Bundestag und Bundesrat machen Jagd auf Diesel-Sünder
Es ist natürlich für mich ganz selbstverständlich, dass Gesetze nicht nur erlassen, sondern auch überwacht werden müssen. Dies gilt in gleichem Maße für Fahrverbote für Dieselfahrer mit einer zu niedrigen Euro-Norm. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass ich große Zweifel hege an der wissenschaftlichen Fundierung der EU-Grenzwerte und ihrer Messung in Deutschland. Doch diesen Gedanken stelle ich hier ganz bewusst zurück und werfe stattdessen die Frage auf, warum für die Jagd auf Dieselsünder Kennzeichen automatisiert überprüft, bereits erfasste Mautdaten von Lkw aber nicht zur Fahndung nach Schwerkriminellen genutzt werden dürfen? Zackig wurde im Bundestag am 14. März das Gesetz zur automatisierten Erfassung von Kennzeichen von der Regierungskoalition aus Union und SPD durchgewinkt, und schon am Tag darauf zog der Bundesrat nach, obwohl dort die politischen Mehrheiten mit rot-grün-roter Mehrheit anders verteilt sind. Den gleichen Eifer hätte ich mir bei der Freigabe von Mautdaten für die polizeiliche Fahndung gewünscht.
Erlaubte Datenjagd bei Dieselfahrern
Seit Jürgen Resch, der Chef der Deutschen Umwelthilfe, mit Hilfe einiger Verwaltungsrichter Fahrverbote – selbst auf Autobahnen – zum Allheilmittel gegen Grenzwertüberschreitungen stilisiert hat, treibt die Politik gar seltsame Blüten. Das Bundesverkehrsministerium unter dem CSU-Minister Andreas Scheuer wollte es Kommunen ermöglichen, die Autokennzeichen komplett und flächendeckend zu erfassen und mit den Daten des Zentralregisters abzugleichen. Das klingt für mich jedoch total abstrus: Um einige Fahrzeughalter zu identifizieren, die trotz eines Einfahrverbots für Euro 5 oder 4 bzw. schlechter eine Stadtgrenze überschreiten, sollten die Kennzeichen aller einfahrenden Fahrzeuge gescannt werden. Da wäre eine blaue Plakette für Fahrzeuge ab einer bestimmten Euro-Norm doch wirklich handlicher. So hielt ich diesen Vorschlag eher für einen Versuch, die Verantwortung mal wieder auf andere abzuwälzen.
Zwar wurde der erste Entwurf des Ministeriums von Andreas Scheuer auf dem politischen Weg verwässert, doch letztendlich halte ich auch das jetzt verabschiedete Gesetz für einen Fehltritt. Überraschend ist besonders die zügige Verabschiedung, wenn man dies mit anderen Themen vergleicht. „Der Bundesrat hat am 15. März 2019 das vom Bundestag erst einen Tag zuvor beschlossene Gesetz gebilligt, welches Polizei und Ordnungsbehörden die Überwachung angeordneter Dieselfahrverbote erleichtern soll“, so die Mitteilung des Bundesrats. Und der Text fährt fort: „Danach können Behörden künftig relevante Daten wie Fahrzeugkennzeichen, Schadstoffklassen oder Bilder der Fahrer automatisiert erheben, speichern und verwenden. Ermöglicht wird dies durch die Aufnahme eines Paragrafen 63 c in das Straßenverkehrsgesetz. Um festzustellen, ob für ein Fahrzeug ein Fahrverbot gilt, dürfen die Behörden auf das Zentrale Fahrzeugregister zurückgreifen, in dem Halter- und Fahrzeugdaten gespeichert sind.“
Mautdaten nicht für Fahndung nach Schwerstkriminellen
Auch wenn die Datenerfassung an allen Zufahrtsstraßen auf die „stichprobenartige Überprüfungen mit mobilen Geräten“ begrenzt wurde, so bleiben doch die Datenerfassung und der Abgleich mit dem Zentralen Fahrzeugregister. Genau hier setzt meine Kritik an, wenn zukünftig nicht auch Mautdaten für die Polizeiarbeit genutzt werden dürfen. Wenn ich schon an Kennzeichen denke, dann würde ich mich eher auf die Mautdaten konzentrieren, die von Lkw ohnehin auf Autobahnen und Bundesstraßen bereits erfasst werden. Diese sollten für die Fahndung nach Kriminellen eingesetzt werden, was leider bisher von der Bundesregierung verweigert wurde.
Nochmals ein bezeichnendes Beispiel zum Streit um die Mautdaten: Beim Mord an einer Joggerin im badischen Endingen bei Freiburg keimte im Zuge der Ermittlungen der Verdacht auf, dass ein Fernfahrer der Täter sein könne. Zum Durchbruch verhalfen der Polizei Mautdaten aus Österreich, welche belegten, dass der rumänische Verdächtige nicht nur Carolin G. ermordet haben könnte, sondern auch im Jahr 2014 eine französische Studentin aus Lyon im österreichischen Kufstein. Ohne die österreichischen Mautdaten könnte dieser Lkw-Fahrer weiterhin neue Opfer suchen. Nun sitzt er zu lebenslanger Haft verurteilt im Gefängnis. Die in Deutschland erfassten Mautdaten durften nicht herangezogen werden! Aus meiner Sicht ist dies pervers: Es kann doch nicht sein, dass österreichische Mautdaten rechtmäßig für polizeiliche Zwecke eingesetzt werden dürfen, Daten aus dem deutschen Mautsystem dagegen sind sakrosankt.
Gerechtigkeit?
Da frage ich mich ernsthaft, in welcher Bananenrepublik wir eigentlich leben! Die Bundesregierung aus Union und SPD zieht ein Gesetz zur Jagd auf Diesel-Sünder im Bundestag durch, und der Bundesrat, in welchem die Regierung keine Mehrheit hat, zieht mit. Andererseits weigert sich der Gesetzgeber aber seit Jahren, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei der Fahndung nach schwersten Straftätern Mautdaten eingesetzt werden dürfen. Für mich steht bei einer solchen Zweiteilung die Pyramide des Rechts auf dem Kopf: Von Gerechtigkeit keine Spur!