Debatten und Diskurse sind Angela Merkel ein Gräuel

Wir brauchen kritische Diskussionen und keinen Polit-Nebel

Wer die politische Debatte nie gepflegt hat, der treibt die Menschen den Populisten zu oder drängt sie ins Unpolitische ab. Dies trifft nach meiner Meinung in besonderer Weise auf Angela Merkel zu. So meidet sie die wichtige Diskussion über die Frage, welchen Beitrag der Islam zu unserer Kultur geleistet hat, und sie hat sich bis heute nicht ernsthaft mit der Kritik an ihrer Plattitüde „Wir schaffen das“ auseinandergesetzt – was in ihrer Regierungserklärung zum Start der vierten Koalitionsregierung unter ihrer Führung mehr als deutlich wurde. Aber Regierungserklärungen werden ja leider wenig gelesen, die Medien suchen sich schnell einige Versatzstücke heraus, und schon wird die Rede zum Altpapier gelegt. Lust auf einen kritischen Diskurs vermittelt die Bundeskanzlerin ohnehin nicht, denn Andersdenkenden versucht sie, den Wind aus den Segeln zu nehmen oder – noch besser – deren Boot zu versenken. Sie hofft, dass mit dem Kritiker auch gleich die ungeliebten Inhalte auf dem Meeresboden landen.

Dies mag daran liegen, dass Angela Merkel in der damaligen DDR die Lust an der offenen Diskussion, die den Westen Deutschlands in den 1960er bis 1980er Jahren gepackt und manchmal auch über ein vernünftiges Maß hinaus durchgeschüttelt hatte, höchstens aus dem eigentlich illegalen bundesdeutschen Radio oder Fernsehen mitbekommen hatte. Vielleicht liege ich damit ja auch falsch, aber weder Helmut Kohl noch Gerhard Schröder – um nur diese beiden zu nennen – haben in so auffälliger Weise die politische Debatte gemieden.

Aber nun zurück zur Regierungserklärung, die doch eigentlich ein Start in eine neue Amtsperiode einläutet und daher auch frische Gedanken erwarten lässt. Aber mal wieder: Fehlanzeige. Andererseits war nach den Sondierungspapieren und dem Koalitionsvertrag auch nicht viel mehr zu erwarten, aber noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass in der deutschen Politik auch mal vorausschauend Weichen neu gestellt werden. Stattdessen Klein-Klein, Formelkompromisse, die Bildung zahlloser Kommissionen, nur um keine Entscheidungen treffen zu müssen.

Tricky Angies Ablenkungsmanöver

Zwar nimmt Angela Merkel bei den „Herausforderungen der letzten Jahre“ auch die Flüchtlingswelle auf und führt sogar das Wort „Debatte“ im Mund, ohne diese jedoch wirklich führen zu wollen: „… vielmehr hat die Debatte über diese Entwicklung, die Debatte über den richtigen Weg, wie in einer akuten Situation zu handeln ist und wie wir langfristig die Integration bewältigen können, unser Land bis heute gespalten und polarisiert“. Das Handeln der Bundeskanzlerin hat maßgeblich zu dieser Polarisierung beigetragen, da sie es immer an der Bereitschaft zur Diskussion mit den Kreisen hat fehlen lassen, die mit berechtigten Argumenten eine andere Meinung untermauern können. Doch auch in dieser Regierungserklärung kommt sie nicht auf den Kern des Diskurses zu sprechen, so als hätte es nicht auch andere politische und humanitär vertretbare Handlungsalternativen gegeben, sondern sie versucht, die gegenteilige Meinung ins Lächerliche zu ziehen.

