E-Scooter: Geliebt, gehasst, geschasst

Warum wirft nur Paris die Miet-E-Scooter raus?

Wenige Neuerungen haben in unseren Städten so zwiespältige Gefühle ausgelöst wie die Einführung der E-Scooter. Zuerst wurden die Roller mit Elektroantrieb den Stadträten von den Verleihfirmen noch als platz- und energiesparende Alternative zum Auto im urbanen Bereich schmackhaft gemacht, doch bald stellte sich heraus, dass die E-Scooter weit überwiegend als zusätzliches Freizeitvehikel genutzt werden und keinesfalls CO2 einsparen. Schnell war klar, dass E-Scooter zur Stolperfalle für Sehbehinderte und Blinde werden, weil sie nicht selten mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen. Aber auch zahlreiche E-Scooter-Fahrer kamen zu Fall, gerne mal mit einem oder zwei Mitfahrern, nicht selten angetrunken. Doch so manche Entscheider in Rathäusern stimmten wissenschaftliche Untersuchungen nicht wirklich nachdenklich, die klar belegen, dass E-Scooter im Grunde Umweltschädlinge sind. Und Unfallstatistiken regen scheinbar ebenfalls nicht zu einer Neubewertung in deutschen Kommunen an. Da würde ich mir Bürgerbefragungen wie in Paris wünschen, denn dort sprachen sich 89 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ein Verbot der E-Scooter aus, und die Stadtverwaltung hielt sich an dieses Votum. Die von den Nutzern geliebten und von weit mehr Menschen gehassten E-Scooter wurden ganz einfach gefeuert. 15 000 E-Scooter, die bis Ende August 2023 durch Paris rollten, suchen nun einen neuen Wirkungskreis, und vermutlich landet das eine oder andere batteriebetriebene Vehikel auf deutschen Radwegen und Straßen – und verbotenerweise auf Gehwegen und in Fußgängerzonen.

Ein Mann und dahinter eine Frau mit langem Zopf fahren gemeinsam auf einem E-Scooter in eine Fußgängerzone.
Fußgängerzonen und Gehwege sind zwar tabu, doch das stört immer weniger Fahrer von E-Scootern. Hier geht’s gleich mit ‚Beifahrerin‘ in die Königstraße, eine Fußgängerzone in Stuttgart. In Berlin ist das E-Scooter-Unwesen noch deutlich intensiver zu erleben als in Stuttgart, dazu Fotos in meinem Blog-Beitrag ‚E-Scooter: Zusätzliches Freizeitvehikel statt Autoersatz. Die Unfallgefahren steigen‘. (Bild: Ulsamer)

Mit E-Scooter die Füße schonen

„Elektrische Tretroller, wie sie aktuell in Innenstädten zum Verleih angeboten werden, sind zurzeit kein Gewinn für die Umwelt: Erste Zahlen zeigen, dass sie oft den umweltfreundlicheren Fuß- und Radverkehr ersetzen. Zudem ist die Lebensdauer der Leih-Roller und Akkus offenbar gering“, so das Umweltbundesamt. Wenn die E-Scooter überwiegend Autofahrten ersetzen würden, dann sähe die Situation natürlich anders aus, doch im Grunde sprechen in- und ausländische Studien eine klare Sprache.  In Paris zeigte eine Studie bereits 2019, dass 47 % der befragten Nutzer ohne verfügbare E-Scooter zu Fuß gegangen wären, 29 % hätten den ÖPNV genutzt und neun Prozent die Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt. Magere acht Prozent der befragten Personen hatten mit dem geliehenen E-Scooter eine Auto- oder Taxifahrt ersetzt. Und drei Prozent machten sich nur auf den Weg, weil sie einen E Scooter nutzen konnten. Vom E-Scooter ist somit kein umweltpolitischer Durchbruch bei der Mobilität in unseren Städten zu erwarten. Dennoch rollen seither immer mehr E-Scooter durch deutsche Städte. Die Unfallforscher des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) kamen bei einer Untersuchung in Berlin und Dresden zum gleichen Schluss wie die Forscher in Paris: 75 % der Fahrerinnen und Fahrer der E-Scooter gaben bei der Studie des GDV an, den E-Scooter für die Freizeit zu nutzen, nur 3 % waren in Sachen ‚Arbeit‘ unterwegs. Ohne Verfügbarkeit eines E-Scooters hätten über 53 % der Befragten den Weg zu Fuß zurückgelegt, 26,7 wären aufs Rad gestiegen und lediglich 4,4 % hätten den eigenen Pkw genutzt. „Es werden überwiegend zusätzliche Fahrten durchgeführt oder es werden Fußwege oder die Nutzung des ÖPNV ersetzt“, so die GDV-Unfallforscher. Ob sich die E-Scooter-Schwemme in unseren Städten unter Umweltgesichtspunkten lohnt, um einige wenige Autofahrten einzusparen, das wage ich dann doch zu bezweifeln!

