Corona-Impressionen aus vier europäischen Staaten

Konsequente Inkonsequenz gefährdet die Eindämmung

Sollten wir in Corona-Zeiten – wie jedes Jahr – von Deutschland über Frankreich nach Irland und zurück über Großbritannien und Frankreich nach Esslingen am Neckar reisen? Diese Frage hat uns lange beschäftigt, und anfänglich wurde uns die Antwort auch abgenommen, da die bereits gebuchte Fähre aus dem französischen Roscoff ins irische Cork nicht in See stach und Flugzeuge – als mögliche Alternative – die Rollbahnen kaum verließen. Wir haben uns dann nach der Grenzöffnung doch per Auto aufgemacht, allerdings mit einem reduzierten Reiseprogramm, einem mulmigen Gefühl und der Gewissheit, zwei Monate unterwegs zu sein, und dies unter Bedingungen, an die wir vor einem Jahr niemals gedacht hätten. Generell habe ich den Eindruck, dass Warnungen vor möglichen Pandemien seit Jahren von den Politikern in den verschiedenen Ländern überhört wurden, und die ergriffenen Maßnahmen häufig von einer konsequenten Inkonsequenz ausgezeichnet werden. Hotels und Fährgesellschaften, Museen und der Einzelhandel tun ihr Möglichstes, um ihre Unternehmen am Laufen und uns Gäste gesund zu erhalten, aber vielen politischen Entscheidungsträgern fehlen der klare Blick für notwendige Maßnahmen und mittelfristige Zielvorstellungen.

Ein Frauengesicht - jetzt mit Maske. Ursprünglich stand der Signalgeber einer Alarmanlage im Vordergrund, den Banksy als Ohrring in das Bild integrierte.
Auf einem trostlosen Hinterhof im Hafengebiet von Bristol hat der Street-Art-Künstler Banksy eines seiner Werke hinterlassen: Girl with a Pierced Eardrum. Der Ohrring war schon da – als externer Signalgeber einer Alarmanlage! Das Wandbild ist eine gesellschaftskritische Parodie auf das Gemälde des holländischen Malers Jan Vermeer aus dem 17. Jahrhundert. Nun hat es ein ‚künstlerischer Zeitgenosse‘ mit der obligatorischen Maske versehen. (Bild: Ulsamer)

Mal mit, mal ohne Maske

In Frankreich wurde die Maskenpflicht in Hotels und Restaurants und auch in Kirchen sehr ernstgenommen: Niemand war ohne Mund-Nasen-Schutz zu sehen, und selbst beim Discounter stand ein Security-Mitarbeiter und wies Besucher ab, die sich nur einen Schal vor das Gesicht ziehen wollten. Ganz anders in England, wo sich in Bristol im Hotel allerlei Gäste ohne Maske tummelten, obwohl zahllose Hinweisschilder auf das Masken-Gebot hinwiesen, und in Restaurants war die Maske noch nicht einmal vorgeschrieben, geschweige denn wurde sie getragen. Bei wieder steigenden Covid-19-Fällen waren die Museen zwar noch geschlossen, doch ausgerechnet die Briten versammelten sich in Restaurants ohne Maske und fielen sich in die Arme, als gäbe es die Corona-Pandemie nicht. Die Zeiten, in denen Engländer in Reih und Glied all überall anstanden, scheinen längst vorbei zu sein. Vielleicht passt daher auch Premierminister Boris Johnson perfekt zum Vereinigten Königreich, weil er zunächst so lange über Corona lachte, bis es ihn selbst erwischte, doch von Dauer war das Bewusstsein für die Gefahren dieser Seuche aus dem chinesischen Wuhan nicht. Und geschlossene Museen schienen Boris gleichfalls nicht wirklich zu bekümmern: nun gut, nicht jeder hat es mit der Bildung!

