Die Blattschneiderbiene als Dekorateurin

Wildbienen benötigen Nahrung und Nistplätze

Die wilden Verwandten der Honigbienen haben es besonders schwer in einer ausgeräumten Landschaft, in der es an vielfältigen Nahrungspflanzen und gleichfalls an sicheren Nistmöglichkeiten fehlt. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits die Hälfte der in Deutschland lebenden Wildbienenarten auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Die industrialisierte Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestizideinsatz und die Zersiedelung erschweren es den Wildbienen in unserem Land – und in ganz Europa –, sich selbst zu ernähren und ein Plätzchen für den Nachwuchs zu finden. Die Blattschneiderbiene gehört zwar offiziell noch nicht zu den akut gefährdeten Wildbienen, doch was heißt das schon? So manche Tier- oder Pflanzenart ist – kaum in die Roten Listen aufgenommen – bereits am Aussterben. Zwar berichten manche Internetseiten, die Blattschneiderbienen seien relativ weit verbreitet, doch in diesem Jahr sind sie mir ganz besonders ins Auge gesprungen, als sie mit einem grünen ‚Blättchen‘ unterm Bauch an mir vorbeischwebten. Diese Blattschneiderbienen waren auf dem Weg zu ihrer Nisthöhle, um mit den ausgeschnittenen Teilen der Blätter die Wände zu ‚tapezieren‘ und letztendlich den Zugang zu ihren Brutkammern zu verschließen.

Blattschneiderbiene umklammert mit den Beinen das Blattsegment, das sie gerade mit den Kauwerkzeugen ausschneidet. Die Flügel schlagen.
Gleich geht’s los! Die Blattschneiderbiene hat das Blattsegment fast ausgeschnitten. (Bild: Ulsamer)

Auf dem fliegenden Teppich

Mögen die Blattschneiderbienen an sich nicht besonders auffallend sein, so ist es ihre Arbeitsweise schon und gleiches gilt für ihren Willen, das Nest für die Eier optimal vorzubereiten. Haben sie einen Spalt in einem Haus entdeckt, eine Nistmöglichkeit unter Dachziegeln erspäht oder Fraßgänge von Käfern in einem morschen Stück Totholz, dann machen sie sich an die Vorbereitung des Nests. Blattschneiderbienen sind solitär lebende Insekten, doch manchmal entsteht der Eindruck, sie würden Kolonien bilden, wenn mehrere von ihnen unterm gleichen Dach ihre Nester bauen. Die Männchen sind nur an der Paarung beteiligt, ansonsten ist die weibliche Blattschneiderbiene auf sich selbst gestellt: Sie erkundet einen Nistplatz, um anschließend die Wände mit sorgfältig herausgetrennten Blattstückchen auszukleiden. Ich wollte es erst nicht glauben, als sich neben mir eine Blattschneiderbiene daran machte, mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen vom Rand eines Montbretienblattes her ein Stück herauszutrennen: kreisrund und am Rand des langen und schmalen Blatts abgeplattet. Der Ton beim Ausschneiden des gewünschten Pflanzenteils war tatsächlich zu hören! Nicht immer klappt das Abtrennen auf Anhieb, manchmal bleibt das weitgehend herausgeschnittene Teil des Blattes an einer einzigen Pflanzenfaser hängen, und die Blattschneiderbiene, die darauf sitzt, gibt es auf. Kaum hat sie ausgeruht, da macht sie sich ans nächste Blättchen, denn der Nistplatz wartet auf die Dekorateurin unter den Wildbienen.

Eine Blattschneiderbiene hat ihr Blattsegment fast abgetrennnt. Daneben ein weiteres ovales Loch im Blatt der Pflanze.
Blätter von Rosen oder hier Montbretien sehen nach der Arbeit der Blattschneiderbienen etwas angeknabbert aus, doch die Pflanzen werden nicht gefährdet. Wildbienen haben es schwer auf Agrarflächen, daher sind oft naturnahe Gärten ein wichtiger Rückzugsort. (Bild: Ulsamer)

Rosenliebhaber sind manchmal nicht gut auf die Blattschneiderbienen zu sprechen, denn sie machen auch vor ihren Sträuchern nicht halt. Doch im Grunde schädigen sie die Pflanze kaum, selbst wenn die Blätter etwas löcherig aussehen. Wir waren trotz der zahlreichen herausgetrennten Blattstücke glücklich, dass Blattschneiderbienen im wahrsten Sinne des Wortes unter unserem Dach ihre Nistplätze eingerichtet hatten. Blattschneiderbienen mögen wärmere Standorte, an denen sie auch mal im Sonnenschein unterwegs sein können. In naturnahen Gärten oder Parks, an Waldrändern oder Lichtungen, auf Streuobstwiesen oder in Weinbergen sind die emsigen Insekten anzutreffen. Faszinierend ist es für mich, wenn diese Wildbienen auf einem grünen Teppich vorbeizugleiten scheinen: wer ist sonst schon mit einem Blattausschnitt unterm Bauch – gleichsam mit dem fliegenden Teppich – unterwegs, der hin und wieder größer ist als die Transporteurin? Der Bau des Nests mit den Brutkammern muss zügig vorangehen, denn in jede Kammer legt die Blattschneiderbiene ein Ei mit entsprechender Nahrung aus Pollen und Nektar. Eine Kammer wird mit Blättchen von der anderen getrennt und zu guter Letzt die ganze Anlage mit weiteren Blattstücken zur Abwehr von Feinden verschlossen. Die Mörtelbienen, die zumeist mit den Blattschneiderbienen zur Gattung Megachile gerechnet werden, bauen dagegen ihre Nester aus Erde und kleinsten Steinchen. Sofern vorhanden, nutzen sie – wie die Blattschneiderbiene – dafür kleine Hohlräume, sie können ihren Nistplatz jedoch auch freistehend anbringen.

