Dún an Óir: Kaum ergeben, schon geköpft

Ein Massaker von 1580 im irischen Kerry

Schon in der Eisenzeit hatten sich auf einer Klippe über dem Smerwick Harbour im irischen Kerry Menschen häuslich eingerichtet und sich gegen Angreifer durch eine Wallanlage geschützt. Davon ist nichts übriggeblieben, denn Wind und Wellen, Regen und Sturm haben ihr Bestes getan, die Spuren zu verwischen. Und ein Großteil der eisenzeitlichen Wälle ist durch die Erosion ins Meer gestürzt. Zwar sind auch die 1580 errichteten Verteidigungsanlagen nahezu verschwunden, doch das damals vergossene Blut ist bis heute nicht aus der historischen Erinnerung vieler Iren ausgewaschen worden. Dies lässt sich auch damit erklären, dass 600 irische Kämpfer und ihre Verbündeten aus Frankreich, Spanien und dem Baskenland vor der englischen Übermacht die Waffen streckten und ihnen freies Geleit zugesichert wurde. Doch sie wurden alle – bis auf den Kommandanten – von den englischen Landsknechten enthauptet. Und zu allem Überfluss trägt dafür auch noch einer der englischen Volkshelden, Sir Walter Raleigh, die Mitverantwortung. Damit haben wir alle Bestandteile für eine Story, die nicht so leicht in Vergessenheit gerät.

Denkmal aus hellem Stein mit herausgearbeiteten Köpfen. Im Hintergrund das Meer.
Statt freiem Abzug – wie vom englischen General Grey versprochen – wurden die Gefangenen aus Frankreich, Spanien, dem Baskenland und Irland enthauptet. Cliodhna Cussen hat den Opfern in Dún an Óir ein eindrucksvolles Denkmal gewidmet. Wer das Hafenstädtchen Dingle im irischen Kerry besucht, der sollte einen kurzen Abstecher nach Dún an Óir am Smerwick Harbour nicht scheuen. (Bild: Ulsamer)

Dún an Óir – kein Gold, aber ein Massaker

Schon für den Namen Dún an Óir gibt es die unterschiedlichsten Herleitungen, denn mit Gold hat dieses Vorland im irischen Kerry wenig zu tun. So meint der eine Historiker, die Bezeichnung gehe auf ein Schiff zurück, das 1578 – also zwei Jahre vor dem Bau des Forts – nach einem Sturm in die Bay eingelaufen sei. Das ‚Gold‘ habe sich als letztendlich wertloses Eisenpyrit – ‚fool’s gold‘, Narrengold – herausgestellt, doch der Name war geboren. Andere Wissenschaftler führen Dún an Óir als eine falsche Übersetzung aus dem Gälischen zurück: So sei aus Dún an Áir – The Fort of Slaughter – das Fort des Goldes geworden.

Wie es auch sei: unwidersprochen und belegt ist das grauenvolle Massaker, das englische Truppen unter dem Befehl von General Grey anrichteten, indem sie am 11. November 1580 wehrlose Kriegsgefangene exekutierten. Heute erinnert eine Skulptur an dieses Ereignis, das sich wie viele andere Strafexpeditionen der Briten und eine jahrhundertelange Besetzung und Ausbeutung Irlands tief in das Bewusstsein der Iren eingebrannt hat.

Informationstafel mit kurzen Hinweisen, Die früheren Stellungen sind eingezeichnet.
Eine Informationstafel vermittelt in Dún an Óir einen ersten Überblick über die Geschichte dieses historischen Orts am Smerwick Harbour, einer Meeresbucht im Südwesten Irlands – in der Nähe des Touristenstädtchens Dingle. (Bild: Ulsamer)

Katholische Aufständische unterlegen

Finanziell unterstützt durch Papst Gregor XIII. waren die französischen, spanischen und baskischen Soldaten den irischen Aufständischen zur Hilfe geeilt, die unter Gerald Fitzgerald, 14. Earl of Desmond, gegen die Enteignung ihres Landbesitzes unter der englischen Königin Elizabeth I. rebellierten. Sie landeten am 10. September 1580 bei Smerwick, nahe des heutigen Touristenzentrums Dingle. Dort warteten sie auf die zugesagten tausenden von irischen Kämpfern, doch nach einzelnen Quellen erschienen gerade mal 17 Mann. Eingeschlossen wurde diese zusammengewürfelte Truppe, die auch durch das ungewohnte Klima bereits geschwächt war, durch 4 000 Soldaten unter dem englischen General Arthur Grey, Baron de Wilton, seines Zeichens Lord Deputy of Ireland.

