Olaf Scholz und George Orwells „Neusprech“
Lange war Bundesfinanzminister Olaf Scholz eher als ‚Brötchen‘-Minister unterwegs, der einen Kassenzettel selbst für Minibeträge durchdrückte. Nun aber griff er zur „Bazooka“, um Industrie und Gewerbe vor der Corona-Pandemie zu beschützen. Zwar war mir die „Bazooka“ als Raketenwerfer zur Zerstörung von Panzern nicht unbekannt, so ganz einleuchten will mir diese Wortwahl allerdings nicht, wenn es um die Stabilisierung unserer Wirtschaft geht. Und wenn Olaf Scholz dann auch noch den Weg freimachen möchte in eine „neue Normalität“, dann fühle ich mich endgültig wie im falschen Film – oder besser in George Orwells Buch ‚1984‘. Dort versucht sich die Regierung in „Neusprech“: aus Krieg wird Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit wird zur Stärke. Wer Verschwörungstheoretikern nicht Tür und Tor öffnen will, der sollte besonders als Regierungsmitglied aufpassen, mit welch fragwürdigen Begriffen er uns Bürger traktiert.
Olaf Scholz auf sprachlichen Irrwegen
Um nicht in die falsche Schublade einsortiert zu werden: Selbstredend ist die Bundesrepublik Deutschland nicht mit der in George Orwells 1949 erschienenem Buch ‚1984‘ vergleichbar, und dieses Corona-Jahr haben wir ja ohne Abgleiten in die Unfreiheit überstanden. Dazuhin zielte Orwell, als er sein Manuskript 1948 niederschrieb, eher auf kommunistische Systeme, ohne natürlich das unermessliche Leid zu vergessen, das die Nationalsozialisten über das eigene Land und die Welt brachten. Orwells Zahlenspiel – aus 1948 wurde 1984 – macht aber auch deutlich, dass es nicht um ein bestimmtes Jahr oder Ereignis geht, sondern er wollte eine generelle Warnung aussprechen. Damit bin ich wieder bei Olaf Scholz der meinte: „Was wir jetzt brauchen, ist für lange Zeit eine neue Normalität“. Aha! Ich möchte mich nicht mit einer „neuen Normalität“ anfreunden, die generelles Abstandhalten, Mund-Nasen-Schutz, eine lahmende Wirtschaft und eine Gesellschaft voller Restriktionen meint. Dies heißt nicht, dass ich sachgerechte Schutzmaßnahmen ablehnen würde, ganz im Gegenteil. Aber wir sollten uns den Ausnahmezustand nicht schönreden lassen! Wenn Großeltern ihre Enkel nicht sehen und schon gar nicht umarmen sollen, Schulen, Kindergärten und Kitas im Notbetrieb laufen, Gottesdienste lange verboten waren und Sportplätze zum No-Go-Areal wurden, dann verbietet sich Wortakrobatik. Dies kann keine „Normalität“ – keine „neue“ oder alte – sein, sondern dies ist ein Ausnahmezustand für eine freiheitliche Gesellschaft.
„Wir können uns das leisten“, meinte Olaf Scholz als er die Milliarden-Hilfen für die Wirtschaft vorantrieb – eine Floskel, die mich ebenso auf die Palme bringt wie seine „neue Normalität“. Ja, wir ‚müssen‘ diese Ausgaben ermöglichen, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Diese hunderte von Milliarden – in Europa Billionen Euro – werden uns selbst und die nachkommenden Generationen drücken und in ihren gestalterischen Möglichkeiten stark einengen. Großspurigkeit sollte gerade in der Krise keinen Politiker prägen, aber genau solch eine Haltung zeigte der Bundesfinanzminister mit seiner Aussage. Wer „Wir können uns das leisten“ in die Welt hinausposaunt, der muss sich auch nicht wundern, wenn in Deutschland und der EU die Begehrlichkeiten wachsen.
Die Floskel vom Krieg als Ablenkungsmanöver
Nicht nur Olaf Scholz ist in Corona-Zeiten mit der „Bazooka“ unterwegs, auch der französische Präsident Emmanuel Macron, dem innenpolitisch schon vorher die Felle davon schwammen, erklärte „Wir sind im Krieg“, und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez meinte „Europa muss eine Kriegswirtschaft auf die Beine stellen“. Ganz ehrlich: diese Wortwahl gefällt mir nun wirklich genauso wenig! Bei mir verdichtet sich der Eindruck, führende Repräsentanten der politischen ‚Klasse‘ wollen mit ihrem ‚Kriegsgeschrei‘ nur vom eigenen Unvermögen vor und in der Krise ablenken. Wenn nicht genügend Beatmungsplätze vorhanden sind und Ärzte notgedrungen entscheiden müssen, wem geholfen werden kann, dann kommt es zur ‚Triage‘, die eigentlich in Friedenszeiten – außer vielleicht vor Ort bei katastrophalen Unfällen – nicht notwendig sein sollte. Aber wer wie Macron vom Krieg spricht, will damit schon sachlicher Kritik vorbauen, die genau diese Frage aufwirft: Warum waren wir in Friedenszeiten nicht besser auf eine solche Pandemie vorbereitet? Das Coronavirus kam nicht wie kriegerische Horden plötzlich über die Grenze, sondern mit Ansage: Sicherlich wurden nicht nur in Deutschland entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die auf mögliche Pandemien hinwiesen.
