Deutschland und Europa müssen für die eigene Sicherheit sorgen
Donald Trump wurde mit einer soliden Mehrheit ins Weiße Haus gewählt, doch das ändert nichts daran, dass man an seiner Befähigung zum Präsidenten der USA Zweifel haben kann. Wenn ich den selbsternannten ‘Dealmaker‘ im Weißen Haus sehe, dann bin ich sogar froh, dass wir mit Angela Merkel oder Olaf Scholz politisches Mittelmaß im Kanzleramt hatten, obwohl ich heftige Kritik an der Arbeit beider Politiker geübt habe. Doch ein Rest an Anstand ist ihnen nicht abhandengekommen, auch wenn sie ihre eigenen Leistungen sehr überhöht darstellen. Donald Trump ist ein cholerischer Egomane, ein echter Schandfleck in der Ahnenreihe der US-Präsidenten, daran besteht für mich kein Zweifel. In Washington sitzt nicht mehr der Führer der freien Welt, sondern ein verwirrter Immobilienmogul, der sich mit fragwürdigen Typen wie Elon Musk, dem reichsten Mann der Welt, Vizepräsident J.D. Vance oder dem Impfgegner und Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr. als Gesundheitsminister umgibt. Ja, wenn ich solche Möchtegern-Politiker erblicke, dann werden mir glatt noch Karl Lauterbach oder Jens Spahn sympathisch, die in deutschen Landen als Gesundheitsminister ihr Unwesen trieben. Und wenn es in der deutschen Politik mal hakt und sich eine Regierung selbst zerlegt, dann ist dies für unsere Welt natürlich weniger gefährlich, als wenn sich der US-Präsident dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin an den Hals wirft, der als russischer Präsident den Angriff auf die Ukraine befahl. Trump und Vance saßen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ganz heimelig auf dem Sofa, doch ihr Ziel war ein Eklat, um Selenskyj stellvertretend für sein leidgeprüftes Volk vorzuführen und zu noch mehr Nachgiebigkeit in Sachen Bodenschätze zu zwingen. Allein die eingeladenen Medienvertreter machen deutlich, was Trump vorhatte. Früher erpressten die Paten die Mafia-Opfer im Hinterzimmer, heute im Weißen Haus vor laufenden Fernsehkameras! Donald Trump macht sich mit seinem abstrusen Vorgehen zum Schoßhund von Putin!
Wenn Abraham Lincoln heute auf sein Land und Donald Trump als einem seiner Nachfolger schaut, dann dürfte er zumindest ins Grübeln kommen. Lincoln setzte als erster republikanischer Präsident die Abschaffung der Sklaverei in den USA durch. (Bild: Ulsamer)
Ein Schandfleck in der Ahnenreihe der US-Präsidenten
George Washington oder Abraham Lincoln, um nur diese beiden Präsidenten zu nennen, dürften sich bei einem Nachfolger wie Donald Trump im Grabe umdrehen. Der früh ermordete John F. Kennedy schaffte es 1962 mit militärischen Drohgebärden und Diplomatie, den sowjetischen Diktator Nikita Chruschtschow zum Abzug von Raketensystemen zu drängen, die auf Kuba installiert worden waren. Kennedy verdeutlichte, dass man aggressive Diktatoren in die Schranken verweisen kann, doch Trump macht das Gegenteil: Er sieht in Putin einen Kumpel im Ungeist, obwohl dieser in imperialistischer Weise zu den alten Grenzen des Sowjetreichs zurückwill. Dass Trump die Werte des freien Westens eher mit Füßen tritt, als diese zu verteidigen, ließ sich bereits in seiner ersten Amtsperiode erkennen. Und noch mehr nach den Präsidentschaftswahlen, die Joe Biden gewonnen hatte, denn dann stachelte er seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol auf. Diese Gewalttäter begnadigte Trump umgehend nach seiner erneuten Amtsübernahme. Den Warnschuss, den die erste Amtsperiode von Donald Trump darstellte, hatten die regierenden Politiker in Deutschland und Europa geflissentlich überhört und sich mit Joe Biden, dem letzten Transatlantiker der alten Schule, über die Trump-Drohungen – Austritt aus der NATO – hinweggetröstet. Danach versicherten sich die Trump-Gegner gegenseitig, Kamala Harris werde schon das Rennen machen, obwohl sie wenig Neigung zeigte, sich konkret der Probleme der US-Amerikaner außerhalb von Kalifornien, Washington oder New York anzunehmen. Da kam leider Donald Trump mit seiner wahrhaft einfachen Sprache in weiten Regionen besser an.
Als US-Vizepräsident Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz lospolterte und den Europäern mangelndes Demokratieverständnis vorwarf, gab’s mal wieder Empörung, doch die deutschen und die anderen europäischen Regierungen haben viel zu langsam Schlüsse aus der Trump’schen Abwendung von Europa gezogen. Und als Trump jüngst Selenskyj attackierte und förmlich aus dem Weißen Haus warf, erklärten sich die Europäer – mal wieder ohne Orbans Ungarn – solidarisch mit der Ukraine. Durchaus richtig! Das ändert jedoch nichts daran, dass es uns in Europa an militärischen Ressourcen mangelt, um die durch Trump aufgerissene Lücke bei der Verteidigung der Ukraine kurzfristig zu schließen. Viel zu lange hatte sich nicht nur Deutschland darauf verlassen, dass die USA für Sicherheit und Russland für billiges Erdgas sorgen würden und keiner den freien Welthandel in Frage stellt. Wer lange schläft, der wird abrupt geweckt, so ergeht es nun der deutschen und europäischen Politik. Hätte z. B. die Bundesregierung unter Olaf Scholz (SPD) von Anbeginn an der russischen Invasion in der Ukraine alle Waffensysteme freigegeben, um den barbarischen Angriff von Putins Schergen zurückzuschlagen, dann hätte der Vormarsch vermutlich gestoppt oder verlangsamt werden können: Die Sozialdemokraten mögen sich heute nicht mehr gerne daran erinnern, doch die von ihnen ins Amt gehievte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht dachte noch, mit einigen tausend Helmen könnte man es bewenden lassen, und Bundeskanzler Scholz verwehrte die Lieferung von Taurus-Raketen. Boris Pistorius versuchte zwar, die Bundeswehr und unsere Verteidigung auf Vordermann zu bringen, doch bis heute konnte die notwendige Ausrüstung nicht beschafft werden. Kein Wunder, denn die CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen konnte noch nicht einmal ausreichend Winterunterwäsche für die Soldatinnen und Soldaten beschaffen, und nun soll ausgerechnet sie die EU zu einem wichtigen Spieler in Sachen europäischer Verteidigung machen.
Als ich vor gut 20 Jahren einen kleinen Vortrag im Gebäude des US-Kongresses halten durfte, hätte ich nie gedacht, dass ein US-Präsident nach der verlorenen Wahl seine Anhänger so aufhetzen würde, dass sich diese zum Sturm auf das Parlamentsgebäude entschlossen. Kaum wieder im Weißen Haus, sorgte Donald Trump dafür, dass diese Kriminellen flugs in Freiheit kamen. Dies lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten. (Bild: Ulsamer)
Neuer Kulturkampf
Jammern über die Vergangenheit bringt allerdings nichts – es muss gehandelt werden, wenn wir Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa verteidigen wollen. Trump und Putin scheinen sich zu verbrüdern und ihr Duo zum Trio mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping erweitern zu wollen. Zwei Diktatoren und ein Möchtegern-Potentat haben sich gefunden, was eine Bedrohung für den freien Westen darstellt und im Übrigen auch für die freiheitlich denkenden amerikanischen Bürgerinnen und Bürger, die wir über Trumps bizarres Agieren nicht vergessen sollten. Im Gegensatz zum bereits genannten US-Präsidenten John F. Kennedy, der dem sowjetischen Expansionsstreben engagiert, entschlossen und mit Augenmaß entgegentrat, ließ sich Franklin D. Roosevelt, der viel für die USA leistete, am Ende seiner dritten bzw. der kurzen vierten Amtsperiode vom sowjetischen Diktator Josef Stalin über den Tisch ziehen. Durch geschicktes Taktieren vermochte es Stalin, seine Beute in Osteuropa mit Zustimmung Roosevelts zu sichern, der dem kommunistischen Machthaber weniger kritisch gegenüberstand als der britische Premierminister Winston Churchill. Roosevelt war am Ende seiner politischen Führungsrolle durch eine schwere körperliche Beeinträchtigung geschwächt, heutzutage allergings scheint es ein selbstbezogener Donald Trump Roosevelt gleichtun und dem russischen Staatschef Putin die besetzten ukrainischen Regionen überlassen zu wollen.
Nicht übersehen sollten wir, dass Putin und Trump in gesellschaftspolitischer Sicht mehr verbindet als dies auf den ersten Blick erkennbar ist: Sie lehnen queere Lebensentwürfe ab, LGBTQ ist für sie ein Schimpfwort, und daher sollen auf Weisung von Donald Trump Transmenschen vom Militärdienst ausgeschlossen werden. Diese Weltsicht, die Diversität weitgehend ablehnt, teilen Trump und Putin nicht nur mit weiten Bevölkerungskreisen, sondern auch mit evangelikalen Kreisen in den USA und dem Moskauer russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I., der verbreitete, der Krieg gegen die Ukraine solle die Menschen auch vor den Paraden von Homosexuellen schützen. Da passen Milliardäre wie Elon Musk bestens ins Bild, denn dieser betont noch immer ‚Ich habe einen Sohn verloren‘, denn er will nicht akzeptieren, dass eines seiner 14 Kinder sich als Frau fühlt, wie ‚der Spiegel‘ berichtete. Der von Trump, Vance und ihrer Milliardärs-Clique geführte Kampf gegen eine freiheitliche Gesellschaftsordnung umfasst nicht nur die engeren politischen Themenfelder, sondern es ist ein Kulturkampf. Da kommt es zu Pass, dass Elon Musk ‚Twitter‘ kaufte und in ‚X‘ umbenannte, wo sich zahlreiche Verschwörungstheoretiker tummeln und Jeff Bezos, der Amazon-Gründer, der die ‚Washington Post‘ erwarb, um sich in redaktionelle Fragen einzumischen. Wer von der US-Regierung unter Trump Aufträge für Weltraumprojekte möchte, der muss sich anbiedern, und so sieht es wohl auch Bezos, der mit ‚Blue Origin‘ in den Weltraum strebt. Nicht nur bis zum Mond, sondern bis zum Mars zieht es Elon Musk, der mit ‚SpaceX‘ und ‚Starlink‘ bereits manche Bereiche monopolisiert. Man kann nur hoffen, dass Musk bald zum Mars aufbricht und dann gleich dortbleibt! Wenn heute deutsche Politiker über Elon Musk schimpfen, dann müssen sie sich aber auch an die eigene Nase fassen. Der Tesla-Chef Musk ließ in der Mark Brandenburg seine sogenannte ‚Gigafactory‘ hochziehen, obwohl die endgültige Baugenehmigung noch nicht vorlag, und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie ihr Nachfolger Olaf Scholz lobten die zügige Vorgehensweise: Die Politik drückte bei diesem Projekt mindestens ein Auge zu, denn die Umweltverträglichkeitsprüfung war völlig unzulänglich abgelaufen. Die Kartierung von Eidechsenbeständen beispielsweise wurde im Winter vorgenommen, wo diese schwerlich zu finden sind! Mehr zu diesem Thema finden Sie in meinem Beitrag ‘Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce’. Aber Elon Musk ist gewohnt, dass alle nach seiner Pfeife tanzen und war ganz überrascht, dass ihm die US-Börsenaufsicht mehrfach in die Quere kam, wenn er sich nicht an die Regeln hielt. Daher rührt vielleicht auch sein Lob „die chinesische Regierung (sei) für die Menschen in China sehr zugänglich.“ So können sich Trump, Putin und Xi um den Hals fallen und dabei auf den anderen Staaten herumtrampeln.
Die USA haben bisher die Fackel der Freiheit getragen, daran nimmt sich Donald Trump leider kein Vorbild. (Bild: Ulsamer)
Europäische Kräfte bündeln
Mit seiner brüsken Zurückweisung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat US-Präsident Trump eindeutig klargemacht, dass er nur mit Jasagern auf der Couch sitzen möchte, die notfalls die Interessen des eigenen Landes verleugnen sollen. Vizepräsident Vance sekundierte, wie zu erwarten, im Weißen Haus, nachdem er bei der Münchner Sicherheitskonferenz zum Rundumschlag gegen Europa ausgeholt hatte. Manche Kritik mag stimmen, denn Deutschland und die anderen europäischen Staaten haben sich zu lange auf den Schutz der USA verlassen. Europa hat die Kraft, militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich aufzuholen, und dies ist dringend erforderlich. Die Politik in Deutschland und Europa muss endlich damit beginnen, die Verteidigungs- und Rüstungskapazitäten auszubauen, auch wenn das Geld kostet. Ein Sondervermögen – sprich ‘Sonderschulden’ – hier und da wird nicht ausreichen, wir müssen auch alle Budgets im Bund, den Ländern und den Kommunen durchforsten, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Nicht jedes Projekt – sei es eine Verdopplung des Bundeskanzleramts oder eine Sanierung der Stuttgarter Oper mit Milliardenkosten – ist in diesen Dimensionen richtig. Bei jeder Schuldenaufnahme haben wir an die nachwachsenden Generationen zu denken, die die Zinslasten zu tragen haben. Wir müssen Frieden und Freiheit verteidigen und dazu gehört eine effektivere Unterstützung der Ukraine, die für unsere Werte und unseren Lebensstil kämpft. Mit Trump & Co. ist eine gedeihliche Zusammenarbeit kaum zu erwarten, dennoch muss die deutsche bzw. europäische Politik weiterhin versuchen, seine Regierung einzubinden. Zumindest sollte es gelingen, Trump zu bremsen, wenn er die freiheitlichen Werte des Westens zu zermalmen droht und eine neue Weltordnung mit diktatorischen Regimen zu errichten versucht. Es stehen Europa und unserem Land, das seit der Nachkriegszeit auf enge Bindungen zu den USA setzt, unruhige Zeiten bevor, doch hilft uns nur engagiertes und gemeinsames Handeln. Hoffentlich erkennt dies die neue Bundesregierung – vermutlich unter Friedrich Merz – und schließt sich enger mit Frankreich, Polen, Großbritannien, Italien und den anderen europäischen und weltweiten Partnern zusammen. Putin, Xi und Trump verstehen Nachgiebigkeit als Schwäche, die sie ausnützen. Wir müssen in Europa zusammenarbeiten, statt uns in immer mehr EU-Bürokratie zu verstricken. Die Zeit des Klein-Kleins und einer Verordnungsflut ist vorbei, wir müssen die innovativen europäischen Kräfte entfalten, nur dann können sich die Regierungschefs getrost zu Trump und Vance auf die Couch setzen!
Seit über 30 Jahren fahren wir regelmäßig mit Fähren nach Irland. Mal vom französischen Roscoff oder Cherbourg aus oder von den walisischen Häfen Holyhead und Fishguard bzw. von Cairnryan in Schottland. Und wenn es über England geht, dann kommen häufig noch Fährverbindungen über den Ärmelkanal oder auch von Amsterdam nach Newcastle hinzu. Dabei sind und waren wir uns immer bewusst, dass eine Nutzung dieser Fähren – zumindest überwiegend – eher einer Fahrt mit dem ÖPNV gleicht als einer gehobenen Schiffspassage. Ein echter Konkurrenzdruck fehlt, denn nicht wenige Strecken bedient nur ein Anbieter oder zwei Fährgesellschaften scheinen sich auf zweifelhafte Servicestandards geeinigt zu haben. Bei so mancher Fährverbindung ist das Ankommen wohl bereits die eigentliche Leistung, die man sich ganz ordentlich bezahlen lässt. Da findet sich die Verpackung eines vom Vorgänger gemampften Riegels eingeklemmt in der Koje. Gelenkig wie man noch ist, musste ich bei DFDS nach Newcastle über die Mittelkonsole des Autos mit der Schaltung auf die Beifahrerseite klettern, um dort auszusteigen, weil die Fahrzeuge extrem eng an die Wand gepackt wurden! Oder man bezahlt für eine Leistung, die gar nicht erbracht wird, so jüngst bei einer Reise mit der Stena Line von Rosslare nach Cherbourg geschehen. Mal kommt man sich wie in einer Spielhalle mit zahllosen Automaten vor, mal ist man froh, wenn man bei Sonne draußen sitzen kann und sich die Enge im Schiffsinneren erspart. Würden Hoteliers ihre Häuser so führen wie manche Fähre über die Meere schippert, dann wären sie schnell pleite.
Was haben Spielautomaten auf Fähren – wie der Stena Vision – zu suchen, die häufig von ganzen Schulklassen oder Jugendgruppen genutzt werden? Diese Frage hat sich mir bereits auf anderen Schiffen gestellt. ‚Ulysses: Spielhalle auf großer Fahrt. Irish Ferries und ein spezielles Family Entertainment‘. Gerade bei unserer Überfahrt mit der Stena Vision überwogen Schulkinder unter den Passagieren. (Bild: Ulsamer)
Kritik trifft auf taube Ohren
Im Grunde waren wir gewarnt, als wir Stena wählten, um von Irland nach Frankreich zu reisen, denn diese schwedische Fährgesellschaft bringt es auf ziemlich unterirische Bewertungen, so reichte es bei ‚Trustpilot‘ (Stand: 22. November 2024) nur zu 2,6 von 5 Sternen, und sage und schreibe 47 % der Bewerter haben überhaupt nur einen Stern vergeben. So mancher hätte am liebsten gar keinen Stern markiert, doch das geht im System nicht. Bei ‚Tripadvisor‘ reichte es immerhin zu 3,5 von 5 Punkten. Bei ‚HolidayCheck‘ vergaben die Reisenden 2,6 von 6 Punkten. Das sind keine verlockenden Reviews, und ganz bestimmt würden wir bei entsprechenden Kritiken nie in ein solchermaßen beurteiltes B&B oder ein Hotel einchecken. Bei Fähren hat man aber meist keine Wahl, und die Fährverbindung vom irischen Rosslare ins französische Cherbourg reizte uns, da wir noch das eine oder andere Ziel in der Normandie ansteuern wollten. So buchten wir für den 17. April 2024 eine Überfahrt mit der ‚Stena Vision‘.
