Die Stadtverwaltung verstolpert in Esslingen sogar Erfolge
Der Neckar hat die Entwicklung der Stadt Esslingen im Laufe ihrer Geschichte immer wieder mitbestimmt: An einer Furt, noch besser an einer Brücke, da ließ sich Wegzoll kassieren, und Handelsströme brachten Wohlstand. Mit Brücken sollte man sich also in einer Stadt am Fluss auskennen – in Esslingen leider Fehlanzeige! Lange wurde deren langfristiger Bestand nicht ausreichend erhalten, so dass Sanierungen in letzter Stunde – wie an der Vogelsangbrücke – oder gar der Abriss – wie bei der 1964 erbauten Hanns-Martin-Schleyer-Brücke – notwendig wurden. Mehr Voraussicht in wirtschaftlich guten Tagen hätte hier nicht geschadet. Aber selbst bei der Sanierung der altehrwürdigen Pliensaubrücke, der zweitältesten Steinbrücke nördlich der Alpen, fehlte es am glücklichen Händchen oder dem notwendigen Sachverstand: Kaum war die Steinbrücke aus dem 13. Jahrhundert saniert, da wurde sie für Radfahrer gesperrt, weil die Brüstung zu niedrig geraten war. Bauzäune verschandeln nun die historische Brücke, damit Radfahrer sie doch wieder nutzen und bei einem Sturz nicht in die Tiefe auf die Bundesstraße B10 fallen können. So richtig schuld war in der Stadtverwaltung mal wieder niemand – auch nicht für die Kostensteigerungen.
Falsche Prioritäten in der Stadtverwaltung
Mit Dr. Jürgen Zieger hat Esslingen einen Architekten als Oberbürgermeister, doch der geht lieber mal den CDU-Stadtrat Tim Hauser so polemisch an, dass sich eine breite Mehrheit des Gemeinderats in einem Schreiben an den Stadt-Chef wendet und auf Mäßigung drängt. Aber wenn der OB schon keine Zeit hat, sich um Details einer Brücke zu kümmern, dann vielleicht doch der Erste Bürgermeister – Architekt und Stadtplaner – Wilfried Walbrecht, der sich 2018 immerhin schon mit 67 Jahren für eine weitere Amtszeit als Baubürgermeister beworben hatte und eine Gemeinderatsmehrheit fand. Nun ja, was können schon der SPD-Oberbürgermeister und sein Baubürgermeister von den Freien Wählern für eine zu niedrige Brüstung bei der Brücke, so könnte man fragen. Die Stadtoberen werden kaum im Plan die Höhe nachgemessen haben, welche bei Radverkehr statt 90 Zentimeter eben 130 Zentimeter messen müsste. Aber auf der Inneren Brücke in Esslingens Zentrum war das Geländer vor einigen Jahren ärgerlicherweise auch schon mal zu niedrig, und auf der Konrad-Adenauer-Brücke das gleiche Problem. Wer aus Fehlern nichts lernt und rechtzeitig vorbeugt, der ist eigentlich in einer Stadtverwaltung Fehl am Platze!
Da schreibt uns das Esslinger Baurechtsamt lieber ein Briefchen, unsere Efeuhecke rage zu weit in den Gehweg hinein, als dass sie sich um Brückengeländer kümmert. Bei uns war immerhin noch locker Platz für einen Zwillingskinderwagen – und Absturzgefahr bestand auch keine. 120 bis 130 Zentimeter waren auf unserem Gehweg Efeu-frei: Gerade die Zentimeterzahl, die bei der Pliensaubrücke zum Stolperstein wurde! Hätte das Baurechtsamt doch mal bei der Brüstungshöhe Alarm geschlagen. Weitere Beispiel: Auf Teufel komm raus wird ein Baugebiet im ‚Greut‘ durchgedrückt, und Obstbäume werden schon mal gefällt, obwohl noch Klagen anhängig sind. Das Lapidarium, das einen steinernen Einblick in die Stadtgeschichte vermitteln könnte, ist so verdreckt und dunkel in drei Torbögen untergebracht, dass ich nur den Kopf schütteln kann über so viel Ignoranz. Oberbürgermeister, seine Bürgermeisterkollegen und der Gemeinderat sollten gemeinsam eine neue Prioritätenliste für die Arbeit der Stadtverwaltung erarbeiten, das wäre ein wichtiger Schritt für eine erfolgreichere Zukunft.
Marode Brücken, Stege und Kanäle
Der frühere Busbahnhof steht in Esslingen mitten in der Stadt seit 2014 leer: Dort hätte eine riesige Fläche über Jahre eine ökologische Zwischennutzung erfahren können, doch Fehlanzeige. Absperrungen – wieder einmal die so geliebten Bauzäune! – umgeben eine unansehnliche Asphaltfläche, die einer neuen Nutzung harrt. Da hätten sich Passanten und Schmetterlinge über eine Blühwiese gefreut. Aber statt eines solchen Paradieses auf Zeit – inzwischen bereits 6 Jahre! – hatten die Stadt Esslingen und die Stadtwerke als grünes Trostpflaster eine wenige Quadratmeter große „StadtOase“ auf dem neu gestalteten, nur leider wenig Flair ausstrahlenden Bahnhofsvorplatz aufgestellt – nur für ein paar Monate. So ist das mit dem grünen Gewissen: gerne wird darüber gepredigt, doch gehandelt wird nicht!
