Bundesregierung unter Olaf Scholz hat ihre Chancen selbst verspielt

Blick auf die Frontseite des Bundeskanzleramts mit drei Fahnen. Es dominieren Beton und Glas.

Donald Trump siegt und Bundesregierung zerfällt

Man wollte es kaum glauben, doch die Laienspielgruppe um Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz vermasselte sogar noch ihren Abgang in diesem traurigen und verstörenden Politdrama: Ausgerechnet an dem Tag, als die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus feststand, warf der in der Bevölkerung höchst unbeliebte SPD-Kanzler Scholz seinen liberalen Finanzminister Christian Lindner aus der Regierung. Statt sich endlich mit den Veränderungen in der Welt zu befassen, beschäftigte sich die zerfallende Ampelregierung weiter mit sich selbst. Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP war von Anbeginn ein zu bunt zusammengewürfelter Haufen, eine Art Selbstfindungsgruppe, wo parteipolitische und persönliche Egoismen das Tagesgeschäft überdeckten. Die gegenseitigen Vorwürfe von Scholz und Lindner nach der Trennung zeigten überdeutlich, dass die Ampel längst ein Totalausfall war. Und dann rief sich auch noch Robert Habeck zum grünen Kanzlerkandidaten aus: da wurde Satire zur Politik! Die Realität hatten Habeck und Scholz längst aus dem Blick verloren. Scholz wollte die Vertrauensfrage und Neuwahlen auf die lange Bank schieben, um noch einige Monate im Bundeskanzleramt sein Unwesen treiben zu können. Die Welt steht vielerorts in Flammen: Man denke nur an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Attacken auf Israel durch das iranische Mullah-Regime und deren Handlanger Hamas und Hisbollah oder die ständigen Drohgebärden Chinas gegen Taiwan. Und im Januar 2025 steht in den USA der Abgang Joe Bidens an, des vermutlich letzten Transatlantikers aus dem Weißen Haus, gefolgt vom Einzug des selbst ernannten ‚dealmakers‘ Donald Trump, der beim Stichwort Europa nur an Strafzölle denkt und vielleicht an seine Golfplätze in Schottland und Irland. Die Regierungszeit der Ampel wird als verlorene Zeit für Deutschland und Europa in die Geschichtsbücher eingehen, denn sogar das Verhältnis zu Frankreich ist auf Regierungsebene zerrüttet.

Ein sechsstöckiges und mehrteiliges Gebäude aus bearbeitetem Stein mit zahlreichen Fenstern und der deutschen Flagge auf dem Dach. Im Vordergrund Pkw, Kleintransporter, Radfahrer und Fußgänger.
Zuerst war Finanzminister Christian Lindner als Hütchenspieler aufgeflogen: Das Bundesverfassungsgericht hatte – auf Antrag von Mitgliedern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – zurecht die nachträgliche Umbuchung von nicht genutzten Kreditermächtigungen aus dem Coronatopf zum Klimaschutz gestoppt. Meinen Beitrag zu diesen Tricksereien finden Sie unter ‚Finanzminister Christian Lindner als Hütchenspieler aufgeflogen. Taschenspielertricks der Bundesregierung verfassungswidrig‘. Lindner wollte sich jetzt nicht erneut beugen und auf Drängen des Bundeskanzlers statt auf die Schuldenbremse aufs Kreditgaspedal treten. Als Lindner nicht spurte, kam es Olaf Scholz zum ersten Mal in den Sinn, dass er doch Führung versprochen hatte, und er warf Christian Lindner kurzerhand aus dem Bundeskabinett. SPD und Grüne haben sich auf das Ausgeben unserer Steuergelder konzentriert: da passten die Liberalen schon lange nicht mehr ins Team, die sich zumindest Gedanken darüber machen, wer die Schuldenlast und die daraus resultierenden Zinsen in Zukunft tragen soll. Das Foto oben zeigt das Bundesministerium der Finanzen in Berlin. (Bild: Ulsamer)