Trotz der nicht überzeugenden Performance von Stena buchten wir für den 10. September 2024 nochmals die Passage vom irischen Rosslare ins französische Cherbourg. Steil ging es mit unserem Auto aufs oberste Deck, und dort gab’s viel frische Luft für unseren fahrbaren Untersatz. Zum ersten Mal in den zurückliegenden Jahrzehnten fanden sich Fahrzeug und Passagiere auf dem gleichen Deck: Meine Frau und ich hatten zumindest ein Dach über dem Kopf und konnten durch unser Fenster die Wellen beobachten, die sich von ‚moderate to rough‘ aufbäumten. Unser Auto wies nach der Überfahrt eine komplette Salzschicht auf und brauchte erst mal eine ‚Dusche‘. Die ‚Stena Horizon‘ ist zwar jünger als die ‚Stena Vision‘, denn sie befuhr erst ab 2006 als ‚Cartour Beta‘ das Mittelmeer und wurde dann zur ‚‘Celtic Horizon‘. Der Horizont ist weit, gerade auf den Ozeanen, doch eine Fähre, die in der Irischen See unterwegs ist mit Fahrzeugen auf dem offenen Deck, das ist ganz schön mutig. Eigentlich würde man da einen Gutschein für die nächstgelegene Waschanlage erwarten. (Bild: Ulsamer)
Über Visionen kann man trefflich streiten, aber das ganze Schiff mutete eher wie von vorgestern an, ganz bestimmt nicht wie eine maritime Zukunftsvision und das ist auch kein Wunder, denn die Fähre wurde bereits 1981 auf einer Werft im polnischen Gdynia (Gdingen) auf Kiel gelegt. Nicht das Alter des Schiffs war allerdings das Problem, sondern der Verkauf einer Leistung, die nicht erbracht wurde. Deshalb schrieb ich am 22. April 2024 an das Stena-Servicecenter: Bei Stena hat uns diesmal überrascht, dass uns eine Leistung angeboten und verkauft wurde, die dann nicht erbracht wurde. Bei unserer Buchung hieß es: „Abendbuffet inkl. Bier, Tischwein u. Softdrinks“. Auf unseren Hinweis an die Mitarbeiter bei der Essensausgabe auf die eingepreisten Getränke folgte ein sehr freundliches Gespräch mit dem zuständigen Manager. Er kannte das Problem, dass auf der deutschen Internet-Seite auf Getränke verwiesen würde, die im Preis eingeschlossen seien, doch dieses Leistungsversprechen konnte an Bord nicht erfüllt werden. Es liege keine Schankgenehmigung in irischen Gewässern vor. Kein Problem, denn das Essen schmeckte nicht nur zahlreichen Schulklassen, die das Büfett stürmten, sondern auch uns. Ich erkundigte mich nach der Rückkehr bei Stena, warum Leistungen verkauft werden, die nicht erbracht werden können. Nachdem eine Antwort ausblieb, erinnerte ich per Mail an die Beschwerde. Ebenfalls keine Antwort. Stena verwies vorbeugend darauf, dass „Die Beantwortung von Reklamationen … aktuell bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen“ kann. Vielleicht werden bei Stena auch Wochen und Monate verwechselt. Wer weiß! Oder liegt es daran, dass das 1981 auf Kiel gelegte Schiff erst Ende 1986 fertiggestellt wurde? Da werden sich wohl nicht seit dem verspäteten Stapellauf alle Zeiten verschoben haben? Aber Spaß beiseite: Am 23. Oktober 2024 schrieb ich an den Geschäftsführer der deutschen Stena Line GmbH, Mikko Juelich. Und was geschah? Vier Wochen nichts! Doch dann trudelte eine Mail ein, in der schlichtweg erklärt wurde, man habe eine neue Buchung übermittelt und damit sei es wohl auch gut. Dass die angehenden Passagiere auf einer mehrmonatigen Reise sind, das wird nicht ins Kalkül gezogen, und mit Sicherheit lese ich bei Buchungshinweisen nur, ob Tag, Uhrzeit und Hafen noch stimmen. Denn man weiß ja nie. Sieben Monate für eine solche Antwort sind reichlich lang, aber Schwamm drüber. Nicht ganz passend ist es, dass der Gesamtpreis der Überfahrt der gleiche geblieben war, obwohl in der nachgereichten Buchung die Kosten für das Abendessen reduziert worden waren, worauf Lutz Lippmann, Travel Contact Center Agent der Stena Line, mit einem roten Strich hingewiesen hatte. Leider hat er die Zeile darüber nicht zusätzlich markiert, denn dort kostete das Frühstück für zwei Personen plötzlich statt 30 nun 36 Euro. Was für ein Zufall! Damit war diese schräge Geschichte aber noch nicht zu Ende. Kommentarlos wurden am 27. November über die Kreditkarte sechs Euro rückerstattet, um die sich der Preis fürs Abendessen reduziert hatte. Diesen Betrag nachträglich beim Frühstück aufzuschlagen, dies war als Trickserei wohl doch zu durchsichtig. Eine kleine und zeitnahe Entschuldigung hätte gereicht, doch bei Stena geht man lieber den umständlichen Weg. Ich bin zwar nicht pingelig, und der Betrag ist minimal, doch so sollte man mit Kunden nicht umspringen. Deshalb wundern mich die miesen Bewertungen, die zuhauf für Fahrten mit Stena abgegeben werden, nicht im Geringsten. Mich persönlich würden negative Kritiken stören, bei Stena sehen das manche Mitarbeiter und wohl auch die Eigentümer anders.
Wenn wir zwei Monate in Irland verbringen können, dann benutzen wir Fähren, denn Fliegen erscheint uns ökologisch noch fragwürdiger und die An- und Abreise lässt sich mit historisch oder kulturell interessanten Örtlichkeiten verbinden. Dicke Qualmwolken – wie hier bei Brittany Ferries von Roscoff nach Cork– sollten allerdings der Vergangenheit angehören (Bild: Ulsamer)
Fehlender Wettbewerb
Fehler können überall passieren, das weiß ich aus meiner eigenen jahrzehntelangen Erfahrung in einem Ministerium und in der Industrie, doch dann sollte man als Unternehmen schnell reagieren und sich zumindest entschuldigen und den Ausgleichsbetrag für die nächste Reise gutschreiben. Dass Deutschland und weite Teile Europas häufig als eine Servicewüste bezeichnet werden, das wundert mich nach den Erfahrungen mit Stena und anderen Fährunternehmen nicht. Die soziale und ökologische Marktwirtschaft kann in unserer wettbewerbsintensiven Welt nur bestehen, wenn Unternehmen nicht allein die eigene Kasse klingeln hören wollen, sondern die Kunden als Partner betrachten! Verwunderlich ist es, dass die EU-Kommission seit Jahren die Automobilindustrie mit ständig neuen Anforderungen am Gängelband durch die Manege führen will, doch bei Fähren darf es aus den Kaminen qualmen. Natürlich kommen technologische Neuerungen bei Fähren wegen der langen Nutzungszeit zögerlicher voran als beim Pkw, das steht außer Frage, aber es reicht nicht, wenn man – wie bei Stena – „Connecting Europe for a Sustainable Future“ auf den weißen Schiffsbauch pinselt. Nachhaltigkeit habe ich mir anders vorgestellt, und diese Kritik gilt gleichermaßen für andere Fährunternehmen.
Auf der Strecke Calais-Dover hat sich nach unserer Meinung durch den Konkurrenzdruck der Service verbessert. Dazu trägt auch die Zugverbindung unter dem Ärmelkanal bei. (Bild: Ulsamer)
In weiten touristischen Bereichen und so auch bei Fahrten über den Ärmelkanal hat sich nach unseren Erfahrungen das Angebot in den letzten Jahrzehnten eher verbessert, denn dort ist der Konkurrenzdruck über und unter Wasser – Kanaltunnel – erheblich. Und Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft! Für Fähren, die nach Irland fahren, scheint das offensichtlich eher nicht zu gelten. Dies ist in technischer Sicht nicht verwunderlich, denn so manche Fähre befuhr erst das Mittelmeer oder verkehrte zu nordeuropäischen Destinationen, um dann auf ihre alten Tage nach Irland eingesetzt zu werden. Hier gab es auch früher schon negative Ausreißer, denn die bereits vor Jahren eingestellte Fähre, die zwischen dem walisischen Swansea und Cork in der Republik Irland pendelte, war so betagt, dass sich vor dem Internetzeitalter das Reisebüro weigerte, Tickets zu verkaufen mit der Begründung: „Da hört man es ja rosten.“
Eine gebrochene Reling bei der Stena Vision, die vor sich hin vibrierte, ist sicherlich kein Alarmsignal, aber irgendwie passt sie zur mangelnden Kundenfreundlichkeit bei Stena. (Bild: Ulsamer)
Bei zahlreichen Ladeabläufen in den vergangenen Jahrzehnten hatte ich bei unterschiedlichen Fährgesellschaften den Eindruck, dass bei jeder Fahrt Neulinge am Werk waren, und dies am wenigsten in Calais oder Dover bzw. Cairnryan (P&O). Dort spielt der Faktor Zeit wohl eine größere Rolle als bei den Fähren, die über eine längere Distanz unterwegs sind. Manches Mal müssen Fahrzeuge unmittelbar an die Wand geparkt werden, dass man beispielsweise bei DFDS auf der Fahrt von Amsterdam nach Newcastle das Vergnügen hat, über die Mittelkonsole zu klettern und durch die Beifahrertür auszusteigen. Bei Stena ging es auf der ‚Horizon‘ mit dem Auto steil aufs Oberdeck, dann im Rückwärtsgang in die Parkbucht. Und so konnte unser Fahrzeug auf dem gleichen Deck mit uns parken, immerhin hatten wir zumindest ein Dach über dem Kopf. Bei jeder Verladung verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass Touristen im Zeitalter von Billigfliegern eine beständig kleinere Rolle spielen und es im Grunde um Lkw oder deren Aufleger geht. Speditionen bringen eben rund ums Jahr Geschäft für die Fährgesellschaften. So müssen sich die Pkw-Gäste an Lkw auf dem Weg zum Aufgang vorbeidrücken.
Kritik halte ich für wichtig, wenn der Service nicht stimmt, doch stets gibt’s auch solche Momente bei einer Überfahrt. (Bild: Ulsamer)
Überfahrt als erträgliches Übel
Irish Ferries gibt sich zwar gerne als ‚echt‘ irische Fährgesellschaft zu erkennen, doch seit 2005 fahren die Schiffe unter zypriotischer Flagge und damit einher ging die Anwerbung von preisgünstigerem Personal aus Asien oder Nordeuropa. Die anderen Fährgesellschaften eiferten nach, und so kann man nur hoffen, dass im Ernstfall an Bord kein babylonisches Sprachgewirr entsteht. Da ich in der Automobilindustrie tätig war, bin ich mir bewusst, dass zumeist kein Fahrzeug ohne Mitarbeiter mit Migrationshintergrund fertiggestellt würde, doch die Kommunikation erschien mir trotz Sprachbarrieren flüssiger als auf vielen Fährschiffen. Einem Verwirrspiel gleichen die Namenswechsel bei Irish Ferries & Co. Manchmal haben wir den Eindruck, die Fährschiffe würden an einer Tauschbörse weitergereicht. So hat die ‚Oscar Wilde‘ von 2007-2013 nichts mit dem gleichnamigen Schiff zu tun, das 2003 unterwegs war bzw. seit 2004 die Strecke Calais-Dover bedient, wobei es sich wieder um ein anderes Schiff handelt. Aber auch zahlreiche weitere Fährschiffe sind für unterschiedlichste Eigner unter wechselnden Flaggen unterwegs. Im Grunde wäre das positiv, wenn sich bei den Fähren jeweils ein Aufwärtstrend bei Qualität und Service erkennen ließe. Irgendwie passend, dies nur nebenbei bemerkt, beherbergte die ehemalige ‚Oscar Wilde‘, die vom neuen Eigner Mediterranean Shipping Company (MSC) den Namen ‚GNV Allegra‘ verpasst bekam, Migranten, die an der italienischen Küste anlandeten. Oscar Wilde suchte – wegen Homosexualität verfolgt – in Paris Zuflucht, wo er als Migrant 1900 verarmt starb. Inzwischen pendelt die ‚Ex-Oscar-Wilde‘ zwischen Barcelona und dem größten Naturhafen Europas auf Menorca, dem Port de Maó.
Speditionen bringen – wie hier im irischen Rosslare Harbour – ganzjährig Ladung für die Fährgesellschaften und Touristen schwerpunktmäßig nur über wenige Monate, daher lässt der Service für letztere Gruppe wohl auch zu wünschen übrig.
Es ist ernüchternd, aber alles Meckern über mangelnde Leistungen von Fährgesellschaften nutzt wenig, denn wenn man ein bestimmtes Ziel im Vereinigten Königreich oder in der Republik Irland erreichen möchte, dann muss man – trotz schlechter Bewertungen und eigener Erlebnisse – mitfahren! So gesehen haben es Fährunternehmen besser als Automobilverkäufer oder der Bäcker gegenüber, denn es gibt in deren Umfeld reichlich Konkurrenz. Der mangelnde Wettbewerb bei verschiedenen Strecken, die auf dem Weg nach Irland nützlich sein können, führt leider häufig zu einem spärlichen Service. Die Mängel scheinen bereits einkalkuliert zu sein, denn sie sind vom Ausmaß her so, dass man sich aufregt, vielleicht eine negative Bewertung im Internet abgibt, aber auf den Weg zum Anwalt verzichtet. Und mangels Alternativen geht man wieder an Bord einer Fähre, obwohl man bei der letzten Fahrt unzufrieden war. Eigentlich ist es schade, dass nicht auch die Überfahrt, sondern nur die historischen und kulturellen Ziele bei der An- und Weiterreise die schönen Momente ergeben.
Der Ärger über Unzulänglichkeiten an Bord der einen oder anderen Fähre verfliegt schnell, wenn sich der blaue Himmel über eine solche ‚Kulisse‘ spannt. Das Städtchen Cobh bei Cork hat sich seinen Charme erhalten. Hier machte die ‚Titanic‘ Station, ehe sie Kurs auf New York City nahm und bei der Jungfernfahrt von einem Eisberg versenkt wurde. Nicht die Natur wurde dem Schiff und seinen Passagieren zum Verhängnis, sondern die menschliche Hybris. Die als unsinkbar geltende ‚Titanic‘ jagte mit Höchstgeschwindigkeit dem ‚Blauen Band‘ hinterher, das bei einer Rekordfahrt über den Atlantik winkte. In Cobh erinnert ein ‚Titanic Trail‘ an die ‚Titanic‘, aber auch an die ‚Lusitania‘, die im Ersten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot versenkt wurde. Wer über das nordirische Belfast anreist, der sollte einen Besuch von ‚Titanic Belfast‘ einplanen, einem Museum, in dem nicht nur das Schiff, sondern auch sein Bau, sowie das soziale Umfeld der Werftarbeiter erlebbar werden. Die Werft Harland & Wolff beschäftigte in ihren Hochzeiten 30 000 Mitarbeiter und baute u. a. die ‚Titanic‘. In ‚Nordirland: Wenn Samson und Goliath in die Knie gehen. Die Titanic-Werft in Belfast ist pleite‘ finden Sie weitere Informationen. Der Name der Werft ‚Harland & Wolff‘ lebt nach der Insolvenz 2019 in einer neuen Konstellation weiter, wobei es sich um unterschiedliche maritime Dienstleistungen dreht. (Bild: Ulsamer)
Bei mancher Fahrt mit einer Fähre bringt mich das Serviceangebot ins Grübeln, doch zum Glück gib es in den Häfen oder auch auf dem Meer meist etwas zu entdecken. So z. B. die ‚MPI Adventure‘ im nordirischen Hafen Larne. Mit der ‚MPI Adventure‘, die letztendlich dem holländischen Familienunternehmen Van Oord gehört, können Bauteile für Windparks transportiert und die Fundamente bzw. Windturbinen installiert werden. Mehr zur Entwicklung der Windkraft auf See lesen Sie in meinem Beitrag ‚Schottland – vom Öl zum Wind. Wandlungsfähiger Energieproduzent im Norden Europas‘. (Bild: Ulsamer)
Eine knappe Autostunde vom Fährhafen Roscoff in der Bretagne entfernt liegt eine imposante jungsteinzeitliche Grabanlage, der Cairn von Barnenez. Wenn schon die Be- und Entladung der Fahrzeuge bei Fähren nach Irland im Ablauf zu wünschen übriglässt und der gesamte Service häufig nicht unserer Zeit entspricht, so bieten sich zahlreiche historische Orte bei der An- und Abreise für einen Abstecher an. Beispielsweise dieser: Von seiner Dimension und Lage her ist der Cairn von Barnenez ein beeindruckendes Hügelgrab. Die sesshaft gewordenen Menschen der Jungsteinzeit schufen vor rd. 6 500 Jahren eine der ältesten Megalithanlagen. Der ältere Cairn dürfte um 4 800 bis 4 500 v. Chr. errichtet worden sein, die jüngere Erweiterung einige Jahrhunderte später. Die 75 m lange, bis zu 28 Meter breite und acht Meter hohe Gesamtkonstruktion liegt auf einer heute zum Meer hin abfallenden Fläche, zur Bauzeit lag der Meeresspiegel deutlich niedriger. Mehr zu diesem Thema finden Sie in ‚Bretagne: Die jungsteinzeitliche Hochkultur der Hügelgräber. Wird die europäische Frühgeschichte unterschätzt?‘ (Bild: Ulsamer)
So wird das nichts mit dem Ausstieg auf der Fahrerseite. Bei der Fahrt mit DFDS-Seaways von Amsterdam nach Newcastle mussten die Fahrzeuge derart eng eingeparkt werden, dass man seine Kletterkünste beweisen konnte. (Bild: Ulsamer)
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Die schwedische Stena Line ist eines der größten Fährunternehmen der Welt und steht nicht nur nach meiner Meinung mit dem Kundenservice auf Kriegsfuß, was sich bei einem Blick in verschiedene Bewertungsportale erkennen lässt. Zwei Fährschiffe der Stena Line im irischen Hafen Rosslare. (Bild: Ulsamer)
Wandlungsfähiger Energieproduzent im Norden Europas
Die Schotten haben so manches in ihrer Geschichte erlebt: mal wurden die Kleinbauern von den englischen Landherrn vertrieben, um Platz für großflächige Schafzucht zu schaffen, dann setzte ihnen die Londoner Zentralregierung einen Schnellen Brüter an die Nordküste, ihr schwankender Wunsch nach Unabhängigkeit wurde in Zeiten des Ölbooms abgeschmettert, doch die Schotten griffen immer wieder wirtschaftlich interessante Zukunftschancen auf. Mögen die Öl- und Gasquellen vor der schottischen Ostküste auch versiegen oder fossile Energieträger nicht mehr in die Zeit des Klimawandels passen, der Naturraum bietet wieder neue Perspektiven: statt Öl und Gas kommt zunehmend Windstrom aus dem Norden der britischen Hauptinsel. Die Bevölkerung ist gewachsen, allein dies ist für zahlreiche Schotten eine Trendumkehr, denn weite Regionen – gerade in den Highlands – waren entvölkert worden: viele Menschen sahen ihre einzige Chance in der Auswanderung nach Amerika. Bei unserer jüngsten Reise nach Schottland sprangen die Neubauviertel auch in ländlichen Kommunen ebenso ins Auge wie die Hinwendung zu regenerativen Energien. In Häfen, in denen ab den späten 1970er Jahren die Versorgungsschiffe für die Ölplattformen überwogen, lagern zunehmend Bauteile für Windkraftanlagen und ankern Spezialschiffe für die Errichtung der Offshore-Windparks. Nun ist das halbe Jahrhundert unserer Besuche in Schottland fast voll und die Veränderungen in fünf Jahrzehnten sind interessant, wobei gerade der fließende Übergang von einer Form der Energiegewinnung zur nächsten beachtlich ist. Daneben ist Platz geblieben für Tourismus, Landwirtschaft, Fischfang, Lachszucht, Whisky und viel Natur.
Ohne Windkraft kann aus derzeitiger Sicht die Energiewende nicht gelingen, doch sollten wir an Land und auf dem Meer achtsam mit der Natur umgehen. Regenerative Energie ist von zentraler Bedeutung, um den Klimawandel zumindest zu bremsen, doch dies darf nicht zu Lasten der Meerestiere oder überfliegender Vögel gehen und die Artenvielfalt weiter bedrohen. Mehr dazu in: ‚UN-Hochseeschutzabkommen: Leerformel oder konkreter Fortschritt? Die Zerstörung der Ozeane muss gestoppt werden!‘ (Bild: Ulsamer)
Zukunftsfähiges Stromnetz
Auffällig war bei unserem jetzigen Besuch, mit welchem Tempo die Verbesserung der Stromtrassen angegangen wird, die die Energie aus den Windparks in der Nordsee nach England transportieren sollen. Deutsche Planer würden sofort die Hand abwehrend heben und betonen, weite Leitungssektoren könnten im Meer verlegt werden und da gäbe es weniger Einsprüche als bei deutschen Südlink-Aktivitäten. Das erinnert ein wenig daran, dass Vertreter der Bundesregierung bei der Fahrt durch den Gotthardt-Basistunnel meinten, so ein Bahntunnel lasse sich leichter unter den Alpen hindurch buddeln als die Zulaufstrecken in deutschen Landen fertigstellen. Faule Ausreden – zum Fremdschämen – gibt es leider in unserem Land mehr als genügend, wenn es schleppend mit dem Ausbau der Infrastruktur vorangeht, doch Ausflüchte tragen nur dazu bei, dass Deutschland wirtschaftlich und technologisch zurückfällt. Nun aber wieder zurück nach Schottland und zwar nach Boddam bei Peterhead. Dort werden gewissermaßen in Sichtweite eines 1 180-MW-Gaskraftwerks die Konverter für die Umsetzung der Windenergie in Gleichstrom errichtet, da sich dieser verlustärmer über den ‚Eastern Green Link‘ rd. 500 km nach Drax ins englische North Yorkshire transportieren lässt. Das Leitungssystem ist auf zwei Gigawatt ausgelegt und soll den Strom für zwei Millionen Haushalte übertragen. Das Vereinigte Königreich und Deutschland haben ein ähnliches Problem, denn der Strom lässt sich in großen Mengen dort produzieren, wo wenig Bedarf ist, und daher müssen entsprechende Verbindungen in die Ballungszentren aufgebaut werden. Der ‚Eastern Green Link‘ wird 69 km über Land und 436 km unterseeisch verlaufen, wobei das Kabel dort zahlreiche Pipelines und andere Verbindungen von und zu den Ölplattformen in der Nordsee queren muss.
