Schlüsselimmobilien müssen notfalls enteignet werden
In deutschen Landen stechen immer wieder leerstehende Gebäudekomplexe unangenehm ins Auge. Da steht dann zwar ein Schild ‚Eltern haften für ihre Kinder‘ am Bauzaun, doch Eigentümer scheinen nicht für die Verwahrlosung ihrer Immobilien zur Verantwortung gezogen zu werden. Ganz im Gegenteil: Wer es besonders schlau anfängt, der lässt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude so lange vergammeln, bis er vor Gericht bescheinigt bekommt, jetzt sei es nicht mehr zu sanieren und könne abgerissen werden. Dies droht den Resten des 1902 eröffneten ‚Kurhaus Hotel Fürstenhof’ im thüringischen Eisenach. Die Grundsubstanz geht auf die Bornemannsche Villa zurück, die 1858 erbaut wurde. 1996 wurde das Hotel geschlossen, und jetzt ist eine Ruine übriggeblieben. 2004 wurde der Denkmalschutz wegen des Zustands des Ex-Hotels aufgehoben. So steht das Hotel jetzt mit eingefallenem Dach über der Stadt, und die Investoren, die das Bauwerk 2006 bei einer Zwangsversteigerung ergatterten, sehen sich näher an ihrem Ziel, den Abriss durchzuziehen und Stadtvillen oder altersgerechte Wohnungen zu errichten. Die Stadtverwaltung will den Abriss verhindern, hatte jedoch zur rechten Zeit auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Gänzlich in Vergessenheit geraten zu sein scheint, dass im Grundgesetz „Eigentum verpflichtet“ steht!
Zerfall stoppen
Zurecht wird der Flächenfraß, die Versiegelung von Wiesen und Äckern, beklagt. Allerdings werden die in ganz Deutschland leerstehenden Gebäudekomplexe von der Politik zu zögerlich ins Visier genommen. So hat sich ein doppelgesichtiges Umweltmonster entwickelt, das Flächenfraß und Verwahrlosung von Immobilien in sich vereinigt. Immer wieder greifen Investoren ohne klare Strategie oder ausreichende Finanzmittel bei Schlüsselimmobilien zu, doch dann geschieht nichts, worauf ich bereits mehrfach in meinem Blog eingegangen bin, so z. B. in ‚Mehr Einfallsreichtum bei der Flächennutzung. Vorgenutzte Areale innovativ mit Leben füllen‘. Gebäude verwahrlosen – und Kommunen, Länder und der Bund sehen zu. Mag es eine ehemalige Kurklinik mit 300 Betten in der Schwarzwaldgemeinde Bad Rippoldsau-Schapbach sein, eine frühere Papierfabrik im Landkreis Regensburg oder Industriegebäude im Vogtland, es mangelt an Visionen in der Politik, und in kleineren Kommunen ganz simpel an den personellen und finanziellen Ressourcen, um selbst bei der Revitalisierung der Immobilien aktiv zu werden. Wer bei Reisen oder Wanderungen die ‚vernagelten‘ Hotels und Gasthöfe – z. B. an der Schwarzwaldhochstraße – zählt, der hatte schon vor der Coronapandemie viel zu tun.
Das Phänomen, dass einstige Spitzenimmobilien, die in die falschen Hände gerieten, zerfallen oder ungenutzt in eine traurige Zukunft blicken, betrifft neue und alte Bundesländer gleichermaßen. Wenn Kommunen und Regionen wirtschaftlich kränkeln, dann fehlt es an innovativen Ideen oder ganz einfach an Einwohnern, um neue Dynamik in alte Häuser zu bringen. Das sächsische Görlitz oder Goslar in Niedersachsen und Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz, um nur diese drei Städte exemplarisch zu nennen, haben im Grunde zu viel Raum für zu wenige Bürger. Längst hätten Bund und Länder eine zielgerichtete Regionalpolitik formulieren und umsetzen müssen, die ergänzende wirtschaftliche Kristallisationspunkte in Gebieten schafft, die ökonomisch zurückgefallen sind. Während in wirtschaftlich erfolgreichen Ballungszentren wie München, Frankfurt oder Stuttgart die letzte Freifläche versiegelt wird, um Wohnraum zu schaffen oder Gewerbe anzusiedeln, verfallen andernorts Fabrikanlagen und Wohnquartiere. Flächenfraß und Zerfall werden so zu einem Dauerproblem.
