1896 setzte Stuttgart Maßstäbe
In Stuttgart wurde 1896 der erste Tunnel fertiggestellt, durch den in Deutschland ein Auto fuhr: Der Schwabtunnel. Er schuf eine direkte Verbindung zwischen den Stadtteilen Süd und West. Und man glaubt es kaum, er wurde so projektiert, daß in den Jahren von 1902 bis 1972 auch noch die Straßenbahn durchfahren konnte. Damit war er auch noch der erste Straßenbahntunnel der Welt!

Zwar habe ich nicht nachgezählt, aber der Ausbau erfolgte mit einer Million Ziegelsteinen, so berichten entsprechende Quellen.
Na, geht doch! Sogar in Stuttgart konnte ein Tunnel ohne Aufruhr gebuddelt werden, der bis heute seine Funktion erfüllt. Dann wird dies mit moderner Technik auch bei Stuttgart 21 möglich sein, obwohl die Tunnel zugegebenermaßen länger sind und tiefer ins Gestein vorgetrieben werden.
Keine mumifizierte Mahnwache
Unter heutigen Verhältnissen würde am Hasenberg sicherlich noch immer eine Mahnwache stehen, die gegen den Tunnelbau agitiert! Und so harren die Gegner von Stuttgart 21 auch gegenüber dem Hauptbahnhof aus und fordern eine Einstellung der Bauarbeiten und eine alternative Nutzung der fertiggestellten Röhren und der riesigen Baugruben. So viele Champignonzüchter werden sich wohl kaum finden lassen, um die Tunnel mit Leben zu erfüllen: Da bin ich doch für zügig fertigstellen und für die Bahn nutzen. Es droht eh die Gefahr, dass Stuttgart zunehmend von den neuen Bahnstrecken – z.B. München-Berlin – abgehängt wird.

Der Schwabtunnel ist ein Beweis dafür, dass Stuttgart auch in vergangenen Jahrhunderten innovativ war, da fallen mir Gottlieb Daimler und Robert Bosch ein. Hätte man in Stuttgart für den Durchgangsverkehr längst einen Tunnel gebaut und die B 14 tiefergelegt, dann wäre der Verkehr verflüssigt und Stuttgart nicht als “schmutzigste Stadt Deutschlands” verunglimpft worden.
Leider hat sich meine Geburtsstadt seit Jahren, ja Jahrzehnten im Klein-Klein verheddert, die Innovationskraft scheint verschwunden zu sein. Dies zeigt sich auch beim Jahrhundertprojekt Stuttgart 21, das von Anfang an nur halbherzig und ohne echte kommunikative Kraftanstrengung vorangetrieben wurde. Aber es ist noch Hoffnung: Stuttgart kann zur neuen und alten Innovationsfreude zurückfinden – wenn die Bürgerschaft dies will.

Jüngstes Beispiel: der Vorschlag eines Brückenschlags über die B 14, die als eine der Hauptdurchgangsstraßen den Stuttgarter Talkessel komplett durchquert. Dieser wirklich ästethisch zu nennende Fußgängersteg, ein Entwurf des renommierten Stuttgarter Architekten Werner Sobek, würde die Bundesstraße auf Höhe des Opernhauses, der Staatsgalerie von James Frazer Stirling, der Musikhochschule und weiterer Museen überqueren und die sogenannte Kulturmeile erlebbar machen, ohne dass sich Fußgänger oder Radfahrer mit dem Verkehrsgeschehen auseinandersetzen müßten. Universitätsinstitute, Museen, die Landesbibliothek und weitere Kultureinrichtungen könnten problemlos, zeitnah und sogar äußerst kostengünstig über diesen filigranen Steg aus der Stadtmitte erreicht werden. Doch kaum geäußert, erheben sich bereits wieder laute, teils prominente Gegenstimmen, die allen Ernstes eine Fußgängerfurt favorisieren! Innovationgeist – ade! Inzwischen wurde genau diese Verkehrsbremse – eine zusätzliche Ampelanlage – installiert.