Die Öl- und Gasfunde in der Nordsee brachten Schottland wirtschaftliche Vorteile und den Aufbau von Know-how, das nun teilweise beim Bau von Windparks von Vorteil ist. „Die ölbedingten Veränderungen in der Kulturlandschaft der schottischen Ostküste haben einige negative Auswirkungen mit sich gebracht, doch die beachtlichen positiven Entwicklungen müssen erkannt, weiter ausgebaut und für die Zukunft bewahrt werden“, schrieb meine Frau – Cordula Ulsamer – 1980 in der ‚Geographischen Rundschau‘. Es scheint in den letzten Jahrzehnten gelungen zu sein, die Vorteile für Schottland und das gesamte Vereinigte Königreich zu nutzen, ohne die Natur – vor Ort – zu sehr zu beeinträchtigen. Natürlich sind wir uns alle heute bewusster als noch vor einem halben Jahrhundert, dass wir auf regenerative Energiequellen umschwenken müssen, und genau dies erfolgt in Schottland. Dass sich das Ölzeitalter in Schottland dem Ende zuneigt, das lässt sich auf den leerstehenden Plattformwerften erkennen. (Bild: Ulsamer)
Die Eindrücke aus unseren Besuchen in Schottland im Zeitraum 1974 bis Ende der 1980er Jahre haben sich in einem 500-seitigen Buch niedergeschlagen, das einen Reiseführer zu historischen Orten und Zentren der Ölindustrie ebenso umfasst wie Kapitel zur englischen und schottischen Politik. Unser 1991 erschienenes Buch ‚Schottland, das Nordseeöl und die britische Wirtschaft. Eine Reise zum Rande Europas‘ ist nur noch antiquarisch erhältlich. Im Mittelpunkt standen bei unseren damaligen Recherchen die Auswirkungen der Offshore-Ölförderung auf das Festland. Fischerboote wurden damals aus manchen Häfen verdrängt, denn es wurde Platz gebraucht für die Versorgungsschiffe, die Material zu den Plattformen brachten. In Aberdeen entstand aus einem kleinen Regionalflughafen eine Drehscheibe für Helikopter, die die Mitarbeiter zu den Bohrinseln flogen. Aberdeen beherbergt seit 1988 den größten kommerziellen Heliport der Welt. 1967 hob der erste Helikopter in Aberdeen ab, um sich auf den Weg zu einer Ölplattform zu machen. Heute verzeichnen die Heliports in Aberdeen jährlich 35 000 Starts und Landungen von Hubschraubern, nach Spitzenzeiten mit 40 000 Flügen. Helikoptern kommt auch bei der Wartung von Windkraftanlagen im Meer eine große Bedeutung zu, so lässt sich das bisher gewonnene Know-how weiterhin einsetzen. Die Ölindustrie zog in ihren Boomjahren zahlreiche Arbeitskräfte an – aus Schottland und England, aber auch weit darüber hinaus.
Peterhead ist der größte Fischereihafen im Vereinigten Königreich, sowohl die angelandete Menge an Fisch bzw. deren Wert betreffend. Im Jahr 2022 wurden 155 000 Tonnen Fisch über den Hafen umgeschlagen. Möwen sind eifrige Helferinnen bei der Reinigung der Netze. Auf die Überfischung unserer Ozeane bin ich in meinem Blog bereits mehrfach eingegangen und auch auf die Bedrohung einzelner Arten, so z. B. auf den Riesenhai, dessen Population sich in den zurückliegenden 100 Jahren um 80 % verringert hat: ‚Der Riesenhai – ein friedlicher Koloss. Mikroplastik statt Plankton landet zwischen den Kiemen‘. (Bild: Ulsamer)
Wie gefährlich einträgliche Jobs in der Ölindustrie sein können, mussten wir erfahren, als in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 1988 Explosionen die Bohrinsel ‚Piper Alpha‘ – 170 km nordöstlich von Aberdeen – erschütterten und 167 Menschen das Leben kosteten. Als uns diese Nachricht die Landlady in unserem B&B am nächsten Morgen überbrachte, bekamen die Recherchen für unser Buch einen bitteren Beigeschmack. Die Öl- und Gasförderung wurde trotz aller Risiken – für Mensch und Umwelt – zu einem wichtigen Standbein der schottischen Wirtschaft, obwohl die Zentralen der Ölunternehmen nicht in Aberdeen oder einer anderen schottischen Stadt residierten. Mit dem Ölboom kamen Beschäftigte mit entsprechenden Qualifikationen nach Schottland, denn lokal hätte sich der Arbeitskräftebedarf nicht decken lassen. Ganze Siedlungen wurden hochgezogen – wie z.B. die Holzhäuser in Cruden Bay -, um die Zuwanderer unterbringen zu können. Bis heute haben Serviceleistungen mit Bezug zur Öl- und Gasförderung in Häfen wie Aberdeen oder Peterhead große Bedeutung, doch viele Aspekte deuten darauf hin, dass die Chancen der Windkraft aufgegriffen werden. So ließe sich zumindest teilweise der rückläufige Bedarf an Beschäftigten in der Öl- und Gasindustrie ausgleichen. In der britischen Offshore-Ölindustrie sind rd. 200 000 Mitarbeiter beschäftigt.
Der Hafen Aberdeens hat in besonderer Weise von der Suche nach Öl und Gas in der Nordsee profitiert. Von der schottischen Ölhauptstadt stechen zahlreiche Schiffe in See, um die Plattformen mit Material zu versorgen. Das Ölzeitalter begann für Aberdeen bereits zu Beginn der 1960er Jahre, als Schiffe für seismische Untersuchungen von dort aus ihre Forschungsaktivitäten starteten. Die ersten beiden großen Ölfunde in der Nordsee, die Felder ‚Montrose‘ (1969) und ‚Forties‘ (1970) brachten Aberdeen dann den Aufschwung. Die Fischerei ging bereits in den 1980er Jahren deutlich zurück und verlagerte sich z. B. nach Peterhead. Dies war jedoch insbesondere eine Folge des Gewerkschaftseinflusses, der das Entladen der Trawler in Aberdeen deutlich teurer machte als in Peterhead. (Bild: Ulsamer)
Never put all eggs in one basket
Bereist man die schottische Ostküste, dann zeigt es sich, dass es kaum gelungen ist, produzierende Industrieunternehmen oder Dienstleister anzusiedeln, die nicht mit den vorhandenen Schwerpunkten – wie früher Fischfang, jetzt Öl- und Gasförderung – verbunden sind. Eine echte Diversifikation wurde immer wieder versucht, doch weitgehend vergeblich. Daher ist es wirtschaftlich betrachtet wichtig, die vorhandenen Qualifikationen möglichst ohne Brüche für die Windenergie einzusetzen. Ausflüge in andere Geschäftsfelder schlugen meist fehlt, so z. B. die in Invergordon errichtete Aluminiumhütte der British Aluminium Company. Bereits in den 1940er Jahren wurde Invergordon als möglicher Kristallisationspunkt für größere industrielle Ansiedlungen betrachtet, doch erst 1971 nahm die von Königin Elizabeth II. eingeweihte Aluminiumhütte ihre Produktion auf. 400 Mio. Pfund entpuppten sich allerdings als schlechtes Investment, denn der preisgünstige Strom aus dem Kernkraftwerk Hunterston ‚B‘ in North Ayrshire an der schottischen Westküste ließ auf sich warten. Schon ein Jahrzehnt später wurde dieser Industrialisierungsversuch aufgegeben: 900 Mitarbeiter der Aluminiumhütte und 700 Beschäftigte bei Zulieferern und in Servicebetrieben hatten ihren Job verloren. „Die wie eine metallen glänzende Trutzburg gegen Arbeitslosigkeit und Unterentwicklung geplante und gebaute Aluminiumhütte von Invergordon stellt sich heute dem Besucher als industrielle Ruine dar“, schrieben meine Frau und ich in unserem oben angeführten Buch. Nur noch ein langer Steg erinnert in der Bucht an das Förderband für die Bauxit-Anlandung. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher war in ihrer Amtszeit von 1979 bis 1990 wenig geneigt, strauchelnde Unternehmen – ob Aluminiumhütte oder Bergwerk – mit Steuergeldern über Wasser zu halten, dies zeigte sie auch beim Zinnbergbau in Cornwall. Weitere Infos finden Sie in meinem Artikel ‚Cornwall: Die Burgen des Zinnzeitalters. Vom Industriestandort zum Eldorado für Touristen‘. Im Grunde macht es volkswirtschaftlich keinen Sinn, Betriebe zu erhalten, die nicht aus eigener Wirtschaftsleistung leben können, dies wird leider in unseren Tagen immer wieder vergessen. Man kann nur hoffen, dass sich der Staatseinstieg bei der Meyer Werft in Papenburg durch die inzwischen zerbrochene Bundesregierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen nicht zu einem Fass ohne Boden entwickelt. Mehr zu diesem Thema finden Sie in meinem Beitrag ‚Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän. Übernahme der Meyer Werft ist ein wirtschaftspolitischer Irrweg‘. Nur wenige staatliche Fördermaßnahmen für Fabriken, die regionalpolitisch auf den ersten Blick interessant erscheinen, sind auf Dauer wirtschaftlich tragfähig. In Invergordon, wo die Schiffe einst Bauxit anlandeten, machen in unseren Tagen während der Saison fast täglich Kreuzfahrtschiffe fest, deren Passagiere per Bus das Cawdor Castle oder das Loch Ness besuchen. Nessi ist eben immer jung und anziehend geblieben und schlägt daher so manches kurzlebige Projekt, das nur mit Steuergeldern aufblühen konnte und dann schnell verwelkt.
Im Süden des bisherigen Hafens entstand bei Aberdeen ein zusätzliches Hafenbecken für 400 Mio. Pfund. Hier finden weitere Versorgungs- und Spezialschiffe für Offshore-Aktivitäten einen Anlegeplatz, aber es bietet auch Platz für größere Kreuzfahrtschiffe. Zu sehen sind die MPV Everest (links), die Unterkünfte für 140 Mitarbeiter bietet und bei Baumaßnahmen im Offshore-Bereich zum Einsatz kommt, und die Boka Polaris, die u. a. Taucheinsätze unterstützen kann und über 100 Schlafplätze verfügt. Die MPV-Everest kann baulich selbst in eisbedeckten Gewässern unterwegs sein (Ice Class). (Bild: Ulsamer)
„Never put all eggs in one basket“, ist ein Sprichwort, das aus dem Mund zahlreicher Einwohner Aberdeens und der ganzen Region zu hören ist. Mag es in der Literatur Miguel Cervantes, dem Autor des Don Quixote, im frühen 17. Jahrhundert zugeschrieben werden, so ist dieser Grundsatz sicherlich in allen Epochen nicht falsch. Nicht alles auf eine Karte zu setzen, war in Schottland bedeutsam, denn diverse von Politikern aus dem Ärmel geschüttelte ‚Asse‘, so manche feurige Idee – wie die Aluminiumöfen – pustete der Wind bald aus. Der Wind bläst im hohen Norden Europas meist heftiger, und so ist er die Basis der regenerativen Stromerzeugung, doch als Wind der Veränderung trennt er auch die Spreu vom Weizen. Gut beraten war, wer trotz des Ölbooms, der Invergordon oder Nigg am Cromarty Firth zu wichtigen Zentren für den Bau und die Unterhaltungsarbeiten von Ölplattformen machte, andere wirtschaftliche Möglichkeiten nicht aus den Augen verlor. Kreuzfahrttourismus gehört hier ebenso dazu wie die Fischerei, und dies trotz der schwindenden Fischschwärme. Ein Trawler in Fraserburgh ähnelte auf den ersten Blick eher der Luxusjacht eines Oligarchen, als dem Arbeitsinstrument einer Crew von Fischern. Aber auch die Whiskydestillerien oder die Herstellung von Shortbread, um nur diese beiden traditionellen schottischen Exporterzeugnisse zu nennen, tragen seit Jahr und Tag zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei – und dies ohne staatliche Förderung. Viele Bürger in den ländlichen Regionen der Highlands and Islands könnten ohne Touristen, die den Spuren der Geschichte folgen oder die Natur suchen, ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Nicht alle ‚Eier‘ in denselben ‚Korb‘ zu legen, ist auf alle Fälle richtig, was sich auch in Schottland unschwer erkennen lässt.
Der Kreuzfahrttourismus hat sich in verschiedenen schottischen Häfen zu einer interessanten Einnahmequelle gemausert. So landen während der Sommersaison in Invergordon nahezu täglich Kreuzfahrtreisende an, wo ab 1971 für ein Jahrzehnt Bauxit für eine Aluminiumhütte gelöscht wurde. Das Bild zeigt die Balmoral der norwegischen Fred. Olsen Cruise Line im Hafen von Rosyth, in dem jährlich rd. 30 Kreuzfahrtschiffe anlegen. Der Hafen gehört – ebenso wie Dundee, Leith, Grangemouth u. a. – zur Forth Ports Group, dem größten schottischen Hafenbetreiber. (Bild: Ulsamer)
Wirtschaft und Gesellschaft internationaler
Nicht erst mit der Förderung von Öl und Gas in der Nordsee zeigte es sich, dass selbst eher abgelegene Regionen in Schottland über wirtschaftliche Beziehungen international vernetzt waren. In Dundee gehen – wie in Invergordon oder im Firth of Forth – Kreuzfahrtschiffe vor Anker, Komponenten von Windkraftanlagen werden bereitgestellt, um mit Spezialschiffen zu den im Aufbau befindlichen Windparks transportiert zu werden, wobei internationale Lieferanten und Dienstleister tätig sind. Schiffe, die in der britischen Nordsee Ölplattformen versorgen, schippern nach Libyen oder Australien, um dort ähnlichen Service anzubieten.
Die Zeit der Jute ist in Dundee längst vorbei, doch im Verdant Works Museum wird die Geschichte ihrer Verarbeitung und weltweiten Vermarktung wieder lebendig. Dieses Museum ist für historisch Interessierte einen Besuch wert. Als die Spinnerei 1833 für David Lindsay, einen Händler und Flachsspinner gebaut wurde, war sie noch umgeben von grünen Wiesen und Feldern, daher der Name ‚verdant‘ für ‚grün‘. Auf Flachs folgte Jute als Grundmaterial, das z. B. für Säcke oder als Trägermaterial für Linoleum benutzt wurde. Jute war im 19. Jahrhundert der König und Dundee sein Königreich, so wird es zumindest tradiert. Mit dem Ende der Herstellung von Juteartikeln kam für Dundee ein tiefer Fall, von dem es sich nur langsam erholte. Auch die produzierende Elektronikbranche, die der Region von Dundee an der Ostküste bis Glasgow im Westen einige Jahre lang den Beinamen “silicon glen” eingebracht hatte, folgte im Zuge der Globalisierung der Verlagerung nach Osteuropa bzw. Asien. (Bild: Ulsamer)
Weit über Schottland oder die britischen Inseln gingen die wirtschaftlichen Aktivitäten in Dundee bereits in früheren Jahrhunderten hinaus: Walfang und Schiffbau, die Fertigung von Leinengewebe und später von Juteprodukten schufen Wohlstand. Flachs kam aus Russland, den baltischen Staaten und den Niederlanden, ab 1830 wurde zunehmend Jute importiert, um daraus Säcke, Matten oder Seile herzustellen. Um 1900 arbeiteten in Dundee 93 % aller britischen Jutespinnereien, und 65 % aller Jutewebstühle liefen in Dundee. Als Indien als damaliger Teil des britischen Kolonialreichs die Juteverarbeitung selbst vorantreiben konnte, mauserte sich Kalkutta zur führenden Stadt der Produktion von Juteartikeln. Preislich konnten die Spinnereien in Dundee nicht mehr mithalten und verloren ihre weltweiten Märkte. Dundee hatte den Grundsatz, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, zu wenig beachtet und erlebte einen wirtschaftlichen Niedergang. Wirtschaftliche Impulse konnten die Öl- und Gasfelder in der Nordsee vermitteln, wobei Versorgungsschiffe dominierten, aber der Bau von Komponenten für Plattformen nicht reüssierte. Bei der Windkraft wird es nicht nur in Dundee darauf ankommen, ob zunehmend Komponenten in der eigenen Region gefertigt werden oder der Hafen nur ein Umschlagplatz ist, über den Teile aus anderen Ländern transportiert werden.
„Conference believes that the next UK General Election should be used as an opportunity to advance the cause of independence“, so heißt es in einem Strategiepapier der Scottish National Party (SNP) vom Oktober 2023, doch die Unterhauswahlen am 4. Juli 2024 stellten einen dramatischen Rückschlag für die SNP dar. Das britische Mehrheitswahlrecht (‘the winner takes it all’) unterstrich den Trend überdeutlich. Auf die SNP entfielen gerade noch neun Sitze im britischen Unterhaus statt 48 bei den Wahlen zum House of Commons im Jahr 2019. Viele Schotten wählten die Labour Party, da sie die Konservativen als Regierungspartei ablösen wollten. Die SNP schien ihnen als ewige Oppositionspartei im Londoner Parlament nicht als hilfreich. Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist in Schottland leiser geworden, und dazu hat die SNP selbst beigetragen – durch eine wenig vorteilhafte Personalpolitik und politische Winkelzüge. Weitere Informationen zur Unterhauswahl finden Sie in meinem Artikel ‘Premierminister Sunak fährt Tories gegen die Wand. Die schottischen Nationalisten als zweiter Wahlverlierer‘. (Bild: Ulsamer)
Der wirtschaftliche Aufschwung durch die Förderung von Öl und Gas gab dem Wunsch nach Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich bei vielen Schotten neuen Auftrieb: ‚It’s Scotland’s Oil‘. Die britischen Regierungen in London verstanden es, das Streben nach einem eigenen schottischen Staat immer wieder zu bremsen, und als 2014 mit Zustimmung aus London ein Referendum durchgeführt werden konnte, stimmte eine Mehrheit von 55,3 % gegen die Loslösung Schottlands von Britannien. Durch den von Premierminister Boris Johnson durchgedrückten Brexit bekam der Wunsch nach Eigenständigkeit neuen Aufschwung, da die Schotten mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt hatten, und sie hofften, als schottischer Staat in die EU zurückkehren zu können. Inzwischen hat die Scottish National Party (SNP) durch Skandale und Personalwechsel an der Parteispitze viele Anhänger eingebüßt. Nicht unterschätzt werden darf, dass mit der Zuwanderung aus anderen Landesteilen der harte Kern an nach Unabhängigkeit strebenden Schotten ‚verwässert‘ wurde. Wer ganze Wohnquartiere an den Ortsrändern hochwachsen sieht, der erkennt leicht, dass sich Schottland auch von der Sozialstruktur her verändert hat. Der Wunsch nach einem eigenen schottischen Staat hat an Sprengkraft verloren.
Die Windkraft prosperiert in Schottland – on- und offshore. Versorgungsschiffe werden – wie bei der Öl- und Gasförderung – beim Aufbau und Betrieb von Windparks eingesetzt. Intensiver als bisher müssen die notwendigen Eingriffe in die Natur im Verhältnis zum Energieertrag abgewogen werden. Die Meere dürfen nicht beliebig weiter belastet werden, und dies bedeutet auch, dass im süddeutschen Raum mehr Windkraftanlagen aufgebaut werden müssen. Hier besteht Nachholbedarf. Mehr dazu in: ‚Windkraft: Aufgeblasene Backen, aber wenig Windenergie. Baden-Württemberg hinkt hinter Regierungsverlautbarungen her‘. (Bild: Ulsamer)
Die Zukunft liegt beim Wind
Der Ausbau der Windkraft schiebt an verschiedenen Orten die Sanierung und Umwidmung von Flächen und Gebäuden an, die ursprünglich für den Bau von Förderplattformen oder entsprechenden Komponenten genutzt wurden. So entsteht bei Ardersier in der Nähe von Inverness auf 180 Hektar Fläche ein Hafen mit einem 650 Meter langen Kai. Der Projektentwickler Haventus – im Besitz der Quantum Capital Group – hat rd. 400 Mio. Pfund von Investoren und an Zuschüssen eingeworben, um einen Hafen speziell für den Umschlag von Bauteilen für Windkraftanlagen zu errichten. Der Vorteil dieses Vorhabens ist die Nutzung einer Industriebrache – brownfield -, denn in den 1970er Jahren war dort eine Plattformwerft des Unternehmens McDermott entstanden. In den Hochzeiten wurden 4 500 Menschen in der Plattformwerft beschäftigt, die 2001 geschlossen wurde. Die Auswirkungen auf die Natur fallen bei der Reaktivierung des Geländes relativ gering aus. Mit jedem zusätzlichen Hafen steigt natürlich der Konkurrenzdruck, und es wird sich erst langfristig zeigen, welche Häfen sich als Dienstleister für die Windenergie dauerhaft etablieren können. Zu bedenken ist beim Vergleich der Öl- und Gasförderung mit Windparks, dass für die Instandhaltung von Windkraftanlagen deutlich weniger Mitarbeiter benötigt werden als für den Betrieb von Öl- und Gasplattformen. Sollten keine weiteren wirtschaftlichen Betätigungsfelder hinzukommen, dann hätte dies Auswirkungen auf das Arbeitsplatzangebot und den benötigten Wohnraum in den betroffenen Regionen. Der Ausbau der Windkraft ist zumindest so lange gesetzt, wie keine neuen Formen der Gewinnung von regenerativer Energie breit zum Einsatz kommen. Auflaufende Wellen, eine kaum erkennbare Dünung oder die Gezeitenströme mit Ebbe und Flut bieten interessante Ansatzpunkte für die Stromerzeugung aus Meeresenergie. Einzelne Projekte – auch vor den schottischen Küsten – haben bewiesen, dass die Ozeane einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten können – nicht nur als Standort für Windräder. Mehr zu diesen bisher unterschätzten Formen der Energiegewinnung finden Sie in meinem Beitrag ‚Ebbe und Flut als Energieträger. Die Kraft des Meeres naturverträglich nutzen‘.
