Eichelhäher – vom Gärtner des Waldes zum Gartenvogel

Der buntgefiederte Verwandte der Rabenvögel

Dem bunten Eichelhäher sieht man seine Verwandtschaft nicht auf den ersten Blick an, denn er gehört zur Familie der Rabenvögel. Doch trotz seines farbenfrohen Auftritts leidet er nicht selten am schlechten Image der Raben, Krähen und der ebenfalls zur Verwandtschaft gehörenden Elstern. Viel zu selten wird die Leistung des Eichelhähers für den Wald betont, denn er sammelt nicht nur Eicheln, Nüsse oder Bucheckern, sondern er versteckt sie auch für den Winter als Vorrat, und viele Samen werden vergessen oder nicht benötigt, und aus ihnen entwickeln sich neue Büsche und Bäume. Eichelhäher sorgen so, wenn man sie denn lässt, für den auf natürliche Weise nachwachsenden Mischwald, der sich so wohltuend von den anfälligen Forstplantagen abhebt. Die Eichelhäher haben sich nicht nur im Wald rargemacht, wo sie früher häufig ihrer leuchtend blauen kleinen Federn wegen abgeschossen wurden, sondern weil sie in Fichtenmonokulturen weder Nahrung noch Nistplätze finden. So gehört der Eichelhäher – wie Igel, Feldhase oder Eichhörnchen – heute vielfach zu den Bewohnern von Parks, Friedhöfen und naturnahen Gärten: Sie haben dem Landleben den Rücken gekehrt.

Ein Eichelhäher mit zwei halben Erdnusskernen im Schnabel.
Nüsse, Eicheln oder Bucheckern werden im Kehlsack oder im Schnabel abtransportiert. (Bild: Ulsamer)

Der Wald aus ‚Vogelhand‘

Wenn Bundesministerin Julia Klöckner tief in die Kasse greift und unsere Steuergelder für die Unterstützung von Aufforstungsmaßnahmen verplempert, dann wäre es weit sinnvoller, sie würde auf Äckern und Wiesen sowie in Wald und Forst dafür Sorge tragen, dass der Artenschutz gestärkt wird und die chemische Keule im Schrank bleibt. Forst und Wald brauchen nicht Milliardensubventionen, sondern mehr Zeit und Ruhe, um sich zu entwickeln, und genau da könnte der Eichelhäher wieder verstärkt helfen. Dieser kann nicht nur bis zu 10 Eicheln in seinem Kehlsack verstauen, und die elfte wird im Schnabel transportiert, sondern er verteilt die Früchte in seinem Revier und sorgt so für das Nachwachsen kleiner Eichen. Selbstredend denkt der Gärtner des Waldes bei seiner Sammelei und dem Anlegen von Futterdepots zuerst an sich, doch für einen Winter sorgt er gerne mal mit 3 000 Eicheln vor, was im Übrigen stolzen 15 Kilogramm entspricht! Ein ausgewachsener Eichelhäher bringt dagegen nur 170 Gramm auf die Waage. Und Eicheln, die er nicht verspeist, tragen zur Sukzession bei, dem Nachwachsen der Wälder ohne Aufforstung. Bäume, die bereits im Wald aus den Eicheln keimen und heranwachsen, sind meist besser an den Standort angepasst als Setzlinge, die in Baumschulen gezogen und dann auch noch das Aus- und wieder Einbuddeln und den Transport überstehen müssen. So mancher Aufforstung hat schon eine Dürreperiode den Garaus gemacht. Der Förster oder Waldbesitzer, der auf Eichelhäher und Eichhörnchen setzt, die durch die Verteilung von Samen für neue Mischwälder sorgen, mag hier sicher besser dran sein.

Ein Eichelhäher sitzt vor einem Vogelhaus, in dem ein Eichhörnchen futtert.
‚Aktives Anstehen‘ am Vogelhaus nützte diesem Eichelhäher nichts, denn das Eichhörnchen ließ sich beim Schmausen nicht stören. (Bild: Ulsamer)

