Freude statt Jammern ist angesagt – in West und Ost
Wäre eine Wiedervereinigung unseres Landes heute noch möglich? Wohl kaum, denn statt Michail Gorbatschow hat in Russland Wladimir Putin das Sagen, und dieser hat mit der Annexion der Krim und der Unterstützung pro-russischer Freischärler in der Ost-Ukraine gezeigt, wie er sich die Welt vorstellt. Durch den Ruf nach Freiheit und Demokratie, der immer lauter in Polen, Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei erklang und auch zur Friedlichen Revolution in der früheren DDR beitrug, öffnete sich 1989/90 ein Zeitfenster für die Überwindung der Teilung Deutschlands. Und Gorbatschow hielt das Fenster offen, Putin hätte es vermutlich zugeschlagen. So können wir nur froh sein, dass Bundeskanzler Helmut Kohl diese einmalige Chance beherzt aufgriff und Widerstände auch bei den westlichen Bündnispartnern überwinden konnte. Für mich ist der Tag der Wiedervereinigung noch immer ein Tag der Freude, und daran ändern gewisse Probleme nichts, die wir gemeinsam auf dem Weg in die Zukunft noch abarbeiten müssen. Die Spuren von fast 45 Jahren Sozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR lassen sich allerdings nicht in einer Generation überwinden.
Parforceritt in die Freiheit
So mancher Mitbürger, der sich als Ostdeutscher weiterhin zurückgesetzt fühlt, wird argumentieren, ich hätte ja gut reden, denn ich konnte mein Leben bis zur Wiedervereinigung im freiheitlichen Westen Deutschlands verbringen und musste die Brüche, die die Wiedervereinigung zwangsläufig hervorrief, nicht am eigenen Leib verspüren. Das stimmt natürlich: Dennoch versuche ich, mich auch in die Menschen einzufühlen, die mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung unvermittelt in einen Veränderungsprozess hineingezogen wurden, den viele nicht als Teilhabende, sondern als Erduldende durchlebten. Hätte man im Westen Deutschlands früher über die konkreten Folgen einer Wiedervereinigung nachgedacht oder überhaupt nachdenken dürfen, dann hätten für diesen Tag X Pläne oder zumindest Skizzen in den Schubladen gelegen. Doch wer an die Wiedervereinigung Deutschlands glaubte, und dies auch nur äußerte – wie ich es tat -, der wurde zumindest schräg angesehen oder gar für einen gefährlichen Revanchisten gehalten. Und so mussten sich bei den unglaublich schnellen Zeitabläufen während der Wende Fehler und Verwerfungen einschleichen. Die Zeitgeschichte lehrt uns allerdings, dass die einmalige Chance seinerzeit sofort genutzt werden musste, was auch dem Wunsch der Mehrheit der DDR-Bürger entsprach.
Einige wenige Beispiele sollen genügen, um die Dynamik der Entwicklung 1989/90 kurz aufzuzeigen, die im Nachhinein von Kritikern oft vergessen wird. Auf den Gründungsaufruf für das Neue Forum am 9. September 1989, das der Bürgerrechtsbewegung weitere Impulse vermittelte, erfolgte bereits am 28. September die Ausreise der DDR-Flüchtlinge aus der deutschen Botschaft in Prag per Zug über DDR-Gebiet in die Bundesrepublik Deutschland. Ein wenige Wochen vorher noch undenkbarer Vorgang – ausgehandelt durch Außenminister Hans-Dietrich Genscher! In Leipzig kamen am 9. Oktober 70 000 Bürgerinnen und Bürger zur Montagsdemonstration zusammen, und zum Erstaunen vieler politischer Beobachter setzte die SED-Führung nicht auf Gewalt, um das immer lauter werdende Aufbegehren zu unterdrücken. Mauer und Stacheldraht wurden am 9. November 1989 wieder durchlässig, und das Sterbeglöcklein für das SED-Regime läutete. Ein Unrechtsstaat begann sich aufzulösen: Dem wirtschaftlichen Niedergang folgte der rasante politische Zerfall.