Neubauten schießen an den Ortsrändern mancher Kommunen wie Pilze aus dem Boden, während innerorts – wie in Deutschland – nicht selten der Leerstand bei Ladengeschäften grassiert. Die Bevölkerung Schottlands lag Anfang der 1970er Jahre bei gut 5,2 Mio. Einwohnern, bis in die frühen 2000er Jahre ging sie auf 5,06 Mio. zurück, und 2021 lag sie bei 5,48 Mio., in den Jahren danach zeichnet sich lt. ‚statista.com‘ wieder eine fallende Tendenz ab. Das Foto zeigt ein neues Wohnquartier in Winchburgh Grange, 16 km von Edinburgh entfernt. Hier handelt es sich überwiegend um eine Schlafstadt für Pendler aus der schottischen Hauptstadt. (Bild: Ulsamer)
Neue Nutzungen für ausgebeutete Öl- und Gasfelder könnte die Einlagerung von klimaschädlichem CO2 sein, wobei aus meiner Sicht noch viele Fragen beim Carbon Capture and Storage (CCS) ungeklärt sind. Einerseits haben die Öl- und Gasunternehmen Erfahrung, denn sie leiten seit 50 Jahren bei der Aufbereitung von Erdgas anfallendes CO2 in die Bohrlöcher, um weiteres Gas und Öl herauszupressen, doch andererseits haben die zahlreichen Bohrungen den Meeresboden durchlöchert und das Verpressen großer Mengen von Klimagasen könnte zu zusätzlichen Rissen führen, aus denen dann die Gase wieder austreten könnten. Die Vereinigung ‚Offshore Energies UK (OEUK)‘ betont, das Vereinigte Königreich habe die besten Voraussetzungen dafür, der größte Markt für das Einlagern von CO2 in Europa zu werden, denn es ließen sich 78 Gigatonnen an Klimagasen verpressen, und dies entspräche nahezu dem britischen Ausstoß in 200 Jahren. Generell ist der sichere Rückbau von Fördereinrichtungen eine umfangreiche Aufgabe, so sind die Unternehmen dabei, im schottischen Sektor jährlich 200 aufgelassene Öl- und Gasquellen zu verschließen. Das Ölzeitalter mag sich seinem Ende zuneigen, doch die Einstellung der Fördermaßnahmen muss so erfolgen, dass sich daraus keine negativen Folgen für Natur und Umwelt ergeben.
Den steilen Aufstieg einer Plattformwerft lässt sich in Nigg nachzeichnen, wo Highland Fabricators 1972 eine spezielle Werft mit einem der größten Trockendocks in Europa eröffneten. In den Hochzeiten wurden 5 000 Mitarbeiter beschäftigt, doch dann kam der freie Fall und die Anlagen wurden eingemottet. Heute werden in Nigg Komponenten für Windkraftanlagen bereitgestellt. Das Foto zeigt die sich überlappenden Öl- und Windzeitalter. Links die Excalibur, die seit 2022 in Nigg liegt, gewissermaßen arbeitslos geworden. Eigentlich sollte der schwimmende Ölspeicher – im Besitz eines malaysischen Unternehmens – bereits am Avalon-Ölfeld wieder eingesetzt werden. Beim nächsten Einsatz, der auf sich warten lässt, soll ein Windgenerator für elektrischen Strom auf der Excalibur – früher Sevan Hummingbird – sorgen. Excalibur kann 270 000 Barrel Öl speichern und täglich 30 000 Barrel aufbereiten. Rechts liegen Komponenten für Windkraftanlagen und warten auf ihren Abtransport zum Aufbau eines Windparks in der Nordsee vor der schottischen Küste. In der Öl- und Gasindustrie sind im Vereinigten Königreich noch 200 000 Menschen beschäftigt. Wie sich die Erteilung weiterer Förderlizenzen auf den Bedarf an neuen Plattformen auswirkt, dies lässt sich noch nicht absehen. (Bild: Ulsamer)
Aber auch beim Aufbau und Betrieb von Offshore-Windparks muss stärker als in der Vergangenheit auf das Meer und dessen Bewohner oder überfliegende Vögel geachtet werden. An manchen Stellen kann man vor lauter Windrotoren und Schiffen kaum noch ein freies Fleckchen sehen, und da kommen mir durchaus Zweifel, ob der Zubau von Windkraftanlagen ungebremst so weitergehen kann. Selbstredend wird es ohne Windstrom derzeit keine Energiewende geben, doch Rücksicht auf die Natur darf nicht zur Nebensächlichkeit werden. Die Ozeane sind durch die Einleitung von Abwässern, unsachgemäße Entsorgung von Müll und Überfischung ohnehin bereits bedroht. Mehr dazu in ‚Seevögel in Not. Leergefischte und vermüllte Meere zerstören die Vogelwelt‘.
Der Aufbau und Betrieb von Windparks löst die zurückgehenden Aktivitäten bei der Öl- und Gasförderung zunehmend vor der schottischen Küste ab. Im Hafen von Dundee warten Komponenten für Windkraftanlagen auf den Weitertransport. (Bild: Ulsamer)
Vorteile des Naturraums genutzt
Schottland hat Vorteile aus dem Nordseeöl gezogen, so z. B. durch eine verbesserte Infrastruktur oder den Zuzug qualifizierter Arbeitnehmer und deren Familien, und ich kann nur hoffen, dass der Übergang zum Wind als neuer Energiequelle die positive Situation sichern kann. Die volatile Entwicklung bei der Öl- und Gasförderung überstanden die Schotten in den zurückliegenden 50 Jahren recht gut, denn sie haben die angestammten Wirtschaftsbereiche nicht vernachlässigt. In diesem Beitrag stehen die wirtschaftlichen Veränderungen an der schottischen Ostküste im Vordergrund, doch es handelt sich meist um punktuelle Eingriffe, denn außerhalb der Zentren gibt es noch immer viel Landschaft mit wenig Menschen. Das ist wohltuend. In den Highlands, aber auch in den Küstenregionen der Lowlands von Dundee über Montrose nach Aberdeen und weiter nach Peterhead und Fraserburgh hat die Natur ihren Platz behalten. Im Fowlsheugh Nature Reserve bei Stonehaven, um nur dieses zu erwähnen, brüten mehr als 115 000 Seevögel.
Im Fowlsheugh Nature Reserve bei Stonehaven brüten nach Angaben der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) mehr als 115 000 Seevögel. Ein Besuch lohnt sich für Vogelfreunde immer, allerdings stehen nur zwölf Parkplätze zur Verfügung. Tordalke und Trottellummen – wie auf dem Foto -, aber auch Dreizehenmöwen und einige Papageientaucher und Eissturmvögel drängen sich zur Brutzeit auf den schmalen Felsbändern der Klippen. Mehr zur Situation der Seevögel in: ‚Papageientaucher: Die bunten ‚Clowns‘ der Meere werden immer seltener. Seevögel leiden unter Überfischung, Plastikmüll und Klimawandel‘. (Bild: Ulsamer)
Mit der Windenergie ziehen die Schotten nach Öl und Gas einen weiteren Vorteil aus dem Naturraum Nordsee. Sie packen die Chancen der regenerativen Energie beim Schopfe und sind dabei, die Netze für die Weiterleitung des Stroms nach England und Kontinentaleuropa auszubauen.
Die einzige schottische Raffinerie in Grangemouth kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, denn unter dem Namen Scottish Oils nahm sie 1924 ihre Produktion auf. Die Raffinerie ist über zwei Pipelines mit dem Finnart Oil Terminal am Loch Long (ab 1952) an der Westküste und seit den 1970er Jahren mit dem Ölfeld ‚Forties‘ in der Nordsee verbunden. BP veräußerte die Raffinerie 2005 an Ineos, die den Geschäftsbereich 2011 in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der staatlichen chinesischen Petrochina einbrachte. Das 50/50 Joint Venture bekam den Namen Petroineos. Petroineos hat bekannt gegeben, dass die Raffinerie in Grangemouth 2025 wegen nachlassender Nachfrage geschlossen werden soll. Ein Ölterminal soll erhalten bleiben. Wie sich dies auf andere petrochemische Unternehmen auswirken wird, dürfte erst die Zukunft zeigen. Ineos wurde in Deutschland weniger als petrochemische Firmengruppe denn als Käufer des Smart-Werks von Mercedes-Benz im französischen Hambach bekannt, wo sich der Vorstandsvorsitzende und Multimilliardär James A. Ratcliffe einen Wunschtraum erfüllte: Er lässt dort ‚Grenadier‘-Geländewagen fertigen. (Bild: Ulsamer)
Still geworden ist es nicht nur in Burntisland, wo Plattformen gebaut wurden. Burntisland Fabrications (BiFab), eine Gesellschaft des kanadischen Unternehmens DF Barnes ging im Herbst 2020 das Geld aus, die Hoffnungen auf einen Neustart mit Komponenten für die Windparks hatten sich zerschlagen, und dies auch für die Ableger in Methil und auf der Isle of Lewis. 2017 hatte die schottische Regionalregierung BiFab noch mit 34 Mio. Pfund an Steuergeldern gerettet, doch nun wurde der Geldhahn nicht wieder aufgedreht. Gary Smith, schottischer Sekretär der GMB-Gewerkschaft, und Pat Rafferty, ‚Unite Scotland‘-Sekretär, betonten in ‚Energy Voice‘: „A decade on from the promise of a ‘Saudi Arabia of renewables’ and 28,000 full time jobs in offshore wind manufacturing, we’ve been left with industrial ruins in Fife and Lewis.“ Wo früher Plattformen gebaut wurden, herrscht heute gähnende Leere und Gebäude oder Flächen harren eines Prinzen, der Dornröschen wachküsst. (Bild: Ulsamer)
Über Geschmäcker lässt sich trefflich streiten, doch ob es auf Dauer ein touristisches Highlight ist, wenn ganze Berghänge oder Strandbereiche mit Portacabins vollgestellt werden, das wage ich zu bezweifeln. In den Highlands und auf den vorgelagerten Inseln gibt es jetzt schon genügend Quartiere, die sich besser ins Landschaftsbild einpassen. Im Bild der Pettycur Bay Holiday Park zwischen Kinghorn und Burntisland. (Bild: Ulsamer)
Der Hafen von Aberdeen ist laut des ‚Guinness Book of Business Records‘ das älteste Unternehmen Britanniens, denn 1136 wurde dieser von König David I. von Schottland gegründet. Heute ist der Port of Aberdeen mit 7 600 Meter Kaianlagen der größte Hafen Schottlands. Schiffe bis zu 300 Metern Länge können den Hafen anfahren, wobei auf 2 800 Metern am Kai Schiffe mit bis zu 14,8 Metern Tiefgang anlegen können. Hinter dem Gebäude des Aberdeen Harbour Boards liegt die Fähre zu den Orkney-Inseln, rechts ein Forschungsschiff der Firma G-TEC, die z. B. geologische Untersuchungen durchführt. (Bild: Ulsamer)
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Halbtaucher-Plattformen warten im Cromarty Firth auf einen neuen Einsatz auf Öl- und Gasfeldern. Der Rohrleger ‚Deep Energy‘– das rote Schiff – passiert gerade die erste Plattform. Dieses Schiff kann flexible Pipelines bis in eine Meerestiefe von 3 000 Metern legen. Der Schiffseigner TechnipFMC hat sein Portfolio – aus dem Öl- und Gassektor kommend – um die Energiegewinnung aus Wind, Wellen oder Gezeiten sowie um die Erzeugung von grünem Wasserstoff und dem Verpressen von CO2 in den Untergrund erweitert. Das blaue Schiff neben den aufrechtstehenden Turmteilen für Windturbinen, die ‚Siemens Gamesa‘, bringt Komponenten zu einem im Aufbau befindlichen Windpark. Am Kai liegt ungenutzt die ‚EnQuest Producer‘, ein Schiff, das Öl speichern und für den Weitertransport aufbereiten kann. (Bild: Ulsamer)
Man wollte es kaum glauben, doch die Laienspielgruppe um Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz vermasselte sogar noch ihren Abgang in diesem traurigen und verstörenden Politdrama: Ausgerechnet an dem Tag, als die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus feststand, warf der in der Bevölkerung höchst unbeliebte SPD-Kanzler Scholz seinen liberalen Finanzminister Christian Lindner aus der Regierung. Statt sich endlich mit den Veränderungen in der Welt zu befassen, beschäftigte sich die zerfallende Ampelregierung weiter mit sich selbst. Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP war von Anbeginn ein zu bunt zusammengewürfelter Haufen, eine Art Selbstfindungsgruppe, wo parteipolitische und persönliche Egoismen das Tagesgeschäft überdeckten. Die gegenseitigen Vorwürfe von Scholz und Lindner nach der Trennung zeigten überdeutlich, dass die Ampel längst ein Totalausfall war. Und dann rief sich auch noch Robert Habeck zum grünen Kanzlerkandidaten aus: da wurde Satire zur Politik! Die Realität hatten Habeck und Scholz längst aus dem Blick verloren. Scholz wollte die Vertrauensfrage und Neuwahlen auf die lange Bank schieben, um noch einige Monate im Bundeskanzleramt sein Unwesen treiben zu können. Die Welt steht vielerorts in Flammen: Man denke nur an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Attacken auf Israel durch das iranische Mullah-Regime und deren Handlanger Hamas und Hisbollah oder die ständigen Drohgebärden Chinas gegen Taiwan. Und im Januar 2025 steht in den USA der Abgang Joe Bidens an, des vermutlich letzten Transatlantikers aus dem Weißen Haus, gefolgt vom Einzug des selbst ernannten ‚dealmakers‘ Donald Trump, der beim Stichwort Europa nur an Strafzölle denkt und vielleicht an seine Golfplätze in Schottland und Irland. Die Regierungszeit der Ampel wird als verlorene Zeit für Deutschland und Europa in die Geschichtsbücher eingehen, denn sogar das Verhältnis zu Frankreich ist auf Regierungsebene zerrüttet.
Zuerst war Finanzminister Christian Lindner als Hütchenspieler aufgeflogen: Das Bundesverfassungsgericht hatte – auf Antrag von Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – zurecht die nachträgliche Umbuchung von nicht genutzten Kreditermächtigungen aus dem Coronatopf zum Klimaschutz gestoppt. Meinen Beitrag zu diesen Tricksereien finden Sie unter ‚Finanzminister Christian Lindner als Hütchenspieler aufgeflogen. Taschenspielertricks der Bundesregierung verfassungswidrig‘. Lindner wollte sich jetzt nicht erneut beugen und auf Drängen des Bundeskanzlers statt auf die Schuldenbremse aufs Kreditgaspedal treten. Als Lindner nicht spurte, kam es Olaf Scholz zum ersten Mal in den Sinn, dass er doch Führung versprochen hatte, und er warf Christian Lindner kurzerhand aus dem Bundeskabinett. SPD und Grüne haben sich auf das Ausgeben unserer Steuergelder konzentriert: da passten die Liberalen schon lange nicht mehr ins Team, die sich zumindest Gedanken darüber machen, wer die Schuldenlast und die daraus resultierenden Zinsen in Zukunft tragen soll. Das Foto oben zeigt das Bundesministerium der Finanzen in Berlin. (Bild: Ulsamer)
Kleinkarierter Olaf Scholz
Weite Teile der deutschen Wirtschaft sind im Rückwärtsgang unterwegs, doch die Bundesregierung war nicht in der Lage, die bürokratischen und steuerlichen Belastungen zurückzuschrauben, stattdessen wollte sie mit Milliardensubventionen Chiphersteller nach Deutschland locken. Aber selbst 10 Mrd. EURO konnten Intel nicht dazu bewegen, in Magdeburg eine Fabrik zu bauen. Dem skurrilen Trump-Unterstützer Elon Musk rollten Scholz & Konsorten in Brandenburg den roten Teppich aus, obwohl noch nicht einmal eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Bau des Tesla-Werks in Grünheide durchgeführt worden war. Mehr zu diesem absonderlichen Vorgehen der brandenburgischen Landesregierung unter dem SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und der Bundesregierung finden Sie in meinem Beitrag ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, ist einer der Topspender für Trumps Wahlkampf gewesen, und die deutsche Exportwirtschaft dürfte wenig zu lachen haben, wenn er wirklich als zentraler Berater der nächsten Trump-Regierung wirken sollte. Ich bin mir nicht sicher, wie lange die Männerfreundschaft zwischen Elon und Donald halten wird, denn zwei Egomanen sind im Grunde einer zu viel. ‚Würden Sie Ihr Kind „X Æ A-12“ nennen?‘, so fragte ich in meinem Blog, als Elon Musk genau dies tat. Ein Mulimilliardär, der zwischen Genie und Wahnsinn trudelt, gerne mal auf der Wahlkampfbühne hinter Trump herumhüpft – das hat der US-Politik und uns allen gerade noch gefehlt!
Statt des Transatlantikers Joe Biden von den Demokraten wird ab dem 20. Januar 2025 der Republikaner Donald Trump im Weißen Haus sitzen. Trumps Politik wird sich – wie in der vorhergehenden Amtsperiode – nicht um sachgerechte Lösungen, sondern um die Person des Egomanen selbst drehen. ‚Make America Great Again‘ ist sein Motto, doch was sich Trump genau darunter vorstellt, das ist sein Geheimnis. Sein Credo ‚America first‘ ist für einen US-Präsidenten nicht grundsätzlich falsch, allerdings fehlt ihm der Blick auf die Welt und die Erkenntnis, dass es ohne Verbündete nicht geht. Daher ist es wichtig, dass Deutschland und Europa wieder engagiert und gemeinsam in die Zukunft gehen. Kompromisse mit Trump lassen sich am ehesten erreichen, wenn man aus einer Position der Stärke argumentieren kann. Viel zu wenig hat in den letzten Jahren die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen zu einer solidarischen Politik in Europa beigetragen und Natur und Umwelt kamen beim Geschacher der EU-Bürokraten ohnehin unter die Räder. Mehr zu diesem Aspekt finden Sie in meinem Artikel ‚EU: Green Deal im Glyphosatnebel verschollen. EU-Kommission hat kein Herz für Insekten und Wildkräuter‘. (Bild: Ulsamer)
Anstatt sich den drängenden Fragen der deutschen und europäischen Politik zu widmen oder sich mit den Veränderungen im transatlantischen Verhältnis zu befassen bzw. die Krisenherde unserer Welt in den Blick zu nehmen, stolperte die Ampelregierung mit erheblichem Flurschaden durch unser Land. Das vermurkste Heizungsgesetz ist nur ein Beispiel dafür, wie durchaus sinnvolle Themen so dilettantisch angepackt wurden, sodass hinterher nicht mehr innovative Heizungssysteme verbaut wurden und die Nachfrage danach dramatisch nachließ. Nicht jeder Wirtschaftsminister kann ein Ludwig Erhard sein, doch ein wenig mehr Sachverstand hätte nicht geschadet: Robert Habeck war der falsche Mann im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz! Was mich besonders stört ist auch die Tatsache, dass sich die Grünen längst vom Natur- und Tierschutz verabschiedet haben und sich Cem Özdemir als Bundeslandwirtschaftsminister dafür hergab, die Vorgaben zu Brachflächen oder Fruchtfolge für die Landwirtschaft zu lockern. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke verstieg sich gar zur ‚Wolfsjägerin‘: „Diese Schnellabschüsse sind unbürokratisch und praktikabel umsetzbar.“ Super! – kann ich da nur sagen. Wer hätte geahnt, dass sich Bündnis 90/Die Grünen so weit von den eigenen Wurzeln entfernen könnte. Weitere Fakten hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚Bündnis 90/ Die Grünen: Die grüne Seele bei Natur- und Umweltschutz ist verwelkt‘. Aber auch die SPD als älteste deutsche Partei ist in einem Zustand, der mich traurig auf das Spektakel blicken lässt, das Olaf Scholz darbietet. Geradezu lächerlich war es, als er dem FDP-Chef Christian Lindner bei seinem Rausschmiss aus dem Bundeskabinett vorwarf, er sei „kleinkariert“. Wenn ein bundesdeutscher Politiker für kleinkariertes Denken steht, dann ist das Olaf Scholz, darüber kann sein selbstgefälliges bis herablassendes Grinsen nicht hinwegtäuschen. „Wer den Bundeskanzler am Mittwoch gehört hat, weiß, dass Olaf Scholz der richtige Mann ist“, so sieht Ralf Stegner dagegen den Kanzler in einem ‚Welt‘-Interview. Der ewig sauertöpfisch dreiblickende SPD-Wadenbeißer steht mit seiner Meinung ziemlich einsam in Deutschland da, denn in der neuesten Insa-Umfrage für ‚Bild‘ sind 72 % der Befragten unzufrieden mit der Arbeit des SPD-Kanzlers.