Kleinkarierter Olaf Scholz

Weite Teile der deutschen Wirtschaft sind im Rückwärtsgang unterwegs, doch die Bundesregierung war nicht in der Lage, die bürokratischen und steuerlichen Belastungen zurückzuschrauben, stattdessen wollte sie mit Milliardensubventionen Chiphersteller nach Deutschland locken. Aber selbst 10 Mrd. EURO konnten Intel nicht dazu bewegen, in Magdeburg eine Fabrik zu bauen. Dem skurrilen Trump-Unterstützer Elon Musk rollten Scholz & Konsorten in Brandenburg den roten Teppich aus, obwohl noch nicht einmal eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Bau des Tesla-Werks in Grünheide durchgeführt worden war. Mehr zu diesem absonderlichen Vorgehen der brandenburgischen Landesregierung unter dem SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und der Bundesregierung finden Sie in meinem Beitrag ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, ist einer der Topspender für Trumps Wahlkampf gewesen, und die deutsche Exportwirtschaft dürfte wenig zu lachen haben, wenn er wirklich als zentraler Berater der nächsten Trump-Regierung wirken sollte. Ich bin mir nicht sicher, wie lange die Männerfreundschaft zwischen Elon und Donald halten wird, denn zwei Egomanen sind im Grunde einer zu viel. ‚Würden Sie Ihr Kind „X Æ A-12“ nennen?‘, so fragte ich in meinem Blog, als Elon Musk genau dies tat. Ein Mulimilliardär, der zwischen Genie und Wahnsinn trudelt, gerne mal auf der Wahlkampfbühne hinter Trump herumhüpft – das hat der US-Politik und uns allen gerade noch gefehlt!

Blick auf das Weiße Haus in Washington, auf dem die US-Flagge weht. Links und rechts Bäume, vor dem Zaun Touristen.
Statt des Transatlantikers Joe Biden von den Demokraten wird ab dem 20. Januar 2025 der Republikaner Donald Trump im Weißen Haus sitzen. Trumps Politik wird sich – wie in der vorhergehenden Amtsperiode – nicht um sachgerechte Lösungen, sondern um die Person des Egomanen selbst drehen. ‚Make America Great Again‘ ist sein Motto, doch was sich Trump genau darunter vorstellt, das ist sein Geheimnis. Sein Credo ‚America first‘ ist für einen US-Präsidenten nicht grundsätzlich falsch, allerdings fehlt ihm der Blick auf die Welt und die Erkenntnis, dass es ohne Verbündete nicht geht. Daher ist es wichtig, dass Deutschland und Europa wieder engagiert und gemeinsam in die Zukunft gehen. Kompromisse mit Trump lassen sich am ehesten erreichen, wenn man aus einer Position der Stärke argumentieren kann. Viel zu wenig hat in den letzten Jahren die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen zu einer solidarischen Politik in Europa beigetragen und Natur und Umwelt kamen beim Geschacher der EU-Bürokraten ohnehin unter die Räder. Mehr zu diesem Aspekt finden Sie in meinem Artikel ‚EU: Green Deal im Glyphosatnebel verschollen. EU-Kommission hat kein Herz für Insekten und Wildkräuter‘. (Bild: Ulsamer)

