Donald Trump: Der Twitter-Präsident
Eine Mauer zur Abschottung gegen Mexiko, die Aufkündigung des Klimaabkommens, Wechselbäder für die „obsolete“ NATO und dann noch die „bad Germans“ mit ihren Autoexporten, das sind die Blitze die der US-Präsident vom Washingtoner Olymp in die Welt schleudert. Tweets mit je 140 Zeichen scheinen auszureichen, um die Welt mit den Gedanken von Donald Trump vertraut zu machen. Niemals hätte ich daran geglaubt, dass man ohne politische Kenntnisse zum „Führer“ der westlichen Welt aufsteigen könnte. Aber wenn man nur die Auswahl zwischen Hillary Clinton, der verbrauchten Anführerin des Ostküstenestablishments, und einem rüpelhaften Egomanen hat, dann hat wohl der eine oder andere Wähler nach alter Westernmanier auf den mit dem schnellen Twitter-Colt gesetzt.
Das Trauerspiel begann somit nicht mit der Besitznahme des Weißen Hauses durch den Immobilienmogul mit schillernder Vergangenheit, sondern mit dem Vorwahl-Desaster: Das wahre Potential einer großen Nation war nicht erkennbar und die Auswahl der Politiker verengte sich auf ein Duo ohne echte Zukunft.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich mit meinem Blog auf Deutschland und Europa zu konzentrieren, denn da gibt es genügend Entwicklungen in Richtung Bananenrepublik. Aber das Schauspiel des „großen Dilettanten“, das allzu leicht von der Komödie zum Trauerspiel werden kann, bewegt uns alle. Hollywood als Produzent der Dramen hat wohl ausgedient, denn jetzt schnappt ihm Donald Trump mit seiner Show die Zuschauer weg.
Einsatz neuer Medien für reaktionäre Ideen
Wenn viele US-Wählerinnen und Wähler einen Milliardär als Vertreter ihrer Interessen gegen das Establishment betrachten, dann läuft etwas falsch und dies seit Jahren: Die Vergessenen im „Rust Belt“ bzw. den „flyover states“ gaben dem Mann der einfachen Worte ihre Stimme. Er erreichte sie per Twitter und umging damit die bisherigen politischen Kommunikationswege: Donald Trump wurde so Präsident gegen die etablierten Medien.
Seine Berater kommen aus dem Umfeld z.B. der Internet-Plattform „Breitbart“, seine Einflüsterer setzen auf Twitter und nicht auf Interviews mit der New York Times oder der Washington Post. Ein Paradigmenwechsel zeichnete sich hier bereits im Vorfeld der Wahlen ab, der auch in anderen Staaten Grund zur Nachdenklichkeit ist. Mag das Programm von Donald Trump auch reaktionär sein, seine Kommunikationsmittel waren dies nicht. Ganz im Gegenteil.
Simple Lösungen für einfache Gemüter
Durch all seine – oft widersprüchlichen – Äußerungen zieht sich als Credo „ We make America great again“. Prinzipiell kein schlechter Ansatz, wenn man im Sinne von Max Weber als Politiker dabei Augenmaß und Leidenschaft verbindet und das eigene Land voranbringt. Vielleicht ist bei Donald Trump die Leidenschaft vorhanden, ganz bestimmt fehlt es aber am Augenmaß. Um politische Entwicklungen richtig einschätzen und beurteilen zu können, braucht man auch ein Mindestmaß an Sachkenntnis. Gerade daran aber scheint es dem US-Präsidenten zu mangeln.
Gegen Migranten baut er eine Mauer, doch der nächste Tunnel, den Schlepperbanden bauen, lässt grüßen. Den Klimawandel haben die Chinesen erfunden und deshalb her mit weiteren Arbeitsplätzen in Kohlebergwerken. Die anderen NATO-Partner haben Schulden bei den USA, weil sie deren Weltmachtallüren nicht als getreue Vasallen finanziell alimentieren. Und dann auch noch die „bad Germans“, die nicht nur bei den Verteidigungsausgaben knausern, sondern auch noch die Welt mit ihren Autoexporten malträtieren.