Bundeskanzlerin Merkel: Islam gehört zu Deutschland. Aber sie sträubt sich gegen jede Diskussion über den Einfluss, den eine freitliche Demokratie dem Islam zubilligen kann.
Auch für mich gehören meine Nachbarn und Arbeitskollegen muslimischen Glaubens zu unserem Land, aber dennoch muss die Diskussion erlaubt sein über die Gestaltungskraft, die wir dem Islam in Deutschland zubilligen. Die Scharia, eine mittelalterliche ‚Rechtsprechung‘ kann ja wohl nicht gemeint sein! Schon 2015 betonte Angela Merkel: „Von meiner Seite möchte ich sagen, dass unser früherer Bundespräsident Christian Wulff gesagt hat, der Islam gehört zu Deutschland. Und das ist so, dieser Meinung bin ich auch.” Zwischenzeitlich wäre es wichtig gewesen, eine offene Debatte darüber zu führen, welchen Einfluss der Islam bisher auf unsere deutsche und europäische Kultur hatte und welche Elemente zukünftig auch zu unserer Kultur gehören sollen. Aber Bundeskanzlerin Merkel hat wie immer jede Debatte abgewürgt. (Bild: Screenshot, „heute.de“, 17.4.18)

Merkel führt den obigen Gedanken weiter aus und ist nicht gewillt, zu verstehen „dass ein an sich unglaublich banaler Satz wie ‚Wir schaffen das!‘, den ich im August 2015 gesagt habe und den ich zuvor mehr oder weniger wortgleich in meinem ganzen politischen Leben, auch privat, in allen möglichen inhaltlichen Zusammenhängen schon unzählige Male gesagt hatte, zu einer Art Kristallisationspunkt dieser Auseinandersetzung werden konnte.“ Es mag an meinen Dauerdiskussionen schon in Schüler- und Studentenzeiten liegen, aber ganz so leicht lasse ich mich auch von der Bundeskanzlerin nicht abspeisen! Der gleiche Satz hat doch in unterschiedlichen Situationen ein ganz anderes Gewicht: Bei einer Wanderung zu sagen, „Wir schaffen das!“ trotz Wind und Wetter in die warme Gaststube ist doch wohl bei gleicher Begrifflichkeit anders zu bewerten als „Wir schaffen das!“, wenn die Bundeskanzlerin das Dublin-Abkommen eigenmächtig aushebelt und in 2015/16 rd. 1,5 Mio. Migranten ohne jede Kontrolle über die deutschen Grenzen kommen. Es geht mir hier nicht um Besserwisserei, sondern die politische Auseinandersetzung über wichtige Themen gehört für mich zu einer lebendigen Demokratie. Wenn die Bundeskanzlerin dies nicht so sieht, dann kann es eigentlich nur an einer völlig anderen Sozialisation in einem diskussionsfeindlichen Umfeld – nämlich der sozialistischen DDR – liegen.

Angela, die Verschleierungskünstlerin

Und für alle, die trotz ‚guten‘ Zuredens noch immer bockig sind, ergänz die Bundeskanzlerin: „Der Streit um diesen eigentlich so banalen Satz steht seither geradezu symptomatisch dafür, was unser Land und wir gemeinsam schaffen können, und vor allem auch, was wir gemeinsam schaffen wollen, auch und gerade angesichts einer weltweiten Flüchtlingsbewegung, der größten seit dem Zweiten Weltkrieg, und angesichts dessen, was unser Land ausmacht und was unser Land prägt.“ Dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde immer wieder vorgeworfen, er würde etwas oberlehrerhaft auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen, doch er hat zumindest versucht, mit Sachargumenten in der Diskussion zu punkten. Bei Angela Merkel frage ich mich dagegen schon, ob sie uns Bürgerinnen und Bürger eigentlich ernst nimmt? Es geht nicht um einen „so banalen Satz“ wie Angela Merkel meint, sondern um das Regierungshandeln, das sie mit „Wir schaffen das!“ aus einer sich anbahnenden kritischen Debatte heraushalten wollte – und bis heute will.

