Da lacht das EU-Bürokratenherz – und wir weinen
Als überzeugter Europäer stimmt es mich nicht nur verdrießlich, sondern es macht mich in der Tat wütend: Die EU entfernt sich immer mehr von unserem täglichen Leben. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die neue Urheberrechtsverordnung, über beide habe ich berichtet, sind nur Symptome einer Krankheit. Die wirklich wichtigen Themen werden negiert und bürokratische Monster in unsere Welt entlassen. Ganz gewiss bin ich sehr für den Schutz unserer Daten, doch die wirklichen Datenkraken und die kriminellen Hacker scheren sich nicht um die EU-Vorgaben, sondern treiben weiterhin ihr finsteres Unwesen. Die kleinen Datennutzer, die trifft jedoch der Bannstrahl aus Brüssel und Straßburg – und der Unmut gerade auch in der jüngeren Generation über die EU-Verordnungswelle nimmt zu.
Die DSGVO drangsaliert kleine Organisationen
Die Datenschutz-Grundverordnung hat die Hacker, die vermutlich nicht selten in Russland sitzen, nicht daran gehindert, meinen Blog und viele andere Internetseiten lahmzulegen. Doch es haben weder die EU- noch die bundesdeutschen Behörden geholfen. Der Totalschaden konnte nur durch ein Backup beim Provider verhindert werden. Nichts genutzt hat es auch, dass ich treu der Datenschutz-Grundverordnung Geld investiert hatte, um den Schutz zu erhöhen. Aber Schwamm drüber würden die EU-Politiker und ihre Schreibtischgehilfen wohl rufen, wir haben doch ganz andere Ziele: Facebook, Twitter, Amazon und Google sollen an die Kette gelegt werden. Die EU jagt eine Schimäre und sieht die wirklichen Gefahren nicht.
So flatterte mir heute ein Infobrief von einer Hilfsorganisation ins Haus, die zwei katholische Pater in Brasilien unterstützt. Auch wir leisten immer mal wieder unseren Beitrag dafür, dass mit Spendengeldern Zisternen gebaut werden können, um bedrängten Menschen über die regenarmen Monate zu helfen. Bisher bekamen wir als kleines Dankeschön die Infos über den Projektfortschritt aus Brasilien, doch – oh weh – in Brasilien könnten unsere Adressdaten in falsche Hände geraten: „Wie Sie bereits beim Weihnachtsbrief 2018 festgestellt haben, werden der Weihnachtsbrief und jetzt auch der Osterbrief nicht mehr von uns Missionaren aus Brasilien verschickt. Der Grund liegt in der seit Mai 2018 gültigen Europäischen Datenschutz-Grundverordnung.“ Sicherlich ist es für die übermittelte Information nicht so wichtig, ob sie über einen brasilianischen oder deutschen Briefkasten auf den Weg gebracht wird, doch Datenschutz in Ehren, diese Datenschutz-Grundverordnung ist für viele kleinere Initiativen eine Last. Und kommunikativ wirkt es natürlich persönlicher, wenn die Infos direkt von den Kräften vor Ort kommen.
Die Jagd auf Polit-Posts
Als beim ortsansässigen Metzger unsere Kundenkarte nach langem Einsatz schlappmachte, da baten wir um eine neue. Und die Antwort: Identifikation an der Kasse über die Telefonnummer, denn das Unternehmen wolle keine zusätzlichen Daten – wie z.B. die E-Mail-Adresse oder die Postanschrift mehr speichern. Grund: Die Datenschutzgrund-Verordnung. Na, da werden die Datendiebe aus ferneren Regionen ja lachen – und wir dürfen uns mal wieder ärgern. Macht sich bei der EU – mit einem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker – eigentlich niemand mehr Gedanken über den bürokratischen Unsinn, der in ihrem Namen in die Welt gesetzt wird? Scheinbar nicht.
Um dem Zugriff auf meinen Blog immer mal zusätzlichen Auftrieb zu geben, habe ich einige wenige gesponserte Posts in die digitale Welt geschickt. Also wollte ich dies mit meinem Beitrag über Kleingewässer auch tun und setzte einen Frosch ins richtige Licht. Aber was war die Antwort von Facebook: Ich müsse mich zuerst identifizieren und solle mal eine Kopie meines Ausweises übermitteln, denn mein Frosch-Post könne ja Wahlwerbung sein und habe wegen des Themas nationale Bedeutung. Den letzten Teil des Satzes las ich natürlich gerne, aber nun warte ich noch immer auf die Rückmeldung. Der grandiose Betrag von 20 EURO stand im Übrigen zur Debatte. So ist das eben, wenn die Politik ständig an Facebook & Co. herumnörgelt und sie zu mehr ‚Datenschutz‘ verdonnert. Mein Artikel mit dem gelblichen Frosch – hoffentlich nicht auch noch ein ‚rassistisches‘ Thema – wird so ganz ungewollt zum Politikum. Da frage ich mich schon, ob sich all die nackten Damen, die sich mir über Facebook anbieten, mit einem oder zwei Herren in entsprechenden Posen auch vorher bei Facebook identifiziert haben. Aber das habe ich vermutlich nicht richtig verstanden, es geht ja nicht um Moral, sondern um Politik!