In seiner Schlichtheit ist Donald Trump kaum zu überbieten. Aber wenn die Botschaften in 140 Zeichen gepresst werden sollen, dann ist es auch besser, sich keine Detailkenntnisse anzueignen. Dafür gäbe es bei Twitter eh keinen Platz. Erschreckend sind seine simplen Lösungen – raus aus dem Pariser Klimaabkommen – aber nur für die Menschen, die sich mit der vielfältigen Realität der Welt befassen. Seine Anhänger sind entweder einfachen Gemüts oder aber sie fühlen sich von der Gesellschaft seit Jahren alleingelassen. Nicht selten fallen beide Gesichtspunkte wohl zusammen. Die gute Verkäuflichkeit seiner „Politik“, die immer in einem „Deal“ gipfelt, lässt aber auch Rückschlüsse auf fehlende politische, wirtschaftliche und soziale Bildung zu.
„I love the coal miners“
Der US-Präsident scheint in seiner eigenen Welt zu leben, die wenig mit der Realität zu tun hat. Und alles, was er anpackt, das ist ein Erfolg. Ein Blick zurück in seiner Biografie zeigt, dass er auch jede Pleite seiner Unternehmen zum Erfolg umdeutete. Kaum verwunderlich, dass er in seiner Regierungszeit schon „more than a million private sector jobs“ geschaffen hat und selbstredend „achieving a record reduction in illegal immigration“ und er hat auch Arbeitsplätze und Fabriken in einem Maße in die USA zurückgebracht „which no one until this point thought even possible“. Er schafft das Undenkbare, er ist ja ein so toller Hecht. Nur schade, dass nicht die ganze Welt vor Ehrfurcht erzittert. Da zittern viele Menschen rund um den Globus eher, weil sie seine Handlungen nicht einschätzen können und ihm immer das Köfferchen mit den Codes für die Atomwaffen hinterhergetragen wird.
„I am fighting every day for the great people of this country“, betonte Trump und deshalb müsse er das ungerechte Klimaabkommen von Paris kündigen, das den USA nur Nachteile bringe. Aber er sieht Licht am Ende des Tunnels: „A big opening of a brand new mine. It’s unheard of. For many years, that hasn‘t happend.“ Na, dann sind die USA gerettet, ein neues Kohlebergwerk wird eröffnet, und es hat ein Ende mit „lost jobs, lower wages, shuttered factories, and vastly diminshed economic production“. Mal sehen, was die von ihm ins Feld geführten Arbeiter – „who I love“ – von seiner Politik haben, die die Chancen innovativer Industrien nicht ergreift und stattdessen auf die Wiederbelebung alter Industrien setzt. Kein Wunder, dass der Tesla-Gründer Elon Musk, der die Elektromobilität vorantreibt, seinen Rückzug als Berater der US-Regierung verkündete.
Vertreter von Pitttsburgh?
Die anderen Staaten sieht er über die USA lachen, wen er da wohl meint? Ich kenne niemanden, der über die USA lacht, höchstens über ihren Präsidenten. Aber auch das Lachen kann einem vergehen, wenn man seiner Rede zur Aufkündigung des Umweltabkommens weiter folgt. Weil das Geld in Sachen Umweltschutz in dunklen, ausländischen Kanälen verschwindet, so Trump, können US-Städte nicht genügend Polizisten einstellen oder die Infrastruktur auf Vordermann bringen. Zu den Übeltätern zählen auch die Staaten, die den US-Handel erschweren bzw. „lax contributions to our critical military alliance“ leisten.
