Die Plastik-Landwirtschaft

Kunststoff verseucht Böden und Gewässer

Wo man steht und geht, trifft man auch in ländlichen Gegenden auf Plastikteile, seien es Folienreste oder Getränkeflaschen, und selbstredend ist dies bei weitem nicht nur ein Problem der Bauern. Die modernen, westlichen, industrialisierten Gesellschaften scheinen ohne Plastik nicht mehr auszukommen, doch die größten Einleitungen von Kunststoff in die Meere finden in Afrika und Asien statt. Und der umfangreichste Einsatz von Kunststoff im Agrarbereich lässt sich in China feststellen. Dennoch: Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, diese Plastikflut zu stoppen, die zu einer tödlichen Bedrohung für zahlreiche Tiere, und zunehmend auch für uns Menschen wird. Ein Musterbeispiel ist Mikroplastik, das von menschlicher Nutzung ausgeht und dann z. B. über verspeisten Fisch wieder zum Verursacher zurückgelangt. Auf so manchen Feldern und Weiden, aber auch bei Gartenbaubetrieben scheint ohne Plastik nichts mehr zu gehen. Da werden Stroh- und Heuballen oder Maische in eine Kunststofffolie eingewickelt und Beete mit Gemüse oder Erdbeeren damit abgedeckt. Und trotz aller Vorsicht machen sich kleine oder große Teile davon und landen im Boden, zwischen Steinen, im Wald oder in Bächen, Flüssen, Seen oder dem Meer.

Futterballen mit schwarzer Folie. Zum Teil liegt die Folie zerrissen auf dem Boden, in unmittelbarer Nähe zum Meer.
Ob Plastikreste im Boden oder im Meer landen – schädlich ist es für Natur und Umwelt, für Tier und Mensch allemal. (Bild: Ulsamer)

Mikroplastik: Klärschlämme und ‚Bodenverbesserer‘

Allein in Deutschland wandern im Jahr rd. 13 200 Tonnen Plastik über die landwirtschaftliche Nutzung und den Gartenbau in die Böden, die in Dürrezeiten ohnehin nichts zu Lachen haben. Dies ergab eine Studie des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Verbindung mit Ökopol, dem Institut für Ökologie und Politik. In Auftrag gegeben hatte diese Analyse der NABU. Zu dieser gewaltigen Umweltbelastung kommen 5 800 Tonnen an Verwehungen von Plastikabfällen aus Bereichen, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben: Wer gerne wandert, wie wir dies tun, der erlebt mit Schaudern, wieviel (Plastik-) Unrat manche Zeitgenossen in Wald und Flur abladen. Leere Plastikflaschen und Becher, Kunststoffbeutel und Luftballons gesellen sich nicht nur am Wegesrand, sondern auf Feldern und Wiesen zu den Überbleibseln aus Klärschlamm, Abdeckfolien und Netzen gegen Vögel oder Hagel im Obstanbau. Der erwähnte Klärschlamm soll nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts allein 8 385 Tonnen an Kunststoffen in die Böden eintragen: da stellt sich schon die Frage, ob Klärschlämme auf landwirtschaftliche Nutzflächen gehören?

Zwischen den Steinen auf einem Weg ist Plastikfolie sichtbar.
Wo man steht und geht, im wahrsten Sinne des Wortes, begegnet man im ländlichen Raum in Europa Folienresten. (Bild: Ulsamer)