Aber auch in Irland waren wir überrascht, dass erst Mitte Juli ein Mund-Nasen-Schutz in Geschäften vorgeschrieben wurde, doch die Parteien waren nach den letzten Wahlen monatelang nur mit sich selbst beschäftigt. Der Aufstieg von Sinn Féin in der Wählergunst hatte die Platzhirsche Fianna Fáil und Fine Gael ordentlich durcheinandergewirbelt, doch sie rauften sich zusammen und hielten sich mit Hilfe der Grünen am Ruder. Bereits bei der Fahrt von Roscoff in Frankreich ins irische Cork erlebten wir die wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19: bis auf 15 Pkw und drei Lkw war die riesige Fähre leer. Kommerziell war diese Fahrt für Britanny Ferries mit Sicherheit ein Defizitgeschäft. Wir waren natürlich froh, nicht in der Bretagne gestrandet zu sein. Mit unserem vorab reservierten Ticket waren wir – mit Maske – problemlos auf der Klosterinsel Mont St. Michel unterwegs gewesen.

Weißer Kokon an einem bräunlichen Halm. Es ragen dunkle Teile heraus.
Die irische Regierung empfiehlt Älteren zum „cocooning”, deutsche Politiker würden weit unschöner von Selbstisolation sprechen. Aber auch Insekten – sprich Eier oder Puppen – bleiben nicht über ungewisse Zeiten in ihrem Kokon, sondern sie schlüpfen aus – und etwas Neues entsteht. Nun, neu werden wir durch Selbstisolation nicht, aber auch in sich selbst ruhende Menschen suchen mal wieder den sozialen Kontakt. So ganz klar schien dies in Deutschland weder Boris Palmer noch Wolfgang Schäuble zu sein.(Bild: Ulsamer)

Senioren: Für immer einigeln?

Als wir im irischen Kerry angelangt waren, blieben wir zwei Wochen in Quarantäne, wie dies damals vorgeschrieben war. Versorgt wurden wir durch den ‚Tante-Emma-Laden‘ im nahegelegenen Ventry, der über ein ausgezeichnetes Sortiment verfügt und auch einen Bringservice anbot, welcher besonders für viele ältere Iren wichtig war, denn sie sollten sich bereits seit Beginn der Pandemie selbst isolieren. Auch hier wurde die Inkonsequenz der Politik einmal mehr deutlich: Rentner sollten sich über Monate zuhause einigeln, doch ihre Kinder und Enkel kauften für sie ohne Maske ein und lieferten die Bestellungen dann ab. Der Nationale Gesundheitsdienst in Irland (HSE) rät seit Beginn der Corona-Pandemie den Älteren zum „cocooning“ in den eigenen vier Wänden, doch immer mehr Betroffene fühlen sich isoliert: das vollständige Zurückziehen aus dem sozialen Umfeld wird nicht ohne Folgen bleiben. Unsere Zielregion hatte als ländlich geprägter Raum den Vorteil niedriger Covid-19-Erkrankungsraten. Der staatliche Gesundheitsdienst generell ächzt – wie im Vereinigten Königreich – unter den zusätzlichen Covid-19-Erkrankungen und die Gesundheitssysteme arbeiten in Irland und im Vereinigten Königreich bereits in normalen Zeiten am Rande des Zusammenbruchs: so mancher Patient liegt Tag für Tag auf dem Gang auf einem Schragen und nicht im Bett.

Schon vor unserer Rückkehr nach Deutschland schnellten die Corona-Zahlen in Frankreich und Großbritannien wieder in die Höhe, doch an den ländlichen Regionen lag es nicht. Die Küsschen-Küsschen-Kultur der Großstädte und die Dauer-Feierlaune in urbanen Zentren scheint mir das größte Problem bei der Eindämmung der Corona-Pandemie zu sein. Vielleicht haben Politiker und Virologen zu lange darauf hingewiesen, dass besonders alte Menschen gefährdet seien, und nun bekommen wir die Quittung: junge Mitbürger nehmen Corona weniger ernst und verbreiten die Seuche weiter. Verantwortungslosigkeit ist dabei im Einzelfall auch im Spiel, wenn beispielsweise eine junge US-Amerikanerin in Garmisch-Partenkirchen die Ergebnisse des Corona-Tests nicht abwartet und – trotz Symptomen – durch die Bars zieht: schon entwickelt sich ein Hot-Spot!

