Wie neue Umweltschädlinge sich breitmachen
In Städten mit E-Scooter-Verleih – wie in Stuttgart – stolpert man auf Schritt und Tritt über eben diese Vehikel, die manche Kommunalpolitiker für einen Beitrag zur Verkehrswende halten, doch zumeist wird nicht das Auto damit ersetzt, sondern die eigenen Füße und der Bus. Sowohl frühe französische Studien, als auch aktuelle Erhebungen aus Deutschland bestätigen die Aussage des Umweltbundesamts: „Als Leihfahrzeug in Innenstädten, wo ÖPNV-Netze gut ausgebaut und die kurzen Wege gut per Fuß und Fahrrad zurückzulegen sind, bringen die Roller eher Nachteile für die Umwelt – und drohen als zusätzlicher Nutzer der bereits unzureichend ausgebauten Infrastruktur das Zufußgehen und Fahrradfahren unattraktiver zu machen.“ Da fahren E-Scooter neben dem Bus her, sie sausen durch Fußgängerzonen und Parkanlagen, und sie dienen weit überwiegend der Freizeitgestaltung und eben nicht – wie angedacht – als Auto-Ersatz auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkauf. So sind E-Scooter bei ihrer derzeitigen Nutzung im Grunde Umweltschädlinge und keine zweirädrigen Helferlein beim Klimaschutz.

Verirrte E-Scooter
Als ich vor einigen Jahren im Gespräch mit der Stadt Stuttgart war, ging es um Ladesäulen für E-Fahrzeuge, die in einem Carsharing-Projekt eingesetzt werden sollten. Vom damaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Gemeinderat bekam ich den nicht gänzlich unberechtigten Einwand zu hören, man müsse doch an die Übermöblierung der Stadt denken. Nun frage ich mich schon, wie sich dieser Hinweis mit Hunderten von E-Scootern verträgt, die heute in meiner Geburtsstadt herumstehen und manchmal auch fahren – gerne auf Gehwegen, durch Fußgängerzonen und Parkanlagen. Peter Pätzold ist inzwischen Bürgermeister für Städtebau, Wohnen und Umwelt in Stuttgart, und eingeführt wurden die E-Scooter, die zur Plage werden, unter dem grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Bei einer Fahrt mit unseren Enkelkindern zählten diese vom Monte Scherbelino – dem Trümmerberg auf den Höhen – bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof – Stuttgart 21 – sage und schreibe 300 herumstehende E-Scooter. Eine echte Bereicherung des Stadtbilds! Gerne werden diese Vehikel mitten auf dem Gehweg abgestellt oder achtlos in eine Grünfläche gekippt. Sie finden sich auch verlassen an mehrspurigen Bundesstraßen oder in Parks, wo sie nun wirklich nicht hingehören. So frage ich mich schon, wer heute zur Verschandelung des Stadtbilds beiträgt!

„E-Scooter sind auf Radwegen, Radfahrstreifen und in Fahrradstraßen erlaubt“, so der ADAC. „Nur wenn diese fehlen, darf auf die Fahrbahn ausgewichen werden. Auf dem Gehweg, in der Fußgängerzone und in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung sind die kleinen E-Roller verboten.“ Solche rechtlichen Vorgaben scheinen aber nicht bei allen Nutzern angekommen zu sein, denn so mancher wechselt zackig von der Straße auf den Gehweg, wenn der Bordstein es zulässt oder ‚verirrt‘ sich in belebte Fußgängerzonen. Nun bin ich ohnehin der Meinung, dass Radfahrer generell einen Helm tragen sollten, was genauso für die Nutzer von E-Scootern gelten müsste. Dies sehen im Übrigen auch die Unfallforscher des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) so. Eine Studie der GDV-Unfallforscher in Berlin und Dresden ergab nicht nur das mehrheitlich helm-lose Fahren, sondern bestätigte auch die Einschätzung des Umweltbundesamts, dass die Freizeitnutzung dominant ist: „Es werden überwiegend zusätzliche Fahrten durchgeführt oder es werden Fußwege oder die Nutzung des ÖPNV ersetzt.“

E-Scooter sind Freizeitvehikel
75 % der Fahrerinnen und Fahrer der E-Scooter gaben bei der Studie der Unfallforscher des GDV an, den E-Scooter für die Freizeit zu nutzen, nur 3 % waren in Sachen ‚Arbeit‘ unterwegs. Ohne Verfügbarkeit eines E-Scooters hätten über 53 % der Befragten den Weg zu Fuß zurückgelegt, 26,7 % wären aufs Rad gestiegen und lediglich 4,4 % hätten den eigenen Pkw genutzt. Ob sich die E-Scooter-Schwemme in unseren Städten unter Umweltgesichtspunkten lohnt, um so wenige Autofahrten einzusparen, das wage ich zu bezweifeln. Denn es entsteht eine nicht geringe Zahl an zusätzlichen Fahrbewegungen mit E-Scootern, die nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch weitere Ressourcen für die Herstellung des Fahrzeugs und insbesondere der Lithium-Ionen-Batterie.