Vorausschauende Vorsichtsmaßnahmen sind ohnehin nicht jedermanns Sache, und schon gar nicht die Stärke von Olaf Scholz. Als der Schwarze Block 2017 randalierte und die Vermummten brandschatzend und plündernd durch Hamburg zogen, saß der Erste Bürgermeister namens Olaf Scholz im Kreise erlauchter G 20-Gipfel-Gäste in der 860 Millionen Euro teuren Elbphilharmonie und ließ es sich gut gehen. Auch diese schwarzgekleideten Terroristen kamen nicht aus einer Nebelwolke, sondern Monate vorher ließ sich absehen, dass sie sich nach Hamburg aufmachen würden, um dort mit Gewalt für ihre Ziele zu kämpfen.
„Neue Normalität“ ist eine gefährliche Polit-Floskel
Olaf Scholz überstand dieses Desaster politisch und machte sich auf nach Berlin, um uns als oberster Kassenwart zu ‚beglücken‘. Er ließ sich gerne für die ‚Schwarze Null‘ im Bundeshaushalt loben, die er allerdings nur erreichte, weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen für Bundeskredite ins Negative drückte. So setzte sich Olaf Scholz als Bundesfinanzminister auch nicht für uns Sparer ein, denen die Nullzinspolitik der EZB die Alterssicherung raubt. Für diese Nichtleistung brauchte Olaf Scholz als Finanzminister gleich mal sechs Staatssekretäre und 40 neue Beamte. Aber wir Steuerzahler lassen es uns ja gefallen!
Von Olaf Scholz und anderen politischen Entscheidungsträgern erwarte ich, dass sie kommunikativ alles tun, um Verschwörungstheoretikern keine Ansatzpunkte zu liefern. Doch wer – wie der Bundesfinanzminister – den nicht einmal die SPD-Mitglieder als Parteivorsitzenden wollten, mit der „Bazooka“ loszieht und eine „neue Normalität“ propagiert, der muss sich nicht wundern, wenn die Zustimmung für die Corona-Politik schwindet und sich mehr und mehr BürgerInnen auf Marktplätzen versammeln, um gegen die Restriktionen zu protestieren. In Stuttgart wurde jetzt schon mehrfach der Cannstatter Wasen zum Versammlungsort der Kritiker, denn das Frühlingsfest war – Corona geschuldet – ohnehin ausgefallen. Eine „neue Normalität“ á la Olaf Scholz ist kein erstrebenswertes Ziel. Wir müssen alles notwendige tun, um diese Pandemie zurück zu drängen, um unsere gewohnte gesellschaftliche und wirtschaftliche Normalität zurück zu bekommen. Wechselschichten in Schulen bringen uns auf Dauer ebenso wenig voran wie ein Dahinsiechen der kulturellen Einrichtungen! „Newspeak“ gehört zu George Orwells ‚1984‘, aber nicht zu unserer Politik. Olaf Scholz sollte die „Bazooka“ im Schrank lassen und uns seine Sprachumdeutungen à la „neue Normalität“ ersparen! Denn wer die unerfreuliche tägliche Realität zur „neuen Normalität“ umdeutet, der liefert den Verschwörungstheoretikern eine Steilvorlage.
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
Ihre weitere Anmerkung zur Corona-Krise habe ich mir Interesse gelesen. Es wäre schön, wenn es Ihnen mit Ihrem Beitrag gelingt, die Politiker zu einer angemessenen Sprache zurückzubringen und diese zukünftig keine Verwirrung durch kriegerische Formulierungen bewusst schaffen. Seriöse Information, die die Politiker uns Bürgern schulden, darf nicht das Ziel verfolgen, abzulenken.
Befürchten muss man, dass es sich nicht nur um eine Begriffsverwirrung,handelt, sondern um eine ungenaue Sprache.
Während des Referendariats beim Landgericht Rottweil vor 40 Jahren habe ich von meinem Ausbilder gelernt: “Wer ungenau spricht, denkt ungenau”
Dies wäre dann nicht die Voraussetzung die unsere Politiker benötigen, um die Krise gemeinsam mit den Bürgern zu überwinden, damit wir möglichst bald vom Ausnahmezustand in die Normalität zurückkehren können.
Die finanziellen Mittel für die Rettungsschirme werden aufgebracht werden müssen. Hoffentlich mit Umsicht und mit der Beteiligung der Parlamente.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Walter, Immendingen
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Walter. Da kann ich Ihrem Ausbilder nur zustimmen, der meinte: “Wer ungenau spricht, denkt ungenau”. Natürlich müssen usere Politiker viel reden, aber etwas mehr Präzision könnte wahrlich nicht schaden.