Schild in orangener Farne mit dem Text "FClosed today" am Museum M Shed in Bristol.
Museen und Schulen hatten es während der ersten Corona-Welle nicht leicht. Die Museen waren zu – wie hier in Bristol – und die Schulen setzten auf digitalen Unterricht, obwohl nicht nur in Deutschland die Laptops Mangelware waren. So mancher Politiker schien eher auf Schulen und Kultureinrichtungen verzichten zu können, als auf einen Restaurantbesuch oder einen Termin beim Friseur. (Bild: Ulsamer)

Friseure wichtiger als Schulen?

Geschlossene Museen und andere Kultureinrichtungen, aber keine Masken in Restaurants – wie in Irland und dem Vereinigten Königreich -, oder auch offene Nagelstudios und Friseure, andererseits begrenzte Zugänglichkeit von Kirchen wie in Deutschland, das ließ mich zeitweise schon etwas über die richtige Priorisierung grübeln. Und der Normalunterricht in den Schulen, der geriet in mehreren EU-Staaten eher in den Hintergrund. Da bekomme ich dann doch Zweifel an der grundsätzlichen Orientierung der Politik in Corona-Tagen. Schulen sind allemal wichtiger als Fußballspiele mit Zuschauern oder eine schicke Frisur! Viel zu lange wurde Zeit vertrödelt, um die Schulen richtig vorbereiten zu können: schon vor Corona fehlte es nicht selten an befriedigenden Waschmöglichkeiten für die Hände! Hätte man nicht auch für die Schulbänke kleine Kunststoffscheiben vorsehen können, um zwar den Nachbarn gut zu sehen, ihn aber nicht mit Corona-Viren direkt versorgen zu können? Und von zusätzlichen Putzdiensten können viele Schulleiter nur träumen.

Auf grünem Rasen steht erhöht über dem Hafen von Rosslare eine alte Kanone und blickt in Richtung zweier Fährschiffe.
Die Reihen der Fahrzeuge sind im irischen Rosslare gelichtet, und alle hoffen, dass auf die Corona-Pandemie nicht auch noch ein harter Brexit folgt. (Bild: Ulsamer)

Der wirtschaftliche Schaden hat sich für manche Restaurants oder Beherbergungsbetriebe nach einem tiefen Fall doch noch in Grenzen gehalten, da in Irland z. B. irische und britische Touristen den Totalausfall verhinderten, und auch in Deutschland stoppten inländische Gäste den Absturz in die Pleite. In Irland hielten sich die meisten Besucher aus England, Wales oder Nordirland allerdings nicht an die zeitweise vorgeschriebene Quarantäne. Und über Schottland machte sich so mancher Brite mit dem Auto nach Nordirland auf, um dann über Rosslare oder einen anderen Hafen sogar nach Spanien zu reisen. Bei einer Rückkehr in das Vereinigte Königreich konnte er so die Quarantäne umgehen. Irgendwie war es jedoch gespenstisch, in Irland über zwei Monate kein anderes Fahrzeug aus Deutschland, Frankreich oder Spanien zu sehen. Wir wurden zu Exoten!

Nahezu leeres Fahrzeugdeck auf einer Fähre.
Kolonnen beim Einchecken, eng gepackte Fahrzeuge auf dem Fährdeck und dann ein Geschiebe beim Aufstieg zu den Passagierebenen, das mag wohl keiner. Aber wenn gähnende Leere auf den Fähren herrscht, bekomme ich doch ein mulmiges Gefühl: Wie lange können Unternehmen und Staaten nach dem Lockdown eine stotternde Wirtschaft noch aushalten? Erschreckend: Die Fähre vom französischen Roscoff nach Cork in Irland war nahezu menschenleer. (Bild: Ulsamer)

Finanzielles Fiasko

Wenig erfreulich verlief die Sommersaison natürlich für Autovermieter, denn wenn die Urlauber – wie in Irland – aus dem eigenen Land kommen, brauchen sie auch kein Leihfahrzeug. Und auf Flughäfen herrschte gespenstische Stille. Dies mag unter Umweltgesichtspunkten erfreuen, aber wirtschaftlich droht ein Desaster, wenn sich die Situation nicht bald bessert. Die irische Fluglinie Ryanair überstand bisher alle Corona-bedingten Tiefschläge ohne staatliche Hilfen, die Lufthansa dagegen musste mit Milliardenkrediten über Wasser gehalten werden. Dennoch hat sie es noch nicht vermocht, auf meine Mail vom 17. April zu antworten: Die Lufthansa hatte einen Flug abgesagt, und bis heute haben wir keine Rückzahlung oder einen Gutschein bekommen. Als Bürger und Steuerzahler kann ich da nur den Kopf schütteln, aber wir leben eben doch in einer Bananenrepublik!

