf in der Türkei oder in Afrika wohnen. Integration kann daher nur in die westeuropäische Mehrheitsgesellschaft stattfinden. So mancher auch alteingesessene Zeitgenosse wird mir hier widersprechen, dessen bin ich mir bewusst, aber freudiges Applaudieren bei der Ankunft von Flüchtlingen ersetzt noch lange keine klare Gesellschaftspolitik.

Über die eifrigen Erdogan-Fans in Deutschland und der Türkei sollten wir unsere integrierten Arbeitskollegen und Nachbarn nicht vergessen, und über Erdogans Selbstinszenierung dürfen wir auch nicht übersehen, dass er in seinem Heimatland trotz Verfolgung der Opposition gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten hat. Die Türkei ist nicht Erdogan: Wir müssen die demokratischen Kräfte stützen, die unter schwersten Bedingungen – im Gefängnis oder von Polizei und Militär verfolgt – für eine demokratischere Türkei kämpfen.

Auszug aus der FAZ in Facebook mit einer kritischen Einschätzung zur Integration.
Wann erkennt die Bundesregierung, dass Integration ein Kraftakt ist und nicht mit „Wir schaffen das“-Redensarten zu erledigen ist? (Bild: Screenshot, „Facebook”, 25.6.18)

Migrationspolitik ist mehr als Flüchtlingshilfe

Wenig Verständnis habe ich auch für Bundeskanzlerin Merkel, die auf der Suche nach Bündnispartnern für ihre verfehlte Flüchtlingspolitik durch Europa irrt und dabei immer wieder auf das so ‚gelungene‘ Abkommen mit Präsident Erdogan verweist. Es mag schon sein, dass er den Zugang zur Balkanroute versperrt hat, aber nur solange ihm dies opportun erscheint. Deutschland hat sich in eine ungute Abhängigkeit von einem zumindest schillernden Politiker begeben, der mehr und mehr islamistische Züge zeigt. Gerade auch vor diesem Hintergrund brauchen wir eine zukunftsorientierte deutsche Flüchtlingspolitik, die auch die Grenzen der Integrationsfähigkeit anerkennt, und einen ernsthaften Versuch startet, mit den anderen EU-Partnern und weiter entfernten Staaten in einen intensiven Dialog einzutreten. Angela Merkel traue ich dies nicht mehr zu, da sie zuerst 2015 die Grenzen öffnete, das Dublin-Abkommen brach und dann die Flüchtlingswelle gerne in unsere Nachbarstaaten umleiten wollte.

Wir brauchen endlich eine abgestimmte und in sich schlüssige Einwanderungspolitik, die sich nicht in einer ‚Willkommenskultur‘ verfängt, die ohnehin inzwischen weitgehend verpufft ist. Auf keinen Fall dürfen auch langjährig in Deutschland lebende Migranten, die mit uns gemeinsam den deutschen Wohlstand geschaffen haben, oder auch wirklich schutzsuchende Menschen mit Wirtschaftsflüchtlingen oder gar kriminellen Einzeltätern und Grüppchen in einen Topf geworfen werden. Beim unkontrollierten Zuzug im Jahr 2015/16 wurde der Staat seiner Ordnungsfunktion nicht gerecht – und dann reicht es eben nicht, wenn Angela Merkel meint „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“

Im Bild eines Facebook-Posts Wolfgang Bosbach mit seiner Kritik an Özil und Gündogan.
Leider sind Politiker wie Wolfgang Bosbach in der CDU selten geworden, die offen und ungeschminkt ihre Meinung sagen und sich nicht dem Meinungsdruck innerhalb der eigenen Partei beugen. Aber Özil und Gündogan – ich habe dies bereits kommentiert – wurden für ihre Wahlkampfhilfe zugunsten von Erdogan kurz kritisiert, doch nachdem ihnen Jogi Löw die Absolution erteilte, da waren sie schon fast wieder sakrosankt. Zum Vorbild für Integration taugen sie so allerdings nicht. (Bild: Screenshot, „Facebook”, 25.6.18)

Die Integrationskraft einer Gesellschaft ist nun mal beschränkt, auch wenn dies manchen Politikern nicht in den Sinn kommt, und wenn wir uns mit der Einbeziehung mancher Türken in Deutschland schwertun, die bereits seit Jahrzehnten unter uns leben oder gar auf deutschem Boden geboren wurden, dann ist es nicht nachvollziehbar, wenn die „Wir schaffen das“-Clique leichtfertig über die Probleme hinweggeht.

3 Antworten auf „Erdogans eifrigste Wähler: Türken in Deutschland“

  1. Habe türkische Freunde, die ich nicht missen möchte. Sie sind integriert, arbeiten und kassieren kein Geld vom Staat. Die unkontrollierte Einwanderung liess mich und viele meiner Freunde und Bekannten zu AfD Wählern werden! ( vorher jahrzehntelang CDU). Ich verstehe nicht, warum kriminelle Asylanten nicht sofort ! abgeschoben werden! Sie waren evtl. in ihrem Lande bereits kriminell, haben bestimmt nichts gelernt, und werden hier nie arbeiten. Sie leben auf unsere Kosten. Viele unserer Rentner müssen noch arbeiten, um über die Runden zu kommen. Mir sträuben sich die Nackenhaare. Es ist sinnvoll, meinen Kommentar zu beenden, sonst….

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