Statt auf Eichelhäher zu setzen, dürfen diese z. B. in Bayern noch immer zu bestimmten Zeiten abgeschossen werden, weil sie dem Jagdrecht unterliegen. Wer heute auf Eichelhäher, Raben, Krähen oder Elstern schießt, der vergeht sich an der Natur. Dabei ändert es auch nichts, wenn Jagdbegeisterte betonen, sie würden Rabenvögel nur abschießen, um kleinere Singvögel zu schützen. Da mag der Eichelhäher mal ein Nest plündern, doch dies war immer schon der Fall. Der teilweise starke Schwund von Singvögeln liegt am Insektenschwund, am Fehlen von Nistplätzen und Nahrung, an einer ausgeräumten Landschaft, dem Einsatz von Pestiziden und der Flächenversiegelung. Wir haben einen Minigarten von gerade mal 30 m², und dort tummeln sich Eichelhäher und Elstern, die in benachbarten Gärten brüten, aber auch Amseln, Meisen, Wald- und Türkentauben, Buch- und Grünfinken oder sogar mal ein Wintergoldhähnchen. Das von uns angebotene Wasser und Vogelfutter lockt die Vögel zu uns, denn gerade Wasserstellen sind im gesamten Umfeld nicht zu finden. Die Tiere kommen im Regelfall schon miteinander zurecht, wenn die menschlichen Einflüsse ihnen nicht die Lebensgrundlage rauben. Vor diesem Hintergrund muss die Politik dazu gedrängt werden, alle Rabenvögel – einschließlich des Eichelhähers – umfassend zu schützen.

Ein Eichelhäher trinkt tief nach vorne gebeugt aus einer blauen Vogeltränke.
Der Eichelhäher hat Durst – wie andere Vögel auch. Doch es gibt immer weniger Tümpel, Weiher oder naturnahe Bäche, und zu wenige Mitbürger bieten eine Wasserstelle in ihrem Garten an. Igel, Eichhörnchen und Marder freuen sich im Übrigen gleichfalls. (Bild: Ulsamer)

Ameisen als ‚Dienstleister‘

Im Wald wirkt der Eichelhäher nicht nur als Gärtner, sondern gleichfalls als Polizist oder Wächter, denn er warnt mit seinem rätschenden Ruf die anderen Tiere vor herannahenden Feinden. Und dazu zählt neben Greifvögeln und Mardern gerade auch der Mensch. Selbst vor seiner Verwandtschaft sind die Nester des Eichelhähers nicht immer sicher, denn Krähen oder Elstern nehmen hin und wieder keine Rücksicht auf die Zugehörigkeit zur gleichen Vogelfamilie. Viele Jungvögel sterben bereits im ersten Lebensjahr durch Feinde und Wettereinflüsse oder eben durch Vergiftungen. So könnte es jüngst einem kleinen Eichelhäher ergangen sein: Gerade noch war der Jungvogel – wie ich durchs Fenster beobachtete – von einem angeflogenen Eichelhäher gefüttert worden, da taumelte er und fiel um. Er drehte sich auf dem Rücken im Kreis und ich konnte ihn nicht wieder auf die dünnen Beinchen stellen oder setzen. Auch die Tiernotrettung schätzte die Überlebenschancen gering ein, und so folgten wir dem Rat, ihm eine Art Nest mit einem Tuch in einem Karton einzurichten. Dort hauchte er sein Leben aus. Ein mehr als trauriges Ereignis. Am Morgen hatten wir den Jungvogel noch mit einem Geschwisterchen über Äste klettern und kurze Flüge absolvieren sehen und daraufhin den Garten für diesen Tag den gefiederten Freunden gänzlich überlassen.  Über die Todesursache kann ich nur spekulieren, aber das urplötzliche Umfallen könnte auf eine Vergiftung hindeuten. Zwar gibt es in unserem naturnahen Gärtchen kein Gift, ob allerdings anderswo Schneckenkorn oder ähnliches eingesetzt wird, das weiß ich nicht.

Ein junger Eichelhäher mit kurzen Schwanzfedern.
Ein junger Eichelhäher: Wenn er Glück hat, kann er 15 Jahre alt werden, doch viele Küken und Jungvögel sterben bereits im ersten Lebensjahr. (Bild: Ulsamer)

Eichelhäher sind wie alle Rabenvögel sehr intelligente Tiere, darauf bin ich bereits in meinem Blog-Beitrag ‚Krähen und Raben:  Intelligent, sozial und nützlich‘ eingegangen, doch ein besonderes Beispiel möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen. Wenn es in ihrem Revier Rote Wald-, Gelbe Wiesen- oder Schwarze Wegameisen gibt, dann setzen sich Eichelhäher von Zeit zu Zeit auf deren Hügel, das Nest oder die Ameisenstraße und reiben den Bauch und die Flügel an der Wohnstätte oder Marschkolonne der emsigen Insekten. Letztere reagieren darauf, indem sie zur Abwehr Ameisensäure versprühen. Nun ist der Eichelhäher gewiss kein Masochist, sondern ein besonders cleverer Vogel: Die Ameisensäure vertreibt möglicherweise vorhandene Parasiten aus dem Gefieder, und diese ‚Kur‘ – ‚Einemsen‘ genannt – hilft dem Häher, gesund zu bleiben. Die Eichelhäher sind auch – ähnlich wie der Star – in der Lage, andere Vogelstimmen, z. B. vom Mäusebussard oder Specht – und Geräusche wie einfachere Klingeltöne von Handys nachzuahmen.