Menschenleere Abfertigungshalle am Flughafen Stuttgart.
Menschenleere Terminals auf Flugplätzen – wie hier in Stuttgart – mögen aus Umweltgesichtspunkten erfreuen, aber wenn die Corona-Pandemie aus dem chinesischen Wuhan ganze Wirtschaftssektoren erschüttert, dann hat dies auch Folgen für die Staaten. Und ganz nebenbei frage ich mich, warum die Lufthansa mit Milliarden Euro an Steuergeldern vor dem Absturz bewahrt wird, doch Kunden – wie wir – nach Monaten bei Flugausfällen weder Gutschein noch Geld gesehen haben. (Bild: Ulsamer)

Bei den Fähren von Frankreich nach Irland, von Irland nach Wales und dem Eurotunnel von England nach Frankreich, konnten wir über Platzmangel auf dem Fahrzeug nicht klagen: Ganze Decks oder Waggons blieben leer. Für mich stellt sich schon die Frage, wie lange sich die europäischen Volkswirtschaften diese finanziellen Ausfälle noch leisten können. Aber Europäische Zentralbank, die EU-Kommission und die Einzelstaaten wissen Rat: Milliarden oder gar Billionen Euro neue Schulden. Und Finanzminister Olaf Scholz weiß ohnehin alles besser: „Wir können uns das leisten“, meinte er im XXL-Bundestag. Ob der Kassenbon-Minister, der in die Cum-Ex- bzw. Wirecard-Skandale verstrickt ist, wirklich als SPD-Kanzlerkandidat bis zur Bundestagswahl durchhält?

Einige Tische in einem Restaurant auf einer Fähre mit weiß-roten Warnbändern gesperrt. Aber der ganze Raum ist ohne jeden Gast.
Fahrten mit Fähren sind nicht immer ein Vergnügen, und dabei denke ich nicht nur an die stürmische See. Unzählige Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensstilen und Verhaltensweisen bevölkern die Schiffe. Wenn man aber plötzlich nahezu allein durch die Decks pilgert, dann macht sich ein beklemmendes Gefühl breit. Und in aller Dramatik stellt sich die Frage, wie lange Fährgesellschaften unter Corona-Bedingungen überleben können? Zusätzlich drohen noch immer die Verwerfungen eines harten Brexits. (Bild: Ulsamer)

Politiker stolpern durch Corona-Krise

In Irland wie in Deutschland und anderen Staaten sind viele Einrichtungen für Ältere oder Behinderte, aber auch für Obdachlose geschlossen gewesen oder bis heute zu. Die Politik macht sich zu wenige Gedanken über die Folgen der Isolation für Ältere, die monatelang in ihren eigenen vier Wänden bleiben müssen, für Senioren in Pflegeheimen, die ohne Kontakt zur Familie ihr Dasein fristeten, für Menschen mit Handicap, für die die Arbeit das Leben strukturiert. Und so mancher Obdachlose kann weder duschen noch sich mal bei Kaffee und einem Vesperteller aufwärmen, da die Hilfseinrichtungen geschlossen wurden. Kitas, Kindergärten und Schulen, aber auch Sporteinrichtungen wurden zackig gesperrt, ohne dass die Politik wirklich alles getan hätte, um möglichst schnell ein Wiederanlaufen zu gewährleisten. Nun können wir nur alle hoffen, dass unsere Kinder und Enkelkinder ohne größere Probleme wieder in die gewohnten Abläufe zurückfinden. Leicht abstrus ist es, wenn die älteste unserer Enkeltöchter nach den Sommerferien und vorhergehender Corona-Pause wieder ins Gymnasium zurückkehrt, um festzustellen, dass die Mensa noch zu ist! Der Betreiber arbeite an einem Hygienekonzept – hieß es! Hat dafür der monatelange Vorlauf nicht gereicht?