Donald Trump kommt bei Reden zu unterschiedlichen Themen mit einer geringen Zahl von immer gleichen Vorwürfen an andere Staaten aus, die seine Redenschreiber jeweils gut durchmischen. Es ist natürlich auch leichter, die Schuld für das wirtschaftliche Zurückfallen mancher US-Branchen den Wettbewerbern zuzuschieben. Auf die Frage, ob es nicht auch an der Qualität liegen könnte, wenn sich manche US-Unternehmen mit dem Export ihrer Produkte schwertun, gibt er keine Antwort. In seinem Gedankenreich stellt sich wahrscheinlich eine solche Frage nicht. Die von ihm kritisierten Autoexporte Deutschlands sind ja auch keine Folge von Preisdumping oder Zwang, sondern gerade auch US-Amerikaner fahren eben gerne in innovativen Fahrzeugen. Noch nicht aufgefallen ist ihm auch, dass deutsche Hersteller in den USA in eigenen Fabriken und bei Zulieferern zehntausende von Mitarbeitern beschäftigen und auch zahllose hochqualitative Fahrzeuge aus den USA in andere Märkte verkaufen.
„I was elected to represent the citizens of Pitttsburgh, not Paris.“ Auch hier wieder Simplifizierung statt Differenzierung! Es geht ja bei einem globalen Abkommen zum Klimaschutz nicht um den Ort der Unterzeichnung. Bemerkenswert war dann ein Tweet von Bill Peduto, des Bürgermeisters von Pittsburgh, der gar nicht erfreut war, dass seine Stadt gewissermaßen als Beleg für die fehlgeleitete Politik des US-Präsidenten herhalten musste.
Die Welt endet an Pazifik und Atlantik
Globale Herausforderungen können nur durch weltweite Zusammenarbeit einer Lösung näher gebracht werden. Dieser Grundgedanke ist Donald Trump völlig fremd. „As president, I have one obligation, and that obligation is to the American people.“ Solidarität mit anderen Staaten und Regionen kommt in den Überlegungen – wenn es denn welche gibt – des US-Präsidenten nicht vor. Aber auch der Gedanke, dass bei einer ungebremsten Erderwärmung irgendwann auch die Wellen Miami überschwemmen und Stürme in New York zunehmen, findet keinen Platz.
„It is time to put Youngstown, Ohio, Detroit, Michigan, and Pittsburgh, Pennsylvania – along with many, many other locations within our great country – before Paris, France.“ Da Donald Trump Paris schon einen Besuch abgestattet hat, kann er jetzt den Zusatz „France“ anbringen. Ansonsten scheint seine Welt der „Deals“ an Pazifik und Atlantik zu enden. Dahinter kommen dann die Drückeberger, die die Militärausgaben nicht ausreichend erhöhen, die exportfreudigen Deutschen, die ihre Produkte weltweit verkaufen, die Mexikaner, die in die USA „einfallen“ und, und, und. Aber es gibt auch die, die ihm gute Deals mit nach Hause geben, so z.B. das sunnitische Saudi-Arabien. Denen verkauft er Waffen für 110 Mrd. Dollar, damit sie gegen den schiitischen Erbfeind Iran aufrüsten können, den Trump auch zu seinen Feinden zählt.
„Great“, „global“, „alternativlos“
„It’s time to make America great again.“ Ist dies ein Versprechen oder eine Drohung? Die Wirtschaft in den USA voran zu bringen, Stabilität in einer unsicheren Welt zu schaffen, den sozialen Ausgleich im eigenen Land und weltweit zu verstärken, die Umweltschäden zu minimieren, dies wären wichtige Beiträge, um Amerika großartig zu machen. Aber daran dürfte Donald Trump wohl kaum denken.
Nun nochmals am Ende zurück nach Europa. Auch wenn nun viele Politiker und Medienvertreter schon leicht verzückt die Meinung vertreten, der Rest der Welt würde in Umweltfragen nach der Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens durch die US-Regierung erst recht zusammenstehen, Europa hätte durch Donald Trump eine Art Erweckungserlebnis, Frankreich und Deutschland würden gemeinsam die europäische Einigung vorantreiben, so bleiben bei mir tiefe Zweifel.
