Eine Strategie rettet noch kein Moor

Moore binden CO2 und stärken den Wasserhaushalt

Natürlich ist es sinnvoll, wenn die Politik Strategien entwickelt, um Probleme gezielter angehen zu können. Dies gilt auch für die Moorschutzstrategie der Bundesregierung vom Oktober 2022. Zweifel bleiben allerdings, denn viel zu oft folgen auf Strategien und Konzepte nur vollmundige Erklärungen, aber leider keine oder nur unzureichende Handlungen zu deren Umsetzung. So beschloss die Bundesregierung 2007 in der ‚Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt‘, zwei Prozent der Landesfläche als Wildnis zu sichern, doch im Zieljahr 2020 waren es gerade mal 0,6 %. Ich hoffe sehr, dass es bei der Moorstrategie schnellere Fortschritte gibt, die bisherigen Erfahrungen sind dagegen wenig positiv: Bis heute wurden über 90 % der Moorflächen in Deutschland entwässert und kamen unter den Pflug bzw. wurden aufgeforstet oder als Siedlungs- und Verkehrsflächen mit Beton und Asphalt überdeckt. Noch immer werden Moore abgebaut, um als torfhaltige Gartenerde in Blumenbeeten zu enden. Daher ist es höchste Zeit, die noch vorhandenen Moore konsequenter zu schützen und frühere Moorflächen zu renaturieren. Moore sind im Kampf gegen die Erderwärmung von größter Bedeutung, da sie CO2 binden, und sie tragen auch zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt nachhaltig bei.

Wasser ist erkennbar in einem Loch im Bewuchs des Moors.
In Deutschland wurden 92 % der Moorböden entwässert. Wo immer möglich müssen diese Moorflächen renaturiert werden. Nur wenn sie wieder mit Wasser bedeckt sind, können sie das enthaltene Kohlendioxid weiterhin speichern und sogar zusätzliches CO2 binden. (Bild: Ulsamer)

Entwässerte Moore setzen CO2 frei

Moore binden Kohlendioxid, und so ist jeder Millimeter, den sie in die Höhe wachsen, ein Beitrag zum Bremsen des Klimawandels. In entwässerten Moorgebieten fehlt der Abschluss des Torfs gegenüber der Luft und dadurch zersetzt er sich, wodurch Kohlenstoffdioxid wieder freigesetzt wird. „Für Deutschland entspricht die Menge der Treibhausgase, die bei diesem Zersetzungsprozess jährlich freigesetzt wird, einem Viertel der entsprechenden Emissionen dieser Gase des Verkehrssektors“, so die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz herausgegebene Nationale Moorschutzstrategie. Die genannte Zahl macht deutlich, dass die Renaturierung von Mooren keine Spielerei von Naturschützern ist, sondern eine Verpflichtung für Politik und Gesellschaft! Die landwirtschaftliche Nutzung von früheren Mooren, die noch renaturiert werden können, muss beendet oder komplett umgestellt, die Flächen wieder von Wasser bedeckt werden, denn allein dann verbleibt das im Torf gebundene Kohlendioxid im Boden. Dies wird nur gelingen, wenn die Land- und Forstwirte für den Erhalt der Moore gewonnen werden können. Voraussetzung dafür sind neue Nutzungsformen und Geschäftsmodelle. Rund die Hälfte der Moorböden werden als Grünland genutzt, 19 % sind Ackerflächen und auf 15 % steht Wald. Wenn die Entwässerung beendet und der Wasserstand angehoben wird, dann fallen Beweidung im bisherigen Sinne und das Befahren mit herkömmlichen land- oder forstwirtschaftlichen Maschinen weg.

Ein entwässertes Moor. Der Torf wurde zum Trocknen bereits herausgestochen.
Moore brauchen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt mehr Schutz gegen die fortschreitende Zerstörung. (Bild: Ulsamer)

