Leistungsfähiger Mobilfunk und schnelles Internet sind zwingend
Im detail- und abkürzungsverliebten Deutschland bringt die Bundesregierung den 5 G-Standard für den Mobilfunk ins Land. Zumindest werden die Frequenzen vergeben, wobei große Anbieter wie Telekom Deutschland, Telefónica Deutschland und Vodafone schon an den Vergaberichtlinien juristische Zweifel äußerten. Dies ist sicherlich kein gutes Zeichen, wenn es um einen schnellen und umfassenden Netzausbau geht. Generell habe ich jedoch den Eindruck, dass Bundesregierung und Bundesnetzagentur eher als Inkassobüro arbeiten, denn als innovative politische Institutionen. Zwar werden die Einnahmen aus der Frequenzversteigerung bei 5 G eher bei 5 Mrd. EURO liegen als beim Zehnfachen wie in der vorhergehenden UMTS-Runde. Als Steuerzahler könnte ich mich über diese Art Geldsegen freuen, doch in Wahrheit behindern hohe Zahlungen für die Frequenzen den Netzausbau bis in den letzten Zipfel Deutschlands. Somit ist der Ansatz der Bundesregierung aus meinem Blickwinkel falsch: Das Ziel des Mobilfunks – wie auch des Internets – ist eine ungehinderte Kommunikation und nicht das Füllen der Staatskasse.
Vorhandene Mobilfunknetze nicht vernachlässigen
Immer wieder erlebe ich, dass in manchen deutschen Regionen die Funklöcher eine absolute Plage sind, und das Internet stolpert ebenfalls in die digitale Zukunft, die viele PolitikerInnen in Sonntagsreden propagieren. Wer den ländlichen Raum oder Regionen mit wirtschaftlichem Nachholbedarf stärken möchte, der muss für optimale Abdeckung bei Mobilfunk und schnellem Internet Sorge tragen. So ganz hat dies ausgerechnet die CDU-Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft Anja Karliczek (CDU) nicht verstanden, die meinte: “5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig.” Dies mag schon sein, doch als Grundanspruch muss in Deutschland gelten, schnelle digitale Netze auch in der Fläche anzubieten. Es ist kein Trost, wenn an der letzten Milchkanne auf 4 G/LTE verwiesen wird, denn die Funklöcher reihen sich auch schon jetzt aneinander wie die Schlaglöcher auf zahlreichen Straßen.
Bei manchen politischen Äußerungen habe ich das Gefühl, dass 4G mittlerweile als abgehakt gilt, denn mit 5 G naht ein neues Spielzeug und die alten Probleme seien beseitigt. Das ist jedoch mitnichten der Fall. Ich bin mal gespannt, ob die angepeilten Vorgaben bei der Frequenzvergabe in time abgearbeitet werden können. Bis 2022 sollen 98 % der Haushalte je Bundesland, die Autobahnen sowie wichtige Bundesstraßen mit 5 G versorgt sein. Wenn ich mir die Funklöcher beim jetzigen Standard anschaue, dann kommen mir große Zweifel an der Realisierung. Jeder Betreiber bei 5 G soll zwar 1 000 Basisstationen errichten, doch dieser Mobilfunkstandard erlaubt zwar die Übertragung großer Datenmengen – 100x schneller als 4 G -, doch die jetzige Technik ermöglicht nur eine kleinräumige Versorgung pro Antenne.
Ressourcen hätten geschont werden können
Wir dürfen auch gespannt sein, an wie vielen potentiellen Antennenstandorten sich Widerstand regt und eine echte Vollabdeckung weiter verzögert. Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, ein 5 G-Netz aufzubauen, und dann Kapazitäten an die Mobilfunkprovider zu vermieten. Aus Sicherheitsgründen müsste das Gesamtsystem natürlich redundant aufgebaut sein, doch es könnten Streitereien um viele Standorte für Basisstationen vermieden werden. Wettbewerb wäre unter den Mobilfunkanbietern dennoch möglich: So ist dies ja auch bei Gas und Strom. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, alle Straßen aufzureißen und zusätzliche Versorgungssysteme für Strom und Gas aufzubauen. Und dennoch hat der Wettbewerb bei Strom und Gas zugenommen. Damit hätte sich die umkämpfte Frage vermeiden lassen, ob es ein nationales Roaming geben soll. Dies lehnen die großen Anbieter ab, die ihre teuren Basisstationen ungern mit Wettbewerbern teilen wollen. Ohne ein möglichst komplexes Roaming lassen dann allerdings wieder die Funklöcher grüßen.