In manchen Regionen und bei nicht wenigen Bauern scheint der sorgsame Umgang mit Kunststofffolien noch nicht zur täglichen Arbeit zu gehören, daher trifft eine der Fraunhofer-Forderungen ins Schwarze: „Im Bereich der Landwirtschaft ist dringend eine Bildungsinitiative erforderlich, die von objektiver Seite über die Möglichkeiten und Pflichten bei Emissions- und Verbrauchsminderung sowie der Kreislaufführung der Kunststoffe informiert. Insbesondere sollte über alternative Praktiken für eine plastikemissionsfreie Landwirtschaft informiert werden.“ Generell ist es wichtig, Ersatzstoffe marktfähig zu machen, die preislich und von der Handhabbarkeit her für die tägliche Praxis geeignet sind. Aber auch in den Dörfern und Städten kann jeder seinen Beitrag dazu leisten, dass weniger Plastikemissionen in den Böden landen: Jeder sogenannte Fehlwurf in die Biotonne kann, wenn die Plastikteile nicht aussortiert werden, zu einer Verunreinigung der Böden über den erzeugten Kompost führen. Und landen unsere über die Waschmaschine ausgeschwemmten Textilfasern im Klärschlamm, dann wandern sie mit diesem auf die Äcker. „Umgerechnet auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland entsprechen die berechneten Emissionen einer Flächenbelastung von durchschnittlich 1,1 Kilogramm Kunststoff pro Hektar und Jahr“, so der NABU. Die Spannweite der Einträge ist sehr groß, je nachdem, wie der Boden bearbeitet wird: „Über Bodenverbesserer, die im Boden die Speicherfähigkeit und Durchlässigkeit für Luft und Wasser fördern, werden über 400 Kilogramm pro Hektar eingetragen, über Pflanzenschutzmittel und Saatgut dagegen weniger als 0,1 Kilogramm.“ Ganz ketzerisch möchte ich anmerken, dass es natürlich besser ist, auf den Regenwurm als ‚Bodenverbesserer‘ zu setzen, der auch für eine gute Durchlüftung und das Lockern des Bodens sorgt. Aber die immer intensivere Landwirtschaft macht es selbst dem ‚regen Wurm‘ immer schwerer, seinen wichtigen Dienst für Natur und Mensch – sei er Bauer oder Gärtner – zu leisten.

Weiße Kunststofffolie um Futterbalen. An einer Stelle heißt es "Betreten verboten", an einer anderen "Das sieht Scheiße aus".
Wer möchte da widersprechen? So gesehen im Schwarzwald. Futterballen ‚schön‘ mit Kunststoff ummantelt und dann noch als gewaltige Stapel am Waldrand! (Bild: Ulsamer)

Von Folien und umhüllten Düngemitteln

Der Einsatz von Kunststofffolien lässt sich nicht von heute auf morgen in der Landwirtschaft verbieten, das muss uns allen klar sein, denn häufig reduzieren Folien den Einsatz von Pestiziden oder Düngemitteln. Wo immer möglich sollten abbaubare Folien eingesetzt werden. Hier besteht noch Forschungsbedarf, welche Abdeckfolien auf Ackerflächen oder im Gartenbau wirklich gut und naturverträglich biologisch zersetzbar sind und nicht zu Mikroplastik zerfallen. Manche Folie mag sich in einer industriellen Kompostieranlage schnell abbauen lassen, doch das muss nicht für den landwirtschaftlichen Bereich oder Gärtnereien gelten. Auch im eigenen Kompostbehälter können wir dies feststellen: nicht jede – laut Aufdruck – kompostierbare Verpackung zerfällt widerstandslos im heimischen Kompost.

Weiße Kunststofffolie bedeckt Gemüsefelder. Vorne sichtbar kleine Salatpflänzchen.
In Spanien liegen ganze Regionen unter Folie, damit wir in Deutschland und Europa das ganze Jahr über Gemüse und Früchte auf den Tisch bekommen. Aber auch deutsche Äcker bekommen immer häufiger einen Folienmantel übergestülpt. (Bild: Ulsamer)

Im Grunde ist es von zentraler Bedeutung, wo immer möglich, Kunststoffe auch in der Landwirtschaft zu reduzieren, doch habe ich den Eindruck, dass sich nicht nur in Deutschland immer mehr Agrarflächen unter Folien wiederfinden. In Spanien sind bereits ganze Regionen ‚eingewickelt‘, damit in deutschen Haushalten Gemüse und Beeren rund ums Jahr nicht ausgehen. Nebenbei wird auch noch das Tiefenwasser abgepumpt! Folienlandschaften stechen – unangenehm – ins Auge, ganz anders ist dies bei umhüllten Düngemitteln oder Pestiziden, die ihre Wirkstoffe langsam abgeben, jedoch nicht immer ohne Probleme abbaubar sind. Die EU-Düngemittelverordnung sieht zwar vor, dass der Abbau der Hülle innerhalb von vier Jahren zu 90 % erfolgt, einzelstaatlich allerdings können auch andere Produkte zugelassen werden, die zur Anreicherung von Mikroplastik im Boden beitragen.

