Als der Heilige Gallus ins Reich der Alemannen kam
Die Galluskirche aus dem 14. Jahrhundert in Honau an der Schwäbischen Alb erinnert an den irischen Heiligen Gallus, der um 600 ausgezogen war, das Christentum ins noch recht heidnische Mitteleuropa zu bringen. Über Frankreich kam er mit dem damals bekannteren Wandermönch Columban aus Irland über Frankreich bis an den Bodensee. St. Gallen in der Schweiz heißt nicht von ungefähr nach ihm. Ob der missionarische Eifer einen der irischen Gefährten bis auf die Schwäbische Alb geführt hat, das ist zwar nicht eindeutig belegt, doch die Ortslegende in Hermentingen legt dies zumindest nahe. Der Weg so manches Heiligen durch den europäischen Kontinent ist ein beredtes Beispiel für die Bedeutung des Austausches zwischen den Regionen und Kulturen. Wenn der Dialog durch Krieg ersetzt wurde, dann hatte dies dramatische Folgen für die Menschen in den betroffenen Staaten und Regionen. Die Galluskirche beispielsweise wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe schwer beschädigt, und so schlug der menschenverachtende Größenwahn der Nationalsozialisten auch auf die eigenen Bürger zurück. Unsere Geschichte muss immerwährender Ansporn sein, Frieden und Freiheit in Europa für alle Zeiten zu erhalten.
Fußbad mit dem Heiligen
Folgt man den Legenden, dann soll sich Gallus mit seinem Schüler Turibius im Laucherttal eben dort niedergelassen haben, wo noch heute die Karstquelle Trinkwasser spendet. Nach und nach siedelten sich einige Familien an und der Ort Hermentingen entstand: Der Name der Gemeinde erinnert an einen Eremiten, auch dies würde zum Heiligen Gallus passen. Dieser entzog sich immer wieder höheren Ämtern, um als Einsiedler in Armut zu leben.
Die Gallusquelle versorgt seit 1952 über den Zweckverband Zollernalbgruppe 50 000 Menschen auf der Schwäbischen Alb mit Trinkwasser. Ihre Schüttung beträgt durchschnittlich 470 Liter je Sekunde, sie kann aber auch bis zu 2 000 l/sec betragen. Dieses Wasser wird natürlich schon ‚abgezapft‘ ehe die Quelle ein kleines Becken speisen kann, an deren Rand der Heilige Gallus mit einem Bären dargestellt wurde. Diese Quelle ist – gerade an Sommertagen – durchaus einen Besuch wert. Und man kann – gewissermaßen dem Heiligen folgend – auch ein Fußbad nehmen, bevor das Wasser über die Lauchert in die Donau und weiter ins Schwarze Meer fließt.
Der Heilige mit dem Bären
Die irischen Mönche waren bei der frühen Christianisierung für kontinentale Regionen bedeutsam. Sie waren darüber hinaus auch der Schrift und Büchern deutlich mehr verbunden als so mancher Stamm, den sie zum Christentum bekehren wollten. Gallus, lateinisch ‚der Kelte‘, wurde wahrscheinlich um 550 in Irland geboren und verstarb am 16. Oktober 640 im schweizerischen Arbon. Als Missionar wirkte er gerade auch im Bodenseeraum, nachdem er mit Columban um 610 aus dem Frankenreich gen Alemannien gezogen war.
Den Heiligen Gallus sieht man an der Gallusquelle in Hermentingen, einem Ortstteil von Veringenstadt in Baden-Württemberg, zusammen mit einem Bären. Warum aber wird Gallus immer wieder mit einem Bären gemeinsam dargestellt? Auch dazu gibt es verschiedene Variationen einer Legende: Als Gallus mit einem anderen Mönch unterwegs war, tauchte ein Bär am Lagerfeuer auf. Doch Gallus ließ sich nicht erschrecken, als sich der Bär zu voller Größe aufrichtete, sondern sprach mit ihm. Im Namen des Herrn forderte er ihn auf, Holz zu sammeln und reichte ihm dafür ein Brot. Sein Gefährte Hiltibod soll dann den Satz gesprochen haben: „Jetzt weiß ich, dass der Herr mit dir ist, wenn selbst die Tiere des Waldes deinem Wort gehorchen.“ Das schweizerische St. Gallen führt im Übrigen nicht nur den Bären im Wappen, sondern auch die Stadtgeschichte auf diese Legende zurück, die sie dem Jahr 612 zuschreibt. Otmar, ein alemannischer Priester, gründete dann 719 das Kloster Sankt Gallen an der Stelle, an der der Heilige eine Klause errichtet hatte.