Innovative Regionalpolitik
Es ist an der Zeit, dass in- und ausländische Immobilienbesitzer mit Investitionsruinen deutlicher an unser Grundgesetz erinnert werden: „Eigentum verpflichtet“ heißt es dort in Artikel 14. Und: „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Wer seinen Besitz – sei es ein früheres Hotel, eine Kurklinik, eine Fabrik oder eine Villa – über ein Jahrzehnt oder länger verrotten lässt, der handelt ganz gewiss nicht zum Wohle der Allgemeinheit und muss enteignet werden. Dies sage ich als überzeugter Vertreter einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, der bekommt die rote Karte und fliegt vom Platz! Ich halte es für einen Skandal, dass in einem Land, in dem jede Dachgaube genehmigungspflichtig ist, ganze Gebäudekomplexe verlottern, ohne dass konsequent eingeschritten würde. Vielleicht sind Kommunen oft zögerlich unterwegs, da auch öffentliche Gebäude teilweise kaum saniert vor sich hindämmern. Nicht selten lasten auf Flächen und Gebäuden durch vorhergehende zweifelhafte Immobiliengeschäfte so hohe Schulden, dass die Übernahme selbst historisch interessanter Orte durch Städte und Gemeinden scheitert. Ein Beispiel ist die frühere Horchstation auf dem Berliner Teufelsberg. Eine Lösung für diese finanzielle Seite ist nicht leicht, doch muss sie gefunden werden, wenn neuer Schwung in zerfallende Baukomplexe gebracht werden soll.
Eingebettet werden muss diese härtere Vorgehensweise gegen fragwürdige Immobilienbesitzer durch eine innovative Regionalpolitik, die gerade auch kleinere oder finanzschwache Kommunen bei der Revitalisierung leerstehender Flächen und Gebäude unterstützt. So können neue wirtschaftliche oder technologische Schwerpunkte geschaffen werden. Warum nicht Wohnen und Arbeiten in einer eher abgelegenen Kurklinik oder einem Hotel zusammenführen und dort Start-ups zu einer Clusterbildung anregen? Es wird nicht ohne Finanzmittel und personellen Einsatz von Landes- und Bundeseinrichtungen gehen, um solche Initiativen zu starten und später wieder in andere Hände zu übergeben. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken, denn leerstehende Wohn- und Gewerbeanlagen einerseits und das Zubetonieren von Grünflächen andererseits, passen nicht in eine Zeit, in der Nachhaltigkeit und Ökologie das Handeln bestimmen müssen. Völlig absurd ist es, wenn Bauwerke hinter Bauzäunen verfallen und ganz in der Nähe neue Baugebiete ausgewiesen werden.
Schilder der Schande!
Statt ‚Eltern haften für ihre Kinder‘ sollte es an verrottenden Gebäuden heißen ‚Der Besitzer haftet für seine Immobilie‘. Und wer die gesellschaftlichen Anforderungen im Sinne des Grundgesetzes nicht erfüllt, der muss mehr Härte spüren. Dazu sollte es auch gehören, dass die Besitzer auf einer Infotafel – natürlich auf öffentlichem Grund – genannt werden und der Zeitpunkt, zu dem sie das Objekt übernommen haben, sowie die ursprüngliche Planung. Schilder der Schande würden zu mehr Transparenz beitragen! So mancher Immobilienbesitzer mit regionalen Bezügen würde dann zurecht sozialen Druck spüren, der ihn vielleicht auf den Weg der Tugend zurückbringt. Die freiwillige Abgabe des nicht genutzten Komplexes könnte daraus resultieren. Nicht selten – z. B. bei früheren Hotels an der Schwarzwaldhochstraße – leben die Besitzer in Russland oder Aserbaidschan, da wird die Hinweistafel kaum an das längst vergessene Gebäude erinnern. Wer nach einer angemessenen Frist Immobilien nicht nutzt und diese verwahrlosen lässt, der muss enteignet werden, wobei natürlich dem Grundgesetz folgend gilt: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Ich wundere mich sehr, dass in Berlin und anderswo auf der Linken Enteignungsfantasien unter Bezug auf große Wohnungsbaugesellschaften gehegt und gepflegt werden, dass aber viel zu selten den kleinen Missständen bei verrottenden Gebäuden entgegengetreten wird. Eine härtere Gangart gegenüber zweifelhaften Immobilienbesitzern, die ihr Eigentum ganz bewusst vergammeln lassen, ist sicherlich auch im Interesse der weit überwiegenden Mehrheit von Haus- und Grundbesitzern, die mit einzelnen schrägen Vögeln nichts zu tun haben möchten.
