Der „Ausnahmezustand“ ist keine Dauerlösung
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht schon wieder einen Beitrag zur Corona-Pandemie zu schreiben, sondern mich lieber den gefiederten Freunden, den Krähen, zuzuwenden. Aber es ist wirklich ein Trauerspiel, wie manche Entscheidungsträger in der Bundesregierung und in manchen Bundesländern durch diese Krise stolpern. Darauf bin ich bereits unter „Coronavirus 5: Der dissonante Chor der Covid-19-Bekämpfer. Kommunikative Fehler führen zu Verunsicherung“ eingegangen, daher hier nur ein kleiner Nachtrag zu Mundschutz und Handy-Apps. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir wieder einen deutschen Sonderweg suchen, doch wir sollten gewillt sein, auch von anderen zu lernen. Dabei anerkenne ich durchaus, dass Deutschland bei Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten deutlich besser aufgestellt ist als manche unserer Nachbarn, aber das darf uns trotzdem nicht ruhen lassen. Wir müssen alle vertretbaren Chancen nutzen, um Gesellschaft und Wirtschaft wieder aus der Corona-Krise zu führen. Wer heute über Ausstiegsszenarien philosophiert – wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet -, der muss sich auch dafür einsetzen, dass endlich der Mangel an Schutzausrüstung behoben wird und moderne Kommunikationstechniken genutzt werden.
Schutzmasken für alle!
Wenn nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz in Österreich beim Einkaufen Schutzmasken zur Pflicht macht, sondern auch andere Staaten auf diese zusätzliche Maßnahme setzen, so meint unser bundesdeutscher Spezialist fürs Händewaschen, Jens Spahn: “In der jetzigen Lage sehe ich keinerlei Notwendigkeit zu einer Verpflichtung“. Das ist kein Wunder, es gibt ja auch – dank der politischen Nachlässigkeit – kaum Schutzmasken! Wenn das so weitergeht, dann haben wir nicht nur eine Corona-Pandemie, sondern die Politik der Bundesregierung und mancher Bundesländer ähnelt dann einem Tollhaus.
Es geht darum, jede noch so kleine Chance zu nutzen, um Covid-19 zu besiegen, und da geht mir die endlose Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Schutzmasken wirklich auf die Nerven! Es ist wieder symptomatisch: Die halbe Welt trägt Masken, aber für uns Deutsche – so nicht wenige Politiker – seien sie nicht hilfreich. Nun bin ich zwar Soziologe und nicht Virologe, aber schon rein statistisch betrachtet, würden überall im öffentlichen Leben getragene Schutzmasken die Gefahr reduzieren, dass bereits erkrankte Menschen beim Husten ihre Viren in die Umwelt entlassen. Dies wäre gleichbedeutend mit einer Reduzierung der Mitbürger, die diese Viren erwischen können. Und selbst eine Stoffmaske – richtig getragen, nicht wie Ministerpräsident Laschet – kann dazu beitragen, nicht ganz so viele Viren beim Einkaufen oder bei der Arbeit ‚einzusammeln‘. Diese Ansicht bestätigte Professor Christian Werner von der Universität Mainz in einem ARD Extra am 31.3.20. Da mögen manche Vertreter der UN-Weltgesundheitsorganisation meinen, Masken seien nur für Infizierte wichtig, doch die WHO ist auch nicht dafür zuständig, möglichst zügig und verantwortungsvoll wieder in ein normales gesellschaftliches Leben zu starten.
Handy-App ist kein Teufelszeug
Wenn wir den Ausnahmezustand nicht über ein Jahr durchleben wollen, wie dies der Virologe Christian Drosten schon mal an die Wand malte, dann ist es an der Zeit, noch konsequenter gegen das Coronavirus vorzugehen, ohne Wirtschaft und Gesellschaft vollends lahmzulegen. Dabei sollten wir auf Schutzmasken ebenso setzen wie auf moderne technische Möglichkeiten: Eine Handy-App, die es erlaubt, den Weg von Infizierten und ihre persönlichen Kontakte nachzuvollziehen, könnte dazu beitragen, schnell alle Bürger zu warnen, die mit einem Infizierten zusammengetroffen sind. Sie könnten sich dann in Quarantäne begeben. Über die beschränkte Zeit der Corona-Krise sollte es auch ermöglicht werden, Infektionsketten so schnell nachvollziehen und unterbrechen zu können. Den Einsatz einer solchen App fordert sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, und da kann ich nur zustimmen. Die Kritiker einer solchen Handy-App sollten erkennen, dass es nicht darum geht, den Infizierten mit Bild in den Abendnachrichten vorzustellen, sondern anonymisierte Hinweise an alle früheren Kontaktpersonen im entsprechenden Zeitraum zu übermitteln.