Das frühchristliche Zentrum Clonmacnoise
Reisen wir gewissermaßen auf den Spuren der irischen Mönche zurück auf die grüne Insel, dann sollten wir unbedingt Clonmacnoise besuchen. Denn dort haben sich die Spuren des frühen Christentums in besonderer Weise erhalten. Diese Klostersiedlung liegt zwar in Ruinen, sie hat jedoch noch viel von ihrer ursprünglichen Anmutung. Dank einer fehlenden Bebauung im direkten Umfeld ist der Blick auf den Shannon ebenso frei wie auf das Umland.
Gegründet wurde Clonmacnoise vom späteren Heiligen Ciarán Mac a tSaor, dem Sohn des Zimmermanns. Ciarán gründete das Kloster 548. Den Aufschwung allerdings erlebte er wegen seines frühen Todes nicht mehr. Der Ort liegt direkt am Ufer des Shannon, und damals kreuzten sich hier wichtige Wegeverbindungen: Über das Flusssystem des Shannon von Nord nach Süd und von Ost nach West entlang interessanter eiszeitlicher wallartiger Geländeerhebungen, der Esker, die sich über mehr als 100 Kilometer weit durch Irland ziehen. In den Glanzzeiten lebten im 12. Jahrhundert bis zu 2 000 Menschen in dieser Klostersiedlung, die Gelehrte aus ganz Europa zu Gast hatte und Mönche in die damals bekannte Welt aussandte. Wikinger und Normannen setzten den Bewohnern immer wieder zu, doch das Aus kam mit Oliver Cromwell, der die irischen Regionen mit Schwert und Kanonen ab 1649 endgültig niederwarf. Er ließ gerne auch tausende von katholischen Gefangenen abschlachten, und zeigte damit erneut die Verachtung der damaligen englischen protestantischen Oberschicht für die Iren. Dies hat sich bis heute ins kollektive Gedächtnis der Iren eingebrannt.
Die Grundbausteine Europas nicht vergessen
Wenn ich mir die Wanderungen christlicher Mönche durch Europa anschaue, dann kommt mir auch die Frage in Sinn: Warum übersehen wir diese wichtigen kulturellen Grundlagen immer häufiger? Die Christianisierung ging nicht selten von Zentren aus, die heute selbst zur Geschichte geworden sind. Aber mit den Mönchen und anderen wandernden Gelehrten bildeten sich bereits europäische Verbindungslinien heraus, die ihre Bedeutung behalten haben. Wissen wurde in jenen Zeiten vor allem in Klöstern gesammelt und vermehrt – und über Bücher auch erhalten und zugänglich gemacht. Ein Beispiel ist das im Trinity College in Dublin gezeigte ‚Book of Kells‘, eine prächtig illustrierte Handschrift, die wahrscheinlich um 800 auf der schottischen Insel Iona entstand und dann, um sie vor den Wikingern in Sicherheit zu bringen, nach Irland gebracht wurde.
Mögen viele der kulturellen Zentren nur noch in Ruinen oder Legenden zu finden sein, so gehören sie doch zu unserer europäischen Geschichte und sollten nicht in Vergessenheit geraten. Clonmacnoise oder auch die Galluskirche sind Beispiele dafür, dass wir politisch alles dafür tun müssen, den Frieden zu sichern. Und so wage ich den Sprung in die Gegenwart: Wir brauchen in Europa mehr Gemeinsinn und eine Bewahrung und Weiterentwicklung unserer Werte, denn dies ist die wichtigste Grundlage für den Erhalt des Friedens.
2 Antworten auf „Der irische Beitrag zur frühen Christianisierung Europas“