Die Bürgerinnen und Bürger der DDR konnten am 18. März 1990 erstmalig an einer freien und demokratischen Volkskammerwahl teilnehmen. Dramatisch veränderte sich das gesamte Leben für die Menschen in der DDR, als am 1. Juli die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wirksam wurde, die die D-Mark zum Zahlungsmittel machte: Lange von vielen ersehnt gab es die Deutsche Mark in ganz Deutschland, doch mit ihr kamen – wie zu erwarten – auch schräge Gestalten, die sich mit krummen Geschäften bereichern wollten. Geradezu erschreckend war es für mich in jenen Tagen bei einem Besuch in Suhl allerlei fliegende Händler zu erblicken, die ihre ‚Orientteppiche‘ präsentierten. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den Alliierten des Zweiten Weltkriegs – USA, Vereinigtes Königreich, Frankreich und UdSSR – sowie der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. September war Voraussetzung für die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990. Dass bei einem solchen Parforceritt – durch die deutsche und die Weltgeschichte – Themen ausgeklammert oder umgangen wurden, das ließ sich mit Sicherheit nicht vermeiden.
Ehrlich miteinander umgehen
Wer den tristen Zustand ganzer Innenstädte zu DDR-Zeiten mit der Situation nach drei Jahrzehnten vergleicht, der wird kaum leugnen können, dass sich vieles zum Besseren verändert hat: Das städtische Grau, das mich damals so erschreckte, ist nach gewaltigen Renovierungsanstrengungen einer bunten Vielfalt gewichen. Andererseits haben die Mieten angezogen, doch liegen sie in weiten Regionen der ‚neuen‘ Bundesländer noch unter den Vergleichsmieten in den ‚alten‘ Bundesländern. Mit Milliardenaufwand wurden Umweltsünden beseitigt, die die sozialistische Planwirtschaft ohne Rücksicht auf Mensch und Natur begangen hatte. Um nicht missverstanden zu werden, die Kosten haben alle Steuerzahler über den Solidaritätszuschlag gemeinsam gestemmt, egal ob sie in den alten oder neuen Bundesländern leben. Viele Arbeitsplätze gingen verloren, doch wer dies den Westunternehmen oder der Treuhand anlastet, der springt zu kurz. Die DDR-Wirtschaft war bereits Jahre vor der Wiedervereinigung in weiten Bereichen nicht mehr konkurrenzfähig. Jeder hatte zwar einen Arbeitsplatz, doch der Output und die wirtschaftliche Entwicklung wurden durch veraltete Produktionsanlagen, behördliche Planwillkür und die Einbindung in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) behindert. Wer das heute rückblickend beschönigt, ist weder ehrlich zu sich selbst noch gegenüber der Gemeinschaft.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Frau, die kurz vor der Rente ihren Arbeitsplatz verloren hatte. Sie beklagte zwar die Schließung der Schuhfertigung, in der sie gearbeitet hatte, doch sie zeigte großes Verständnis dafür, dass niemand mehr die aus der Mode gekommenen, derben Treter kaufen wollte. Ihr selbst gefielen flottere Schuhe aus ‚dem Westen‘ auch besser. Sie war sich sicher, dass ihre Kinder und Enkel Vorteile aus der neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ziehen werden, doch ob dies für sie selbst noch etwas bringe, darüber war sie mehr als unsicher. Die Endzeit hatte für viele volkseigene Betriebe in der DDR längst begonnen. Es wurden keineswegs moderne Betriebe Opfer von westlichen Aufkäufern oder Abwicklern, sondern zumeist ging es um unwirtschaftliche Produktionsanlagen. Dies gehört auch zur Ehrlichkeit! Andererseits hatte ich mir deutlich mehr Anstrengungen der Politik erhofft, neue wirtschaftliche und technologische Kristallisationspunkte in den neuen Bundesländern zu schaffen. Aber ein Blick in die alten Bundesländer zeigt, dass es auch dort mit einer innovativen Regionalpolitik nicht weit her ist. Abgehängte Orte und Regionen gibt es nicht nur in den neuen Bundesländern. Vorankommen werden wir nur, wenn wir zur offenen Debatte auch über die Regionalpolitik bereit sind, an der Bundeskanzlerin Angela Merkel nie gelegen war. Zukunftsorientierte Ideen müssen dann aber auch zügig und effektiv umgesetzt werden.