In Paris zeigte sich ebenfalls bei einer Studie, dass 47 % der befragten Nutzer ohne verfügbare E-Scooter zu Fuß gegangen wären, 29 % hätten den ÖPNV genutzt und neun Prozent die Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt. „Nur acht Prozent der Befragten haben mit dem geliehenen E-Scooter eine Auto- oder Taxifahrt ersetzt. Drei Prozent hätten sich ohne Roller gar nicht fortbewegt.“ Von einem merklichen Beitrag zur Reduzierung des Autoverkehrs durch E-Scooter kann nicht gesprochen werden. Ob Städte durch E-Scooter verunstaltet werden sollen, die weit überwiegend der Freizeitnutzung dienen, das sollten sich alle Stadträte ernsthafter als bisher fragen!

Kein Gewinn für die Umwelt
Kehren wir aus Berlin und Dresden, über die dortige E-Scooter-Situation hatte ich bereits berichtet, oder Paris wieder nach Stuttgart zurück. Dort hieß es in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung: „Seit Mitte Juni 2019 dürfen sogenannte E‐Scooter oder auch Elektrotretroller offiziell am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen. Damit sollen das Niveau und die Vielfalt der Mobilität in Stuttgart verbessert werden.“ Die „Vielfalt der Mobilität“ hat sich zwar verbreitert, allerdings kann dies doch nicht das Ziel einer Stadt sein, wenn kein effektiver Beitrag zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen geleistet wird! Wenn keine Autofahrten ersetzt werden, sondern frühere Fußwege jetzt mit dem E-Scooter absolviert werden, das Fahrrad zuhause bleibt oder Busse und Bahnen, die ohnehin verkehren, Fahrgäste verlieren, dann sind E-Scooter Umweltschädlinge. „Oberstes Gebot im öffentlichen Straßenraum ist stets die Verkehrssicherheit aller Teilnehmer“, so noch ein Satz aus der Stuttgarter Presseerklärung. Dazu tragen E-Scooter allerdings nicht bei, schon gar nicht, wenn sie den begrenzten Raum für Radfahrer und Fußgänger zusätzlich beanspruchen und gerne mal unbeleuchtet in der Dämmerung zwischen den Autos herumkurven.

„Elektrische Tretroller, wie sie aktuell in Innenstädten zum Verleih angeboten werden, sind zurzeit kein Gewinn für die Umwelt: Erste Zahlen zeigen, dass sie oft den umweltfreundlicheren Fuß- und Radverkehr ersetzen“, so nochmals das Umweltbundesamt. „Zudem ist die Lebensdauer der Leih-Roller und Akkus offenbar gering.“ Trotz aller Kritik haben die Roller durchaus das Potenzial, einen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität zu leisten, allerdings nur, wenn sie Autofahrten ersetzen. „Aber gegenüber dem bewährten Fahrrad, mit dem sich Strecken ebenso schnell bewältigen lassen und Gepäck besser transportieren lässt, sind E-Scooter die deutlich umweltschädliche Variante und daher keine gute Alternative“, schreibt das Umweltbundesamt.

E-Scooter-Unwesen eindämmen
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der auch schon Flugtaxis als Lösung für unsere Verkehrsprobleme anpries, bahnte den E-Scootern nicht nur den Weg in unsere Städte, sondern er fuhr doch tatsächlich für ‚Bild‘ mit einem E-Scooter durch den Flur zu seinem Büro. So ist das E-Scooter-Desaster nur ein weiterer Fehltritt des Ex-CSU-Verkehrsministers: Nicht so teuer wie der Fehlschlag für die Pkw-Maut, aber nicht weniger gefährlich.

Die Politik sollte sich auf allen Ebenen für einen Ausbau der Radwege und des ÖPNV einsetzen, anstatt sich in Scheinlösungen wie den E-Scooter zu flüchten. Unsere Städte müssen umweltfreundlicher werden, und dazu müssen wir auch unser Mobilitätsverhalten ändern, doch – zumindest bisher – tragen die E-Scooter hierzu nicht bei. Es ist an der Zeit, den Einsatz von E-Scootern stärker zu reglementieren, damit sie nicht zu einer Last für Fußgänger und Radfahrer werden! Wer in seiner Stadt Busse und Bahnen weiter optimiert, der trägt zur Umweltentlastung mehr bei, als derjenige, der auf E-Scooter und anderen Klimbim setzt!




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In der Innenstadt gibt es in Stuttgart und anderen Kommunen ein umfassendes System mit Bussen und Bahnen, da ersetzen E-Scooter nur ganz selten eine Autofahrt! Nicht zum Einsatz kommen höchstens die eigenen Füße und Bus oder Straßenbahn bzw. U-Bahn. (Bild: Ulsamer)