Eine Blattschneiderbiene verschließt ein Loch in einem Zaunpfahl aus Beton mit grünen Blattteilen. Diese hat die Wildbiene aufgerollt.
Mit ausgeschnittenen Blattstückchen verschließt die Blattschneiderbiene den Hohlraum, in dem sie die Brutkammern mit jeweils einem Ei und Pollen als Nahrung eingerichtet hat. Die Blattsegmente rollt sie ein und verfestigt den Schutzwall gegen Feinde mit Pflanzenmörtel aus zerkauten Blattteilen. Selbst ein Loch in einem Zaunpfahl aus Beton reicht der genügsamen Blattschneiderbiene für den Nestbau. Sie quartiert sich jedoch auch in Insektenhotels ein, wenn die Hohlräume mit 5 bis 7 Millimetern Durchmesser weit genug sind. (Bild: Ulsamer)

Verarmte Landschaft

Im Regelfall sind die geschäftigen Bienen von Ende Mai bis Ende September unterwegs, und dabei geht es den alleinlebenden Wildbienen im Grunde stets um die Sicherung des Nachwuchses. In ihrer Brutzelle überwintern die voll entwickelten Larven in ihrem Kokon, um dann im kommenden Sommer als nächste Generation das Licht der Welt zu erblicken. Somit ‚treffen‘ die Mütter ihre Kinder nur, wenn von Zeit zu Zeit innerhalb eines Jahres unter sehr günstigen Bedingungen die Entwicklung vom Ei über die Larve zur Biene besonders schnell verläuft. In einem platzmäßig günstigen Nest können die Blattschneiderbienen 10, 20 oder gar 30 Brutzellen hintereinander anlegen, wobei dies eine immense Anstrengung für die Insekten darstellt. Häufig sieht man eine Blattschneiderbiene auf einer Pflanze oder einem Stein ausruhen, wenn sie ein kleines Blattsegment herausgeschnitten hat, denn diese Tätigkeit ist überaus kräftezehrend. Nach einer Ruhepause geht es dann weiter zum eigentlichen Nistplatz.

Eine Blattschneiderbiene schlüpft mit einem grünen Blättchen zwischen zwei Dachziegel aus dunkelgrauem Beton.
Selbst ein enger Schlitz genügt, damit sich Blattschneiderbienen mit ihren Blattstücken einen Nistplatz unter Dachziegeln einrichten können. (Bild: Ulsamer)

Zwar werden alle Wildbienen durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt, doch nutzt dies den Blattschneiderbienen und ihre Kolleginnen wenig, wenn sich ihr Lebensraum durch menschliche Eingriffe verkleinert. Längst hätte die Agrarlandschaft wieder stärker mit Hecken, Blühstreifen, Lesesteinriegeln, Totholz oder Brachflächen und Tümpeln aufgelockert werden müssen, doch die EU-Subventionen begünstigen weiter eine industrielle Landwirtschaft. Viel zu häufig ist aus Wäldern ein Forst geworden, bei dem der Holzeinschlag den Naturschutz zur Seite gedrängt hat. Und wer in Städten die letzte Baulücke schließt, Parks und Gärten mit kurzrasiertem Rasen überzieht oder zu einer überdimensionalen Grillfläche degradiert, der muss sich nicht wundern, wenn Wildbienen den Kürzeren ziehen. Dabei sind Blattschneiderbienen genügsam, denn oft reicht auch ein hohler Brombeerzweig für den Nestbau oder ein überdimensionaler Stängel in einem Ackerrain mit mehrjährigen Pflanzen, notfalls graben sich die emsigen Bienen einfach ein Loch in den Boden oder in Lehmwände. Laubblätter von (Wild-) Rosen, Schlehen, Montbretien – wie in unserem Fall -, Hainbuchen, Eichen oder Birken nutzen die Blattschneiderbienen für die ‚Dekoration‘ ihrer Nester.

