Wie rappende Sängerknaben die Grenzen des Legitimen überschreiten
„Der Chor der Demokraten muss lauter werden“ fordert Außenminister Heiko Maas nach den Ereignissen in Chemnitz. Da kann ich nur zustimmen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußert sich – frei nach J. F. Kennedy – so: „Unsere Demokratie lebt von Menschen, die nicht nur danach fragen, was das Land für sie tut, sondern auch fragen, was sie für das Land tun können.“ Und wieder kann ich nur zustimmen. Der Bundespräsident fährt bei Facebook fort: „Menschen, die nicht nur schimpfen und meckern.“ Auch wieder richtig, aber wird nicht allzu schnell jeder in die Kategorie Meckerer gestopft, der berechtigte Kritik an Äußerungen oder Handlungen mancher Spitzenpolitiker übt? So hoffe ich mal, dass meine Kritik nicht unter Meckern abqualifiziert wird, aber eigentlich ist mir das auch egal. Doch nun zu meinen inhaltlichen Fragen: Wer trällert denn da in Heikos „Chor der Demokraten“ mit? Und für welche rappenden Sängerknaben wirbt eigentlich unser Bundespräsident?
Gibt es keine Grenzen des Anstands für Rapper?
An dieser Stelle möchte ich nicht die Vorgänge in Chemnitz bewerten, doch treibt mich das Gefühl um, dass sich im Kampf gegen rechts Rapper und andere Zeitgenossen breit machen, die für mich ganz und gar nicht zum „Chor der Demokraten“ passen. Hat eigentlich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – oder der zuständige Mitarbeiter/in – die Songtexte angeschaut, ehe er für das Konzert unter dem Titel ‚Wir sind mehr‘ in Chemnitz per Facebook warb? Wenn das nicht geschah, dann halte ich dies für fahrverlässig. Wenn die Texte bekannt waren, dann ist die Empfehlung für mich ein politischer Skandal.
Der Kampf gegen Extremisten jeder Couleur – rechts, links, islamistisch – ist von zentraler Bedeutung für unsere Demokratie und bedarf unser aller Anstrengungen. Wer jedoch auch nur über ein Mindestmaß an politischer Bildung und einen gewissen Anstand verfügt, der kann nicht ernsthaft Bands wie K.I.Z. oder Frische Sahne Fischfilet im „Chor der Demokraten“ sehen. Nun kann man getrost über Kunst und Kultur streiten, doch auch in unserer Demokratie sollte es Grenzen geben. Und dies gilt auch für Rapper.
Von Messern und Knüppeln
Für linke und rechte Aussagen – auf der Straße gebrüllt oder im Konzert gerappt – sollten doch in einem Rechtsstaat gleiche Maßstäbe gelten, so sehe ich das zumindest. Aber wie kann dann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für ein Konzert in Chemnitz werben, obwohl K.I.Z mit Texten die Zuhörer ‚erfreut‘, die vor Menschenverachtung strotzen: „Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse“. Oder weiter unten in „Ein Affe und ein Pferd“: „Trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt“. Was würde der Bundespräsident wohl sagen, wenn dies eine rechtslastige Band von sich geben würde? Würde er dann auch in einem Facebook-Post für das Konzert werben? Über die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman finden sich im gleichen Song folgende Zeilen: „Eva Herman sieht mich, denkt sich: ‚Was‘n Deutscher!‘/Und ich gebe ihr von hinten wie ein Staffelläufer/Ich fick sie grün und blau, wie mein kunterbuntes Haus/Nich alles was man oben reinsteckt, kommt unten wieder raus“.
Aufgetreten ist in Chemnitz auch Feine Sahne Fischfilet, und angekündigt wurde dies auch im Post von Frank-Walter Steinmeier. Hier noch einige geistige Tiefschläge dieser Band: Im Song ‚Staatsgewalt‘ bekommt die Polizei ihr Fett ab: „Die Bullenhelme, die sollen fliegen, Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein.“ Und in ‚Wut‘ „Polizist sein, heißt, dass Menschen mit Meinungen Feinde sind.“ Ja, was gilt denn nun Herr Bundespräsident? Sie ließen doch durch Ihr Team wissen: „Der Bundespräsident steht auf der Seite all derer, die für ein friedliches und freiheitliches Miteinander einstehen; und er steht klar auf der Seite von Polizei und Justiz, die die rechtsstaatliche Ordnung schützen, die das Fundament für ein solches Miteinander ist.“ „Wer kein Rückgrat hat, der wird vereidigt auf den Staat“, so nochmals Feine Sahne Fischfilet. Und wie steht es mit dem Eid des Bundespräsidenten?
