Der Riesenhai – ein friedlicher Koloss

Mikroplastik statt Plankton landet zwischen den Kiemen

Von einer Klippe im irischen Südwesten habe ich zum ersten Mal Riesenhaie beobachtet, die es auf gut zehn Meter Länge bringen. Gigantisch groß sind sie selbst noch auf einige Entfernung, ebenfalls ihr gewaltiges Maul! Doch sie gehören zu den friedlichsten Lebewesen des Meeres, denn sie filtern mit den Reusen ihrer Kiemen kleinste tierische Organismen, sogenanntes Zooplankton, aus dem durchfließenden Meerwasser. Zunehmend bleiben dabei Teile von Mikroplastik hängen und werden aufgenommen. So drohen den Riesenhaien neue Gefahren vom Menschen, der ihre Zahl bereits durch erbarmungslose Jagd auf nur noch 10 000 bis 20 000 Artgenossen weltweit reduziert hat. Daher gilt der Riesenhai – Basking Shark – nach der Roten Liste der Internationalen Naturschutzorganisation (International Union for Conservation of Nature IUCN) als stark gefährdet. Noch immer ist das Meer für viele Zeitgenossen eine Müllkippe, und so nähern wir uns weiter ungebremst einer Situation, in der es in den Ozeanen mehr Plastik als Fische geben wird. Dies führt auch zu einem katastrophalen Artensterben, das am Land und im Wasser noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält.

Ein Riesenhai in voller Länge. Der Kopf endet spitz.
Riesenhaie erreichen 10 bis 12 Meter Länge, doch sie sind überaus friedliche Zeitgenossen: Sie machen weder Jagd auf Fische noch auf schwimmende Zweibeiner, sondern leben von Plankton. Sie seihen kleinste tierische Lebewesen aus dem Meerwasser. (Bild: Ulsamer)

Rückgang um 80 %

Zwar ist der Fang von Riesenhaien offiziell reglementiert oder verboten, doch vor Japan und China werden die friedlichen Meeresbewohner weiter mit Harpunen gejagt. Aus ihrer Leber wird Öl gewonnen, und besonders die Flossen bringen viel Geld ein, denn die aus ihnen gewonnenen Präparate sollen vorgeblich die sexuellen Kräfte asiatischer Männer stärken. Arme Riesenhaie, da geht es ihnen wie den Nashörnern! „So kann eine Brustflosse sage und schreibe 45.000 Euro bringen, wie der Haiforscher Andrej Gajić berichtet“,  laut der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Mögen die Riesenhaie heute auch einen gewissen Schutz genießen, so konnten bisher die Lücken nicht geschlossen werden, die brutalste Vernichtungsmethoden mit sich brachten. „In Britisch-Kolumbien (kanadische Pazifikküste) wurden sie in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren wegen eines Konflikts mit Fischern fast ausgerottet. Da sich die Haie beim oberflächennahen Abschöpfen nach Beute oft in den Lachsnetzen verhedderten und diese dabei zerstörten, ergriff die Fischereibehörde Maßnahmen zur ‚Schädlingsbekämpfung‘“, unterstreicht die Deutsche Stiftung Meeresschutz, „Der Bug ihres Schiffs Comox Post wurde mit einer Riesenklinge ausgestattet. Die senkte man bei Bedarf ab, rammte damit den Hai und teilte ihn so entzwei. Auf dem Höhepunkt dieser perfiden Dezimierung wurden am Tag 34 Riesenhaie getötet.“ Der Cetorhinus maximus kann Verluste an Individuen nur sehr schlecht ausgleichen, weil er äußerst langsam wächst, erst mit 12 bis 20 Jahren geschlechtsreif wird und die Tragzeit rd. ein Jahr umfassen dürfte. In Regionen, in denen die Riesenhaie nicht mehr bejagt werden, verfangen sie sich nicht selten in den gewaltigen Fischernetzen, die Trawler durch die Meere ziehen, und kommen so zu Tode.

Eine Flosse ragt wie ein dunkles Dreieck aus dem blauen Meer.
Für eine einzige Rückenflosse des Riesenhais werden in Asien tausende von Dollar bezahlt, denn es hält sich der Aberglaube, ein daraus gewonnenes Pülverchen würde die Libido heben. Da geht es dem Riesenhai wie den Nashörnern: Die Natur wird erbarmungslos von manchen Zeitgenossen ausgebeutet. (Bild: Ulsamer)

Über die letzten drei Generationen des Riesenhais – 102 Jahre – dürfte die Population um 50 bis 79 % abgenommen haben, so die Weltnaturschutzorganisation IUCN. Die Zahl der Tiere geht weiter zurück, und daher gilt der Riesenhai als weiterhin gefährdet. Der Basking Shark gleitet oft entlang der Küste nahe der Oberfläche durch das Meer, um dort kleinste Krebstiere, Eier und Larven von Fischen oder Schnecken aus dem Wasser zu filtern, doch er kann auch bis zu 1 200 Meter tief tauchen. Gerade in wärmeren Gewässern zieht es ihn in tiefere und damit kältere Wasserschichten. Bis zu       1 800 000 Liter Wasser fließen pro Stunde in das Maul des Riesenhais, und er benötigt am Tag bis zu 500 Liter an Zooplankton, das er mit den Kiemenreusen herausseiht. Leider wird dabei immer stärker Mikroplastik zum Problem, denn auch dieses landet beim Filtern im Körper des Riesenhais. Zerfallender Plastikmüll kann tierisches – und längerfristig natürlich menschliches – Leben bedrohen, wenn der Zustrom in die Ozeane nicht endlich gestoppt und bereits eingeleitete Kunststoffobjekte nicht herausgefischt werden. Heute betrifft Mikroplastik z. B. die Riesenhaie und morgen noch stärker die Fischesser in unserer Welt.