Die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hat ihre parlamentarische Mehrheit verspielt. Der XXL-Bundestag ist das mitgliederstärkste demokratisch gewählte Parlament der Welt. Daher war es notwendig, über eine sachorientierte Verkleinerung nachzudenken und diese voranzutreiben. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz ersann allerdings eine Lösung, die es möglich macht, dass gewählte Abgeordnete nicht in den Deutschen Bundestag einziehen können, wenn ihrer Partei prozentual weniger Sitze zustehen, als sie Wahlkreise errungen hat. Bei SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Liberalen wird eben nur noch in Listenplätzen gedacht, weil sie wenige oder keine Wahlkreise direkt erobern können. Auf diesen politischen Irrweg bin ich bereits eingegangen: ‚Wahlrechtsreform: Trotz Direktmandat nicht im Bundestag? Der Vorschlag der Ampelregierung gefährdet die Demokratie‘. (Bild: Ulsamer)
Totalversager Bundesregierung
Nicht nur innen-, sondern auch außenpolitisch ist die Bundesregierung unter Olaf Scholz als Totalversager einzustufen. Die letzte Regierung von Angela Merkel hatte ich als Horrorkabinett bezeichnet, doch ich hätte mir niemals vorstellen mögen, dass es noch schlimmer kommen könnte. Ich wurde allerdings eines Besseren, nein, eines Schlechteren belehrt. Die Laienspielgruppe, die Olaf Scholz um sich geschart hatte, stellte einen weiteren Tiefschlag dar, was sich nicht zuletzt im beschädigten Verhältnis zu Frankreich zeigt, wobei es schwer ist, mit Emmanuel Macron als europapolitisches Tandem loszuradeln. Wir sollten nicht vergessen, dass Macron die NATO als „hirntot“ bezeichnet hatte, worüber in Europa weniger Aufregung aufbrandete als über Trumps Aussage zur Verteidigungsgemeinschaft, diese sei ‚obsolet‘ und seinem Drängen bei den europäischen Verbündeten, sie mögen mehr für ihre eigene Sicherheit tun. Es mangelte Scholz – wie Merkel in ihrer Endphase als Kanzlerin – an europapolitischem Elan, der dazu beitragen könnte, die EU wieder zu einer Wirtschafts- und Wertegemeinschaft zu machen, statt das bürokratische Monster weiter zu mästen, das viele Wähler an die rechten und linken Ränder drängt.
Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat und wohl auch im Repräsentantenhaus errungen, so dass sich eine komfortable Ausgangsposition für die Präsidentschaft Donald Trumps ergibt. Ausgerechnet in einer solchen Situation hat sich die Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP selbst zerlegt. Deutschland hat eine Regierung verdient, die sich nicht allein um sich selbst dreht, sondern die innen- und außenpolitischen Themen aktiv aufgreift und Probleme löst, anstatt nur darüber zu diskutieren. (Bild: Ulsamer)
Bundeskanzler Scholz beharrte zunächst darauf, die Vertrauensfrage erst im Januar 2025 stellen zu wollen und so weitere Monate ohne politischen Neustart zu vertrödeln. Inzwischen hat wohl selbst Bundeskanzler Scholz erkannt, dass die anderen Parteien im XXL-Bundestag nicht dazu beitragen wollen, das politische Elend weiter zu übertünchen. Typisch deutsch ist es inzwischen, dass prompt die Bundeswahlleiterin Ruth Brand einen Brief an den Kanzler schrieb, in dem sie vor einer zügigen Neuwahl warnte, da es an Papier und Druckkapazitäten mangle! Die Kommunen sahen dies gelassener und die Papierindustrie bezeichnete den Einwand der Bundeswahlleiterin als falsch. Wir brauchen dringend eine Neuorientierung der bundesdeutschen Politik, die sich an den harten Realitäten ausrichtet und nicht in ideologischen Fallstricken verheddert. Donald Trump im Weißen Haus wird nicht dazu beitragen, dass Deutschland und weite Teile Europas vor sich hindösen können, ganz im Gegenteil. Selbst die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hätte Deutschland und Europa daran erinnert, dass sie sich höchstpersönlich stärker für ihre Sicherheit engagieren müssen. Der Ton wäre indes sicherlich freundlicher gewesen. Deutschland muss seine Hausaufgaben machen, und dazu zählt auch, alles wirtschaftlich und politisch Mögliche zu tun, um die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Putins Angriffskrieg zu unterstützen. Wer sich mit dem BSW von Sahra Wagenknecht in das Koalitionsbett legen sollte, der macht sich nicht für den Frieden stark, sondern unterstützt Putins 5. Kolonne. CDU und SPD sind gut beraten, sich in den Bundesländern von Wagenknecht nicht in eine politische Sackgasse manövrieren zu lassen. Wenn die Karten in der Bundespolitik neu gemischt werden, dann hoffe ich sehr, dass CDU/CSU, die derzeitig einzige als Volkspartei zu bezeichnende Parteifamilie, auch unverbrauchtes Personal in die Bundesregierung holt und nicht die alte Riege aus dem letzten Merkel-Kabinett recycelt.
Absurdem Theater gleicht es, wenn der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz den FDP-Finanzminister Christian Lindner aus der Bundesregierung wirft, dann in einer kurzen Rede wie ein Hinterhofschläger nachtritt, und anschließend der liberale Verkehrsminister Volker Wissing sich an seinem Sessel festklebt, um in der Chaosregierung zu verleiben. Seine Parteimitgliedschaft warf Wissing gleich noch dem FDP-Bundesvorsitzenden hinterher. Ohne eine ertüchtigte Infrastruktur mit Bahn, Straße und Binnenschifffahrt werden wir in Deutschland weiter an wirtschaftlicher Dynamik verlieren. Es nutzt für das gesamte Verkehrsaufkommen wenig, wenn sich Minister Wissing wie sein Amtsvorgänger Andreas Scheuer für Flugtaxis begeistern kann. Es wäre wichtiger, Schienenverbindungen und Straßen zu ertüchtigen und die Binnenschifffahrt zu stärken. Genau gegenteilig handelte Wissing bei der Sanierung und Verlängerung der Neckarschleusen. Mehr zu dieser Thematik lesen Sie in ‚Neckar: Schleusenverlängerung fällt ins Wasser. Ertüchtigung der Infrastruktur kommt in Deutschland zu kurz‘. Auch eine völlig abwegige Ergänzung zum Allgemeinen Eisenbahngesetz kam aus dem Hause Wissings: ‚Bahngesetz: Kein Wohnungsbau auf Ex-Bahngelände? Trickser und Schlafmützen als Gesetzgeber‘. (Bild: Ulsamer)
Probleme lösen – nicht nur quatschen
Deutschland hat endlich eine Bundesregierung verdient, die soziales Engagement nicht mit dem Verteilen von Steuergeldern aus der Gießkanne verwechselt und dies mit dem kuriosen Begriff ‚Bürgergeld‘ zu kaschieren versucht. Die Wirtschaft benötigt nicht kurzatmige Förderprogramme, sondern die Entlastung von bürokratischen Lasten und ein innovationsfreundliches Steuersystem. Bei Neuwahlen kann ich nur hoffen, dass es eine Regierungsmehrheit gibt, die Deutschland voranbringt und zukunftsorientiert die Probleme löst. Donald Trump wird in seiner sprunghaften und somit unberechenbaren Art kaum zu einer Beruhigung in unserer Welt beitragen, daher ist es umso wichtiger, dass Deutschland und seine europäischen Partner – in EU und NATO – geschlossen auftreten und einen höheren Beitrag zur eigenen Sicherheit leisten. Die irreguläre Migration muss eingedämmt werden, denn ansonsten bekommen AfD und BSW weiteren Zulauf. In den USA ließ sich bei den jüngsten Wahlen erkennen, dass gerade die ungelöste Migrationsfrage, sowie Inflation und sinkender Lebensstandard die Bürger in die Arme der Republikaner getrieben haben. Migration ist auch der Spaltpilz in der EU, und die Reaktionen von Ursula von der Leyen und der Kommissar-Brigade trugen zu einer Lösung ebenso wenig bei wie die gescheiterte Bundesregierung unter Olaf Scholz, wo viel geredet, aber zu wenig gehandelt wurde. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Tatsache, dass selbst zugewanderte Hispanics für Trump stimmten, denn sie fürchten um ihren inzwischen erarbeiteten Wohlstand. Auch in Deutschland können und sollten wir aus den US-Wahlen lernen.
Nicht eine Welt voller Konflikte hat das Ende der Bundesregierung unter Olaf Scholz besiegelt. Nein, das haben die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP eigenhändig besorgt. Neuwahlen sind unausweichlich geworden. Wir brauchen baldmöglichst eine Bundesregierung, die nicht über offensichtliche Probleme streitet, sondern diese löst.
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Was hat Olaf Scholz die letzten Jahre eigentlich im Bundeskanzleramt getrieben? Eine konsistente Politik der Problemlösung hat er zumindest nicht umgesetzt. Vielleicht hat er sich schon mit den Steuermillionen für die Meyer Werft auf eine zweite Karriere als Kreuzfahrtkapitän vorbereitet? Aber was macht in diesem Fall Florian Silbereisen? Zumindest wurde unter Scholz die bauliche Verdopplung des Bundeskanzleramts nicht gestoppt, obwohl das Bundeskanzleramt bereits jetzt achtmal so groß ist wie das Weiße Haus. Ich weiß, der Vergleich hinkt, denn zu beiden Regierungssitzen gehören weitere Gebäude. Der Eindruck bleibt jedoch, dass die Problemlösungskapazität der Bundesregierung im umgekehrten Verhältnis zur Expansion der Bürokratenpaläste steht! Auf das ausufernde Bundeskanzleramt bin ich jüngst mehrfach eingegangen, zuletzt im Beitrag ‚Bundeskanzleramt: Prunk und Protz. Der Erweiterungsbaubau passt nicht in unsere Zeit‘. (Bild: Ulsamer)
Nahrung im Herbst und Winter für gefährdete Tierarten
Gibt es im Herbst kaum noch Blüten, dann zieht der Efeu Schmetterlinge, Bienen und Wespen magisch an, und im Winter sind die herangereiften blauschwarzen Früchte ein Energiespender für Amseln und Drosseln. Aber auch Schwebfliegen, Marienkäfer oder Ameisen laben sich an den Efeublüten. Seit Jahrzehnten gibt es immer weniger Insekten in Deutschland, da kommt es wirklich auf jede Blüte an. Und im Winter finden viele Vögel in einer Landschaft ohne Hecken und überjährigen Blühstreifen zunehmend weniger Nahrung. Efeu kann einen Beitrag dazu leisten, den dramatischen Schwund bei Insekten und Vögeln zu bremsen, wenn man die Pflanze nur ranken lässt.
Amseln lassen sich im Winter die dann gereiften Früchte des Efeus schmecken. So ergänzen die Efeufrüchte die an Futterstellen angebotene Nahrung. Den dramatischen Schwund an Vögeln in der EU und dem Vereinigten Königreich belegt eine Studie, die in ‚Ecology and Evolution‘ veröffentlicht wurde: Innerhalb von vier Jahrzehnten ging die Vogelpopulation um 600 Millionen Individuen zurück! Weitergehende Informationen bietet mein Artikel ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. (Bild: Ulsamer)
Insekten und Vögel sind bedroht
Die Biomasse der Insekten hat sich um bis zu 75 % reduziert, wie der Entomologische Verein Krefeld in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 feststellte. So ist der Tisch für Vögel jahraus jahrein ärmlicher gedeckt, besonders für Vögel, die ohne Insekten zumeist ihre Küken nicht aufziehen können. Und leider zeigen neuere Studien, dass sich das Insektensterben beschleunigt hat. Bleiben die Schnäbel leer, dann verschwinden selbst frühere ‚Allerweltsarten‘ unter den Vögeln. Mit Efeu im privaten Garten oder in Parkanlagen kann natürlich der Verlust an Lebensraum für Insekten und Vögel auf landwirtschaftlichen Flächen und betonierten Städten nicht ausgeglichen werden, doch jede Blüte hilft mit Pollen und Nektar, und jede Frucht am Efeu kann einen hungrigen Vogelmagen füllen.
Das dramatische Insektensterben ist zwar durch zahllose Studien belegt, doch es geschieht zu wenig, um wieder für mehr Blüten in unserem Land zu sorgen. So hilft gerade im späteren Jahr jede Efeublüte mit Pollen und Nektar. Wenn die Insekten – hier ein Taubenschwänzchen – immer weniger werden, dann fehlt es nicht nur vielen Vogelarten an Nahrung, sondern auch Frösche oder Eidechsen darben. Mehr dazu in: ‚Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘. (Bild: Ulsamer)
Auf den gravierenden Schwund an Insekten und Vögeln bin ich in mehreren Blog-Artikeln eingegangen, so z. B. in ‚Vögel: hungrig, durstig, wohnungslos. Die industrielle Landwirtschaft befeuert den Vogelschwund‘ oder ‚Galoppierender Insektenschwund und lahmende Politiker. Rückgänge um bis zu 97 % bei Schwebfliegen‘. Der am 1. Oktober 2024 erschienene ‚Faktencheck Artenvielfalt‘, an dem 350 Autoren und Gutachter mitgewirkt haben, bestätigt leider den negativen Trend: „Die Populationen von Vögeln im Agrar- und Offenland sind in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen.“ Die Autoren des ‚Faktencheck Artenvielfalt‘ fahren fort: „Die Intensivierung der Landwirtschaft hat negative Effekte in fast allen Lebensräumen, nicht nur im Agrar- und Offenland, und bietet damit den größten Hebel für biodiversitätsschützende Ansätze.“ Doch gerade im Bereich der industrialisierten Landwirtschaft kommen Veränderungen hin zu einer ökologischeren und nachhaltigeren Landnutzung nur zögerlich voran. „Zur Intensivierung zählen die Aufgabe von Fruchtfolgen, der vermehrte Maisanbau und Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und schweren Maschinen auf Ackerflächen, der Anbau von Kulturgräsern im Grünland und der Rückgang der extensiven Beweidung.“ Im Grunde können diese Hebel nur genutzt werden, wenn sich die politischen Entscheidungsträger endlich dazu aufraffen, eine Neuorientierung der EU-Agrarförderung vorzunehmen.
Diese Drossel hat es sich am gedeckten Tisch bequem gemacht. Beachten sollte man bei Neupflanzung eines Efeus, dass er erst nach sieben Jahren mit dem Blühen beginnt. (Bild: Ulsamer)
Mehr Blüten und Früchte
Wir müssen daher alle gemeinsam politischen Druck auf die Politik ausüben, damit bedrohte Tiere und Pflanzen endlich mehr Fürsprecher in EU, Bundestag, Landtagen oder Kommunen und Regionen finden. Parallel dazu geht es darum, kleine Refugien für Insekten, Vögel und andere Wildtiere – wie den Igel – im eigenen Garten oder in Parks und städtischen Grünanlagen, auf Weiden, Wiesen, Äckern und in Wäldern zu schaffen. Jede einheimische Blühpflanze, die Nektar und Pollen spendet, ist wichtig, jede Wasserstelle zählt und jede Hecke! Brombeerhecken, die häufig achtlos zerstört werden, sind wegen ihrer Blüten und Beeren wichtig, an letzteren können sich z. B. die Stare stärken, ehe sie die gefährliche Reise in ihre Winterquartiere antreten. Mehr zu den Staren finden Sie in meinem Beitrag ‚Der Star – vielseitiger Sänger und Formationsflieger. Ein früherer ‚Allerweltsvogel‘ ist bedroht‘. Vögel wie die Amsel, die die kalte Jahreszeit bei uns verbringen, finden Nahrung im späteren Winter, wenn die Früchte des Efeus reif sind und ansonsten frische Kost Mangelware ist.
Im Herbst wird die Nahrung für Insekten immer weniger, da können Efeublüten mit Pollen und Nektar helfen. (Bild: Ulsamer)
Bienen und Schmetterlinge, Schwebfliegen, Wespen und Hornissen erhalten beim spät blühenden Efeu ein letztes Gnadenbrot, ehe der Winter kommt, und später laben sich Amseln und Drosseln an den Früchten des Efeus. Manchmal stehen diesem freundlichen Bild jedoch Bürokraten im Weg, die sich in der kommunalen Kantine bedienen können und nicht auf Nektar, Pollen oder Früchte des Efeus angewiesen sind. So erreichte uns ein unfreundlicher Brief der Stadtverwaltung in Esslingen am Neckar, wir sollten unsere Efeuhecke zurückschneiden – obwohl auf dem Gehweg locker Platz für einen Zwillingskinderwagen, einen Rollstuhl oder ein Schülergrüppchen geblieben war! Kein Träger von Ärmelschonern schien sich dagegen am aufgehäuften Müll neben den Altglascontainern ganz in der Nähe zu stören, doch Efeuranken mit Blüten oder Früchten für Insekten bzw. Vögel, das ging selbstredend gar nicht. Mehr zu diesem unerquicklichen Aspekt lesen Sie in meinem Artikel ‚Esslingen am Neckar: Wenn der Amtsschimmel die Efeuhecke frisst. Kleingeistige Bürokraten gegen Bienen und Amseln‘. Geradezu berührend war es, als uns ein kleiner Junge ansprach und fragte, warum wir denn die Hecke zurückgeschnitten hätten. Wir erläuterten ihm unser Tun. Er konnte die Stadtverwaltung nicht verstehen, denn nun würden den Bienen seines Vaters wieder Blüten in erreichbarer Umgebung fehlen.
Die Ringeltaube – auch Waldtaube genannt – macht fast einen Kopfstand, um an die Efeufrüchte zu kommen. Tauben haben es im ländlichen und städtischen Umfeld nicht leicht, denn häufig fehlen Nahrung und Wasser. Und wenn sie in den Einkaufszonen die Reste weggeworfener oder fallengelassener Brötchen aufpicken, werden sie nicht selten verjagt. ‚Von Stadt- und Friedenstauben‘ bietet ergänzende Informationen. (Bild: Ulsamer)
Efeu ist dank seines Nektars und seiner Pollen bzw. den späteren Früchten ein kleines Paradies für Insekten und Vögel. Wo immer möglich, sollte Efeu dazu beitragen, die Nahrungsgrundlage für Schmetterlinge und Bienen, Schwebfliegen oder Hornissen zu verbessern, aber auch für Amseln, Drosseln und weitere Vogelarten den Tisch zu decken.
Kaum ist die Mönchsgrasmücke aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt, kann sie sich an den letzten Efeufrüchten laben. (Bild: Ulsamer)
Übernahme der Meyer Werft ist ein wirtschaftspolitischer Irrweg
Selbstredend habe ich viel Verständnis dafür, wenn sich Politiker für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen, doch selten sind Landes- oder Bundesregierungen die besseren Unternehmer. Wird das bei der Meyer Werft mit ihren Standorten in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Finnland anders sein? Zu hoffen wäre das für die betroffenen Arbeitnehmer, die Zulieferer und natürlich die Steuerzahler, aber so richtig daran glauben kann ich nicht. Ins Firmenkässlein legen das Land Niedersachsen und die Bundesregierung je 200 Mio. Euro ein, und zusätzlich übernehmen Bund und Land jeweils Garantien von rd. einer Milliarde Euro. Die Meyer Werft habe volle Auftragsbücher, daher sei die 80-prozentige Übernahme lediglich vorübergehend, so Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil – beide SPD. Die Meyer Werft hatte auch bisher reichlich Aufträge, doch diese wurden wohl zu nicht kostendeckenden bzw. Gewinn bringenden Konditionen ins Haus geholt. Nicht nur die Meyer Werft steht derzeit auf schwankenden Planken, sondern manchem Abnehmer geht es ähnlich. So vermeldete ‚tagesschau.de‘ ganz passend zur schlingernden Werft: „Das Bundesfinanzministerium setzt sich laut NDR für eine Exportkreditgarantie für die verschuldete US-Kreuzfahrtreederei Carnival ein. Mit einem 1,25 Milliarden-Euro-Kredit will Carnival ein Schiff bei der angeschlagenen Meyer Werft bestellen.“ Ist das nicht wie im finanzpolitischen Tollhaus? Da braucht nicht nur die Werft staatliche Gelder, sondern der Abnehmer eine Garantie, dass der Kaufpreis bezahlt werden kann! Und damit der Steuerzahler freundlich gestimmt bleibt, erklärt Dieter Janecek, der Maritime Koordinator der Bundesregierung – auch das gibt es im Hause des Heizungsgesetz-Ministers Robert Habeck -, diese Großwerft sei „von strategischer Bedeutung für Deutschland“. Jetzt wissen wir es endlich genau: Eine Werft, die vor allen Dingen ihr Ansehen aus dem Bau von Kreuzfahrtschiffen bezieht, ist für die Vertreter der Grünen – Habeck und Janecek – trotz aller umweltpolitischer Kritik am Kreuzfahrtgewerbe von strategischer Bedeutung!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich kritisiere nicht den Urlaub auf Kreuzfahrtschiffen, sondern den Einstieg von Bundesregierung und niedersächsischer Landesregierung bei der Meyer Werft. Zwar bin ich bisher nie mit einem Kreuzfahrtschiff über die Ozeane gedampft, doch nutzen wir mehrmals jährlich in Europa Fähren, die – dem Ausstoß aus dem Kamin nach zu urteilen – ebenfalls nicht gerade umweltfreundlich unterwegs sind. Im Seeverkehr haben wir Nachholbedarf in Sachen Umweltschutz, und dies gilt für Kreuzfahrtschiffe, Fähren oder Tanker und Containerschiffe gleichermaßen. Die Meere werden an den Küsten und auf offener See immer stärker belastet. Ergänzende Hinweise enthält mein Artikel ‚Die Ozeane – Lebensraum für Tiere oder Spielplatz für Menschen? Mehr Respekt für Meerestiere!‘ (Bild: Ulsamer)
Steuerzahler als Ersatz für private Investoren?