Nicht alle passen in den „Chor der Demokraten“
Ganz so habe ich mir vom Bundespräsidenten empfohlene Konzerte dann doch nicht vorgestellt. Und wenn man zumindest über den guten Geschmack unseres Bundespräsidenten nach einer solch irrwitzigen Werbung für Rapper und andere obskure Bands streiten kann und muss, so stellt sich für mich auch die Frage, ob K.I.Z. oder Feine Sahne Fischfilet in den von Heiko Maas propagierten „Chor der Demokraten“ passen. Für mich nicht. Ich würde auch ein offenes Wort von Bundespräsident Steinmeier und Außenminister Maas zu solch menschenverachtenden Songtexten erwarten. Zumindest aber sollte klar sein, dass man sich mit solchen brutalen Aussagen aus dem „Chor der Demokraten“ hinaus rappt.
Andererseits mussten wir ja bereits eine für mich nicht nachvollziehbare Verschiebung des ‚guten Geschmacks‘ bei der Verleihung des ‚Echo‘ erleben, als ausgerechnet die Rapper Kollegah & Farid Bang diesen Musikpreis erhielten. Zwar schlüpften diese und ihre Fans und Sympathisanten schnell unter das Deckmäntelchen der Kunst, doch ihre Texte werden dadurch auch nicht veredelt. „Mache wieder mal ‘nen Holocaust / Komm‘ an mit der Molotow im Hennessy für meine Enemies“. Wer solche Texte schreibt und rappt, der sollte sich besser irgendwo vor Scham verkriechen, und ist es ein Wunder, dass solche Texte auch ihre Aufnahme in bestimmten Kreisen finden, die dann jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger attackieren?
Aber auch der Rest dieser „Lyrics“ von Kollegah & Farid Bang ist so haarsträubend, dass ich juristische Schritte für angemessen halte – aber bisher leider vergeblich. Dies ist kein gutes Zeichen für unseren Rechtsstaat. „Und lass deine Family verbrennen an ‘nem Waldrandparklatz“, „Lade wieder scharfe Waffen wie Talibankrieger“, „Und mache dann aus dei’m Bodyguard Schrott per scharfem Geschoss aus der Kalaschnikow“, „Ich hole mir die Kohle mit dem Ballermann“, „Ich komm‘ und zertrenne deine Halsschlagader“. Irgendwie erinnert mich der letzte Hinweis an die erschreckende Zunahme von Messerattacken in diesen Tagen. Und auch das Frauenbild dieser ‚Echo‘-Rapper müsste eigentlich jede denkende Hörerin und jeden Hörer in die Flucht schlagen: „Lass‘ die Fotzen zappeln, denn der Knockout kommt am Ende“, „Yeah, ich kommuniziere mit Bitches im Regelfall immer nur Blowjobs kriegend“, „der einzige Ort, wo sich Bitches entfalten sollten, ist die Botoxklinik“, „Fick eure Mütter“ …
Verbale Ausfälle passen nicht in den “Chor der Demokraten”
Gerade auch nach dem Aufruf von Heiko Maas, wir alle sollten uns von der Couch erheben und für Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie eintreten, würde ich mir wünschen, dass sich Politik, Medien, Gesellschaft – also wir alle – Gedanken über die Verrohung nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Songtexten vieler Rapper und anderer verbal-extremistischer Bands machen. Geschriebenes, Gerapptes und Gesungenes hat auch Folgen über das Konzert oder die Berichterstattung hinaus.
Im „Chor der Demokraten“ kann nur mitsingen, wer sich auch an Mindestregeln im Umgang mit seinen Mitmenschen hält. Nicht alles wird durch das Prädikat ‚Kunst’ geadelt! Wer – wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – auch noch für ein Konzert wirbt, bei dem Bands auftreten, bei denen die Menschenverachtung aus den Songtexten spritzt, der müsste eigentlich auch mal in sich gehen und seine Haltung überdenken. So ist das, Herr Minister Maas, ich bin schon lange von meiner Couch aufgestanden und fordere dazu auf, der Missachtung der Menschenwürde offensiv entgegenzutreten! Aber Politikerinnen und Politiker sollten sich auch ehrlich Rechenschaft darüber ablegen, ob da die richtigen im „Chor der Demokraten“ mitsingen! Rappende Sängerknaben mit frauenfeindlichen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Texten sind keine Stimmen im „Chor der Demokraten“!
Eine Antwort auf „Chemnitz: Misstöne im Chor der Demokraten“