Die schwachen Befestigungsanlagen boten kaum Schutz, schon gar nicht gegen den Beschuss durch drei britische Kriegsschiffe unter Richard Bingham. Ein Ausbruchsversuch über Land kam in Anbetracht der völligen Überlegenheit der englischen Truppen nicht in Frage. Nun begann der italienische Kommandant Sebastiano di San Giuseppe am 8. November mit Verhandlungen und lieferte schon mal einige irische Verbündete aus, die den Folterknechten der Engländer übereignet wurden. Mit Hämmern wurden ihnen Hände, Finger und Beine gebrochen. Die restlichen Details wollen wir hier lieber verschweigen. Letztendlich endeten sie am Galgen und ihre Körper wurden für Zielübungen missbraucht. Eine Chance, sich dieses Martyrium zu ersparen, hätte nur dann bestanden, wenn die betroffenen Katholiken ihrem Glauben abgeschworen hätten.

Das Vorland ist mit Gras und Büschen bewachsen. Die Klippen fallen schroff ins Meer ab.
Wo jetzt ein kleines Boot für Angelausflüge im Smerwick Harbour liegt, da ankerten drei britische Kriegsschiffe und beschossen 1580 die Befestigungsanlagen auf dem Vorland. (Bild: Ulsamer)

Kopf ab – statt freiem Abzug

Beim Schlussakkord des militärischen Desasters für die irische Seite und ihre Verbündeten gehen die Meinungen der Historiker weit auseinander. Die englische Seite interpretiert das Morden nach der Übergabe der Festung und der Niederlegung der Waffen erfahrungsgemäß freundlicher für Königin Elizabeth I. und ihre Mannen. Die irische Seite sieht einen klaren Wortbruch, da General Grey bei Aufgabe der Festung freien Abzug zugesichert habe. Doch diesen gab es nicht – höchstens für San Giuseppe und einige Offiziere. Alle anderen wurden – schwangere Frauen inklusive – enthauptet. Ihre Körper wurden ins Meer geworfen, ihre Köpfe wohl dort bestattet, wo heute das Denkmal steht. Flurnamen wie Gort a Ghearradh – das Feld des Abschneidens oder Köpfens – oder Gort na gCeann – das Feld der Köpfe – erinnern an das Massaker. Archäologen fanden auf diesem Feld tatsächlich bei Untersuchungen Schädel aus dem 16. Jahrhundert.

General Grey machte auch keinen Hehl aus dem furchtbaren Ende der Gefangenen als er Königin Elizabeth I. berichtete: „Then put I in certain bands who straightway fell to execution. There were six hundred slayne … So hath it pleased the Lord of hostes to deliver your enemies into [your] Highness’ handes.” General Grey wurde später nach England zurückbeordert, manche Historiker interpretieren dies als Quittung für seinen Wortbruch, andere sehen dies als Folge seines finanziellen Missmanagements in Irland. Und in Irland geht seither das Sprichwort ‚Grey’s faith‘ – ‚Grey’s Glaube‘ – auf seine menschenverachtenden Machenschaften zurück.

Das blaue Meer im Smerwick Harbour - einer Meeresbucht, in der Bildmitte ein Segelboot. Im Vordergrund bewachsene Klippen, im Hintergrund Berge.
Nach dem Massaker wurden immer wieder Skelette an die Strände des Smerwick Harbours angespült. Und dies an einem heute so friedlich anmutenden Ort. (Bild: Ulsamer)