Anstatt sich den drängenden Fragen der deutschen und europäischen Politik zu widmen oder sich mit den Veränderungen im transatlantischen Verhältnis zu befassen bzw. die Krisenherde unserer Welt in den Blick zu nehmen, stolperte die Ampelregierung mit erheblichem Flurschaden durch unser Land. Das vermurkste Heizungsgesetz ist nur ein Beispiel dafür, wie durchaus sinnvolle Themen so dilettantisch angepackt wurden, sodass hinterher nicht mehr innovative Heizungssysteme verbaut wurden und die Nachfrage danach dramatisch nachließ. Nicht jeder Wirtschaftsminister kann ein Ludwig Erhard sein, doch ein wenig mehr Sachverstand hätte nicht geschadet: Robert Habeck war der falsche Mann im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz! Was mich besonders stört ist auch die Tatsache, dass sich die Grünen längst vom Natur- und Tierschutz verabschiedet haben und sich Cem Özdemir als Bundeslandwirtschaftsminister dafür hergab, die Vorgaben zu Brachflächen oder Fruchtfolge für die Landwirtschaft zu lockern. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke verstieg sich gar zur ‚Wolfsjägerin‘: „Diese Schnellabschüsse sind unbürokratisch und praktikabel umsetzbar.“ Super! – kann ich da nur sagen. Wer hätte geahnt, dass sich Bündnis 90/Die Grünen so weit von den eigenen Wurzeln entfernen könnte. Weitere Fakten hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚Bündnis 90/ Die Grünen: Die grüne Seele bei Natur- und Umweltschutz ist verwelkt‘. Aber auch die SPD als älteste deutsche Partei ist in einem Zustand, der mich traurig auf das Spektakel blicken lässt, das Olaf Scholz darbietet. Geradezu lächerlich war es, als er dem FDP-Chef Christian Lindner bei seinem Rausschmiss aus dem Bundeskabinett vorwarf, er sei „kleinkariert“. Wenn ein bundesdeutscher Politiker für kleinkariertes Denken steht, dann ist das Olaf Scholz, darüber kann sein selbstgefälliges bis herablassendes Grinsen nicht hinwegtäuschen. „Wer den Bundeskanzler am Mittwoch gehört hat, weiß, dass Olaf Scholz der richtige Mann ist“, so sieht Ralf Stegner dagegen den Kanzler in einem ‚Welt‘-Interview. Der ewig sauertöpfisch dreiblickende SPD-Wadenbeißer steht mit seiner Meinung ziemlich einsam in Deutschland da, denn in der neuesten Insa-Umfrage für ‚Bild‘ sind 72 % der Befragten unzufrieden mit der Arbeit des SPD-Kanzlers.

Der Reichstag in Berlin mit einer großen Glaskuppel auf dem historischen Gebäude.
Die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen hat ihre parlamentarische Mehrheit verspielt. Der XXL-Bundestag ist das mitgliederstärkste demokratisch gewählte Parlament der Welt. Daher war es notwendig, über eine sachorientierte Verkleinerung nachzudenken und diese voranzutreiben. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz ersann allerdings eine Lösung, die es möglich macht, dass gewählte Abgeordnete nicht in den Deutschen Bundestag einziehen können, wenn ihrer Partei prozentual weniger Sitze zustehen, als sie Wahlkreise errungen hat. Bei SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Liberalen wird eben nur noch in Listenplätzen gedacht, weil sie wenige oder keine Wahlkreise direkt erobern können. Auf diesen politischen Irrweg bin ich bereits eingegangen: ‚Wahlrechtsreform: Trotz Direktmandat nicht im Bundestag? Der Vorschlag der Ampelregierung gefährdet die Demokratie‘. (Bild: Ulsamer)

Totalversager Bundesregierung

Nicht nur innen-, sondern auch außenpolitisch ist die Bundesregierung unter Olaf Scholz als Totalversager einzustufen. Die letzte Regierung von Angela Merkel hatte ich als Horrorkabinett bezeichnet, doch ich hätte mir niemals vorstellen mögen, dass es noch schlimmer kommen könnte. Ich wurde allerdings eines Besseren, nein, eines Schlechteren belehrt. Die Laienspielgruppe, die Olaf Scholz um sich geschart hatte, stellte einen weiteren Tiefschlag dar, was sich nicht zuletzt im beschädigten Verhältnis zu Frankreich zeigt, wobei es schwer ist, mit Emmanuel Macron als europapolitisches Tandem loszuradeln. Wir sollten nicht vergessen, dass Macron die NATO als „hirntot“ bezeichnet hatte, worüber in Europa weniger Aufregung aufbrandete als über Trumps Aussage zur Verteidigungsgemeinschaft, diese sei ‚obsolet‘ und seinem Drängen bei den europäischen Verbündeten, sie mögen mehr für ihre eigene Sicherheit tun. Es mangelte Scholz – wie Merkel in ihrer Endphase als Kanzlerin – an europapolitischem Elan, der dazu beitragen könnte, die EU wieder zu einer Wirtschafts- und Wertegemeinschaft zu machen, statt das bürokratische Monster weiter zu mästen, das viele Wähler an die rechten und linken Ränder drängt.

