Durch stiefelhohen Matsch zu Ferriter‘s Castle im irischen Kerry

Der schmutzigste Wanderweg, den wir je durchwateten

Über die Freuden des Wanderns habe ich immer mal wieder in meinem Blog berichtet, doch es gibt auch Wanderwege, die lassen mich nicht am zu Fuß gehen zweifeln, sondern mich überrascht die Gleichgültigkeit mancher Anwohner, Eigentümer, landwirtschaftlicher Nutzer oder regionaler Behörden gegenüber dem Zustand des Wegenetzes. Jüngst machten wir uns auf, eine verfallene Beobachtungsstation aus den Tagen Napoleons bzw. der Zeit des Zweiten Weltkriegs im irischen Kerry zu besuchen, dazu an anderer Stelle mehr, um auf dem Rückweg mal wieder bei Ferriter’s Castle, einer Ruine aus dem 15. Jahrhundert, vorbeizuschauen. Alles kein Problem, so ging es über Weideflächen und Felsen rauf und runter. Doch dann: Aus der Hinterlassenschaft von Rindern, aufgewühlter Erde und Wasser hatte sich in einem Hohlweg über einige hundert Meter ein Matsch entwickelt, der nicht nur an den Stiefeln klebte, sondern begann, oben hinein zu schwappen. Nun ist Wandern keine Herzensangelegenheit für die meisten Iren, und so sind Wanderrouten eher etwas für Touristen. Und das merkt man den Wanderwegen leider oft an – in Unterhaltung und Ausschilderung. Aber in einem solchen Zustand wie bei Ballyferriter sind nur wenige Wege, über die wir in den letzten drei Jahrzehnten in Irland wanderten. Ferriter’s Castle und einem ‚Promontory Fort‘, einer bronze- bzw. eisenzeitlichen Wallanlage, wurde mit EU-Mitteln eine archäologische Grabung gewidmet, doch der Zugang für Besucher führt durch tiefsten Matsch: Historische Orte sollten auch ohne ‚Wellingtons‘, den Gummistiefeln, die uns eine freundliche Anwohnerin fürs nächste Mal empfahl, besucht werden können!

Ein aus Natursteinen errichteter Gebäudeteil eins ansonsten zerstörten Wohnturms. Im Hintergrund eine Meeresbucht.
Die Ruine von Ferriter’s Castle bei Ballyferriter im Südwesten Irlands ist ein wichtiger historischer Ort, der auf Privatgelände liegt, doch der Zugang muss dringend verbessert werden. (Bild: Ulsamer)

Geschichtsträchtige Region

Wir haben im Laufe der Zeit schon mehrfach die spärlichen Überreste von Ferriter’s Castle auf einer langgestreckten Landzunge – Doon Point (Dún an Fheirtéaraigh) – besucht, ein solches Gemenge aus Kuhfladen, matschiger Erde und dreckigem Wasser allerdings noch nie vorgefunden. Ein italienisches Paar kämpfte sich gleichzeitig zu der Ruine des einstmals befestigten Wohnturms durch, der im 15. Jahrhundert am Rande der prähistorischen Wallanlage errichtet worden war.  Im Rahmen eines von der EU geförderten Programms ‚CHERISH‘ – ‚Climate, Heritage and Environments of Reefs, Islands, and Headlands‘ – wollen Archäologen aus Irland und Wales neue Erkenntnisse gewinnen, wer und in welchen Zeiträumen das Areal bewohnte. Diese Ausgrabungen können sicherlich einen besseren „insight into the type of people who lived at this beautiful, but exposed location“ vermitteln, doch es wäre mehr als begrüßenswert, wenn diese ausgesprochen schöne Location auch besser zugänglich wäre. Ausgrabungen in Ferriter’s Cove – einer höhlenartigen Einbuchtung – hatten bereits in den 1980er Jahren ergeben, dass Menschen in der Mittelsteinzeit, dem Mesolithikum, also vor etwa       7 000  Jahren hier lebten und sesshaft waren.

Blick von einem Berghang auf eine Landzunge. In der Mitte steht die Ruine von Ferriter's Castle. Zu sehen sind Erdwälle früherer Wallanlagen.
Ferriter’s Castle wurde im 15. Jahrhundert auf einer Landzunge in der Nähe des Touristenorts Dingle errichtet. Hier haben bereits vor rund 7 000 Jahren Menschen gelebt und in späteren Zeiten auch eine Wallanlage errichtet. (Bild: Ulsamer)

Nochmals zurück zum Wohnturm der Ferriters, die von hier aus ihren Besitz auf der Dingle Halbinsel und den vorgelagerten Blasket-Inseln verwalteten. Die Ferriters kamen einst aus der Normandie und passten sich in ihrem Lebensstil der irischen Bevölkerung an. Sie leisteten bis zuletzt Widerstand, als der englische Heerführer und Politiker Oliver Cromwell im 17. Jahrhundert mit brutaler Gewalt die Iren vollends unterjochte. Cromwells Armee bekämpfte die katholischen Iren und machte die Insel endgültig zu einem integralen Bestandteil des britischen Reichs, einer Kolonie. Wer als Feind eingestuft wurde, der wurde kurzerhand ermordet. Neu war diese Vorgehensweise nicht. Ganz in der Nähe von Ferriter’s Castle bei Dun an Oir kam es 1580 zu einem besonders brutalen Massaker: 600 irische Kämpfer und ihre Verbündeten aus Frankreich, Spanien und dem Baskenland streckten vor der englischen Übermacht die Waffen, als ihnen freies Geleit zugesichert worden war, doch sie wurden alle – bis auf den Kommandanten – von den englischen Landsknechten enthauptet. Und zu allem Überfluss trug dazu auch noch einer der englischen Volkshelden, Sir Walter Raleigh, maßgeblich bei.