Marode Brücken oder zerfallende Stege – wie über Bundesstraße und Neckar -, dies ist leider zu einem Markenzeichen der alten Reichsstadt geworden, in der wir seit vier Jahrzehnten leben. Schade, sehr schade! Diese Stadt hat so viel zu bieten: den Neckar, die Weinberge, Wald, einen mittelalterlichen Stadtkern und erfolgreiche Unternehmen. Was fehlt ist eine neue Dynamik in der Stadtverwaltung, aber auch Präzision in der Amtsausübung. Manchmal frage ich mich, was die Stadtverwaltung in den wirtschaftlich guten Jahren mit den reichlich fließenden Gewerbesteuern und anderen Einnahmen gemacht hat? In die Sanierung ist auf jeden Fall zu wenig Geld geflossen, was sich auch bei der zentralen Anbindung mehrerer Stadtteile an die Innenstadt und das übergreifende Verkehrsnetz zeigt: die über 8 000 Einwohner von Rüdern, Sulzgries, Krummenacker und der Neckarhalde müssen für bis zu zwei Jahre eine Umleitung hinnehmen, da in der Unteren Beutau der verdolte Geißelbach zu wenig bauliche Zuwendung erfahren hatte. Der Kanal war so hinfällig, dass er zunächst mit großen Metallplatten abgesichert werden musste, damit Fahrzeuge und besonders die Busse nicht durch die Straßendecke brechen. Jetzt sind Spezialisten am Werk, und das braucht Zeit. Ein früheres Eingreifen hätte Anwohnern im Umfeld längere Fahrten – auch mit dem Bus – erspart und den Umleitungsverkehr nicht in andere Bereiche verlagert.
Mehr Präzision in der Planung
Ja, Brückengeländer sind so eine Sache. Und es kann immer etwas schiefgehen, das wissen wir alle. Wenn einem als Bürger und Steuerzahler jedoch immer mehr Missstände auffallen, dann stellt sich durchaus die Frage nach der politischen Verantwortung – nicht nur bei Brückenbrüstungen! Spricht man diese an, dann ducken sich die politisch Verantwortlichen nicht nur in Esslingen immer schnell weg. Im angrenzenden Stuttgart, der baden-württembergischen Landeshauptstadt, ließen Stadt und Land das über 100 Jahre alte, denkmalgeschützte Opernhaus (Littmann-Bau) über Jahre vergammeln, um jetzt Sanierungs- und Erweiterungskosten von 1 Mrd. Euro aufzurufen, die ohne echte Bürgerbeteiligung durchgedrückt werden sollen. Und dies in meiner Geburtsstadt! In Berlin setzte man gegen Corona-Muffel auf eine Plakataktion mit einer älteren Dame, die den Stinkefinger zeigt. Was ist denn nur mit den Entscheidern in manchen unserer Kommunen los?
In kleineren Gemeinden ist die Bodenhaftung der Bürgermeister und ihrer Verwaltungsmitarbeiter weit deutlicher ausgeprägt als in Großstädten, was ich bei vielen beruflichen Aktivitäten erleben durfte. Ich würde mir wünschen, dass sich auch in größeren Städten so mancher Oberbürgermeister, Bürgermeister und deren Mitstreiter bewusstwürde, dass er im Dienst der Bürgerschaft steht. Der Bund der Steuerzahler, und gleichfalls die Rechnungshöfe beklagen zurecht, dass im öffentlichen Bereich immer wieder zu großzügig und ungezielt mit Steuergeldern umgegangen wird. Dies fängt bei schludriger Planung an – und wenn es auch nur um ein Brückengeländer geht – und setzt sich beim Bau der „Kulturscheune“ in Berlin oder dem von Angela Merkel gewünschten Erweiterungsbau für das Bundeskanzleramt fort. Wo gibt es denn ein Projekt von Bund, Ländern oder Kommunen, das wirklich im Kostenrahmen geblieben wäre? In Esslingen übersahen die Planer die richtige Höhe für die Brüstung der neu sanierten Brücke, beim Besucherzentrum des Nationalparks Schwarzwald wurden die Parkplätze vergessen und letztendlich verdoppelten sich die Kosten. Die öffentlichen Hände haben über Jahre nur auf das Geldausgeben gesetzt, es ist an der Zeit für neue Schwerpunktsetzungen, Detailgenauigkeit und Sparsamkeit.
Und es ist wirklich schade, um nochmals auf die Pliensaubrücke zurück zu kommen, dass man in der Esslinger Stadtverwaltung im Grunde einen Erfolg verstolperte: Statt Lob für die Sanierung der denkmalgeschützten Brücke gab es bundesweit hämische Kommentare für die zu niedrige Brüstung. Generell ist es mir aber ein Rätsel, in welcher Weise in Deutschland Brücken für Straßen und Eisenbahn gebaut wurden, die nach 50 oder 60 Jahren am Ende sind: Können, wollen, dürfen wir es uns leisten, alle Brückenbauwerke nach einem halben Jahrhundert zu ersetzen? Ich denke: Nein! Nachhaltigkeit geht auf jeden Fall anders.
Eine Antwort auf „Die Stadt am Fluss und ihre Possen um die Neckarbrücken“