Es ist an der Politik, einen sachgerechten Rahmen dafür zu schaffen, dass zerfallende Gemäuer wieder einer Nutzung zugeführt werden können. Wer ständig über die Versiegelung von Flächen klagt, der muss mehr dafür tun, Industrie- und Gewerbeobjekte, Wohngebäude oder Hotels, Gasthöfe und Kurkliniken mit neuem Leben zu erfüllen. Sie haben ihre alte Nutzung aus vielerlei Gründen verloren, doch sie bieten neue Chancen.
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Schlüsselimmobilien sollten nicht wie ein Wanderpokal von Hand zu Hand gehen. Kommunen brauchen ein klares Vorkaufsrecht, doch sie müssen dann auch willens und wirtschaftlich in der Lage sein, dieses zu nutzen. Das ist in Eisenach beim ‚Hotel Fürstenhof‘ unterblieben. (Bild: Ulsamer)
3 Antworten auf „Eigentum verpflichtet! Zu nichts?“
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
es ist selbstverständlich ein Ärgernis ansehen zu müsse, wie Häuser zerfallen oder zumindest nicht sinnvoll genutzt werden.
Auch in unserer Gemeinde gibt es solche Objekte. Dem können Gemeinden wenig entgegensetzen, da die finanziellen Mittel für einen rechtzeitigen Erwerb und dann auch zwingend für eine sinnvolle Nutzung, nicht verfügbar sind.
Auch eine Enteignung wird oft nicht möglich sein, da diese nur in Verbindung mit einer Entschädigungszahlung möglich ist.
Die Errichtung eines Prangers halte ich nicht für zulässig und wahrscheinlich ist es auch keine zweckmäßige Maßnahme.
Zurecht weisen Sie auf einen erheblichen Missstand hin, den vermutlich nur die Handelnden beheben können, wenn sie Verantwortungsbewusstsein entwickeln.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Spruch aus meiner Studienzeit. “Eigentum verpflichtet – zu nichts.”
Mit freundlichen Grüßen aus Immendingen
Gerhard Walter
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
es ist selbstverständlich ein Ärgernis ansehen zu müsse, wie Häuser zerfallen oder zumindest nicht sinnvoll genutzt werden.
Auch in unserer Gemeinde gibt es solche Objekte. Dem können Gemeinden wenig entgegensetzen, da die finanziellen Mittel für einen rechtzeitigen Erwerb und dann auch zwingend für eine sinnvolle Nutzung, nicht verfügbar sind.
Auch eine Enteignung wird oft nicht möglich sein, da diese nur in Verbindung mit einer Entschädigungszahlung möglich ist.
Die Errichtung eines Prangers halte ich nicht für zulässig und wahrscheinlich ist es auch keine zweckmäßige Maßnahme.
Zurecht weisen Sie auf einen erheblichen Missstand hin, den vermutlich nur die Handelnden beheben können, wenn sie Verantwortungsbewusstsein entwickeln.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Spruch aus meiner Studienzeit. “Eigentum verpflichtet – zu nichts.”
Mit freundlichen Grüßen aus Immendingen
Gerhard Walter