Freiheit nicht geringschätzen
Gejammer gibt es in West und Ost: Der eine beklagt die hohen Kosten, der andere sehnt sich nach der sozialistischen Ordnung in der DDR zurück – oder dem geschönten Erinnerungsbild! Viel zu oft wird vergessen, dass die Menschen im Ostteil Deutschlands jetzt in einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gesellschaft leben. Und dies zeigt sich auch daran, dass Kritiker ihren Unmut äußern und in Parteien einbringen können. Zwar erschütterte es mich, dass bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen auf die Linkspartei – als Erben der SED – und die AfD eine Mehrheit der Stimmen entfiel, aber dies muss in einer Demokratie Ansporn sein, die Bürger besser einzubinden und die politischen Entscheidungen besser zu kommunizieren. Daran sollten sich auch all diejenigen beteiligen, die in den alten Bundesländern über solche Wahlergebnisse die Nase rümpfen! Zur Freiheit, die uns allen lieb sein sollte, gehört es nun mal, dass Andersdenkende eben Wahlentscheidungen treffen, die uns selbst absonderlich erscheinen.
Als in Polen, Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei und anderen Staaten die kommunistischen Regime zerbröselten, bedeutete das auch eine Chance für die Entstehung eines demokratischen Europas, das auf Zusammenarbeit statt Konfrontation setzt. Es fiel nicht nur die Mauer in Deutschland, sondern es wurde gleichfalls der Eiserne Vorhang endlich wieder aufgezogen! In der Europäischen Union würde ich mir wie auch in Deutschland wünschen, dass Freiheit und Frieden wieder mehr geschätzt würden, die durch den Zerfall des Ostblocks eine stabilere Basis erhielten. Aus einem Europa der Bürger darf keine Europäische Union der Bürokraten und Regulierer werden.
Unrechtsstaat oder Arbeiterparadies?
Im Nachhinein verklärt sich der SED-Unterdrückungsapparat bei manchen Bürgern und Politikern wieder zu einem Arbeiterparadies, und sie lehnen den Begriff ‚Unrechtsstaat‘ für die DDR ab. Dies sehen sicherlich all die kritischen und freiheitsliebenden Mitbürger anders, die in Bautzen und anderswo von der Stasi eingekerkert worden waren. Zu den Vergesslichen scheint auch Bodo Ramelow zu gehören, der in Thüringen als einziger Ministerpräsident der Linken regiert und schon mal eine neue Nationalhymne für Deutschland fordert. Er unterstreicht: „Der Begriff ,Unrechtsstaat‘ aber ist für mich persönlich unmittelbar und ausschließlich mit der Zeit der Nazi-Herrschaft und dem mutigen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und seiner Verwendung des Rechtsbegriffs ,Unrechtsstaat‘ in den Auschwitz-Prozessen verbunden.“ Ein nicht ungeschickter Winkelzug, denn jeder, der widerspricht setzt sich dem Verdacht aus, das Unrecht in der DDR und während der Nazi-Diktatur gleichsetzen zu wollen. Darum geht es aber nicht: Die Nationalsozialisten haben den Völkermord an Millionen jüdischer Mitbürger und den Zweiten Weltkrieg auf unser deutsches Gewissen geladen – und daran haben auch wir Nachgeborenen schwer zu tragen. Es muss dabei aber gleichzeitig erlaubt sein, andere diktatorische Staaten ebenfalls als Unrechtsstaaten zu bezeichnen. So betonte völlig zurecht Christian Hirte in seiner Zeit als Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer: „Zwischen einer Diktatur und einem Unrechtsstaat bedarf es keiner Differenzierung. Die DDR war beides. Alles andere ist Geschichtsklitterung. Wer in Deutschland politische Verantwortung trägt, sollte das wissen.“ Hirte, Bundestagsabgeordneter und CDU-Landesvorsitzender in Thüringen, wurde im Übrigen in Bad Salzungen in der damaligen DDR geboren und nicht wie Ramelow in Niedersachsen.