Ein grüner E-Scooter liegt in einem schmalen Grünstreifen neben einer innerörtlichen Straße.
Mehr Grün in die Städte, das ist auch meine Forderung, aber ich denke dann doch weniger an grün lackierte E-Scooter, sondern an Bäume und Parkanlagen. (Bild: Ulsamer)

Bei einer Forsa-Umfrage gaben 62 % der Nutzer an, sie würden den E-Scooter für den „Zeitvertreib und zum Spaß“ nutzen, 17 % diente der elektrische Gehilfe für ihre „Freizeitaktivitäten“, 33 % hatten ihn bereits als Touristin oder Tourist in einer anderen Stadt eingesetzt, auf dem Weg zur Arbeit oder Ausbildungsstätte begleitete er lediglich 13 % der Befragten. Zwei Prozent nannten den Transport einer weiteren Person als Nutzungsart, obwohl dies verboten ist. Generell zeigt sich bei Umfragen auch die frappierende Unkenntnis der Rechtslage bei vielen Nutzern der E-Scooter. Schweizer Wissenschaftler unterstützen die These, dass E-Scooter von Leihfirmen die Umweltbilanz nicht verbessern. „Unsere Studie zeigt aber, dass geteilte E-Scooter momentan hauptsächlich den Öffentlichen Nahverkehr, das Fahrrad und das Zu-Fuß-Gehen ersetzen“, so Daniel Reck von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Etwas besser scheint die Situation bei E-Scootern zu sein, die sich im eigenen Besitz befinden, da sie eher Fahrten mit einem Auto ersetzen – und generell auch länger halten. Und kaum ein E-Scooter-Nutzer würde das eine Vehikel ins Gebüsch werfen, umstürzen oder quer auf den engen Gehweg stellen.

Eine Person fährt auf einem E-Scooter neben einem gelb-weißen Linienbus her.
In Großstädten mit einem ausgebauten ÖPNV machen E-Scooter im Leihmodell wirklich keinen Sinn. Ökologisch ist es nicht vertretbar, wenn mit dem batteriebetriebenen E-Scooter neben einem Bus oder einer Straßenbahn her gesaust wird. (Bild: Ulsamer)