Raleigh: Vom Enthaupter zum Enthaupteten

Als Schlächter soll sich Sir Walter Raleigh – damals noch ohne Sir – mit seinen Soldaten hervorgetan haben, denn sie waren maßgeblich an der Enthauptung der Gefangenen beteiligt. Durch sein brutales Vorgehen in Irland – nicht nur in Smerwick – stieg er in der Gunst von Elizabeth I., in deren Auftrag er später zahlreiche Raub- und Kaperfahrten gegen spanische Schiffe unternahm. Zu seinen vielfältigen Aktivitäten gehörte auch der Versuch, ab Mitte der 1580er Jahre in Virginia Landsleute anzusiedeln, was jedoch fehlschlug. Ab 1592 sank der Stern ihres Günstlings, denn Raleigh wurde vorgeworfen, er habe eine der ‚maids of honour‘ – Hoffräulein – der Königin umworben, die er dann aber im Übrigen geheiratet hat. Er gewann seinen starken Einfluss bei Königin Elizabeth I. danach nicht mehr zurück.

Nach dem Tode von Königin Elizabeth I. im Jahre 1603 wurde Sir Walter Raleigh des Hochverrats angeklagt. Eingekerkert von 1603 bis 1616 im Tower von London begann er eine ‚Weltgeschichte‘ zu Papier zu bringen. Eine weitere Fahrt nach Guayana wurde ihm zwar 1617 erlaubt, doch auch diese scheiterte. Unter Jakob I., dem Nachfolger Elizabeths I. auf dem Königsthron, der eine spanienfreundlichere Politik betrieb, verließ ihn jedoch sein Glück endgültig – und er wurde am 29. Oktober 1618 wegen Hochverrats hingerichtet. So holte ihn gewissermaßen das Schicksal der von ihm in Smerwick ermordeten Soldaten ein – und er verlor seinen Kopf ebenfalls.

Am Rande erwähnt: Sir Walter Raleigh wird auch der Anbau der ersten Kartoffel in Irland zugeschrieben. Diese soll er im Garten seines Hauses in Youghal im County Cork gepflanzt haben. Eine Kartoffelfäule löste dann – neben der Bevölkerungsexplosion – Mitte des 19. Jahrhunderts die große Hungersnot in Irland aus, der eine Million Menschen zum Opfer fielen. Zwei Millionen Iren wanderten in die USA und Kanada, nach Australien und England aus. Das angebaute Getreide, das den Hunger hätte mildern können, wurde nach England verschifft.

Der Vordergrund ist mit Gras bewachsen, dahinter eine Meeresbucht, und auf der anderen Seite Berge.
Die Wallanlagen aus der Eisenzeit oder des frühen Mittelalters sind längst verfallen und auch vom befestigten Lager im 16. Jahrhundert ist nicht mehr viel übriggeblieben. Dennoch ist Dún an Óir ein Ort des Innehaltens, wenn man an das Massaker von 1580 denkt und die Wortbrüchigkeit des englischen Generals Grey. Er versprach den Besiegten freien Abzug, doch er überantwortete sie dem Schwert. (Bild: Ulsamer)

Dún an Óir – ein Ort des Innehaltens

Ein Besuch in Dún an Óir ermöglicht einen kleinen Einblick in die irische Geschichte des 16. Jahrhunderts, auch wenn die baulichen Überbleibsel nicht ins Auge springen. Doch die Lage des Ortes ist äußerst beeindruckend, fast malerisch mit den Klippen, der Bucht, den umliegenden Bergen, wenn da nicht die traurige Geschichte des Massakers aus dem Jahre 1580 wäre. Die umfassende Unterdrückung der katholischen Bevölkerung manifestierte sich in Dún an Óir und setzte sich bis zur Unabhängigkeit der Republik Irland im Jahre 1922 fort – wenn natürlich auch in anderer Form. In Nordirland wurden die Katholiken bis zur Wende ins 21. Jahrhundert wirtschaftlich, politisch und sozial an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Vor diesem Hintergrund muss heute alles getan werden, um den fragilen Frieden in Nordirland nicht durch die Folgen des Brexits zu gefährden.

Die Geschichte Dún an Óirs lässt innehalten, und dazu trägt auch das eindrucksvolle Denkmal von Cliodhna Cussen bei. Mögen die Ereignisse selbst fast 450 Jahre zurückliegen, so sind derartige Massaker leider in unserer Welt auch heute keine Seltenheit.

 

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