Zur Wortklauberei neigt auch die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, in Sachen DDR. Zwar sagte sie zurecht: „Die DDR war eine Diktatur. Es fehlte alles, was eine Demokratie ausmacht: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, freie Wahlen, das Recht auf Opposition“. Aber dann lehnte sie den Begriff “Unrechtsstaat” dennoch ab: “Der Begriff Unrechtsstaat wird von vielen Menschen, die in der DDR gelebt haben, als herabsetzend empfunden. Er wirkt so, als sei das ganze Leben Unrecht gewesen. Wir brauchen aber mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen”. Da dürften nicht nur viele SED-Opfer den Kopf schütteln. Es geht doch nicht darum, die Lebensleistung unserer Mitbürger in Zweifel zu ziehen, die ohne ihr Zutun in der sozialistischen Diktatur leben mussten. Ganz im Gegenteil! Wie soll man denn den Freiheitswillen der Menschen hervorheben, die aufbegehrten und dafür im Gefängnis landeten, wenn es gar kein Unrechtsstaat war? Was sagt Manuela Schwesig Familien, denen die Kinder entrissen wurden, weil die Eltern sich nicht SED-konform verhielten? Wenn völlig unschuldige Menschen auf Geheiß der SED-Regierung an der Grenze erschossen wurden, dann kann doch der entsprechende Staat nur ein Unrechtsstaat gewesen sein. Für mich gehört es zur Ehrlichkeit, dass das DDR-Unrecht als Unrecht gebrandmarkt und nicht schöngeredet wird, um sich einige Stimmen unverbesserlicher SED-Fans zu sichern.
Aufarbeitung tut Not
Nach der Wende hätte ich mir eine tiefergehende politische und juristische Aufarbeitung des DDR-Unrechts gewünscht und dies verbunden mit einer offenen Bestandsaufnahme der Hinterlassenschaften der SED-Herrschaft. Aber Fehlanzeige. Kaum jemand wurde für die Todesschüsse an der Grenze oder die Misshandlungen von Andersdenkenden bzw. deren Bespitzelung belangt. So mancher machte sich ohnehin rechtzeitig vor dem Untergang der DDR aus der SED davon, um dann flugs in einer anderen Partei wieder aufzutauchen. So konnte auch der Eindruck vermittelt werden, es sei alles nicht so schlimm gewesen. Und daran knüpfen die Zeitgenossen an, die drei Jahrzehnte nach dem Ende des sozialistischen Irrwegs der DDR einen Trauerflor umhängen oder gerne mal wieder ein solches ‚Experiment‘ starten würden.
Nicht wirklich weiter führen daher Veröffentlichungen wie das Buch der SPD-Politikerin Petra Köpping, die im Sächsischen Kabinett von CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer als Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt verantwortlich zeichnet. „Der Schatten der Nachwendezeit ist lang“, so Köpping in ihrer „Streitschrift für den Osten“ mit der Forderung „Integriert doch erst mal uns!“ „Und leider verdeckt er zunehmend die vielen Erfolge der Deutschen Einheit und erschwert beiläufig auch eine echte Aufarbeitung der DDR-Zeit.“ Trotz vieler zutreffender Aussagen kann ich aus ihrer Schrift gerade diesen ernsthaften Willen zur umfassenden Aufarbeitung nicht herauslesen, denn es geht ihr um die Wendezeit und das danach, aber nicht um die DDR und deren Unrecht sowie die Mängel im Wirtschaftssystem. Das ehemalige SED-Mitglied Köpping betont in ihrem Buch zu meiner Freude: „Jede Gesellschaft hat das Recht, die Wahrheit über die zurückliegenden Ereignisse zu erfahren.“ Sie nimmt sogar das Wort „Wahrheitskommission“ in den Mund, weil diese „weniger die Schuldfrage stellen, als vielmehr die Wirklichkeit des Umbruchs“ in den Mittelpunkt rücken würde. Da haben wir es wieder: Die „Wirklichkeit des Umbruchs“, „eine umfassende Auswertung“ der Treuhand-Akten, „Wir brauchen eine Aufarbeitung der Nachwendezeit in der Breite der Gesellschaft“ usw. Das alles macht für mich selbstverständlich Sinn, aber nur, wenn auch die Ursprünge des Übels – das DDR-System – in den Blick genommen wird. Ohne das SED-Unrecht der DDR und die desaströse Planwirtschaft hätten wir die Treuhand nicht gebraucht. Aufarbeitung muss in der Breite erfolgen. Noch ist es nicht zu spät, aber die DDR-Zeit gehört ebenso dazu wie die Jahre nach der Wende!