Pierce Ferriter – Piaras Feiritéar -, der sich den Truppen Cromwells entgegengestellt hatte, musste ebenfalls erleben, dass auf Zusagen der Engländer wenig Verlass war: Er sollte zu Verhandlungen über die Kapitulation der irischen Widerständler reisen und hatte dafür ein sicheres und unbehelligtes Passieren zugesagt bekommen, doch in Castlemaine wurde er gefangengenommen und am 15. Oktober 1653 in Killarney gehängt. Wer die irisch-englische Geschichte näher betrachtet, der muss sich nicht wundern, dass bis heute die Unterdrückung der Iren im Gedächtnis der Nachfahren fest verankert ist. Das Misstrauen zwischen protestantischen und katholischen Gruppierungen in Nordirland stellt bis heute einen Gefahrenherd dar, aus dem sich jederzeit neue gewalttätige Auseinandersetzungen ergeben können.

Total mit braunem Matsch überzogene Wanderstiefel. Der Wanderer steht im aufgewühlten Schmutz.
Wenn der Matsch in die Stiefel schwappt, dann fällt mir nur noch der Begriff ‚Scheißweg‘ ein. Und dieses wirklich unschöne Wort trifft ja auch noch voll und ganz zu: Kuhfladen und Erde in Wasser aufgelöst, bereiten dem Wanderer auf dem Weg zu historisch interessanten Orten wenig Vergnügen. Ferriter’s Castle aus dem 15. Jahrhundert oder das, was davon noch übriggeblieben ist, lockt noch immer zahlreiche Gäste an. (Bild: Ulsamer)

Kommunale Strukturen fehlen

Die Iren haben sich zwar aus jahrhundertelanger Unterdrückung durch die Engländer befreien können – so wurde mit dem Anglo-Irischen Vertrag von 1921 die Unabhängigkeit eingeläutet – doch sie haben nicht selten Verwaltungseinheiten beibehalten, die kaum kommunale Mitwirkung vorsehen. Mit wenigen Ausnahmen gibt es keinen Bürgermeister, der seinen Ort kennt und auch direkt angesprochen werden kann. Entscheidungen fallen dagegen in regionalen Einheiten, die Landratsämtern ähneln. Wer dort ‚vorspricht‘ – und dieser Begriff ist ernstgemeint -, der wird häufig feststellen, dass die Mitarbeiter mit kommunalen Gegebenheiten nicht vertraut sind. Ein auch in Deutschland bestens bekanntes Phänomen.  So werde ich den verschlammten Weg bei Ballyferriter zwar dem Kerry County Council ans Herz legen, doch habe ich wenig Hoffnung auf Besserung. An Geschichte interessierte Besucher werden wohl auch in Zukunft durch den Matsch waten müssen, obwohl es – wie bei unserer Wanderung – seit Tagen keinen stärkeren Regen gegeben hatte.

Schwarze Rinder mit weißen Flecken auf einer saftig grünen Weide, dahinter eine Meeresbucht und Berge.
Rinder auf der Weide statt in immer größeren Ställen, das ist ein schöner Anblick. Aber den Rindern dürfte – wie den geschichtsinteressierten Besuchern – es kaum gefallen, wenn sie durch Matsch und Dreck zur nächsten Weide oder zur Farm laufen müssen. Das sich aufstauende Wasser müsste ganz einfach abgeleitet werden, was ein Segen wäre für Mensch und Tier! EU-Agrarsubventionen sollte es nur geben, wenn auch die genutzten Wege für Zwei- und Vierbeiner gut begehbar sind. (Bild: Ulsamer)

In Kerry oder anderen irischen Regionen lässt sich ablesen, wie wichtig kommunale Verantwortlichkeiten mit Bürgermeister und Gemeinderat sind, selbst oder gerade in kleineren Gemeinden. Viele Probleme ließen sich vor Ort sachorientiert und zügig lösen. Abgesehen von den sehr gut geführten historischen Stätten wie der Ganggrabanlage in Newgrange, den Klosterruinen in Clonmacnoise oder dem ‚Gallarus Oratory‘, einem kleinen, bootförmigen Bethaus in Trockenmauertechnik auf der Dingle Halbinsel, fehlt es häufig am Verständnis für die Bedeutung der historischen Gebäude oder Ruinen, und Informationen sind Mangelware.

 

Ein auch landwirtschaftlich genutzter Weg voll mit Pfützen und Matsch.
Das Wandern ist des Müllers Lust‘, so eine alte Liedzeile, doch so mancher Weg dürfte etwas stiefelfreundlicher sein. (Bild: Ulsamer)

 

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Eine Person mit grüner Regenjacke und kleinem braunen Rucksack stapft durch braunes Wasser auf einem Feldweg. Die Brühe reicht bis über die Wanderstiefel.So sollte ein Wanderweg zu historischen Stätten nicht aussehen, auch wenn er für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Die hochgezogene Kaputze darf nicht falschverstanden werden, denn es hatte tagelang nicht geregnet und erst im Reich der Pfützen erwischte uns ein leichter Schauer. Etwas oberhalb dieser Szene entstandenen an Sybil Head Sequenzen für den Star Wars Film ‚The last Jedi‘. (Bild: Ulsamer)

 

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