Graues Tablett mit eingepacktem Käse und Einmalbesteck in Plastikhülle.
Die Corona-Pandemie aus dem chinesischen Wuhan hat auch vielerorts das Frühstücksbuffet verdrängt – einschließlich meiner geliebten Pancakes – und ein neues Plastikzeitalter eingeläutet, wo wir doch gerade gegen die Flut an Verpackungen und Einmalbesteck ankämpfen. (Bild: Ulsamer)

Was mich besonders bekümmert ist der Zick-Zack-Kurs vieler Entscheidungsträger, der im Übrigen nichts damit zu tun hat, dass man bei einer neuen Seuche mit jedem Tag schlauer wird. Der französische Präsident Emmanuel Macron zog anfänglich in den „Krieg“ gegen das Virus, Boris Johnston belächelte viel zu lange Covid-19, Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt die Mund-Nassen-Maske zunächst für eine „Virenschleuder“, ehe sie diese uns allen verordnete, und Leo Varadkar als irischer Premierminister überließ es seinem Nachfolger Micheál Martin, eine Maskenpflicht in Läden durchzusetzen. Ein Musterbeispiel für die von mir beklagte Phrasendrescherei ist Macron, der Corona wie erwähnt den „Krieg“ erklärte, dann aber seine Landsleute ohne weitere Ermahnungen in die Sommerferien ziehen lässt. Am Ende der Urlaubsperiode sind anschließend die Corona-Tagesinfektionen höher als während der ersten Welle. Und Boris Johnson marschierte lange mit Jair Bolsonaro und Donald Trump einher, bis es ihn selbst erwischte. Aber mal ganz ehrlich: Gesundheitsminister Jens Spahn gab uns lange Zeit vor allem Ratschläge zum Händewaschen und meinte, alles sei schon nicht so schlimm. Angela Merkel überhörte 2013 den Weckruf des Robert-Koch-Instituts und der Fraunhofer-Gesellschaft: Wissenschaftler hatten Szenarien entwickelt, die der Corona-Pandemie gleichen, aber die Politik raffte sich nicht zu sachgerechten Vorbereitungen auf.

Vier Fahrzeuge warten auf dem Parkplatz des Eurotunnels auf den nächsten Zug. Der restliche Parkplatz ist leer.
Nach dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle stiegen die Infektionszahlen im Vereinigten Königreich und gerade auch in Frankreich wieder an. Am Eurotunnel – hier bei Folkstone -waren wir fast alleine. (Bild: Ulsamer)

Corona: Einigkeit in der Uneinigkeit

Ganz zum Schluss noch einige Anmerkungen zur Europäischen Union (EU), die während der Corona-Pandemie eine klägliche Figur abgab. Kein Wunder bei der Person an der Spitze: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konnte als deutsche Verteidigungsministerin noch nicht einmal für warme Unterwäsche und passende Uniformen sorgen. Flugzeuge blieben Mangels Ersatzteilen am Boden, Panzer rollten nicht und U-Boote tauchten nicht ab, aber als Belohnung wurde sie EU-Kommissionspräsidentin! Damit ist die Gender-gerechte Version des alten Spruchs ‚Hast Du einen Opa*, schick ihn nach Europa‘ tatsächlich Wahrheit geworden! Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die EU in Gesundheitsfragen zwar kaum Einfluss hat, aber wenn jeder nach Gutdünken seine Grenzen in der EU schließt, dann stellt sich schon die Frage, wozu denn diese Union gut ist? In der zweiten Phase blieben zwar die Grenzen offen, doch mit der gegenseitigen Zuschreibung ‚Risikogebiet‘ wird das gleiche erreicht. Das europäische Corona-Kasperletheater ist eine echte Katastrophe!