Eine Blattschneiderbiene arbeitet an letzten Pflanzenfasern, um das gewüschte Blattsegment herauszutrennen. Sie ist von vorne zu sehen. Ihre Mundwerkzeuge halten das Blatt fest.
Mit ihren kräftigen Mandibeln schneiden die Blattschneiderbienen weitgehend runde Stückchen aus Blättern aus, um damit ihre Brutkammern zu ‚tapezieren‘ bzw. diese zu verschließen. Wenn sie sich mit ihren Mundwerkzeugen ans Werk machen, ist das aus der Nähe sogar zu vernehmen. (Bild: Ulsamer)

Mehr Lebensraum für Wildbienen

Wildbienen – wie die Blattschneiderbiene – sind kein nettes Accessoire in unserer verbliebenen Rest-Natur, sondern von größter Bedeutung für die Bestäubung zahlreicher Pflanzen. Wer die Vielfalt auch auf seinem Esstisch erhalten möchte, der darf nicht nur auf Honigbienen setzen, sondern muss auch den Wildbienen das Überleben erleichtern. Wenn es in unseren Städten, aber gerade auch auf intensiv genutzten landwirtschaftlich Flächen und im Forst immer weniger summt, dann ist dies ein Alarmzeichen! Der Rückgang der Insekten ist dramatisch und hat seine Folgen nicht nur bei der Bestäubungsleistung, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf andere Tierarten – wie z. B. die Vögel. Mögen manche Arten der Blattschneiderbiene im Zuge des Klimawandels auch neue Regionen besiedeln, so ist ihre Gesamtzahl dennoch niedrig.

Eine Blattschneiderbiene ruht sich auf ihrem grünen Blattsegment sitzend aus. Dabei hat sie sich auf ein morsches Stück Totholz gesetzt. Die Oberseite der Wildbiene ist weitgehend schwarz, die Unterseite des Hinterkörpers rotbraun.
Für zahlreiche Pflanzen und Tierarten ist Totholz von großer Bedeutung, und es sollte daher in Gärten und Parks, im Wald und am Rand von landwirtschaftlichen Flächen belassen oder abgelegt werden. Blattschneiderbienen legen ihre Brutkammern gerne in Fraßgängen von Käfern an. (Bild: Ulsamer)

Wildbienen benötigen wieder mehr Lebensraum, und dieser ist nur zu schaffen, wenn die Landschaft vielfältiger wird. ‚Unordentliche‘ – sprich naturbelassene – Ecken in einem Garten, Blühwiesen und Hecken oder Bauminseln mit Totholz in Parks und Grünanlagen können die Lebensgrundlage für Wildbienen verbessern. Trockenmauern mit teilweise geöffneten Fugen oder auch markhaltige Stängel von Holunder, Engelwurz oder Königskerzen auf Brachflächen können ebenso als Kinderstube dienen. Das Insektensterben generell lässt sich jedoch nur stoppen, wenn auf Feldern oder Grünland und im Forst wieder mehr Nistmöglichkeiten geschaffen werden und das Nahrungsangebot wieder steigt. Ich möchte noch möglichst oft Blattschneiderbienen auf ihrem grünen Blättchen vorbeifliegen sehen oder eine Holzbiene auf Pollensuche entdecken! Mit dem Aussterben ganzer Wildbienenarten erodiert auch die Lebensgrundlage von uns Menschen: Der Insektenschwund muss – trotz aller anderen Krisen – weit stärker zu einem Thema der Politik werden, denn nur durch politische Entscheidungen lässt sich die Landnutzung im großen Stil verändern. Darauf sollten wir jedoch nicht warten, sondern bereits im Kleinen unseren Beitrag leisten für eine insektenfreundliche Welt!

Eine Blattschneiderbiene 'sitzt' auf einem Blattteil und hält es fest. Nur noch einige Fasern müssen durchgetrennt werden.
Es ist eine harte Arbeit für die Blattschneiderbienen, Blattsegmente abzutrennen. Daneben gilt es, Pollen und Nektar zu finden. Die meisten Arten der Blattschneiderbienen sammeln Pollen von verschiedenen Pflanzen und sind damit nicht so anfällig für Veränderungen in der Landschaft. Wichtige Bestäuber sind die Wildbienen allemal. In den USA und europäischen Ländern werden sogar eigens Blattschneiderbienen – Megachile rotundata – zur Bestäubung der Luzerne gezüchtet. (Bild: Ulsamer)

 

Blattschneiderbiene versucht, ein sehr großes grünes Teil eines Blatts zu transportieren.
Dieser Blattausschnitt scheint doch etwas groß geraten zu sein. (Bild: Ulsamer)

 

Eine Blattschneiderbiene sitzt auf ihrem grünen Blatt und hat sich auf einer hellbraunen Muschel niedergelassen.
Das Heraustrennen der Blattteile ist sehr anstrengend, daher legen Blattschneiderbienen häufig eine kleine Pause auf dem Rückweg zum Nistplatz ein. Eine vielfältige Landschaft hilft Wildbienen und zahlreichen anderen Insekten beim Überleben. (Bild: Ulsamer)

 

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Eine Blattschneiderbiene fliegt mit einem grünen Blatt unter dem Körper über dunkelgraue Betonziegel zu ihrem Einstieg auf dem Dach.Wie auf einem fliegenden Teppich nähert sich die Blattschneiderbiene ihrem Nest, das sie unter Dachziegeln eingerichtet hat. Wir haben uns über diese Untermieter gefreut. Insekten benötigen wieder mehr Lebensraum in Stadt und Land. (Bild: Ulsamer)

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