Die 5 G-Basisstationen benötigen eine Glasfaseranbindung, auch hier dürfte in manchen Regionen noch viel zu tun sein. Gleichfalls leicht skurril geht es beim Ausbau von Datennetzen zu. Da plant eine Gemeinde den Ausbau ihres Gewerbegebiets, und zuerst signalisiert keiner der denkbaren Netzbetreiber Interesse. Die Kommune tritt in Vorleistung und verlegt Glasfaser auf eigene Kosten und hofft natürlich, diese Haushaltsmittel durch die entsprechenden Gebühren wieder einzunehmen. Doch als die Aufsiedlung beginnt, stehen weitere Netzbetreiber auf der Matte, verlegen Glasfaserkabel – und die Gemeinde guckt u. U. in die Röhre. Eine ordnende Hand würde hier guttun, um Ressourcen optimal einzusetzen.
Im „Vorzeigeland für seine Infrastruktur“
Im Wahlprogramm der Union für die Bundestagswahl 2017 wurde betont: „Deutschland ist weltweit Vorzeigeland für seine Infrastruktur.“ Ich frage mich, ob die CDU/CSU und ich in zwei verschiedenen Ländern leben! Denn eines ist sicher, die Infrastruktur – und dies gilt für Brücken und Schulen ebenso wie für Mobilfunk und Internet – ist zumindest in weiten Teilen der alten Bundesländer desolat. In den neuen Bundesländern gibt es bei digitalen Netzen ebenfalls große Mängel: Es muss so mancher Gewerbetreibende zur Übermittlung hoher Datenmengen in den nächsten Ort fahren. Vom „Vorzeigeland für seine Infrastruktur“ sind wir unglaublich weit entfernt.
Richtig auffällig ist dies für mich, wenn wir im irischen Kerry unterwegs sind, weit außerhalb jeder größeren Ansiedlung, direkt am Meer, mit mehr Schafen als Menschen. Hatten wir bis vor kurzem noch Probleme, Mails über das Mobilfunknetz in die Welt zu schicken, so lassen sich jetzt auch umfangreiche Blog-Beiträge mit Bildern an den Server in Deutschland übermitteln. Und nun das Gegenbeispiel: Für den Aufbau eines Prüf- und Technologiezentrums der Daimler AG war ich mehrere Jahre in Immendingen an der Donau unterwegs. Bei so mancher Übernachtung entschuldigten sich die Gastwirte, dass sie kein WIFI anbieten können, denn es fehle eine brauchbare Kabelanbindung. Und ein Versuch mit den Mobilgeräten ergab schnell: Ebenfalls Fehlanzeige. Also bis zum „Vorzeigeland“ haben wir in Deutschland noch viel zu tun!
Innovative Regionalpolitik
Eine flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigem Mobilfunk und schnellen Kabelnetzen ist für mich auch ein zentraler Beitrag zu einer zukunftsorientierten Regionalpolitik. Die Explosion der Mieten, die Knappheit an Bauland, die Dauerstaus in manchen wirtschaftlich erfolgreichen Kommunen können nicht durch das Zupflastern von Baulücken und Grünflächen, sondern nur durch Initiativen gelöst werden, die alle Regionen einbeziehen. Wenn der Ausgleich zwischen wirtschaftlich besonders starken und schwächelnden Gebieten gelingt, dann lösen sich die Wohnungsprobleme gleich mit. Es gibt in Deutschland nicht nur Wohnungsknappheit, sondern auch Leerstände – nur meist nicht in der gleichen Gegend.