Wenig Verständnis habe ich auch für die ständige Wiederholung des Wörtchens „wir“: „was wir gemeinsam schaffen wollen“, das möchten viele Bürgerinnen und Bürger gemeinsam diskutieren und nicht nur nach der Entscheidung der Patriarchin mit abarbeiten müssen. Welchen Beitrag hat denn Bundeskanzlerin Merkel ganz konkret zu „Wir schaffen das!“ geleistet? Diese Frage stellt sich auch unseren mittel-osteuropäischen Partnern, die nach Zwangsquoten Flüchtlinge übernehmen sollen, obwohl sie vorher von Bundeskanzlerin Merkel weder in ihre Pläne einbezogen noch die Entscheidungskriterien mit ihnen diskutiert wurden. Gebetsmühlenartig wiederholt Angela Merkel wieder: „Insgesamt brauchen wir ein europaweites gemeinsames Asylsystem, an dem wir mit Hochdruck arbeiten und das wir hoffentlich im Juni beschließen können.“ Da kann ich nur hoffen, dass der Weg zu einer EU-Lösung im Dialog erfolgt und Polen und Ungarn nicht noch weiter an den Rand gedrängt werden! In Polen leben inzwischen 2 Mio. Migranten aus der Ukraine, was kaum einmal in den landläufigen Beiträgen aufscheint, vielleicht können die ja in die europäische Flüchtlings- und Migrations-Debatte verstärkt eingebracht werden, wenn es zunehmend nur noch um das Köpfe zählen geht.

Angela Merkel setzt sich für mehr Polizisten und Justizmitarbeiter ein, aber sie lehnt eine Debatte über die Ursachen ab.
Geradezu als Erfolgsstory wird uns Bürgerinnen und Bürgern der Zuwachs an Polizisten und Stellen in der Justiz untergejubelt, und bei der heutigen Sicherheitslage kann ich selbstverständlich nur zustimmen. Aber auch bei diesem Thema ist die Nachfrage politisch nicht erlaubt, warum wir denn einen solchen Aufwuchs an Stellen im Sicherheitsbereich benötigen? Warum hat denn die Zahl der Gefährder – irgendwie auch ein verniedlichender Begriff – zugenommen, die überwacht werden müssen? Hat dies nicht auch mit der ungebremsten Flüchtlingswelle zu tun, die Angela Merkel 2015/16 als Bundeskanzlerin zuließ? In nicht wenigen Fällen tragen bestimmte Migrantengruppen zur Verschärfung der Sicherheitslage bei. Aber auch hier: Offene Diskussion – Fehlanzeige! (Bild: Screenshot, „Facebook“, 17.4.18)

Politik an Bürgerschaft und Parlament vorbei

Dass Angela Merkel aus ihrem „Wir schaffen das!“-Satz bis heute nichts gelernt hat, das beweist sie auch am Ende ihrer Rede 2018 unter Bezugnahme auf ihre erste Regierungserklärung von 2005: „fragen wir zuerst, was geht, und suchen wir nach dem, was nie so gemacht wurde …Überraschen wir uns also damit, was möglich ist, überraschen wir uns damit, was wir können“ … ich bin überzeugt, Deutschland kann es schaffen.“ Die gleichen leeren Phrasen ziehen sich durch alle Regierungserklärungen! Aber in Wahrheit hält sich Angela Merkel nicht mal an ihre eigenen Vorgaben: „fragen wir zuerst, was geht“, das wäre 2015 wirklich eine gute und sinnvolle Frage gewesen! Die mangelnde Bereitschaft, Alternativen – wenn auch in Eile – zu prüfen, hat 2015 bei der Flüchtlingswelle ebenso gefehlt wie bei vielen anderen Entscheidungen.

Auch beim Ausstieg aus der Kernenergie, die ich im Übrigen inhaltlich positiv sehe, hat sie ohne kritischen Diskurs eine Kehrtwende vollzogen. Schon damals habe ich mich gefragt, wozu ein Parlament gut ist, wenn zentrale Entscheidungen eher von der Bundeskanzlerin als vom Deutschen Bundestag getroffen werden. In diese Kategorie fallen auch die Abschaffung der Wehrpflicht und die „Ehe für alle“.