Ein Eichelhäher im Frühjahr mit Schnee und einer bereits aufgeblühten gelben Blume.
In Deutschland sind ganzjährig Eichelhäher anzutreffen, ob man immer die gleichen zu Gesicht bekommt, das ist nicht leicht festzustellen: Im Winter kommen Eichelhäher aus nördlichen Regionen zu uns, und manche ‚Stamm‘-Häher ziehen ein Stückchen weiter gen Süden. (Bild: Ulsamer)

Der Natur Raum geben

Eichelhäher gelten zwar als nicht gefährdet, doch sollte uns das Abwandern aus dem Forst in die Städte zu denken geben. Nicht nur der Häher vermisst die lichten, artenreichen Mischwälder, in denen er Nahrung für sich und seine Küken finden sollte. Der Rückgang an Insekten und Raupen oder kleinen Wirbeltieren macht vielen Vogelarten zu schaffen, und gerade auch dem Eichelhäher, der diese neben den bereits erwähnten Eicheln, Nüssen oder Bucheckern verspeist. In einer ausgeräumten Landschaft ohne Hecken finden sich auch immer weniger Beeren, die in Forstplantagen genauso wie wilde Obstbäume fehlen.

Ein erwachsener Eichelhäher füttert einen Jungvogel. Der Schnabel des Elterntiers ist tief in den Schnabel des Jungen versenkt.
Die Küken kommen häufig im Mai nach einer Brutzeit von rd. 16 Tagen auf die Welt. 16 bis 20 Tage werden die Jungen im Nest gefüttert, dann noch drei Wochen von den Eltern als Ästlinge begleitet. (Bild: Ulsamer)

Die Eichelhäher und ihre Familie – Raben, Krähen, Dolen, Elstern – benötigen Schutz, selbst wenn sie derzeit nicht als gefährdet gelten. Eichelhäher haben daher absolut nichts im Jagdrecht zu suchen, auch wenn sie nicht geschossen werden. In Bayern muss die Jagd auf Eichelhäher gänzlich beendet werden, denn wer heute noch eine blaue Häherfeder an den Hut steckt oder einen präparierten Vogel ins Wohnzimmer stellt, der greift ohne Notwendigkeit in die Natur ein. Natur- und Artenschutz darf nicht erst dann einsetzen, wenn bestimmte Tiere akut gefährdet sind, denn dann ist es häufig bereits zu spät.

Ein startender Eichelhäher mit einer halben Erdnuss im Schnabel. Die Flügel sind weit ausgebreitet.
Eichelhäher leben heute häufig in Gärten und Parks, denn in Fichtenkulturen fehlt es ihnen an Nahrung. (Bild: Ulsamer)

Statt über den Niedergang der angebauten Fichtenwälder zu jammern, sollten mehr Waldbesitzer auf den Eichelhäher setzen, der zum natürlichen Nachwachsen von Mischwäldern beitragen kann. Aus Gärten und Parks müssen Insektizide und Herbizide verbannt werden: Dies gilt selbstverständlich besonders für Naturschutzgebiete. Und in land- und forstwirtschaftlichen Arealen muss der Pestizideinsatz drastisch zurückgefahren werden, was Insekten und Vögeln hilft, ebenso wie vielen weiteren Tierarten. Vielleicht könnte der kleine Eichelhäher, über den ich berichtet habe, noch leben, wenn es weniger Gift in unserer Umwelt geben würde.

 

Ein Eichelhäher mit einem kleinen Ästchen im Schnabel für den Nestbau.
Das flache Nest bauen Eichelhäher meist auf höheren Bäumen, und sie kleiden die Konstruktion aus Ästen mit etwas Moos aus. (Bild: Ulsamer)
Eine Waldtaube - grau mit weißem Hals - geht auf einen Eichelhäher zu.
Wer ist der ‚Platzhirsch‘? Hier war es eindeutig – und unerwarteterweise – die Ringel- oder Waldtaube, die auf den Eichelhäher zuging, und er suchte das Weite! (Bild: Ulsamer)

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