Eine verfehlte Agrarpolitik hat dazu beigetragen, dass in Deutschland 92 % der Moorböden entwässert wurden. Viel zu lange wurden nicht nur Moore ihres Wassers beraubt, sondern auch Feuchtgebiete trockengelegt. Aus diesen früheren Moorböden werden „jährlich mit etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente“ freigesetzt, so die Nationale Moorschutzstrategie, entsprechend einem „Anteil von etwa 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen (inklusive Methan (CH4) und Lachgas (N2O)). Der weit überwiegende Teil (83 Prozent) dieser Emissionen aus Moorböden resultiert aus landwirtschaftlich genutzten Flächen.“ Und daraus wiederum resultiert eine traurige Feststellung: „Historisch betrachtet, nahm Deutschland bei der Kultivierung der Moore und deren landwirtschaftlicher Nutzung eine globale Spitzenstellung ein. In der Folge gehört heute Deutschland im internationalen Maßstab zu den Ländern, in denen die meisten Moorflächen großflächig degradiert oder zerstört sind.“ Technologisch und wirtschaftlich mussten wir so manche Spitzenposition abgeben, man denke nur an die Wasserstoff- oder Batterietechnologie. Da schmerzt es umso mehr, dass Deutschland ausgerechnet bei der Zerstörung von Mooren eine fragwürdige Tatkraft zeigte. Und noch immer wird Torf abgebaut, um damit Erwerbs- und Hobbygärtner zu versorgen. Längst hätte der Torfabbau in Deutschland untersagt werden müssen. Eine echte Verbesserung ist es nicht, wenn der Torfabbau in deutschen Regionen rückläufig ist, doch zunehmend Importe, gerade auch aus dem Baltikum, die Lücke füllen. Jedes zerstörte Moor ist eines zu viel!

See eingebettet in eine Moorfläche. Aus dem Wasser ragen kleine Inselchen mit Bewuchs.
Das Schwenninger Moos, das sowohl in die Donau als auch in den Neckar entwässert, weil die Wasserscheide zwischen beiden Flusssystemen interessanterweise genau im Moos verläuft, hat durch Torfabbau, Überbauung und intensive landwirtschaftliche Nutzung gelitten. Teile des Moors haben allerdings überlebt und können heute von einem Moorlehrpfad aus in Augenschein genommen werden. (Bild: Ulsamer)

Wasserhaushalt und Artenvielfalt stärken

Zumindest kurz ansprechen möchte ich die Bedeutung von Mooren für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt. Moore bestehen bis zu 95 % aus Wasser, daher verglich sie bereits der Naturforscher Alexander von Humboldt mit gewaltigen Schwämmen. Und wie ein Schwamm, so können die Moore das Wasser auch wieder abgeben und tragen damit zum Wasserhaushalt in der jeweiligen Landschaft bei. Moore können bei starkem Regen bis zu einem Meter aufschwimmen und gewaltige Wassermassen binden. Wären die Moore in Deutschland durch die industrielle Landwirtschaft, den Straßen- und Siedlungsbau nicht so zusammengeschrumpelt, dann könnten sie deutlich mehr zur Vermeidung von Überschwemmungen beitragen. Ihre eigentlichen Funktionen können Moorböden allerdings nur erfüllen, wenn ihnen nicht durch Kanäle das Wasser entzogen wird. Gerade in Dürreperioden wirken Moore ausgleichend, unter der Voraussetzung, dass sie sich in vorhergehenden Regentagen vollsaugen konnten.

Weißes Wollgras.
Wollgräser lieben Moorböden und sind besonders eindrucksvoll, wenn der Wind über sie hinweg streicht. (Bild: Ulsamer)

Bei den Mooren geht es jedoch nicht nur um die Bindungsfähigkeit von CO2 und Wasser, sondern auch um die Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen. In Hoch- und Übergangsmooren ist die Artenvielfalt gering. „Niedermoore mit ihren Riedern, Röhrichten und Bruchwäldern sind dagegen meist artenreicher. Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland stellen basenreiche Moore dar, die mit ihren extensiv genutzten Streuwiesen, Seggen- und Binsenriedern die höchsten Artenzahlen aller Moorbiotope in Deutschland aufweisen“, betont die Nationale Moorschutzstrategie. Nicht nur die Moore, sondern alle Feuchtlebensräume sind in Deutschland weniger geworden, selbst zahlreiche Tümpel sind aus der Landschaft verschwunden. Der Erhalt von Mooren oder Feuchtwiesen, naturnahen Bächen und Flussabschnitten, Seen und Weihern dient somit der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren – und letztendlich uns Menschen.