In den Auftragsbüchern der Meyer Werft finden sich wohl auch Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks, eine sicherlich im grünen Milieu besser verkäufliche Ware als Kreuzfahrtschiffe, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Weil nun ausgerechnet beim Produzenten von Kreuzfahrtschiffen angeheuert haben, obwohl die Strategie des Unternehmens durchaus Zweifel aufwirft. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das erinnert mich an Florian Silbereisen, der beim ‚Traumschiff‘ den Kapitän mimt, obwohl ich ihn mir eher als Leichtmatrosen vorstellen könnte. Und so ist es – nach der bisherigen Performance – auch bei Olaf Scholz. Nun aber lege ich schnell die Ironie beiseite, denn der Einsatz an Steuermitteln ist bei der Meyer Werft hoch und problematisch zugleich. Der Bund der Steuerzahler warnte in Niedersachsen vor einem direkten finanziellen Engagement von Land und Bund und konnte sich nur für Bürgschaften erwärmen, doch dies hielt Scholz und Weil nicht von einer direkten Beteiligung in Höhe von 80 % ab. Zwar wird berichtet, die Familie Meyer wolle die Anteile baldmöglichst zurückkaufen, aber ganz ehrlich, wie soll denn das funktionieren, wenn mit den gebauten Schiffen bereits seit Jahren wenig bis gar nichts verdient wurde?
Kreuzfahrtschiffe werden in zahlreichen Staaten auf Kiel gelegt, daher muss die Frage erlaubt sein, warum deren Bau in Deutschland von „strategischer Bedeutung“ sein soll. (Bild: Ulsamer)
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete im Berliner ‚Tagesspiegel‘ den mehrheitlichen Einstieg bei der Meyer Werft als „weder klug noch angemessen“. Professor Fratzscher wendet sich auch gegen die Aussage, es gehe um strategisch wichtige Technologien: Die Meyer Werft „ist in ihre schwierige finanzielle Lage primär durch eigenes Verschulden gerutscht und nicht durch höhere Gewalt. Sie stellt keine Technologie her, die essenziell für Deutschland oder Europa ist, und es gibt keinen guten Grund, wieso Kreuzfahrtschiffe in Zukunft unbedingt in Deutschland hergestellt werden sollten.“ Bedenklich stimmen muss, dass weder die Banken ihr Kreditvolumen erhöhen noch private Investoren in das Unternehmen einsteigen wollten. „Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, dass die Rettung der Meyer Werft ultimativ scheitern wird, trotz oder vielleicht auch wegen der staatlichen Beteiligung“, so Fratzscher weiter. „Die gescheiterte Rettung von Karstadt – und damit verbundene finanzielle Verluste – sind nur ein Beispiel für eine gescheiterte staatliche Rettungsaktion.“
Kreuzfahrtschiffe werden in verschiedenen Regionen nicht mehr gerne gesehen, da sich tausende von Passagieren beim Landgang durch die engen Gassen malerischer Städte schieben oder in die Natur ergießen. Ökologische Fragen spielten bei der Entscheidung von Bundes- und Landesregierung, bei der Meyer Werft einzusteigen, scheinbar keine Rolle. Generell würde ich mir mehr Sensibilität für Umwelt und Natur wünschen, in Deutschland, Europa und der Welt. Die Ozeane werden längst durch die Schifffahrt, den Eintrag von Abwässern, Vermüllung, Überfischung, Energiegwinnung und Freizeitnutzung überlastet. Es ist höchste Zeit, diese Situation nicht weiter zu verschlimmern. Informationen hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚UN-Hochseeschutzabkommen: Leerformel oder konkreter Fortschritt? Die Zerstörung der Ozeane muss gestoppt werden!‘ (Bild: I.G.)
Spielt die Umwelt keine Rolle?
Deutlich zu kurz kamen in der Diskussion um den Staatseinstieg bei der Meyer Werft Umweltaspekte. „Die Kreuzfahrtbranche gehört zu einer der schmutzigsten Branchen. Kreuzfahrtschiffe verursachen einen enormen Schaden für die Weltmeere und das Klima. Wenn die Politik in Deutschland die Tourismusbranche unterstützen möchte, sollte sie lieber den vielen kleinen Familienunternehmen vor Ort in Deutschland helfen als einer großen und global agierenden Werft“, betonte Fratzscher. Der ‚Wattenrat‘, eine Interessengemeinschaft von Naturschützern aus der Küstenregion Ostfrieslands, unterstrich, dass die Ems seit Jahrzehnten zerstört wird, damit riesige Pötte über den Fluss in die Nordsee manövriert werden können. „Ende des 19. Jahrhunderts war die Ems ca. 2,5 Meter tief, wurde sukzessive im Laufe der Jahrzehnte für die Schiffsüberführungen der Meyer Werft auf 7,30 Meter ausgebaggert und kann zusätzlich mit einem Stauwerk (‚Sperrwerk‘ genannt) bei Gandersum für die ganz großen Schiffe auf 8,50 Meter angehoben werden. Die Folgen für den Fluss sind eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit mit Erosionen und starkem Schlickeintrag mit Sauerstoffzehrung. Bei Sommerstaus ertrinken dann die Gelege und Jungvögel im EU-Vogelschutzgebiet der Unterems“, so der ‚Wattenrat‘. Der Naturschutz bleibt leider – selbst in einer Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen – ein Stiefkind der Politik! In gleicher Weise unterstützten die Bundesregierungen von Merkel und Scholz die Ansiedlung von ‚Tesla‘ im brandenburgischen Grünheide in einer Region, die bereits seit langem über Wassernot klagt, obwohl das wachsende Produktionswerk einen hohen Wasserbedarf hat. Schon direkt zum Baustart gab es erhebliche Bedenken von Naturschützern, auf die ich in meinem Artikel ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘ eingegangen bin. Würde sich die von Olaf Scholz geführte Bundesregierung doch in gleichem Maße für kleine und mittlere Unternehmen einsetzen! Das wäre zielführender als mit üppigen Zuschüssen Großunternehmen zu ködern. Und selbst mit 10 Mrd. Euro lässt sich der Chiphersteller Intel derzeit nicht nach Magdeburg locken.
Kreuzfahrten locken – mit Ausnahme der Corona-Jahre – viele Gäste an Bord. Betrug die Anzahl der Passagiere auf dem weltweiten Kreuzfahrtmarkt – laut statista.com – 2002 noch 11,1 Mio., so bestiegen 2019 bereits 29,7 Mio. Urlauber ein Kreuzfahrtschiff. 2020 fiel die Passagierzahl auf 5,8, 2021 sogar auf 4,8 Mio. Reisende. Im Jahr 2023 wurden die Vor-Corona-Zahlen mit 31,7 Mio. Gästen sogar übertroffen. Trotz der hohen Gästezahlen ist das Kreuzfahrtgeschäft nicht ohne Risiken wie verschiedene Insolvenzen belegen oder die Schieflage bei der Meyer Werft und die enorme Verschuldung der Reederei ‚Carnival‘ – zu der auch ‚Aida‘ gehört – mit 27 Mrd. Dollar. (Bild: Ulsamer)
Jetzt aber zurück zur Meyer Werft. Nicht nur der vorangehend zitierte Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sondern auch Clemens Fuest, Vorstand des Münchner Ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), kritisierte den Staatseinstieg bei der Meyer Werft in der ‚WirtschaftsWoche‘: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, angeschlagene Privatunternehmen vor der Insolvenz zu retten.“ Und Professor Fuest fährt fort: „Wenn das Geschäftsmodell aussichtsreich ist, werden sich private Investoren finden.“ ‚tagesschau.de‘ hatte schon früher darüber berichtet, dass auch das Bundesfinanzministerium auf die Gewinnung eines privaten Investors – in Ergänzung zu Staatsmitteln – drängte. Obwohl sich kein Investor aus der Privatwirtschaft finden ließ, öffneten Bund und Land das Steuersäcklein für die Meyer Werft.
Zur Besänftigung der ‚grünen Seele‘ wird betont, die Meyer Werft werde auch Konverter-Plattformen bauen, um bei Offshore-Windparks den Wechsel- in Gleichstrom umzuwandeln, denn dieser kann mit geringeren Verlusten transportiert werden. Hätte hier nicht früher bei der Meyer Werft umgesteuert werden müssen? Eine solche Konverter-Plattform kostet zwischen einer und zwei Milliarden Euro, ein Kreuzfahrtschiff mittlerer Größe gibt’s von 500 Mio. bis 900 Mio. Euro. Vor Arromanches-les-Bains in der Normandie entsteht der Calvados Windpark. Links im Bild die Konverter-Plattform, rechts die Arbeitsplattform, von der aus die Montage der Windräder und ihrer Fundamente erfolgt. Die Windfarm entsteht zehn Kilometer vor der Küste, an der die Alliierten landeten, um das verbrecherische NS-Regime zu stürzen und die Fackel der Freiheit wieder nach Europa zu tragen. Mehr dazu in meinem Blog-Beitrag: ‚6. Juni 1944: D-Day in der Normandie. Die Invasion zur Befreiung Europas von der NS-Diktatur‘. Ein Arbeitskreis kümmert sich in Arromanches darum, dass ‚Geschichte und Erinnerung‘ im Rahmen des Windpark-Projekts berücksichtigt werden. (Bild: Ulsamer)
Bundeskanzler Scholz, den noch immer unbeantwortete Fragen zum Cum-Ex-Steuerskandal verfolgen, in den die Warburg Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs verwickelt war, hat aus meiner Sicht in wirtschaftspolitischen Fragen kein gutes Händchen. So betätigte er sich als Türöffner für den chinesischen Staatskonzern Cosco, als dieser Anteile an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) erwarb. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag: ‚Bundeskanzler Scholz als Türöffner für chinesische Interessen. Kritische Infrastruktur muss geschützt werden‘. Gerne überhört Scholz kritische Anmerkungen von Experten, denn er hält sich persönlich für einen exzellenten Fachmann in allen Lebensfragen. Notfalls setzt der Bundeskanzler sein übliches Grinsen auf und hofft, dass er so der Kritik entgeht. Selbst sein in den tiefsten Keller abgerutschtes Ansehen bei der Wählerschaft scheint Scholz nicht zu irritieren. Wir können nur hoffen, dass sich der Einstieg bei der Meyer Werft nicht zu einem Fass ohne Boden für den Steuerzahler entwickelt. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das ist für mich und sicherlich für viele andere ein Alptraum.
In der nordirischen Stadt Armagh gibt es zwei Kathedralen auf gegenüberliegenden Hügeln, die beide dem Schutzheiligen Irlands, St. Patrick, gewidmet sind. Natürlich spricht nichts gegen zwei Kirchenbauten in einem Ort, die den Namen des gleichen Heiligen tragen, hier jedoch stehen sie symbolisch für die innere Zerrissenheit in den sechs Grafschaften Derry/Londonderry, Antrim, Armagh, Down, Fermanagh und Tyrone, die die Provinz Ulster bildeten, und nach der vollständigen Unabhängigkeit der Republik Irland im Jahr 1937 beim Vereinigten Königreich verblieben sind. Bereits 1920 war die grüne Insel geteilt worden. Der Süden gehörte als Dominion zum britischen Empire, der Norden – wie zuvor – zum Vereinigten Königreich. Die fortwährende Bevorzugung der Protestanten in Nordirland führte zu tiefen Verwerfungen: Die Spur des Blutes, der 3 500 Menschen seit den 1960er Jahren während des Konflikts in Nordirland zum Opfer gefallen waren, wurde erst mit dem Karfreitagsabkommen am 10. April 1998 unterbrochen. Unter der Oberfläche gibt es jedoch weiterhin Glutnester, die hell auflodern können, wenn sich die protestantische oder katholische Seite ungerecht behandelt fühlt. Der Brexit war und ist eine Gefahr für den inneren Frieden in Nordirland, da sich die protestantischen Hardliner durch Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland von ihrem ‚Mutterland‘ getrennt fühlen, die Katholiken Grenzkontrollen zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland ablehnen. Religion wurde in diesem jahrhundertealten Streit zur Waffe, doch der eigentliche Auslöser von Unruhen waren und sind politische Gründe, was sich daran ablesen läßt, dass über zahlreichen protestantischen Kirchen in Nordirland der Union Jack, die britische Flagge, weht und manche Stadtviertel einem Fahnenladen gleichen. Der Heilige Patrick kann über die irdischen Streitereien sicherlich nur den Kopf schütteln.
Die Einwohner eines Stadtviertels im nordirischen Portadown erklären dem verdutzten Besucher, was sie darunter verstehen, wenn sie die ‚britische Kultur feiern‘: ‚Die drei großen Bestandteile moderner Zivilisation sind Schießpulver, das Drucken und die protestantische Religion‘, so heißt es unter Berufung auf Thomas Carlyle auf einem Transparent. Carlyle (1795-1881) war ein schottischer Historiker und politischer Philosoph, der im viktorianischen Britannien sehr einflussreich war. Er versuchte, seinen Mitbürgern die deutsche Sprache und Kultur nahezubringen, doch gleichzeitig wandte sich Carlyle gegen die Sklavenbefreiung. Martin Luther wird mit seinem berühmten Ausspruch ‚Hier stehe ich. Ich kann nicht anders‘ vereinnahmt, und er würde sich vermutlich unwohl fühlen in einem Umfeld, in dem großflächig die Ulster Volunteer Force zu Wort kommt, eine 1912 gegründete protestantisch-unionistischen Miliz sowie eine ab 1966 aktive terroristische Organisation der Loyalisten, die sich britischer fühlen als die meisten Engländer. (Bild: Ulsamer)
Paraden als Machtdemonstration
Auf die Geschichte des Nordirlandkonflikts möchte ich an dieser Stelle nicht ausführlich eingehen und verweise auf meine bisherigen Blog-Beiträge, z. B. ‚Ein trauriger Gedenktag: Bloody Sunday, 30. Januar 1972. Britische Soldaten erschossen in Derry unschuldige Iren‘ bzw. ‚Nordirland: Karfreitagsabkommen als Tor zum Frieden. Brexit darf nordirischen Friedensprozess nicht gefährden‘. Nach dem Karfreitagsabkommen sind bürgerkriegsähnliche Unruhen zwischen Protestanten und Katholiken ausgeblieben, doch gerade im städtischen Umfeld lassen sich in Derry, Belfast, Armagh oder Portadown – um nur diese Orte zu nennen – die gesellschaftlichen Bruchstellen schnell erkennen. Nicht allein Fahnen und Murals, sondern auch entsprechend markierte Bordsteine zeigen die Gesinnung der Anwohner. Gerne wird an bestimmte historische Ereignisse erinnert, auf protestantischer Seite z. B. an die Schlacht am Boyne im Jahre 1690. Die Unionisten bejubeln selbst mehr als 400 Jahre nach dem Sieg der Truppen des protestantischen Königs Wilhelm III. von Oranien über den ehemaligen katholischen König von England Jakob II. das aus ihrer Sicht einschneidende Ereignis, das anderswo allenfalls Historiker interessieren würde. Am 12. Juli marschieren noch immer protestantisch-unionistische Gruppen durch nordirische Städte – seit alters her mit Vorliebe durch katholische Stadtviertel. Lange wurden diese Umzüge, die leicht das Pulverfass Nordirland zur Explosion bringen konnten und können, von nordirischer Polizei und britischem Militär nicht nur geduldet, sondern auf ihrem fragwürdigen Weg beschützt. Nach dem Karfreitagsabkommen konnten in zahlreichen Kommunen die Routen so verändert werden, dass katholische Bewohner und protestantische Vertreter des Oranierordens nicht mehr aufeinandertreffen. Zwar weht über der protestantischen Kirche in Drumcree – Teil von Portadown – noch immer die britische Flagge, und dort treffen sich die Unionisten mit kirchlichem Segen, ehe sie für ihre Vorherrschaft demonstrieren, doch seit 1998 führt ihr ‚Prozessionsweg‘ nicht mehr durch die Garvaghy Road, an der insbesondere Katholiken wohnen, die sich zumindest teilweise für eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland einsetzen.
In verschiedenen nordirischen Bevölkerungsgruppen und Wohnvierteln ist Geschichte in einer Weise präsent, wie dies in anderen Staaten kaum denkbar ist. Beispielsweise erinnern die Protestanten in Portadown – in der historischen Grafschaft Armagh – die in der Straße lebenden Katholiken mit einem Triumphbogen an die längst vergangenen Siege der Protestanten über die Katholiken. Die rechts aufgeführte Schlacht am Boyne fand immerhin bereits 1690 statt! Der protestantische König Wilhelm III. von Oranien besiegte damals den ehemaligen katholischen König Jakob II. aus dem Hause Stuart. Der Kampf um den Thron war entschieden, Irland vollständig unterworfen, und für die Erinnerungskultur der nordirischen Unionisten, die sich gegen eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland wenden und England als ihr Mutterland ansehen, spielt dieser Sieg eine bedeutsame Rolle. So paradieren die Oranierorden bis heute am 12. Juni durch nordirische Städte, um den Sieg ihrer Vorfahren zu bejubeln und auf die eigene Vormachtstellung zu pochen. (Bild: Ulsamer)
Die Paraden des protestantischen Oranierordens – in Erinnerung an Wilhelm von Oranien – zeigen überdeutlich, worin der eigentliche Konflikt in Nordirland besteht: Es geht um die politische Macht und nicht um religiöse Inhalte. Die Zuordnung katholisch oder protestantisch entschied durch Jahrhunderte über den Zugang zu Bildung, Berufen, Arbeitsstellen bzw. Aufstiegschancen oder über die Zuweisung einer Sozialwohnung. Wer Protestant war, der war allemal im Vorteil. Behörden oder Polizei waren fest in unionistischer Hand. Vieles hat sich in Nordirland zum Besseren verändert, doch Katholiken fühlen sich in Kommunen mit protestantischer Mehrheit weiterhin – meist zurecht – zurückgesetzt. In Nordirland geht es darum, die extremistischen Organisationen weiter in Schach zu halten und den Ausgleich zwischen Protestanten und Katholiken zu stärken. Es ist ein Zeichen politischer Vernunft, dass die explosiven Folgen des Brexits in Nordirland gedämpft werden konnten, so dass es – von Ausnahmen abgesehen – nicht in der Breite zu neuen Gewaltakten kam.
Erst nach der sogenannten ‚Katholiken-Emanzipation‘ im Jahre 1829 war es den Katholiken wieder möglich, unbehelligt ihre Religion auszuüben und Kirchen in Irland zu bauen. 1840 wurde am St. Patrick’s Day – dem 17. März – der Grundstein für die katholische Kathedrale gelegt, die den Namen des Heiligen trägt – wie die gegenüberliegende Kathedrale der Church of Ireland. Während der Großen Hungersnot wurden die Arbeiten ausgesetzt und erst ab Ostermontag 1854 fortgesetzt. Als die Kathedrale 1873 geweiht wurde, nahmen 20 000 Menschen teil. (Bild: Ulsamer)
Kathedralen in politisch schwierigem Umfeld
In Armagh mit je einem Bischofssitz der protestantischen Church of Ireland und der Katholischen Kirche gehen die christlichen Wurzeln auf den Heiligen Patrick zurück, der Irland missionierte. 445 nach Christus soll St. Patrick an der Stelle, an der seit der Reformation unter dem britischen König Heinrich VIII. die protestantische Kathedrale steht, eine erste kleine Steinkirche errichtet haben. Die heutige katholische Kathedrale wurde von 1840 bis 1904 gebaut, als es den Katholiken wieder erlaubt war, sich in Irland in einem eigenen Gotteshaus zu treffen. Zusätzlich erschwert wurde der Kirchenbau durch die Große Hungersnot, die Irland von 1845 bis 1852 heimsuchte und einer Million Menschen den Tod brachte, mehr als zwei Millionen Iren mussten emigrieren, um dem Hunger zu entfliehen. Ausschlaggebend war nicht nur die Kartoffelfäule, die um 1840 in weiten Teilen Europas grassierte, sondern auch die Gewinnsucht britischer Landadeliger, die Getreide auf irischen Feldern ernteten und dann exportieren ließen, selbst wenn das den massenhaften Tod ihrer Pächterfamilien bedeutete. Diese grauenhafte Hungersnot ist ein Fixpunkt der irischen Geschichte, der den Hass auf die englischen ‚landlords‘ auf den Siedepunkt trieb. Die Stellung des katholischen Klerus war in den Jahrhunderten der englischen Unterdrückung bedeutsam, denn er stand als eine Art ‚Untergrundkirche‘ zu den verarmten und unterdrückten katholischen Iren. Umso bedeutsamer war der Bau der Kathedrale in Armagh, die für die katholischen Bewohner eine optische Gleichstellung mit den protestantischen ‚Nachbarn‘ darstellte. Weitere Ausführungen zur Großen Hungersnot in Irland finden Sie in meinem Beitrag: ‚Irland im 19. Jahrhundert: Workhouse, Hungertod oder Emigration. Portumna: Irish Workhouse Centre – Sozialgeschichte wird lebendig‘. Bereits vor der Großen Hungersnot kam es in Irland, aber auch in deutschen Regionen zu Hungersnöten, darauf bin ich in meinem Artikel ‚Zwischen Hungersnot und Volksfest. Was verband Württemberg und Irland im 19. Jahrhundert?‘ eingegangen. Württemberg und Irland durchlebten nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora im Jahr 1815 schwere Hungersnöte und viele Menschen konnten nur als Auswanderer Hunger und Seuchen entgehen.