Wir brauchen mehr Dialog
Manchmal mag ich es kaum glauben, dass die Wiedervereinigung schon 30 Jahre zurückliegt, doch die Zeit wurde in Bereichen wie z.B. dem Ausbau der Infrastruktur oder der Stadtsanierung in den neuen Bundesländern wirklich genutzt. Steuergelder wurden und werden durchaus in Deutschland auch schlechter angelegt. Über der Begeisterung für Beton und Asphalt kamen die Menschen zumindest nach dem Gefühl mancher zu kurz. Autobahnen ersetzen eben nicht den Dialog und Eisenbahntrassen nicht das Gespräch! Verwunderlich ist es, dass ausgerechnet in den vier Legislaturperioden von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Hartnäckigkeit auf moderne Kläranlagen und ‚Beton‘ gesetzt wurde, doch viele Menschen fühlen sich nicht angenommen. Aufgewachsen in der DDR ist es Merkel nicht gelungen, einen besseren Draht zu Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern zu finden. Und auch unter Bundespräsident Joachim Gauck, der in Rostock geboren wurde, fehlte es an Gesprächsbereitschaft.
Abwegige Entscheidungen wie die Wahl einer Politikerin der Linken in Mecklenburg-Vorpommern zur Verfassungsrichterin erschweren auch einen rationalen Diskurs. Unter dem SED-Regime bereits Amtsträgerin betonte Barbara Borchardt 2020 in der Süddeutschen Zeitung: „Es gab Unrecht, keine Frage. Aber die DDR war kein Unrechtsstaat, Unrechtsstaat ist juristisch gar nicht definiert, somit wäre doch das ganze Leben in der DDR unrecht!“ Und die jetzige Verfassungsrichterin, die auch mit den Stimmen von SPD und CDU gewählt wurde, setzte noch eins drauf: „Es gab Mauertote auf beiden Seiten, es sind auch Grenzsoldaten erschossen worden.“ Wer so spricht, und dies noch nicht mal am Stammtisch, sondern in einem Zeitungsinterview, der entehrt die Menschen, die auf der Suche nach der Freiheit ihr Leben ließen. Im Grunde ist es ein Unding, dass Barbara Borchardt nach solchen Aussagen Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern werden konnte. Leben wir doch in einer Bananenrepublik?
30 Jahre Wiedervereinigung sind für mich trotz aller kritischen Anmerkungen ein Anlass zur Freude, denn das Gegenteil wäre weiterhin die Teilung Deutschlands und Europas gewesen. Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat in Gesamtdeutschland und dem größten Teil Europas wurden durch das Aufbegehren der Menschen möglich, die sich sozialistischen und kommunistischen Regimen entgegen stellten, aber auch durch Glasnost und Perestroika im Kreml: Transparenz und der Umbau des Systems sind zwar danach in Russland ins Stocken geraten, doch dank Michail Gorbatschow ergab sich eine große Chance für Deutschland und Europa. Jammern sollte daher niemand, wenn die blühenden Landschaften, die Helmut Kohl als Zukunftsvision entwickelte, noch etwas Pflege brauchen, denn die heutige Situation ist allemal besser als die Zustände vor 1989/90!
6 Antworten auf „Deutschland: 30 Jahre Wiedervereinigung“