Zwei schwarze Wasserbüffel auf einer Feuchtwiese am Rande eines Moors.
Wenn Weideflächen, die auf früheren Moorböden liegen, wieder vernässt werden, muss die landwirtschaftliche Nutzung beendet oder grundlegend verändert werden. Wasserbüffel statt herkömmlicher Rinder wären eine Alternative. (Bild: Ulsamer)

Veränderung der EU-Agrarpolitik zwingend

Die Bedeutung der verbliebenen Moore lässt sich nach meiner Meinung gut vermitteln, doch wie steht es mit der Überzeugungsfähigkeit der Politik, wenn Land- und Forstwirte zur Aufgabe von Flächen gewonnen werden sollen? Hier bleibt die Nationale Moorschutzstrategie eher nebulös, denn es reicht nicht aus, darauf zu verweisen, die Bundesregierung sei überzeugt, „dass der Schutz von Mooren, die Wiedervernässung von bisher entwässerten Mooren und Moorböden und ihre nachhaltige Nutzung nur im Schulterschluss mit der örtlichen Bevölkerung, Flächeneigentümer*innen und denjenigen, die die Flächen derzeit bewirtschaften, sowie denjenigen, die z. B. als Anrainer von nachteiligen Auswirkungen ggfs. künftiger Moorschutzmaßnahmen betroffen sein können, gelingen können.“ Der Widerstand wird gerade auf Seiten mancher Landwirte nicht unerheblich sein, und wenn dann die Bundesregierung schneller umkippt als man auf Drei zählen kann, dann wird es nichts mit dem Moorschutz. Ein kleines Beispiel aus jüngster Zeit soll hier genügen: Der grüne Agrarminister Cem Özdemir stellte die Ausweisung weiterer Artenschutzflächen zurück und hob die vorgegebene Fruchtfolge auf, damit auf deutschen Feldern mehr Weizen angebaut werden kann. Als Vorwand musste dieses Mal der russische Angriffskrieg auf die Ukraine herhalten, doch es finden sich seit Jahren politische Ausreden, wenn mehr Natur ausgebremst werden soll – und zumeist klatscht der Deutsche Bauernverband eifrig Beifall.

Moorfläche mit niedrigem Bewuchs, im Hintergrund Fichten.
Moore wurden zunehmend entwässert und aufgeforstet, doch an vielen Stellen sind die Böden nicht auf Dauer verloren: Renaturierung ist die Aufgabe der nächsten Jahre. (Bild: Ulsamer)

Die Moorschutzstrategie spricht dieses Konfliktfeld klar an: „Die Ausgestaltung der Direktzahlungen der GAP unterstützt bisher eine landwirtschaftliche Nutzung entwässerter Moorböden und ist damit mitverantwortlich für hohe Treibhausgas-Emissionen, nachteilige Umweltauswirkungen und hohe volkswirtschaftliche Kosten.“ Ja, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union hat mit ihrer Orientierung an der bearbeiteten Fläche einen Irrweg beschritten. Nachhaltigkeit und Ökologie kamen und kommen zu kurz, daran kann auch die zweite Säule der Förderung wenig ändern, da sie finanziell deutlich schwächer ausgestattet ist. Wer wirklich etwas für Natur und Umwelt erreichen will, der muss die deutsche und die EU-Agrarpolitik schnell und grundlegend verändern. Alle bisherigen Anläufe sind jedoch gescheitert. Die Bereitschaft trockengelegte Flächen wieder zu vernässen, wird nur steigen, wenn wirtschaftliche Alternativen aufgezeigt werden. In der Nationalen Moorschutzstrategie heißt es dazu: „Die Bundesregierung wird finanzielle Anreize setzen, durch die die Eigentümer*innen und Bewirtschafter*innen bei der Umstellung der Bewirtschaftungsweisen unterstützt werden und Einkommenseinbußen ausgeglichen werden. Dazu wird ein Set von passgenauen Anreiz– und Fördermaßnahmen, die die unterschiedlichen ökologischen und sozio-ökonomischen Verhältnisse berücksichtigt, entwickelt.“ Da darf man gespannt sein, ob dies klappt: die EU-Agrarpolitik muss vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden!

Kleine Wasserfläche mit Blättern von Seerosen und ein hochgewachsener brauner Rohrkolben.
In unserer ausgeräumten Landschaft sind Moore, Vernässungen, Feuchtwiesen und Tümpel selten geworden. Mit ihnen haben wir auch an Artenvielfalt eingebüßt. (Bild: Ulsamer)