Wir brauchen in Deutschland mehr Kristallisationspunkte, aus denen sich neue Arbeitsplätze entwickeln, und dabei geht es nicht vorrangig um das Verlagern vorhandener milliardenschwerer Produktionsanlagen, denn diese werden nicht stattfinden. Und wenn, dann wandern solche Fertigungen in Billiglohnländer ab. Es geht mir um wissensbasierte kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch um innovative Produktionen, die bisher nicht in Deutschland angesiedelt sind. Batteriezellen beispielsweise kommen heute aus Asien, damit wäre ein Produktionsstandort in Deutschland relativ frei wählbar, wenn die Infrastruktur passt. Dazuhin müssen die Menschen gewonnen werden, die eine solche Entwicklung und Produktion benötigt. Startet man neue Aktivitäten, sollten diese verstärkt unter regionalpolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
Schnelle Netze bringen neue Dynamik
Die Digitalisierung wird es erlauben, weit mehr Tätigkeiten an beliebigen Orten auszuführen – immer vorausgesetzt, die Kommunikationsinfrastruktur ist optimal. Wer die teilweise zu einseitigen wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland entzerren möchte, muss bei den Datennetzen ansetzen – vom schnellen Internet per Glasfaserkabel bis zum Mobilfunk. Selbstredend muss auch die Verkehrsinfrastruktur zielorientiert ausgebaut werden. Zu spezifischen Themen könnten sich dann wissenschaftliche Institute, Unternehmen und Behörden ansiedeln und an bisher weniger genutzten Standorten ihre Kräfte bündeln. Dies wird nicht ohne Fördermaßnahmen gehen, doch müssen die Gelder sachgerechter als bisher fließen. Die Gießkanne sollte für Subventionen ausgedient haben. Die Bundesregierung aus Union und SPD hat sich in diesem Sinne vorgenommen, entsprechende Anstrengungen in den neuen Bundesländern zu verstärken: Leider sprechen die zuständigen PolitikerInnen zu häufig von der Ansiedlung von Behörden und zu wenig von Wirtschaftsunternehmen.
Auch bei den strukturellen Veränderungen, die sich aus dem Kohleausstieg ergeben, wird es ohne leistungsfähige Datennetze nicht gehen. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass es keine Strukturveränderungen im Funkloch geben wird. Zwar haben nach der Wiedervereinigung unsere MitbürgerInnen das ‚Tal der Ahnungslosen‘ verlassen, so der sarkastische Begriff für die Gebiete der DDR, in denen insbesondere das Westfernsehen nicht empfangen werden konnte. Aber bei manchem Politiker habe ich durchaus den Eindruck, dass er noch nicht erkannt hat, welche Bedeutung digitalen Kommunikationsnetzen zukommt.
So kann ich Anja Karliczek nicht zustimmen, die meinte: “5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig.” Längst hat die Digitalisierung auch in den Ställen und der Feldbewirtschaftung Einzug gehalten, aber auch Gewerbe und Industrie gibt es bekanntlich nicht nur in den Ballungszentren. Und dies ist ein Vorteil unserer Wirtschaftsstruktur. Deshalb muss der Ausbau von 5 G zügig erfolgen, doch darüber darf das Schließen der Funklöcher im aktuellen Mobilfunknetz nicht vernachlässigt werden. Gleiches gilt für die weitere Ertüchtigung der Kabelnetze, damit möglichst umfassend schnelles Internet genutzt werden kann.
Viele Gewerbe- und Industriebetriebe werden es der Politik danken, wenn sie endlich einen Anschluss an die Zukunft erhalten und hohe Datenmengen schnell übermitteln können. Die Regionalpolitik muss in Deutschland die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten stärker als bisher ausgleichen, und dabei ist der Ausbau der digitalen Kommunikationswege von grundsätzlicher Bedeutung. Wenn schon nicht 5 G gleich bis zur letzten Milchkanne, dann LTE beim Mobilfunk und Glasfaser im Boden bis zum letzten Datennutzer mit Bedarf.
4 Antworten auf „Deutschland: Bis zur letzten Milchkanne“