E-Scooter als Alternative zum ÖPNV

„E-Scooter sind praktisch, schnell und – umstritten: 16 Prozent der Bevölkerung glauben, dass ihr Image positiv, 30 Prozent, dass es negativ ist. Viele kritisieren sorgloses Parken auf Gehwegen, durch Vandalismus beschädigte Fahrzeuge, die den knappen öffentlichen Raum blockieren, oder dass manche Fahrerinnen und Fahrer verbotenerweise auf dem Gehweg unterwegs sind“, so der ADAC nach einer von ihm veranlassten Studie, in die 6800 Personen einbezogen wurden. Spaß und Freizeitnutzung stehen auch bei den Antworten von Nutzern dieser Untersuchung im Mittelpunkt. Die Liste der Gründe für eine Nutzung führt mit 14 % der „Spaß“ an. Der E-Scooter sei eine „Alternative zum Gehen“ meinen 12 %, lediglich 6 % geht es um „weniger Autonutzung“, und 5 % sehen im E-Scooter eine „Alternative zum Rad“., 7 % nutzen das individuelle Vehikel als „Alternative zu Öffentlichen“. Diese Aussagen belegen ein weiteres Mal, dass der E-Scooter mit seinem Stromverbrauch kaum zu einer besseren Energiebilanz beiträgt. Nicht vergessen werden darf dabei, dass die Akkus der E-Roller auch aufgeladen werden müssen und so mancher ‚Juicer‘, der für neuen Saft sorgt, schlecht bezahlt wird und mit einem Verbrennerfahrzeug die E-Scooter im Stadtgebiet ansteuert.

Eine junge Frau mit hellem Anorak und dunkler Hose fährt mit dem E-Scooter auf einer Straße, ein schwerer Lkw folgt. Links sind Gebäude aus Sandstein zu sehen.
Mutig, mutig, aber so habe ich mir die Zukunft der Mobilität doch nicht vorgestellt. (Bild: Ulsamer)

Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich noch aus der Generation stamme, als man als Kind stolz auf seinen Tretroller war und für die Bewegung noch selbst per Fuß sorgte, doch bin ich aufgeschlossen für alle Alternativen in der Mobilität, wenn sie für Umwelt und Gesellschaft etwas bringen. Hier habe ich beim E-Scooter meine Zweifel, gestützt durch zahlreiche wissenschaftliche Studien. Mit Strom betriebene E-Scooter brächten nur dann etwas für die Umwelt, sollten wirklich Autofahrten dadurch ersetzt werden. Das ist jedoch nur in minimalem Umfang der Fall. Häufig werden jetzt mit zusätzlichem Strom Strecken zurückgelegt, die die gleiche Person vorher zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem ÖPNV absolviert hätte. Dies bringt nichts für die Verminderung von CO2 oder im Kampf gegen den Klimawandel! Und in einer Gesellschaft, in der über Bewegungsarmut zurecht diskutiert wird, wäre für so manchen Zeitgenossen das Training der eigenen Beine gesundheitlich besser.  Wenn E-Scooter zu Stolperfallen werden und das Stadtbild verschandeln, dann ist es an der Zeit, dass auch deutsche Kommunen dem Beispiel von Paris folgen: Ob die von manchen geliebten, von vielen gehassten E-Scooter in deutschen Städten ebenfalls geschasst werden, sollten Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden!

 

Ein grüner E-Scooter liegt auf einem gepflasterten Platz, daneben eine Sitzbank. Im Hintergrund fährt eine Person auf einem E-Scooter vorbei.
So werden E-Scooter zur Stolperfalle. (Bild: Ulsamer)

 

Mehrere E-Scooter (orangene Farbe) stehen und liegen vor einem Gebäude aus hellem Stein. Die Fahnen zeigen, sie befinden sich vor dem baden-württembergischen Verkehrsministerium. Rechts stehen noch Fahrräder und ein großer Recyclingbehälter mit gelbem Deckel.
Da liegen sie, die E-Scooter – direkt vor dem baden-württembergischen Verkehrsministerium in Stuttgart. Straßenbahnen, Busse und U-Bahn sind fußläufig gut zu erreichen, so machen E-Scooter zumindest ökologisch keinen Sinn! (Bild: Ulsamer)

 

Ein grün-weißer E-Scooter steht quer auf einem Gehweg.
Es scheint immer noch dümmer zu gehen! Kein Platz für einen Kinderwagen oder Rollstuhl, und eine gefährliche Falle für Sehbehinderte und Blinde. (Bild: Ulsamer)

 

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