Zwar wurde der Grundstein für die katholische St Patrick’s Kathedrale schon 1840 gelegt und die Kirche 1873 dem Heiligen Patrick gewidmet, doch erst ab 1900 wurden an den Wänden und am Boden Mosaike ausgelegt, die Decke bemalt und Buntglasfenster eingesetzt. 1904 wurde die im Innern ausgeschmückte Kirche geweiht. Der Bau und die Fertigstellung der Kathedrale war für die Katholiken in Armagh und weit darüber hinaus von größter Bedeutung, da sie die Gleichrangigkeit mit der protestantischen Kirche äußerlich belegte. (Bild: Ulsamer)
In Armagh mit einer katholischen oder Portadown mit einer protestantischen Bevölkerungsmehrheit zeigt sich überdeutlich, dass die Probleme im städtischen Bereich ganz ähnlich gelagert sind. Die Ladengeschäfte in innenstädtischen Quartieren veröden, was sich in deutschen, englischen oder französischen Kommunen gleichermaßen erkennen lässt. Über den manchmal alles andere überdeckenden Konflikt zwischen protestantischen und katholischen Gruppierungen wurden andere Problemfelder vernachlässigt. Dies gilt in weiten nordirischen Regionen auch für eine zukunftsorientiere Wirtschaftsstruktur. Als Folge muss die britische Zentralregierung in London jährlich rd. 10 Mrd. Pfund zuschießen, um den nordirischen Haushalt im Gleichgewicht zu halten. Im Budgetjahr 2021 lagen die Subventionen sogar bei 15 Mrd. Pfund, nahezu ein Drittel des Gesamtvolumens der staatlichen Ausgaben, die somit lediglich zu zwei Dritteln aus Steuern in Nordirland abgedeckt werden. Ganz nebenbei führt dieses staatliche Defizit mit dazu, dass Bürger in der Republik, die im Grunde für eine Wiedervereinigung eintreten, aus finanziellen Gründen diese ablehnen. Während die protestantischen Parteien eine Wiedervereinigung von Nordirland mit der Republik ohnehin ablehnen, ist es das Hauptziel der katholischen Sinn Féin, die grüne Insel zu vereinen. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag: ‚Irland: Sinn Féin löst politisches Erdbeben aus. Befürworter der Wiedervereinigung im Aufwind‘.
Daniel McGettigan, Erzbischof von Armagh in den Jahren 1870 bis 1887, blickt hinüber zur protestantischen Kathedrale der Church of Ireland. Unter Bischof McGettigan wurde die katholische Kathedrale zumindest äußerlich vollendet, darauf weist das Kirchenmodell an seiner Seite hin, und dem Heiligen Patrick geweiht. Beide Kathedralen tragen den Namen des irischen Nationalheiligen. Aufgestellt wurde die vom italienischen Bildhauer Pietro Lazzarini (1842-1918) gestaltete Statue des Erzbischofs McGettigan im Jahre 1904. (Bild: Ulsamer)
Der lange Weg zur Versöhnung
Dass es den Kontrahenten kaum um Religion, dafür eher um politische Ziele – für oder gegen die Wiedervereinigung – geht, das lässt sich beispielhaft an Sinn Féin ablesen, einer Partei, die sehr weit links steht und wenig mit Religion am Hut hat, obwohl sie gerade von Katholiken gewählt wird. Der 1926 in Armagh geborene und 2014 verstorbene protestantische Pfarrer Ian Paisley gründete seine eigene Partei – Democratic Unionist Party (DUP) – und gleich noch eine Kirche dazu, um für den Erhalt der Vorrechte der Protestanten und eine möglichst enge Anbindung an London zu streiten. Trotz der schroffen Gegensätze sprangen Sinn Féin und die DUP über ihren Schatten, als es nach dem Karfreitagsabkommen gelang, eine Regionalregierung für Nordirland zu bilden. Ian Paisley wurde Erster Minister und Martin McGuinness von Sinn Féin sein Stellvertreter in einer Allparteienregierung. Sollten Sie sich für Martin McGuinness interessieren, dann finden Sie weitere Hinweise in meinem Blog-Beitrag ‚Von der Gewalt zur Politik‘.
Die dem irischen Nationalheiligen gewidmete St. Patrick Kathedrale wurde nach der vom englischen König Heinrich VIII. durchgedrückten Reformation eine anglikanische Kirche. Heinrich VIII. wollte nach Belieben seine Ehefrauen austauschen und ließ sie gerne mal hinrichten. Als der Papst in Rom dies nicht gutheißen wollte, schritt der König zur Kirchengründung. Mit Religion hatte schon jener Schritt nichts zu tun, sondern mit Machterhalt, und so ging es die nachfolgenden Jahrhunderte zwar vordergründig um religiöse Fragen, in Wahrheit allerdings um die Unterdrückung bzw. Ausgrenzung der katholischen Iren. Die protestantische St. Patricks Kathedrale gleicht heute eher einem Museum als einem Gotteshaus, doch ist sie für historisch Interessierte einen Besuch wert – genauso wie die katholische Kathedrale auf dem gegenüberliegenden Hügel. (Bild: Ulsamer)
Die Kooperation zwischen den Parteien der Protestanten und der Katholiken verlief holprig, und immer wieder kam sie auch im nordirischen Parlament – Northern Ireland Assembly – ganz ins Stocken, dennoch wurde in den gut 25 Jahren nach dem Karfreitagsabkommen viel erreicht. Die protestantische und die katholische Kathedrale stehen in Armagh auf zwei gegenüberliegenden Hügeln, doch das Zusammenwirken der christlichen Kirchen hat sich verbessert, und die Hardliner auf beiden Seiten scheinen zahlenmäßig weniger geworden zu sein. Der Weg des Friedens und der Versöhnung ist in Nordirland allerdings noch weit. Wenn die katholische und die protestantische Kathedrale in Armagh beide dem Heiligen Patrick geweiht sind, dann sollte es doch gelingen, die Gegensätze zu überwinden.
Als Sohn einer evangelischen Mutter und eines katholischen Vaters tue ich mich besonders schwer, wenn zwischen zwei in Europa ohnehin dahinsiechenden Glaubensgemeinschaften künstlich Aggressionen geschürt werden. In Nordirland kann man noch immer hautnah erleben, wohin es führt, wenn christliche Kirchen nicht zusammenarbeiten, sondern zu Rammböcken politischer Organisationen degradiert werden. Wo britische Fahnen über Kirchtüren flattern, da geht es in Nordirland um den Erhalt protestantischer Vorrechte, keineswegs um religiöse Inhalte. (Bild: Ulsamer)
Nicht nur in Portadown (im Bild), sondern auch in Belfast oder Derry und anderen Städten gibt es Stadtviertel, wo die Geschichte stehengeblieben zu sein scheint. Je offener eine Gesellschaft sich gibt, desto mehr igeln sich einzelne Quartiere ein. Die über Jahrhunderte durchgesetzte Vormacht der Protestanten ist geschwunden, und seit dem Karfreitagsabkommen hat die Gewalt zwischen protestantischen und katholischen Gruppierungen bzw. der bis 1998 fast vollständig protestantischen Polizei in Nordirland und dem britischen Militär abgenommen – ein Segen für alle Menschen in Nordirland. Nicht alle scheinen dies jedoch so zu empfinden. Der Ulster Volunteer Force (UVF) wird hier in Portadown gehuldigt, obwohl sie zumindest ab 1966 eine terroristische Organisation ist, die mit brutalen Morden für die Vorherrschaft der Unionisten stritt, die auf protestantischer Seite alles taten, um die Einbindung ins Vereinigte Königreich zu sichern. Gegründet worden war die Ulster Volunteer Force bereits 1912 als paramilitärische Einheit der Loyalisten. Bezeichnend ist die plakatierte Aussage „WHEN INJUSTICE BECOMES LAW RESISTANCE BECOMES DUTY“. Die Unterzeichner „MID ULSTER U.V.F“ verdrehen mit einer im Grunde richtigen Aussage die Situation in Nordirland: Die Ungerechtigkeit wurde über Jahrhunderte den Katholiken zugefügt, doch protestantische Unionisten vom Schlage der UVF fühlen sich in Verkennung aller Tatsachen als unterdrückte Bevölkerungsgruppe. In den meisten deutschen Medien wurden die terroristischen Bluttaten der unionistischen Vereinigungen weit seltener angesprochen als die nicht weniger furchtbaren Gewaltakte der Irish Republican Army (IRA). (Bild: Ulsamer)
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Die heutige protestantische St. Patricks Kathedrale im nordirischen Armagh steht an der Stelle, an der nach der Überlieferung der Heilige um 445 eine kleine steinerne Kirche errichtet hatte. Das jetzige Gebäude geht auf das Jahr 1268 zurück. Die Kathedrale überstand eine Feuersbrunst und verschiedene Umbauten, die tiefgreifendste 1834, als der damals berühmte englische Architekt Lewis Nockalls Cottingham unter Erzbischof John Beresford mit der Restaurierung beauftragt wurde, die kaum etwas vom vorhergehenden Aussehen übrigließ. (Bild: Ulsamer)
Sind Basstölpel auf festem Boden unterwegs, sehen die gänsegroßen Seevögel etwas drollig aus mit ihrem watschelnden Gang, doch wenn sie sich mit einer Flügelspannweite von bis zu 180 Zentimetern in die Lüfte erheben, dann ist ihr Flug geradezu majestätisch. Sie überholen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h locker Fährschiffe, und wenn sie sich auf Futtersuche mit bis zu 100 Stundenkilometern wie ein Pfeil ins Meer stürzen, ist das ein atemberaubender Anblick. Basstölpel bauen als Koloniebrüter ihre Nester an steilen Klippen, doch auf Schnabellänge sollte der Nachbar schon Abstand halten. In ihrem weißen Federkleid mit den schwarze Flügelspitzen, dem blassgelben Kopf und den blauen Augen wirken Basstölpel ausgesprochen vornehm. Abgesehen von der Brutzeit leben diese Seevögel auf dem Meer. Immerhin geht die Weltnaturschutzorganisation IUCN von rd. 400 000 Brutpaaren an europäischen Küsten aus, und hält daher die Tölpel für nicht gefährdet. Auf Helgoland zeigte sich allerdings, dass 2022 der Vogelgrippe 90 % der Küken zum Opfer fielen. Diese Kolonie ist zwar mit einigen hundert Paaren sehr klein und nicht mit deutlich größeren Brutplätzen im Vereinigten Königreich oder der Republik Irland vergleichbar, wo zehntausende von ‚Gannets‘ leben, doch generell bin ich beim Erhaltungszustand der Basstölpel-Kolonien deutlich skeptischer als die IUCN. Nicht nur die Vogelgrippe ist eine tödliche Gefahr, sondern die Verschmutzung der Meere, die geringe Zahl geeigneter Klippen und vorgelagerter Inseln, der Klimawandel und die Überfischung tun ein Übriges. Basstölpel sind es zwar gewohnt, weite Strecken zur Futterbeschaffung zurückzulegen, doch je spärlicher der ‚Tisch‘ mit Heringen und Makrelen als Folge der Überfischung gedeckt ist, desto weiter müssen die Eltern fliegen, um Nahrung für das zumeist einzige Küken heranzuschaffen.
Basstölpel wohnen gerne in Kolonien, so ist ein intensiver Flugverkehr unvermeidlich. (Bild: Ulsamer)
Schwindende Fischbestände als Gefahr
Basstölpel können möglichenfalls über 30 Jahre alt werden, so z. B. erreichte ein beringter Basstölpel gut 37 Jahre. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weniger als die Hälfte der Küken ihr drittes Lebensjahr erreicht. Geschlechtsreif werden Basstölpel mit vier bis sechs Jahren, und in diesem Zeitraum bildet sich auch das vollständig weiße Federkleid mit den schwarzen Flügelspitzen aus. Vorher sehen die Jungvögel gesprenkelt aus, denn die Federn sind überwiegend braun, die Spitzen jedoch bereits weiß, so dass sich ein gepunktetes Erscheinungsbild ergibt. Mit jeder Mauser nähern sich die Jungvögel dem Erwachsenengefieder an. Zur Versorgung ihrer Küken mit Fischen legen die Basstölpel traditionell 50 oder sogar 100 km oder mehr zurück, doch in leergefischten Meeren werden die Strecken immer länger. Wer Basstölpel an ihren Nistplätzen beobachtet, der kann schnell feststellen, dass die Fischbestände im unmittelbaren Umfeld der Brutkolonien nicht ausreichen und sich die Basstölpel häufig als Gruppe auf den Weg machen, um anderswo Hering oder Makrele zu fangen. Beeindruckend ist es, wenn sich die Basstölpel aus 10, 20 oder gar 40 Metern Höhe pfeilschnell in Richtung Wasseroberfläche hinabstürzen und im letzten Moment die Flügel eng an den Körper anlegen und eintauchen. Zumeist fangen sie die Fische beim Wiederauftauchen. Machen sich mehrere Basstölpel an der gleichen Stelle zur Jagd auf, dann verwirrt diese Technik die Beutefische und führt zu einer höheren Fangquote. Im Zuge des Klimawandels erwärmen sich die Ozeane, was u.a. auch zu Verlagerungen der ohnehin schwindenden Fischpopulationen führt. Zwar können ihnen die Basstölpel während ihrer Zeit auf offener See folgen, doch wenn sie brüten, müssen ausreichend Fische in erreichbarer Distanz zu finden sein: Ihre Nester bauen sie in steilen Klippen meist auf einsamen Inseln oder in wenig frequentierten Küstenabschnitten, daher können sie abwandernden Fischbeständen nur schwer folgen. Der Klimawandel mit zunehmenden Stürmen erschwert den Basstölpeln auch außerhalb der Brutzeit das Leben, da sie bei höherem Wellengang die Fische aus der Höhe weniger gut erkennen und heftigere Winde zum Tod der Vögel auf hoher See führen können.
Basstölpel können sich als Stoßtaucher bei der Jagd nach Fischen mit bis zu 100 km/h wie ein Pfeil ins Meer stürzen. (Bild: Ulsamer)
Die Folgen des Klimawandels werden nach meiner Meinung bei den zitierten Bewertungen der IUCN viel zu wenig beachtet, genauso wie die schwächelnden Fischbestände und die Verschmutzung der Meere mit Plastikteilen, die nicht selten zum Nestbau benutzt werden. Regenwasser kann bei zu viel Kunststoff weniger gut aus dem Nest ablaufen und ‚eingebaute‘ Teile von Fischernetzen werden zu tödlichen Fallen für die Vögel selbst und ihre Küken, wenn sie sich darin verheddern. Aber nicht nur in Netzstücken, sondern auch in treibenden Geisternetzen bzw. ausgebrachten Schleppnetzen können sich Basstölpel beim Stoßtauchen verfangen und elend sterben. Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen zahlloser Windparks im Meer: Ich sehe deren Berechtigung durchaus, denn auch wir verbrauchen – trotz unserer eigenen PV-Anlage – Strom öffentlicher Energieunternehmen, doch muss mehr Rücksicht auf die Meeresbewohner, seien es Seevögel, Delfine, Wale oder Robben beim Bau und Betrieb von Offshore-Windparks genommen werden! Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag: ‘Delfine – bedroht von Fischernetzen, Lärm und Müll. Meerestiere brauchen mehr Schutz’. Die Ozeane erscheinen auf den ersten Blick unendlich weit, doch in immer mehr maritimen Regionen sieht man vor lauter Windrädern und Schiffen kaum noch den Horizont.
Auffallend sind die hellblauen Augen der Basstölpel. Untersuchungen schottischer Forscher zeigen dramatische Auswirkungen der Vogelgrippe auf die Kolonien der Basstölpel. Es scheint Vögel zu geben, die Antikörper gegen die Vogelgrippe entwickelt haben und an schwarzen Augen zu erkennen sind. Auf dem Bass Rock im Firth of Forth vor Edinburgh, wo die größte Zahl von Basstölpeln brütet, reduzierte sich die Zahl der besetzten Nester um 71 % als Folge der Vogelgrippe, und der Bruterfolg ging um 66 % im Vergleich zu langjährigen Zählungen zurück. Zwischen 2021 und 2022 verringerten sich gleichfalls die Überlebensraten erwachsener Basstölpel substanziell. Da frage ich mich erneut, ob die Einschätzungen der Weltnaturschutzorganisation IUCN nicht viel zu positiv sind, denn Erkrankungen können bei Koloniebrütern schnell ganze Populationen dahinraffen. Der Begriff ‚Vogelgrippe‘ suggeriert, Wildvögel würden diese entwickeln und übertragen, was aber weitestgehend falsch ist. Sie ist im Gegenteil – wie Covid – durch den Einfluss des Menschen entstanden: Verschiedene Vogelgrippeviren trafen in gewaltigen asiatischen Geflügelbetrieben aufeinander und entwickelten gerade in Beständen mit geimpften Tieren einen ‚Supervirus‘ – H5N1 -, der über den Handel mit Geflügel verbreitet wurde. (Bild: Ulsamer)
Schutz der Seevögel intensivieren
Das einzige Ei des Basstölpelpaares wird von beiden Elternvögeln nicht nur abwechselnd bebrütet, sondern auch beschützt. Wenn nach gut 40 Tagen das Küken schlüpft, füttert das Vogelpaar gemeinsam das Junge mit Fisch, was weitere 75 bis 90 Tage während der Nestlingszeit andauert. Die Jungvögel müssen gut genährt sein, wenn sie eine Chance auf Überleben haben sollen, denn flattern sie auf ihren noch nicht flugerprobten Flügeln ins Meer, sind sie auf sich gestellt und müssen möglichst schnell das Fliegen bzw. Tauchen nach Fischen selbst erlernen. Für das Leben im Wasser sind die Basstölpel gut gerüstet, denn mit dem Sekret aus ihren Öldrüsen fetten sich die Seevögel ein, die zudem die stürmischen Herbst- und Wintermonate auf hoher See verbringen. Eine Fettschicht, dickes Daunengefieder und überlappende Federn tragen ebenfalls dazu bei, im kalten Meerwasser zu überleben. In den Kolonien der Basstölpel trifft man in der Brutzeit von März bis Juli nicht nur verpaarte Vögel an, sondern auch Jungvögel, die sich am Rand aufhalten. Bemerkenswert ist an vielen Klippen, dass in den einzelnen ‚Stockwerken‘ unterschiedliche Seevögel nisten, so z. B. Dreizehenmöwen, Lummen, Tordalke, Eissturmvögel, Krähenscharben, Papageitaucher und Basstölpel. Auf die Papageitaucher bin ich in meinem Beitrag ‚Papageientaucher: Die bunten ‚Clowns‘ der Meere werden immer seltener. Seevögel leiden unter Überfischung, Plastikmüll und Klimawandel‘ eingegangen.