Olaf Scholz, der Bundesfinanzminister, der den Kassenbon für jedes Brötchen durchpeitschte, will beim Einsatz von Handy-Apps auf Freiwilligkeit setzen. Das klingt merkwürdig, denn wo ist denn die Freiwilligkeit bei den Restriktionen der Bewegungsfreiheit? Ich habe Verständnis für Datenschützer, die ihre Bedenken vortragen, aber mal ganz ehrlich: In Kirchen, Synagogen und Moscheen sind religiöse Feiern untersagt, alle Sportplätze sind gesperrt, Restaurants und zahllose Einzelhandelsgeschäfte sind geschlossen, die Bewegungsfreiheit ist selbst in Parks und auf der Straße mehr als eingeschränkt, da ist es wirklich leicht absonderlich, wenn ausgerechnet eine Handy-App von manchen Entscheidungsträgern als das Ende der Freiheitsrechte betrachtet wird. Der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer betont erfreulicherweise: „Das Handytracking ist eine Methode, die rasch zur Verfügung steht und effektiv zu sein scheint. Wenn uns das vor einer Überlastung der Krankenhäuser bewahren könnte, wie wir sie derzeit schon im nahen Elass erleben müssen, sollte man das schon gegeneinander abwägen.“ (Stuttgarter Zeitung, 31.3.20) In Südkorea oder Taiwan setzt man bei der Eindämmung der Pandemie auf IT-Lösungen, und wir sollten dies auch tun.
Testkapazitäten ausbauen
Eine Handy-App macht für mich besonders dann Sinn, wenn wir gleichzeitig die Testkapazitäten deutlich ausbauen. Es macht natürlich wenig Sinn, Menschen dauerhaft in Quarantäne zu schicken, ohne umfänglich zu untersuchen, wer denn auch wirklich infiziert ist. Heute hat niemand einen Überblick über die bereits vorhandene Durchseuchung der Bevölkerung.
Mit ausschlaggebend für eine Rückkehr ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ist natürlich die Kenntnis, wer erkrankt ist. Nur dann lassen sich im Grunde die richtigen Entscheidungen treffen.
Konsequent handeln statt palavern
Bei uns in Deutschland fehlen derzeit nicht nur ganz simple Dinge wie Schutzmasken, sondern auch technologisch fortschrittliche Handy-Apps kommen nicht zum Einsatz. Wir können das Coronavirus nur bremsen oder gar besiegen, wenn wir alle in einer demokratischen Gesellschaft vertretbaren Maßnahmen ergreifen. Niemand glaubt ja wohl ernsthaft, dass wir den Shutdown über Monate durchhalten! Die politischen Entscheidungsträger haben die Mahner nicht gehört, die vor einer Pandemie bzw. Versorgungsengpässen gewarnt haben, und so sind wir relativ schlecht vorbereitet in diese Pandemie geschlittert. Bereits 2012/13 hat das Robert-Koch-Institut ein erschreckendes Szenario entwickelt, das leider als Bundestagsdrucksache 17/12051 in den Schränken der Abgeordneten und der Behörden verstaubte. „Pandemie durch Virus Modi-SARS“, so der Titel. Und leider wurde aus diesem Szenario bittere Realität. Dazu mehr unter „Coronavirus 4: Das Undenkbare denken. Vorbereitung auf Seuchen in Deutschland unzureichend“.
Selbstredend sind auch Politiker nicht unfehlbar, doch dies kann die unzureichende Vorbereitung auf Covid-19 nicht entschuldigen. Immer mehr Abgeordnete im Deutschen Bundestag, zahlreiche Minister und Staatssekretäre und eine angewachsene Bürokratie waren nicht in der Lage, die richtigen Schlüsse aus dem genannten Szenario zu einer möglichen Pandemie zu ziehen. Umso wichtiger ist es jetzt, den Schaden zu begrenzen. Menschliches Leid, gesellschaftliche Verwerfungen und wirtschaftliche Nöte müssen durch beherztes und konsequentes Eingreifen begrenzt werden! Wir brauchen nicht jedem Abend eine Sondersendung im Fernsehen und endlose Diskussionen von Politikern und Virologen, sondern mehr Schutzbekleidung für medizinisch und pflegerisch Tätige, Mundschutz für alle, Handy-Apps zur Unterbrechung der Infektionsketten und viel solidarisches Handeln – in Deutschland, Europa und der Welt!
3 Antworten auf „Coronavirus 6: Schutzmasken und Handy-Apps einsetzen!“