Hilflose EU-Bürokraten im digitalen Dschungel
Das kann ja heiter werden, wenn die Internet-Dienstleister wie Facebook, Twitter oder Instagram der Urheberrechtsverordnung vollumfänglich folgen und mit Gott und der Welt Nutzungsverträge abschließen. Die kleineren Anbieter werden wieder zuletzt drankommen oder gleich herausfallen. Aber vielleicht ist es ja so manchem EU-Politiker ganz recht, wenn die kritischen Stimmen verstummen und sie sich wieder auf das traute Tête-à-Tête mit handverlesenen Journalisten konzentrieren können.
Vielleicht hätte ich eine Flut von Newsletter-Bestellungen meines Blogs mit russischen Fake-Mail-Adressen ganz einfach stoppen können, indem ich die DSGVO übermittelt hätte. Aber so ein Pech: Eine Antwortmail war gar nicht möglich! Selbst wenn, hätte diese kaum Eindruck gemacht! Reden alleine und das Verfassen von Verordnungen reicht nun einmal in unserer Welt nicht aus, um im digitalen Dschungel überleben zu können, doch das scheint bei der EU-Bürokratie und den begeisterten EU-Parlamentariern noch niemandem aufgefallen zu sein. Zur Ehrenrettung möchte ich zwar betonen, dass es selbstredend im Parlament auch eine Minderheit gibt, die die Probleme sieht, sich aber nicht durchsetzen kann. Die Mehrheit in Parlament, Kommission und Bürokratie halte ich allerdings für hilflose Dilettanten auf dem digitalen Globus.
Regulierer ohne eigene Erfahrung
Die Justizkommissarin Vera Jourová berichtete in der ‚Stuttgarter Zeitung‘: „Anstatt den Hass zu löschen, habe ich mich selbst aus Facebook gelöscht.“ Natürlich gibt es keine Entschuldigung für Hass-Posts, -Tweets oder -Mails, dies steht außer Frage. Doch solche Angriffe gab es auch in Zeiten, als Briefe noch zum Lebensstil gehörten. Haben damals Politiker die Post abbestellt? Werden in Zukunft Demonstrationen insgesamt verboten, weil es dort zu Pöbeleien kommen könnte? Werden Fußballspiele abgesagt, weil sich Ultras angekündigt haben? „Ich kann ohne Facebook leben“, sagte die EU-Justizkommissarin. Das bezweifle ich nicht, doch nach meiner Meinung muss auch über Facebook und Twitter um Zustimmung gerungen werden. Völlig abwegig ist es, wenn eine Politikerin, die sich selbst von einem zentralen Kommunikationskanal abgekoppelt hat, nach Regulierung ruft: „Es ist offensichtlich, dass Unternehmen wie Facebook, die so großen Einfluss auf unser Leben haben, kontrolliert werden müssen.“
Das lobe ich mir: Regulierer, die vom Thema keine Ahnung haben! Eigene Erfahrungen sind auch in der Politik nicht zu unterschätzen, wenn man mit möglichst wenig Bürokratie ganze Themenfelder ordnen möchte.
Digitale Habenichtse
Leider führen weder die Datenschutz-Grundverordnung noch das Urheberrecht wirklich in eine innovative Zukunft: Längst hat Europa mit wenigen Ausnahmen den Anschluss in weiten Bereichen digitaler Dienstleistungen verloren. Das Gejammer über Facebook, Google, Twitter und Instagram, über Microsoft oder Amazon greift zu kurz. Reglementierung bringt uns nicht in die Lok des Digital-Zugs, sondern macht uns allerhöchstens zum quengelnden Mitfahrer im letzten Waggon. Längst kommt die Hardware – vom Laptop über das Smartphone bis zur Kamera – aus Asien, und die Internet-Dienstleister haben ihren Sitz in den USA. Mag das Bürokratenherz bei der Datenschutz-Grundverordnung oder der Urheberrechtsverordnung auch lachen, mir kommen die Tränen!
Mit Verordnungen und Regulierungswut lässt sich die Welt nicht wirklich bewegen, schon gar nicht die digitale! Hätten Carl Benz und Gottlieb Daimler auf Verordnungen gesetzt, dann würden wir noch heute mit der Pferdekutsche fahren. Ich hoffe noch immer, dass sich in der EU die Innovatoren durchsetzen und die Gängelei endlich ein Ende findet. Wir brauchen eine europäische Gemeinschaft, die Frieden und wirtschaftliche Entwicklung sichert, die kulturelle Vielfalt schätzt und sich soziale Angleichung aufs Panier schreibt. Ganz gewiss brauchen wir aber keine überbordende Bürokratie, die sich mit zahllosen Verordnungen den eigenen Job sichert und uns Bürgern auf der Nase herumtanzt.
3 Antworten auf „DSGVO: Wenn der Irrsinn zum Programm wird“