Zaudern, zögern und dann ab in die Sackgasse

Im weiteren Verlauf ihrer Regierungserklärung geht Angela Merkel auch selbst „auf ein auf dem Papier zwar schlüssiges, aber in der Praxis untaugliches Dublin-System“ ein, das die Aufnahme von Flüchtlingen regeln sollte. Aber wenn dies doch so „untauglich“ war, warum hat sich die Bundeskanzlerin dann nicht in den vorhergehenden Legislaturperioden mit den europäischen Partnern an einen Tisch gesetzt und es überarbeitet? Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich die Merkel-Regierungen in ihr eigenes Wolkenkuckucksheim zurückgezogen haben und von dort aus als Betrachter, nicht aber als aktive Gestalter handeln. Im Übrigen hat man als politisch interessierter Mensch ohnehin den Eindruck, als ob nicht seit mehreren Legislaturperioden Angela Merkel für die deutsche Politik hauptsächlich verantwortlich zeichnete: es werden Themen aufgerufen, die längst hätten abgearbeitet werden müssen, so als ob man davon erstmalig jetzt gehört habe. Ist nicht auch die vor kurzem vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestufte Grundsteuer ein solches Beispiel? Hätte nicht die deutsche Politik aus eigener Kraft eine Reform, eine Neubewertung der Grundstücke auf den Weg bringen müssen? Wozu haben wir einen aus allen Nähten platzenden Deutschen Bundestag und unsere Länderparlamente, wenn letztendlich die Damen und Herren in den roten Roben in Karlsruhe den Weg weisen müssen?

Und auch beim Thema Islam weicht Angela Merkel jeder inhaltlich sinnvollen Diskussion aus. Oh, nein, nicht schon wieder dieses Thema, werden sicher einige Leserinnen und Leser meines Blogs ausrufen, dennoch bin ich der Überzeugung: Wir müssen über die Frage, welchen Einfluss der Islam – historisch gesehen – auf die Entwicklung unserer deutschen und der europäischen Gesellschaften insgesamt hatte, welche weiteren Einflüsse durch die Zuwanderung vieler Muslime neu hinzu kommen (sollen), und ob bzw. in welchen Maße die Übernahme von Inhalten aus dem Islam wir uns für die Zukunft der europäischen Gesellschaften wünschen. Wer heute nicht über dieses Thema offen spricht, der überlässt es nur Populisten unterschiedlichster Couleur.

Antisemtische Übergriffe müssen auf uneingeschränkte Ablehnung treffen.
„Wenn ein Kind antisemitisch bedroht wird, ist das beschämend und unerträglich“, unterstrich Außenminister Heiko Maas. Da kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen. Aber kurz bevor ich diesen Artikel fertigstellte, wurde im SWR über einen erneuten antisemitischen Angriff in Berlin auf zwei junge Männer berichtet – nur weil sie eine Kippa trugen. Aber kein Wort zu den Angreifern, die arabisch sprachen. Da muss man dann schon in die sozialen Medien schauen, wenn man mehr wissen möchte. Dies ist für mich ein doppelter Skandal: Der Angriff auf Menschen, weil sie Juden sind oder dafür gehalten werden, und das Verschweigen der Herkunft der Täter. Sollten wir nicht auch offener über den Nährboden sprechen aus dem neuer und alter Antisemitismus sprießt? (Bild: Screenshot, „Facebook“, 18.4.18)