Die Sprüche-Klopfer gibt es ja nicht nur in den USA. Theresa May marschiert in Richtung „global Britain“, ähnlich nebulös wie „Make America great again“. Frankreichs Präsident Macron muss erst noch beweisen, dass nicht auch er die Schuldigen für das Zurückfallen der französischen Wirtschaft in Deutschland sieht. Ganz zu schweigen von der Politik in Deutschland, wo sich immer mehr zeigt, dass wir die Migrationsprobleme bei weitem nicht in den Griff bekommen haben. Man denke nur an den rechtsextremen Unteroffizier Franco A. aus Offenbach der als syrischer Flüchtling anerkannt wurde. Auch dies eine Folge scheinbar „alternativloser“ Politik der Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Und nicht vergessen sollten wir, wenn wir Donald Trump als Kohlefreund an den Pranger stellen, dass in Deutschland noch immer Braunkohle im großen Stil abgebaut wird – und dafür sogar noch ganze Dörfer umgesiedelt werden. Die deutsche Umweltministerin gibt in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung die engagierte Streiterin für die Umwelt und sieht die neuen Partner in US-Bundesstaaten wie Kalifornien. Ist Barbara Hendricks nicht vor kurzem selbst eingeknickt und hat eine Umweltkampagne über Nacht gestoppt, nur weil die organisierte Landwirtschaftslobby dies forderte?
Kaum öffnet Donald Trump das Tor zur Relativierung der drastischen Folgen des Klimawandels, da meldet sich der Berliner Kreis innerhalb der CDU/CSU zu Wort und verkündet , dass “die mit dem Schmelzen des polaren Meereises verbundenen Chancen (eisfreie Nordpassage, neue Fischfangmöglichkeiten, Rohstoffabbau) vermutlich sogar größer als mögliche negative ökologische Effekte” seien. (tagesschau.de, 2.6.17) Der Untergang ganzer Inselrepubliken in der Südsee oder die Überschwemmung großer Teile Bangladeschs werden dabei wohl übersehen! Trittbrettfahrer auf dem Weg zum Abgrund?
Jeden Tag Donald pur?
Ich habe Themen vermischt, die nicht zusammengehören, könnte manche Leserin oder mancher Leser sagen. Einerseits ja, aber andrerseits bin ich der Ansicht, dass die angesprochenen Themen gemeinsam betrachtet werden müssen. Wir dürfen nicht nur über den Atlantik schauen und schimpfen, sondern sollten auch die politischen Aufgaben vor unserer Haustüre nicht vergessen. Und nur weil Donald Trump eindimensional denkt, dürfen auch wir nicht die Verflechtungen zwischen politischen Schicksalsfragen übersehen.
Bei aller Kritik am merkwürdigen Politikstil Donald Trumps sollten wir alle ihm nicht den Gefallen tun, ihn tagtäglich auf all seinen Irrwegen medial zu begleiten. Der US-Präsident zieht Vorteile daraus, wenn er zum Dauerthema wird: Je heftiger die Angriffe auf ihn sind, desto mehr scharen sich seine Anhänger um ihn. Je mehr mediale Schläge er einstecken muss, umso umfassender wird er zum Helden der zu kurz Gekommenen.
Also kurz gesagt: Jeden Tag eine gehörige Portion „Donald“ bringt die Welt auch nicht weiter. Über den aktuellen US-Präsidenten sollten wir nicht vergessen, dass sich am 29. Mai der 100. Geburtstag von John F. Kennedy jährte. Denken wir an sein „Ich bin ein Berliner“ und seine umsichtige Politik, die einen heißen Krieg um sowjetische Raketen in Kuba verhinderte. Nach Donald Trump kommen auch wieder bessere Zeiten.
Schöner Beitrag. Wir können nur hoffen, dass das ein kleines Intermezzo bleibt und Trump genau so schnell wieder von der Weltbühne verschwindet wie er aufgetaucht ist.
Bizarr finde ich die Kommentare des sog. “Berliner Kreises” der CDU. Dabei gibt es so viele progressive bei der CDU die viel für die Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung bewirken wollen. Manchmal reichen aber einige wenige Reaktionäre um wichtige und mutige Schritte komplett auszubremsen. Zum Glück blieb Angela Merkel davon zunächst unbeeindruckt.