Ja, eine Pandemie bringt Herausforderungen, die nicht im Detail vorhersehbar sind, aber warum wurden Warnungen anerkannter Institutionen nicht gehört, die bereits 2013 – wie das Robert-Koch-Institut und die Fraunhofer-Gesellschaft – vor einer drohenden Pandemie warnten? Warum gelingt es nicht, die europäischen Anstrengungen zur Eindämmung von Covid-19 besser zu koordinieren? Ist es richtig, China als Ursprungsland dieser Seuche nicht finanziell an den Schäden zu beteiligen? Wo bleiben langfristige Pläne, um unser Leben wieder in einen Normalzustand zu bringen? Da plappert Bundesfinanzminister Olaf Scholz von einer „neuen Normalität“, ohne darüber nachzudenken, was er uns nahelegt!

Grenzübertritt von Frankreich nach Deutschland im Saarland. Nur die Schilder "Bundesrepublik Deutschland" machen die Grenze deutlich.
Ein Europa der offenen Grenzen ist ein wichtiges Gut, das haben wir auch in Corona-Tagen gespürt: Wir kamen – Risikogebiete umgehend – von Deutschland nach Frankreich und Irland, und auf dem Rückweg über Großbritannien und Frankreich wieder zurück. Die EU muss sich stärker als bisher auf die Lösung wichtiger Fragen konzentrieren und darf sich nicht als Regulierungsinstanz in alle Lebensbereiche einmischen. Wenn die EU-Kommission, aber auch das Europaparlament und der Europäische Rat dies nicht einsehen, dann gefährden sie die Gemeinschaft. Die Abkehr der Briten von der Europäischen Union ist ein Warnsignal, das scheinbar nicht überall gehört wurde. (Bild: Ulsamer)

Während wir durch die schönen Landschaften Europas reisten, wurde immer deutlicher, dass unser Europa nicht nur bei Medikamenten und Schutzkleidung von Asien abhängig geworden ist, sondern auch ein gemeinschaftlicher Impuls fehlt, das Ruder beispielsweise bei Corona wirklich herumzuwerfen und wieder den Kurs des EU-Dampfers selbst zu bestimmen. Erschreckend ist die konsequente Inkonsequenz, die die Politik in Deutschland und den Nachbarstaaten beherrscht, durch die uns unser Weg in Corona-Zeiten führte. Heute so und morgen so, das ist keine Politik, die Pandemien eindämmen kann. Dies gilt auch für viele andere Politikfelder. An Europa mag ich ganz besonders die kulturelle Vielfalt, aber in Pandemie-Zeiten sollte die Kleinstaaterei zurückstehen. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Europa muss sich zu konsequentem und abgestimmtem Handeln aufraffen, wenn es nicht an sich selbst scheitern will!

 

Ein leerer Sockel aus hellem Stein. Schwarze Tafeln sind daran zu erkennen.
Am Rande möchte ich zu der im Beitrag erwähnten englischen Stadt Bristol noch ein Schlaglicht auf die Geschichte und moderne Bilderstürmer werfen. Ganz ohne Corona. Wer wurde denn wohl in Bristol vom Sockel gestürzt? Hier stand Edward Colston, über dessen Sturz ins Hafenbecken ich bereits in meinem Blog berichtet habe: ‚Die Bilderstürmer sind auferstanden. Bald eine Welt der leeren Sockel?‘ Colston machte sein Geld als Sklavenhändler, doch er stiftete gleichwohl Armenhäuser und Kirchen. Der Street-Art-Künstler Banksy stellte in Instagram eine künstlerische Einbeziehung der Skulptur von Edward Colston in die aktuellen Bezüge vor. Sicherlich ein bedenkenswerter Vorschlag auch für andere Denkmäler. Ein Sturz ins Hafenbecken – wie in Bristol vollzogen – schafft das historische Unrecht nicht aus der Welt, sondern trägt dazu bei, dass es vergessen wird. Eine zwischenzeitlich auf den Sockel gestellte Studentin – natürlich auch in Metall gegossen -, die am Colston-Sturz beteiligt war, wurde inzwischen von der Stadtverwaltung wieder entfernt und die Colston-Statue aus dem Hafenbecken gefischt. Für sie wird nun ein anderes Plätzchen, vermutlich in einem Magazin, gesucht. (Bild: Ulsamer)

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