Offene Debatten über den Islam helfen gegen Populisten

Selbstredend gehören unsere Nachbarn und Arbeitskollegen muslimischen Glaubens zu Deutschland und ihre freie Religionsausübung wird niemand in Frage stellen wollen. Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. So betont die Bundeskanzlerin: „Insbesondere das Zusammenleben der Religionen stellt uns vor große Herausforderungen.“ Dann folgt allerdings keine inhaltliche Bearbeitung des Themas, sondern es geht um die Durchsetzung des Rechtsstaats und der Abschnitt gipfelt in der Feststellung: „Deshalb ist es wichtig, dass wir in Bund und Ländern 15 000 neue Polizisten einstellen und einen Pakt für den Rechtsstaat schmieden.“ Ach so, die Lösung ist jetzt mehr Polizei! So weit wäre ich in meiner Argumentation sicher nicht gegangen, denn was heißt dies denn im Umkehrschluss? Wir brauchen mehr Polizei, da wir mit einer oder mehreren Religionen ein Problem haben? Polizei und Justiz sind sicherlich wichtig, und die zunehmende Zahl an Gefährdern, an gewaltbereiten Islamisten, an Menschen, bei denen das Messer sehr locker sitzt usw zwingt auch zu einer Verstärkung der Sicherheitsorgane. Aber die Lösung von gesellschaftlichen Problemen können wir nicht der Polizei überlassen, sondern wir brauchen eine offene und kritische Debatte über die Ursachen der hohen Gewaltbereitschaft in manchen Bevölkerungsgruppen.

„Etwa 4,5 Millionen Muslime leben in Deutschland. Die große Mehrzahl dieser Menschen lehnt wie die Mehrheit aller in unserem Lande lebenden Menschen Radikalismus und islamistischen Terror ab.“ Diesen Eindruck habe ich auch, wenn ich an Nachbarn oder Kollegen mit muslimischem Glauben denke. Aber schon im nächsten Satz wird aus der „Mehrzahl“ – klingt eh schon nicht nach einer Zwei-Drittel-Mehrheit – nur noch: „Viele von ihnen leben ihren Glauben, den Islam, friedlich, verfassungs- und gesetzestreu.“ Ganz ehrlich: „Viele“ ist mir zu wenig. Wer in Deutschland lebt, der muss seinen Glauben – im Übrigen jeden Glauben oder Nichtglauben – „friedlich, verfassungs- und gesetzestreu“ leben. Oder habe ich unsere Verfassung falsch verstanden? Bedenklich stimmt es mich auch, wenn in Stuttgart, Düsseldorf oder Essen die in Deutschland lebenden Türken mit deutlicher Mehrheit für die von Präsident Erdogan gewünschten Verfassungsänderungen stimmen, die die Freiheit in ihrem Heimatland einschränken, wogegen sich in Istanbul, Ankara oder Izmir keine Mehrheit dafür findet.

Volker Kauder fordert die Koalition zum Handeln auf.
„Die Menschen wollen nur eins: Die Koalition soll jetzt handeln.“ Damit trifft Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, den Nagel auf den Kopf, aber irgendwie scheint der Koalition aus Union und SPD schon beim Start des Langstreckenlaufs die Puste auszugehen. (Bild: Screenshot, „Facebook“, 16.4.18)

Ein Bisschen Scharia?

Zwar betont Bundeskanzlerin Merkel immerhin, „dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist“, doch auch dann keine inhaltliche Aussage, sondern „dass mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist.“ Und damit mal wieder, so Merkels Wunsch, Ende der Debatte. Aber gerade hier wird es doch erst interessant: Welche Rolle soll der Islam denn jetzt in der Zukunft in Deutschland spielen? Bildet die Scharia dann so eine Art Nebenverfassung? Wie steht es mit Kinderheiraten, Zwangsehen und mittelalterlichen Strafmethoden? Ach richtig, siehe oben: Da schreiten dann die 15 000 neuen Polizistinnen und Polizisten zur Tat. So habe ich mir ganz ehrlich eine politische Debatte über den Islam und seine Rolle in Deutschland nicht vorgestellt.