Schwarze Kunststofffolie ragt aus Mauer mit Farn.
Wer nicht achtsam mit Kunststofffolien umgeht, trägt dazu bei, dass sich diese überall in der ‚Natur‘ wiederfinden. (Bild: Ulsamer)

Mikroplastik auf dem Weg in den Menschen

Mit ihrem Bericht ‚Assessment of Agricultural Plastics and their Sustainability, A call for Action’ fordert die Welternährungsorganisation (FAO) der UN dazu auf, sich stärker als bisher mit der Verschmutzung der Böden durch Plastik zu befassen. Die Welthungerhilfe sieht in Kunststoffen Segen und Fluch zugleich, denn in immer mehr Bereichen werden Plastikprodukte eingesetzt, die häufig im Boden zu Mikroplastik zerfallen und langfristig die Wertigkeit der Anbauflächen ruinieren. „Ihre Nutzung erstreckt sich von Folien für Silage, zur Abdeckung für die Unkraut- und Wasserregulierung im Gemüse- und Obstanbau, für Foliengewächshäuser über Ohrmarken für Nutztiere bis hin zu Mehrwegkisten, Säcken, Schutznetzen, Pestizidbehältern, Wasserleitungen für künstliche Bewässerung, Baumschutzhüllen, Fangnetze und Seile. Hinzu kommen polymerbeschichtete Düngemittel, die eine kontrollierte Nährstoffabgabe ermöglichen.“ Folien können bei der sachgerechten Bewässerung helfen und den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln reduzieren, doch ihre Rückstände gefährden die Gesundheit. Folien machen bis zu 50 % der im landwirtschaftlichen Sektor benutzten Kunststoffe aus, und gerade sie zerfallen oft auf den Feldern oder werden in Fetzen in andere Bereiche verweht.

Schwarze Kunststofffolie zwischen Steinen an einem Strand.
Kunststoffe zerfallen zu Mikroplastik und verunreinigen die Böden, Bäche, Seen und das Meer. (Bild: Ulsamer)

In Asien ergießen sich nicht nur die gewaltigsten Kunststofffluten in die Ozeane, sondern auch auf den Feldern hat Plastik seinen Siegeszug angetreten. „Regional betrachtet ist Asien Spitzenreiter beim Gebrauch von Plastik in der Landwirtschaft. In China, dem größten Nutzer von Agrarplastik in Asien, landen jährlich mindestens 5,2 Millionen Tonnen auf den Feldern, davon mehr als 3 Millionen Tonnen für Folien und 2 Millionen Tonnen für Plastikrohre zur künstlichen Bewässerung“, so die Welthungerhilfe. Die UN-Landwirtschaftsbehörde bezeichnet „die Plastikverschmutzung in landwirtschaftlichen Böden“ als „allgegenwärtig“. Sie stelle „eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit, die Gesundheit der Menschen und die Umwelt dar.“ Und die UN fährt fort: „Mikroplastik – weniger als 5 mm groß – wurde bereits im menschlichen Kot und in der Plazenta gefunden sowie über ihre schwangeren Mütter auf Föten übertragen.“ Es ist somit höchste Zeit, den Plastikeinsatz gerade auch im Agrarbereich deutlich zu reduzieren und auf biologisch abbaubare Erzeugnisse umzustellen.

Kunststoffnetze an einer Obstplantage. Blauer Himmel.
Netze – mal gegen Vögel oder Hagel – kommen auf Obstplantagen zum Einsatz. Es ist an der Zeit, die Entwicklung biobasierter Erzeugnisse voranzutreiben. (Bild: Ulsamer)

Was ist zu tun?