Ein Riesenhai nahe der Wasseroberfläche. Seine Haut ist nicht einheitlich, sondern eher fleckig.
Basking Shark heißen die Riesenhaie im englischen Sprachraum, was ihr oberflächennahes Dahingleiten aufgreift, das an ein Sonnenbad erinnert. Meine Aufnahmen entstanden in der Nähe des Touristenortes Dingle, wo lange Jahre Fungie, ein freilebender Großer Tümmler, die Besucher anzog. (Bild: Ulsamer)

Riesenhaie konsequent schützen

Die Riesenhaie sehen irgendwie gemütlich aus, wenn sie bei der Futtersuche langsam durch das Meer gleiten, doch besenderte Tiere zeigten, dass sie durchaus 9 000 Kilometer pro ‚Reise‘ zurücklegen und dabei den Äquator überqueren. Dies ergaben Studien der Marine Biological Association im englischen Plymouth. Der Riesenhai folgt jahreszeitlich den Planktonschwärmen durch die Meere, um seine Ernährungsgrundlage nicht zu verlieren. Zwar erreichen Riesenhaie ein Gewicht von 4,5 bis 5 Tonnen, doch sie sind für den Menschen völlig ungefährlich. Friedlich ziehen sie ihre Bahnen, aber gefährdet wird der Riesenhai weiterhin durch die legale oder illegale Jagd, als Beifang in Netzen oder Leinen, an denen mehrere Reusen zum Krabben- oder Hummerfang hängen. Zur Bedrohung wird auch die kommerzielle Schifffahrt und in Küstennähe der Bootstourismus. Man glaubt ja gar nicht, wer alles mehr oder weniger fachmännisch mit Segeljachten und Motorbooten viel zu nahe an Delfine, Robben oder Riesenhaie heranfährt! Und in Zeiten, in denen alles immer schneller gehen soll, da brausen Ausflugschiffe mit starken Motoren heran, um den Besuchern ein wenig Natur zu zeigen und eben diese nicht selten damit zu gefährden. Die ruhig ihre Bahnen ziehenden Riesenhaie können von den Booten verletzt und getötet werden. Die Weltnaturschutzorganisation fordert zurecht, dass strenge Regeln gelten müssen, wenn Riesenhaie touristisch ‚genutzt‘ werden, so z. B. für Bootstrips in ihre unmittelbare Nähe.

Riesenhai zieht durchs Wasser. Der Kopf ist erkennbar, dann die Rückenflosse und ein Teil der Schwanzflosse.
Ruhig gleiten die Riesenhaie dahin, die über Jahrhunderte brutal verfolgt wurden und noch immer in manchen Regionen harpuniert werden. Riesenhaie gelten auch als realer Ursprung von mythologischen Erzählungen über Seeungeheuer. So manches Fabelwesen, das gesichtet worden sein soll, dürften mehrere Riesenhaie gewesen sein, die hintereinander herschwimmen, und bei jedem ist die Rückenflosse gut sichtbar, die Schwanzflosse zum Teil. Und letztere bewegt sich nicht selten sprunghaft von einer zur anderen Seite, wenn der Riesenhai Fahrt aufnimmt. (Bild: Ulsamer)

Jahrhunderte wurden Riesenhaie verfolgt und harpuniert, und dies hat sie zu einer akut bedrohten Tierart werden lassen. Noch immer müssen sie ihr Leben geben, um gerade in Asien den Traum unerschöpflicher sexueller Kraft bei manchen Männern zu hegen, was so wohl kaum zu erfüllen ist. Riesenhaie, die friedlich Plankton aus dem Meer filtern, benötigen umfassenden Schutz. Wer heute Riesenhaie harpuniert oder ganz bewusst mit Netzen tötet, der muss zu spüren bekommen, dass er sich des schnöden Mammons wegen gegen ethische und moralische Wertvorstellungen stellt. Wir müssen mehr zur Reinhaltung der Ozeane – und der Binnengewässer tun -, denn ansonsten bleibt Mikroplastik eine tödliche Gefahr für Riesenhaie und andere Meeresbewohner – und letztendlich auch für uns Menschen. Die friedlichen Riesen haben nicht nur unser Wohlwollen, ja, unsere Bewunderung und unseren Respekt verdient, sondern vor allem unser Engagement für den Erhalt ihrer Art.

 

Das geöffnete Maul des Riesenhais wirkt sehr breit. Die Innenseite sieht heler aus als die Außenhaut.
Millionen Liter Wasser fließen täglich durch das Maul des Riesenhais, und seine Kiemenreusen filtern Plankton als Nahrung heraus. Gerade an diesen kleinen Krebstieren oder Schnecken scheint es jedoch zunehmend zu mangeln. So ergab eine für das britische Ministry for Environment, Food and Rural Affairs erarbeitete Studie, dass „Plankton samples … indicate low abundance of surface zooplankton in the survey area, and it is possible that this may account for the unexpectedly low numbers of basking sharks at the surface off Plymouth during the study.“ Wenn das Plankton fehlt, dann können in den entsprechenden Regionen selbstredend auch kaum Riesenhaie leben. (Bild: Ulsamer)

 

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