Grundsätzliche gesellschaftspolitische Debatten werden in Deutschland aber weder von der SPD noch der CDU geführt, und daher schrumpfen die beiden früheren Volksparteien auch vor sich hin, wenngleich mit unterschiedlichem Tempo! Die CSU beginnt gerne politische Debatten, so z.B. beim Flüchtlingszustrom oder dem Islam, aber es fehlt häufig an der konsequenten Umsetzung gewonnener Erkenntnisse. Dem Islam fehlen, dies möchte ich auch an dieser Stelle anmerken, Aufklärung, Reformation und Renaissance, die in Europa viel in Bewegung gebracht haben. Daher muss zu den zentralen Gesichtspunkten jeder Debatte – nach meiner Meinung – auch gehören, dass wir keinen Rückschritt in Sachen Menschenrechte oder Gleichberechtigung von Mann und Frau, bei Demokratie und Rechtsstaat oder der Trennung von Religion und Staat zulassen können, denn ansonsten würden wir uns an dem von unseren Vorfahren erkämpften Fortschritt vergehen.

Wer die Diskussion um den Einfluss des Islam auf unsere Kultur nicht führt, der spielt der AfD in die Hände, darauf bin ich bereits in meinem Blog-Beitrag „Gehört der Islam zu Deutschland?“ eingegangen, daher möchte ich an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichten.

Ohne kontroversen Dialog gibt es keinen Zusammenhalt

Zwar betont Angela Merkel, es „zieht sich die Frage des Zusammenhalts wie ein roter Faden durch den gesamten innenpolitischen Teil unseres Koalitionsvertrags“, doch gesellschaftlicher Zusammenhalt entwickelt sich nicht aus einer Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und guten Vorsätzen, aus dem Nicht-Benennen und dem Unter-den-Teppich-kehren von Problemen, sondern aus dem Dialog der Bürgerinnen und Bürger. Viel zu oft wird über einzelne Bevölkerungsgruppen gesprochen statt mit ihnen. Das Gespräch miteinander zu führen, setzt aber auch Offenheit voraus, doch gerade daran fehlt es.  Und selbstredend müssen wir den Dialog auch mit allen Religionsgruppen führen!

Juncker zu Gast in Meseberg.
Da versammeln sich die Mitglieder der Bundesregierung im Schloss Meseberg und man hofft, dass sie sich mal in einer offenen Debatte zusammenraufen, doch daraus wurde wieder nichts. Wenn man schon im Gästehaus der Bundesregierung tagt, müssen auch Gäste teilnehmen – und wieder bleibt wenig Zeit für interne Feinjustierungen. Und was soll dort der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dessen politisches Verfallsdatum ohnehin längst abgelaufen ist? Neue Ideen hat er mit Sicherheit nicht eingebracht. Und Finanzminister Olaf Scholz konnte nicht mal seine Bürgerinnen und Bürger in Hamburg vor dem ‘Schwarzen Block’ schützen. (Bild: Screenshot, „Facebook“, 17.4.18)

Debatte, Diskurs, Diskussion scheinen Begriffe zu sein, die Angela Merkel erschaudern lassen, und auch die um die Dauerkanzlerin versammelten Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre lieben eher den Monolog, den wir ertragen müssen, als ein kritisches Gespräch. Und Partei-Generäle wie Annegret Kramp-Karrenbauer oder Lars Klingbeil sehen heute ihre Aufgabe auch nicht in der kritischen Debatte, sondern notgedrungen darin, ihren schrumpfenden Verein zusammenzuhalten. Da waren doch Politiker wie Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler noch selbständig denkende und agierende Köpfe.

Irgendwie spüren die Koalitionäre selbst, dass Debatten nicht ihre Stärke sind, und so schrieben sie in das Sondierungspapier: „Der Deutsche Bundestag muss der zentrale Ort der gesellschaftlichen und politischen Debatte in Deutschland sein.“ Das klingt gut, aber die Regierungserklärungen von Angela Merkel oder Olaf Scholz machen auf mich nicht den Eindruck, dass sie solch hehre Aussagen wirklich Ernst meinen. Der Dialog mit Andersdenkenden ist zeitraubend, das habe ich in verschiedenen Projekten selbst erlebt, aber er ist durch nichts zu ersetzen. Debatten und Diskussionen sind keine Spielerei, sondern die Essenz der Demokratie. Wer wichtige Themen heute nicht offen diskutiert, der findet auch keinen gangbaren Weg in die Zukunft.

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