Moorschutzstrategie zügig umsetzen

Wenig ermutigend ist das Eingeständnis in der Moorschutzstrategie der Bundesregierung: „Erfolgreiche Wiedervernässungsprojekte auf landwirtschaftlichen Flächen und die Erprobung innovativer Ansätze zur Nutzung nasser Flächen mittels Paludikulturen sind noch wenig verbreitet. Die dauerhafte Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Flächen schreitet daher bisher nur langsam voran. Vielfach stellen die teils sehr kleinteiligen Eigentumsverhältnisse ein Hemmnis für die Wiedervernässung dar.“ Die landwirtschaftliche Nutzung von Moorflächen – Paludikultur – ist nicht ganz neu, man denke an das geschnittene Schilf für Reetdächer. „Neue innovative und nachhaltige Nutzungen sind etwa die energetische Verwertung von Niedermoor-Biomasse, die Nutzung von Röhrichten für neue Baustoffe oder die Kultivierung von Torfmoosen als Torfersatz in Substraten für den Gartenbau“, schreibt das Greifswald Moor Centrum. Denkbar sind auch Photovoltaikanlagen über wieder vernässten Moorböden, wobei die Bedürfnisse des Artenschutzes abgewogen werden müssen. Und selbstredend benötigen die Pflanzen im Moor – wie Torfmoose, Wollgras oder Sonnentau – Licht, um wachsen zu können. Hier kommen die Wasserbüffel ins Spiel, die bisher in Deutschland meist im Auftrag des Naturschutzes unterwegs sind, doch könnte ihre extensive Haltung auch wirtschaftlich sinnvoll sein: Nicht wenige Feinschmecker schätzen Büffelmozzarella und ein weiterer Pluspunkt wäre beispielsweise der ‚Öko-Hinweis‘ auf die Haltung im Moor- bzw. Naturschutzgebiet.

Blick auf einen kleinen See und einen Bach, die umgeben sind von Moorflächen.
Der Ursee, ein Relikt der Eiszeit, ist zwar im Laufe der Jahrtausende kleiner geworden, doch mit den ihn umgebenden Moorflächen und Wiesen ist er noch immer beeindruckend. Das Urseetal bei Lenzkirch im Schwarzwald überlebte zum Glück einen Müllplatz und eine Kiesgrube, und das 1940 ausgewiesene Naturschutzgebiet, das 1992 erweitert wurde, sichert heute den Erhalt wichtiger Lebensräume und trägt zur Artenvielfalt bei. (Bild: Ulsamer)

Moore bauen sich langsam auf, schon ein Millimeter pro Jahr ist recht flott, doch der Mensch hat sie gerade auch in Deutschland in relativ kurzer Zeit vernichtet. Die verbliebenen Moore müssen noch besser geschützt und degradierte Moorböden wo immer möglich renaturiert werden. Dies ist eine zentrale Aufgabe, die dem Klima- und Naturschutz ebenso dient wie dem Erhalt der Artenvielfalt und der Verbesserung des Wasserhaushalts. Ich hoffe sehr, dass die von der SPD, Bündnis90/Die Grünen und der FDP getragene Bundesregierung die Umsetzung der Nationalen Moorschutzstrategie engagiert in Angriff nimmt und die Landesregierungen, aber auch Landkreise und Kommunen mitwirken. Es gilt, die Besitzer und Nutzer der Flächen mit Moorböden für deren Schutz zu gewinnen, und das wird in der Breite nur gelingen, wenn sich die EU-Agrarförderung umfassend an ökologischen Grundsätzen orientiert. Strategien sind wichtig, so auch die Nationale Moorschutzstrategie, doch es kommt auf die Umsetzung und nicht auf Papiertiger und Sonntagsreden an!

 

In einem See treibt an der Oberfläche eine Moorfläche.
Bereits im Mittelalter war der eiszeitliche Karsee verlandet und von einem Hochmoor und Weideflächen bedeckt. 1758 wurde der Nonnenmattweiher für die Wasserversorgung tieferliegender Mühlen aufgestaut. Das Moor schwamm teilweise auf und bildet noch heute Inseln auf dem See im Südschwarzwald. (Bild: Ulsamer)

 

Ein hölzerner Bohlenweg führt durch eine herbstlich braune Moorfläche.
Moore benötigen Schutz, doch sollten zumindest Randbereiche über Bohlenwege oder Aussichtspunkte zugänglich sein, denn ein Habitat, das man kennt, schützt man auch eher. (Bild: Ulsamer)

 

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Die Pflanzen auf der Moorfläche sind herbstlich braun gefärbt. Dahinter Wald und darüber der Brocken im Harz.Wenn es gut läuft, dann bauen Torfmoose pro Jahr einen Millimeter Höhe in Mooren auf, doch wenn sie entwässert werden, dann sacken Hochmoore pro Jahr um einen Zentimeter und Niedermoore gar um drei Zentimeter zusammen. Der Torf setzt ohne Überdeckung mit Wasser CO2 frei. Deshalb ist es wichtig, intakte Moore zu schützen und entwässerte Moorböden wieder so mit Wasser zu versorgen, dass sie sich regenerieren können. Im Bild das Große Torfhausmoor im Harz. (Bild: Ulsamer)

 

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