Die Auswirkungen von Kunststoffen auf die Böden, auf die Feldfrüchte, auf die ‚Nutztiere‘, unsere Nahrungsmittel und in letzter Konsequenz uns Menschen muss umfassender wissenschaftlich aufgearbeitet werden, doch die bereits vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass eine Reduktion von Plastikprodukten zwingend ist. Durch nachhaltigere und bodenschonendere Anbaumethoden lassen sich manche Kunststofferzeugnisse einsparen. Wo dennoch Folien usw. benötigt werden, ist der Übergang auf biologisch abbaubare Produkte unerlässlich. Gewächshausfolien müssen durch haltbarere Materialien – wie z. B. Glas – ersetzt werden. Wenn schon Kunststoff, dann ist dafür Sorge zu tragen, dass die Folien usw. nicht vom Wind verweht oder auf den Äckern zu Mikroplastik zerfallen, sondern dass sie recycelt und in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Hier gibt es im Agrarsektor positive Ansätze, die deutlich ausgebaut werden müssen. In der EU-Agrarförderung sind zügig die an der Fläche orientierten Subventionen zu beenden. Stattdessen gilt es, ökologische und nachhaltige Anbaumethoden zu unterstützen, wobei auch der Kunststoffeinsatz berücksichtigt werden muss. Völlig abwegig ist es, wenn in manchen Regionen unserer Welt benutzte Kunststofffolien auf den Feldern verbrannt werden. Eine ständige Intensivierung der Landwirtschaft ist keinesfalls die Lösung des Problems!

Gärtnerei mit Pflanzen in Kunststofftöpfen, darunter ein Kunststoffvlies, darüber die Stangen, die mit einer Kunststofffolie als Gewächshaus geschlossen werden können.
Ein Vlies auf den Boden, Töpfe aus Plastik, bei Kälte ein Folien-Dächlein oben drüber und die Bewässerung per Kunststoffrohr. Ist es da ein Wunder, dass sich Mikroplastik immer häufiger in den Böden findet? (Bild: Ulsamer)

Weniger Kunststoffe und ein pfleglicherer Umgang mit diesen ist unabdingbar, wenn wir von Nachhaltigkeit und Ökologie sprechen. Es kann nicht sein, dass wir und viele andere auf Wanderungen oder am Strand Kunststoffteile einsammeln, die weniger problembewusste Zeitgenossen ohne Bedenken in die Umwelt entlassen haben. Wenn es sich um Agrarfolien handelt, ist die Entsorgung im Vorbeigehen ohnehin nicht möglich – gerade auch wegen des Umfangs! In Sachen Recycling sind alle Bürgerinnen und Bürger gefragt, denn nicht nur im ländlichen Bereich, sondern auch in unseren Städten gibt es viel zu verbessern. In den Städten und Gemeinden ist der bewusste oder fahrlässige Fehlwurf in die Biotonne, der zu Mikroplastik im Kompost führt, nicht weniger verwerflich als das rücksichtslose Zurücklassen von Abdeckfolien in der Landwirtschaft oder im Gartenbau! Böden und Gewässer dürfen nicht weiter mit Kunststoffresten verschmutzt werden!

 

Wild durcheinander liegen schwarze Folien unter einer Holzpalette.
Wer so – wie am irischen Smerwick Harbour – mit Kunststofffolien umgeht, der handelt zumindest fahrlässig. (Bild: Ulsamer)

 

Ein schwarzes Rind hat den Rest einer Plastikflsche im Maul.
Wer achtlos seine Plastikflasche wegwirft, der nimmt in Kauf, dass sich die Reste im Maul eines Rinds wiederfinden. (Bild: Ulsamer)

 

Schwarze Plastikballen werden von Brombeeren überwachsen.
So mancher eifrig verhüllte Stroh- oder Heuballen vergammelt ohne Nutzung des Inhalts. (Bild: Ulsamer)

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