Basstölpel legen bei der Futterbeschaffung für ihre Küken häufig 50, 100 oder mehr Kilometer zurück. Sie scheinen durch die Lüfte zu gleiten, bis sie wieder mit den Flügeln schlagen, um Höhe und Geschwindigkeit zu halten. Auf das traurige Dasein, das einige Basstölpel – bis vor kurzem – über lange Jahre in der Stuttgarter Wilhelma fristen mussten, bin ich in meinem Beitrag ‚Zoos sind keine Arche Noah. Lebensräume schützen statt Wildtiere einsperren‘ eingegangen. (Bild: Ulsamer)
In manchen Veröffentlichungen wird von einer Zunahme der Basstölpel berichtet, aber meist wird das geringe Niveau verschwiegen, von dem aus diese scheinbar ‚erfreulichen‘ Zuwächse aus berechnet werden. Einst gab es kopfstarke Kolonien, doch Menschen machten sich nicht nur über die Eier, sondern über die Basstölpel selbst her. Vor einem Jahrhundert soll es kümmerliche 100 000 Basstölpel in 20 Kolonien an den Küsten und auf den Inseln des Nordatlantiks gegeben haben. So ist es positiv zu bewerten, dass nach der weitgehenden Einstellung der Jagd auf Basstölpel die Kolonien wieder gewachsen sind und die IUCN heute in europäischen Gewässern von rd. 400 000 Brutpaaren ausgeht. Gewachsen sind inzwischen aber auch die Bedrohungen wie Überfischung der Meere, die die Basstölpel zu immer längeren Flügen zur Futterbeschaffung für die Küken zwingen. Wer Seevögel, und auch Delfine oder Robben in ihrem Bestand sichern möchte, der muss die Fischerei weiter einschränken, was nicht nur im Sinne der Meerestiere, sondern auch von uns Menschen wäre, denn ganze Fischbestände werden ohne strengere Schutzmaßnahmen zusammenbrechen. Klippen sind in zunehmendem Maße das Ziel von Freizeitaktivitäten und müssen ebenfalls unter Schutz gestellt werden. Dies gilt im Übrigen auch für naturnahe Strände, die nicht vollständig von Touristen okkupiert oder gar zum Parkplatz degradiert werden dürfen. Die Vogelgrippe hat teils dramatische Auswirkungen auf Basstölpel und andere Seevögel. Die Verunreinigung der Meere mit Plastikmüll, Pestiziden, Geisternetzen, ungeklärten Abwässern usw. muss deutlich reduziert werden, wenn wir die Biodiversität nicht weiter gefährden wollen. Bei jeder Nutzung der Ozeane, sei es durch Schifffahrt, Offshore-Windparks, Ausbeutung von Bodenschätzen, Verlegung von Pipelines oder dem Bau von Tunneln und Brücken müssen die Belange von allen Meeresbewohnern stärker berücksichtigt werden. Der Klimawandel mit heftigeren Stürmen und der Verlagerung von Fischgründen als Folge der Erderwärmung bringt zusätzliche Gefahren für die Basstölpel. Sollte im Zuge der Erderwärmung und des Abschmelzens des Grönlandeises der Golfstrom schwächeln oder gar umkippen, würden sich nicht nur gravierende Folgen für die Meerestiere, sondern auch für die menschlichen Anwohner des Nordatlantiks ergeben. ‚Wenn der Golfstrom schlapp macht. Erderwärmung könnte Nord- und Westeuropa eisige Zeiten bescheren‘, so der Titel meines entsprechenden Blog-Beitrags.
Wer in einer Kolonie brütet, hat wenig Platz. Im Regelfall sind die Nester gerade so weit voneinander entfernt, dass sich die Basstölpel mit dem Schnabel nicht erreichen können. Hier sind auch Küken in den Nestern zu entdecken. Geboren werden sie mit dunkler Haut und ohne Federn. Der erste Flaum ist weiß, dann kommen dunklere Federn mit weißen Spitzen, daher sehen sie gesprenkelt aus, wenn sie ihre Nester verlassen. In den folgenden vier bis fünf Jahren entwickelt sich das Federkleid der Erwachsenen Seevögel. (Bild: Ulsamer)
Wer die Basstölpel auch in Zukunft mit einer Flügelspannweite von fast zwei Metern im Gleitflug beobachten und sie beim Eintauchen mit bis zu 100 km/h ins Wasser erleben möchte, der muss sich für den Schutz ihrer Brutkolonien und den Erhalt der Fischbestände einsetzen!
Der Schnabel spielt bei den Basstölpeln nicht nur eine große Rolle beim Fischfang, sondern auch in der Kommunikation. Was die beiden zu ‚besprechen‘ haben, das weiß ich natürlich nicht: Eine freundliche Begrüßung kann das sein oder der Wunsch, auf Schnabellänge Abstand zu halten. (Bild: Ulsamer)
Flugkünstler und interessierte Beobachter. Die Fotos zu diesem Beitrag entstanden im Vogelschutzgebiet ‚Troup Head‘ des RSPB Schottland zwischen Aberdeen und Inverness, der einzigen Kolonie von Basstölpeln auf dem britischen Festland. (Bild: Ulsamer)
‚Bald bin ich erwachsen‘: Nur noch einige dunkle Flecken im ansonsten weißen Gefieder mit schwarzen Flügelspitzen und einem gelblichen Kopf. (Bild: Ulsamer)
Wo gibt’s denn hier einen Landeplatz? Basstölpel brüten in Kolonien und sind die Platzknappheit gewohnt. (Bild: Ulsamer)
Jeder Felsvorsprung wird an den steilen Klippen durch die Basstölpel genutzt. Geeignete Klippen an der Steilküste des Festlands oder auf einsamen Inseln sind selten. Die Überfischung raubt den Seevögeln die Nahrungsgrundlage und die Vermüllung der Meere kostet vielen gefiederten Freunden das Leben. Weitere Informationen hierzu finden Sie in meinem Artikel ‚Seevögel in Not. Leergefischte und vermüllte Meere zerstören die Vogelwelt‘. (Bild: Ulsamer)
Die Nester der Basstölpel sind eher spartanisch ausgebaut. Während der Brutzeit allerdings wird oft weiteres Nistmaterial zum Ausbessern herangeschafft, weil die Kolonien auf den Klippen Wind und Regen schutzlos ausgesetzt und daher anfällig für Zerstörung sind. (Bild: Ulsamer)
Seevögel wohnen in hohen Klippen häufig mehrstöckig und nach Arten getrennt. (Bild: Ulsamer)
Die schottischen Nationalisten als zweiter Wahlverlierer
Die Bürgerinnen und Bürger haben Premierminister Rishi Sunak und seine Conservative and Unionist Party bei den Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich hart abgestraft: Die Tories taumeln zwar seit Boris Johnson angeschlagen durch die britische Politik, doch das jetzige Wahlergebnis ist ein Tiefschlag. Profitiert hat vom Unmut der Bürgerschaft die Labour Party, die Keir Starmer gerade noch rechtzeitig aus der extremen linken Ecke herausgeführt hat. Zu den Verlierern zählt die Scottish National Party (SNP), die nach einem Höhenflug als Partei der Unabhängigkeit eine fatale Bruchlandung hinlegte. Statt über 47 der 59 schottischen Sitze im Unterhaus zu verfügen, entsendet die SNP nur noch neun Abgeordnete nach Westminster. Im Grunde war das Wahlergebnis absehbar, denn weder die Konservativen noch die SNP hatten es vermocht, mit einer herausragenden Führungsperson in den Wahlkampf zu ziehen. Sunak, der ehemalige Investmentbanker und Multimillionär, verheiratet mit der Tochter eines indischen Milliardärs, vermochte es nicht, seine Landsleute wirklich anzusprechen und für sich zu gewinnen. Er ähnelt im Gehabe Emmanuel Macron, der als Präsident und gleichfalls Ex-Investmentbanker, kaum noch Zugang zum französischen Volk findet und wie Sunak zum falschen Zeitpunkt und ohne inhaltliche und personelle Konzepte Neuwahlen ausrief. Wer wie Sunak oder Macron nur auf Sprechblasen setzt, der öffnet Tür und Tor für den politischen Gegner.
Die SNP, die Scottish National Party, hat erlebt, dass ihr die Herzen der Schotten nicht mehr zufliegen. Sie entsendet nur noch neun Abgeordnete nach Westminister, in der vorhergehenden Wahlperiode waren es 47. Die Conservative Party wurde von 372 auf 121 Parlamentsmitglieder dezimiert. (Bild: Ulsamer)
Schlechtes Personal ist schwer loszukriegen
Es wäre ungerecht, Premierminister Sunak eine politische Alleinschuld am vernichtenden Urteil der Wählerschaft anzulasten, denn David Cameron setzte mit einer Volksabstimmung die Brexit-Maschine erst richtig in Gang, obwohl er diesen selbst nicht anstrebte. Theresa May gackerte als seine Nachfolgerin die Sprüche der eifrigen Brexiteers nach und versprach, die bei einem EU-Austritt eingesparten Finanzmittel in den maroden Nationalen Gesundheitsdienst und den Wohnungsbau zu stecken. Auf beides wartete die Bürgerschaft vergeblich und ermöglichte nun einen Erdrutschsieg der Labour Party. Boris Johnson übernahm von Theresa May das Ruder in 10 Downing Street um als ungehobelter Brexit-Rabauke die Verbindungen zur EU zu kappen. Seine lautstarken Versprechungen von einer glorreichen Zukunft Britanniens ohne den Bremsklotz EU haben sich allerdings in Luft aufgelöst. Als der Conservative Party die Pandemie-Skandale ihres Boris dann doch zu viel wurden, setzte sie ihn vor die Tür und ihre Mitglieder verfielen auf die absurde Idee, Liz Truss zur Premierministerin zu krönen. Ihr fehlte es allerdings an Format und Fortune, und so endete ihre Amtszeit nach gerade mal 49 Tagen. Als letzter Strohhalm sollte Rishi Sunak die Konservativen wieder in die Erfolgsspur bringen, doch er fuhr seine Partei vollends gegen die Wand. Über einzelne politische Maßnahmen kann man immer trefflich streiten, aber es fehlte Sunak am politischen Gespür und historischen Bewusstsein. Als die früheren Alliierten am 6. Juli 2024 den 80. Jahrestag der Invasion feierlich begingen und US-Präsident Joe Biden, der französische Präsident Macron und zahlreiche hochrangige Politiker in der Normandie zusammenkamen, da machte er sich nach einer Stippvisite schleunigst davon und ließ sich vom reaktivierten ehemaligen Premierminister und jetzigen Außenminister David Cameron vertreten. Auf diese abwegige Idee kann nur jemand kommen, der keine Ahnung vom Geschichtsbewusstsein vieler seiner Landsleute hat: Selbst Sunak nahestehende konservative Medien und Politiker zeigten sich offen empört. Nicht jeder Investmentbanker ist eben ein einfühlsamer Premierminister!
Zahlreiche bisherige SNP-Wähler haben für Labour gestimmt, denn sie hoffen, so Einfluss auf die britische Politik nehmen zu können. Sie schwören damit nicht der Hoffnung auf die Unabhängigkeit Schottlands ab, doch schien es ihnen vorrangig, die konservative Regierung in London abzulösen. (Bild: Ulsamer)
Der Verschleiß an Führungspersonal charakterisierte in den letzten Jahren nicht nur die Konservativen, sondern in gleicher Weise die nach Unabhängigkeit strebende Scottish National Party, die Schottland in die Unabhängigkeit führen will und für einen Verbleib in der EU warb. Das erste Unabhängigkeitsreferendum 2014 scheiterte, ein weiteres verhinderten die Regierungen in London. Weder die Konservativen noch die Labour Party konnte sich bisher für die Abtrennung Schottlands erwärmen. Bei der aktuellen Wahl zum Unterhaus waren wir in Schottland, und es lässt sich erkennen, dass der Impetus, wieder einen eigenständigen schottischen Staat zu bilden, schwächelt. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Einnahmen aus dem Nordseeöl, die die SNP für ihr ‚Land‘ reklamiert, geringer geworden sind. Zahlreiche Bürger haben dazuhin erkannt, dass ein schottischer Staat nicht ohne Hürden in die EU zurückkehren könnte. Sozial und wirtschaftlich schwächeren Gruppen geht es bei ihrer Stimmabgabe für Labour darum, die zukünftige Regierungspartei in London zu stärken und zu beeinflussen. Sie hoffen auf deren Engagement für Verbesserungen und sind bereit, dafür das Streben nach Unabhängigkeit – zumindest zeitweise – aufzugeben. Dass die SNP ihr zentrales Anliegen, die Unabhängigkeit, nicht durchsetzen konnte, kann ihr kaum angelastet werden, denn dafür hat sie nur die wenigen Grünen in Schottland als Bündnispartner, doch die Personalprobleme an der Spitze trugen maßgeblich zum Niedergang bei der Unterhauswahl am 4. Juli 2024 bei. Selbstredend gehören Wechsel an der Parteispitze in der Demokratie zum kulturellen Grundbestand, aber es gefällt den Wählerinnen und Wählern gewiss nicht, wenn immer ein fader Beigeschmack bleibt, weil Skandale und Skandälchen zum Abgang beitragen oder im Politiker-Karussell beständig die gleichen Namen auftauchen bzw. Befreiungsschläge als Fehlbesetzungen enden. Alex Salmond, der die SNP in zwei Etappen für insgesamt 20 Jahre prägte, verließ die Partei und moderierte von 2017 bis 2022 eine Sendung im russischen Propagandasender ‚Russia Today‘, um dann in gleicher Funktion für den türkischen Staatssender TRT die Trommel zu rühren. Nicola Sturgeon und ihr Mann bekamen es mit der Justiz zu tun, und Humza Yousaf überwarf sich als Parteivorsitzender und Erster Minister der schottischen Regionalregierung mit dem grünen Bündnispartner und musste nach gut einem Jahr abtreten. Der jetzige SNP-Vorsitzende John Swinney hatte 2002 bis 2004 wenig erfolgreich die SNP geführt und übernahm nun 20 Jahre später wieder das Ruder. Ein solches politisches Recycling und mageres Personaltableau konnte die Wählerschaft nicht überzeugen!
Die Grabenkämpfe bei den Tories und den schottischen Nationalisten erinnern mich an den Songtext von Frank Ramond: „Schlechtes Personal ist sehr schwer loszuwerden“ und „gutes Personal leider schwer zu bekomm’n.“ Für diese Feststellung muss man nicht unbedingt zu den Konservativen im Vereinigten Königreich schauen, es reicht, einen Blick auf die Ampelregierung unter Olaf Scholz zu werfen! Was ist nur in weiten Teilen Europas mit der Politik los?
Labour ging als strahlender Sieger aus den Wahlen zum britischen Unterhaus hervor, doch aus der großen Zahl an Mandaten resultiert auch eine große Verantwortung. Keir Starmer hat keine Chance, die Schuld auf Koalitionsparteien – wie in Deutschland – zu schieben, sondern er muss für Erfolg und Misserfolg einstehen. Wichtig wird es sein, den Export wieder zu stärken, der durch den Brexit einen Dämpfer erhalten hat. (Bild: Ulsamer)
The winner takes it all
Zu den gravierenden Bewegungen bei den Parlamentssitzen trägt natürlich das britische Mehrheitswahlrecht bei, denn es zählt nur der Sieg im Wahlkreis – mit welchem prozentualen Anteil auch immer. Kleinere Parteien tun sich daher schwer. Solche Wahlsysteme mag die Berliner Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Übrigen gar nicht, daher hat sie ein Wahlgesetz verabschiedet, das auf Listen und Prozente setzt und dabei einkalkuliert, dass gewählte Abgeordnete ihren Platz im Deutschen Bundestag nicht einnehmen können, wenn deren Partei mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als ihr nach ihrem bundesweiten Prozentsatz zustehen würden. Mehr dazu in meinem Beitrag: ‚Wahlrechtsreform: Trotz Direktmandat nicht im Bundestag? Der Vorschlag der Ampelregierung gefährdet die Demokratie‘. Die Labour Party hat mit 412 Sitzen eine komfortable Mehrheit und ist nun gefordert, die Probleme im Gesundheitswesen und beim Wohnungsbau beherzter anzugehen als die Konservativen. Erwartet werden wirtschaftliche Impulse, die sich im Lebensstandard der mittleren und unteren Schichten niederschlagen. Keir Starmer und seine Labour Party haben eine Rückkehr in die EU verworfen, und sie müssen beweisen, dass sie die Probleme des Landes wirklich zu lösen vermögen. Der National Health Service ist seit Jahrzehnten selbst ein Patient, und dies unter konservativen genauso wie unter sozialistisch-sozialdemokratischen Regierungen. Rund 7,6 Millionen Menschen stehen auf den Wartelisten des NHS und warten auf eine Behandlung. Nicht wenige Kranke liegen auf einem Schragen im Gang und nicht in einem Bett im Zimmer.
In der Bogside im nordirischen Derry erinnert ein Wandgemälde an eine Szene, die die wahren Verhältnisse am Bloody Sunday zeigte: Ein Pfarrer winkt mit einem blutgetränkten weißen Taschentuch als er mit anderen Männern versucht, ein verletztes Opfer in Sicherheit zu bringen. In Derry erschossen am 30. Januar 1972 britische Fallschirmjäger 14 unbewaffnete Demonstranten, die gleiche Zahl wurde durch Schüsse verletzt. Dieses erschreckende Ereignis befeuerte die Gewaltspirale in Nordirland, die die Iren etwas verharmlosend „Troubles“ nennen. Lange Jahre versuchte die britische Regierung, die Schuld den Bürgerrechtlern anzulasten, die zu dem Demonstrationsmarsch aufgerufen und an ihm teilgenommen hatten. Erst der Saville-Report, der 2010 dem britischen Unterhaus vorgelegt wurde, machte deutlich, dass die britischen Soldaten grundlos auf die wehrlosen Demonstranten geschossen hatten, die nach Lord Saville keine Gefahr für das eingesetzte Militär dargestellt hatten. Ich hoffe sehr, dass die Labour-Regierung nachhaltig zum Erhalt des fragilen Friedens in Nordirland beitragen wird. Mehr dazu in: ‚Ein trauriger Gedenktag: Bloody Sunday, 30. Januar 1972. Britische Soldaten erschossen in Derry unschuldige Iren‘. (Bild: Ulsamer)
Erwähnenswert ist, dass Sinn Féin, die insbesondere die nordirischen Katholiken vertritt, wieder sieben Sitze im Unterhaus gewonnen hat, diese jedoch wie in der Vergangenheit nicht einnehmen wird. Deren gewählte Abgeordnete lehnen die Autorität der britischen Regierung ab und sind nicht bereit, den Eid auf die Krone abzulegen. Sinn Féin setzt sich für die Wiedervereinigung von Nordirland mit der Republik Irland ein und hat in den vergangenen Jahren im irischen Süden deutlich an Zuspruch gewonnen. Weitere Hinweise zu Sinn Féins Rolle in der irischen Politik finden Sie in meinem Artikel ‚Irland: Sinn Féin löst politisches Erdbeben aus. Befürworter der Wiedervereinigung im Aufwind‘. Ich hoffe sehr, dass die Labour-Regierung mit mehr Nachdruck als die Konservativen den Weg zu einer dauerhaften Aussöhnung in Nordirland zwischen der protestantischen und der katholischen Bevölkerungsgruppe beschreitet, der durch das Karfreitagsabkommen geöffnet werden konnte.
Margaret Thatcher gelang es als konservative Premierministerin in ihrer Amtszeit zwar der Flut von Streiks einen Riegel vorzuschieben, doch der Einfluss der Gewerkschaften auf die Labour Party ist weiterhin sehr groß. Es wird sich zeigen, ob Keir Starmer einen Kurs fahren kann, der wirtschaftliche Erfolge und sozialen Ausgleich ermöglicht. Es ist kein Wunder, dass rechtzeitig zur Unterhauswahl am 4. Juni 2024 dieses Plakat im schottischen Grangemouth hing, einem Zentrum der Petrochemie. (Bild: Ulsamer)
Ja, ‚the winner takes it all‘, dafür sorgt das Mehrheitswahlrecht im Vereinigten Königreich. Dies zeigt sich bei der Labour Party mit 412 Sitzen und den mit 121 Mandaten am Boden liegenden Konservativen. Interessant ist es, dass die Liberaldemokraten um 63 Sitze auf 71 zulegen konnten. Der bei manchen Wahlumfragen hoch gelistete Nigel Farage mit ‚Reform UK‘ brachte es lediglich auf fünf Sitze. So wird Farage, der als Vorsitzender der UK Independence Party (UKIP) das Brexit-Desaster mit verursachte und nach einem Zwischenspiel mit der Brexit-Partei nun als Chef von ‚Reform UK‘ zwar sein politisches Unwesen in Westminster treiben kann, doch er wird zum Glück nur wenige Claqueure um sich haben.
Die Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich haben die Konservativen und die schottischen Nationalisten als Verlierer zurückgelassen. Die Labour Party muss nun in der Regierung unter ihrem Premierminister Keir Starmer beweisen, dass sie nicht nur die Schwäche von Rishi Sunak zu nutzen verstand, sondern auf nahezu allen Politikfeldern zukunftsorientierte Impulse vermitteln kann.
Die schottischen Nationalisten haben bei den Parlamentswahlen 2024 dramatisch an Zustimmung verloren, doch Premierminister Keir Starmer ist gut beraten, über ein Mehr an Autonomie für Schottland nachzudenken. Ansonsten dürfte der Wunsch nach Unabhängigkeit wieder zunehmen. (Bild: Ulsamer)