Blick auf das Gebäude des US-Kongresses mit der imposanten weißen Kuppel.
Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat und wohl auch im Repräsentantenhaus errungen, so dass sich eine komfortable Ausgangsposition für die Präsidentschaft Donald Trumps ergibt. Ausgerechnet in einer solchen Situation hat sich die Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP selbst zerlegt. Deutschland hat eine Regierung verdient, die sich nicht allein um sich selbst dreht, sondern die innen- und außenpolitischen Themen aktiv aufgreift und Probleme löst, anstatt nur darüber zu diskutieren. (Bild: Ulsamer)

Bundeskanzler Scholz beharrte zunächst darauf, die Vertrauensfrage erst im Januar 2025 stellen zu wollen und so weitere Monate ohne politischen Neustart zu vertrödeln. Inzwischen hat wohl selbst Bundeskanzler Scholz erkannt, dass die anderen Parteien im XXL-Bundestag nicht dazu beitragen wollen, das politische Elend weiter zu übertünchen. Typisch deutsch ist es inzwischen, dass prompt die Bundeswahlleiterin Ruth Brand einen Brief an den Kanzler schrieb, in dem sie vor einer zügigen Neuwahl warnte, da es an Papier und Druckkapazitäten mangle! Die Kommunen sahen dies gelassener und die Papierindustrie bezeichnete den Einwand der Bundeswahlleiterin als falsch. Wir brauchen dringend eine Neuorientierung der bundesdeutschen Politik, die sich an den harten Realitäten ausrichtet und nicht in ideologischen Fallstricken verheddert. Donald Trump im Weißen Haus wird nicht dazu beitragen, dass Deutschland und weite Teile Europas vor sich hindösen können, ganz im Gegenteil. Selbst die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hätte Deutschland und Europa daran erinnert, dass sie sich höchstpersönlich stärker für ihre Sicherheit engagieren müssen. Der Ton wäre indes sicherlich freundlicher gewesen. Deutschland muss seine Hausaufgaben machen, und dazu zählt auch, alles wirtschaftlich und politisch Mögliche zu tun, um die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Putins Angriffskrieg zu unterstützen. Wer sich mit dem BSW von Sahra Wagenknecht in das Koalitionsbett legen sollte, der macht sich nicht für den Frieden stark, sondern unterstützt Putins 5. Kolonne. CDU und SPD sind gut beraten, sich in den Bundesländern von Wagenknecht nicht in eine politische Sackgasse manövrieren zu lassen. Wenn die Karten in der Bundespolitik neu gemischt werden, dann hoffe ich sehr, dass CDU/CSU, die derzeitig einzige als Volkspartei zu bezeichnende Parteifamilie, auch unverbrauchtes Personal in die Bundesregierung holt und nicht die alte Riege aus dem letzten Merkel-Kabinett recycelt.

Ein Schiff mit einem weiß-blauen Bug fährt aus einer engen Schleusenkammer und unter einer Brücke hindurch. Das Schiff ist mit Schrott beladen.
Absurdem Theater gleicht es, wenn der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz den FDP-Finanzminister Christian Lindner aus der Bundesregierung wirft, dann in einer kurzen Rede wie ein Hinterhofschläger nachtritt, und anschließend der liberale Verkehrsminister Volker Wissing sich an seinem Sessel festklebt, um in der Chaosregierung zu verleiben. Seine Parteimitgliedschaft warf Wissing gleich noch dem FDP-Bundesvorsitzenden hinterher. Ohne eine ertüchtigte Infrastruktur mit Bahn, Straße und Binnenschifffahrt werden wir in Deutschland weiter an wirtschaftlicher Dynamik verlieren. Es nutzt für das gesamte Verkehrsaufkommen wenig, wenn sich Minister Wissing wie sein Amtsvorgänger Andreas Scheuer für Flugtaxis begeistern kann. Es wäre wichtiger, Schienenverbindungen und Straßen zu ertüchtigen und die Binnenschifffahrt zu stärken. Genau gegenteilig handelte Wissing bei der Sanierung und Verlängerung der Neckarschleusen. Mehr zu dieser Thematik lesen Sie in ‚Neckar: Schleusenverlängerung fällt ins Wasser. Ertüchtigung der Infrastruktur kommt in Deutschland zu kurz‘. Auch eine völlig abwegige Ergänzung zum Allgemeinen Eisenbahngesetz kam aus dem Hause Wissings: ‚Bahngesetz: Kein Wohnungsbau auf Ex-Bahngelände? Trickser und Schlafmützen als Gesetzgeber‘. (Bild: Ulsamer)

Probleme lösen – nicht nur quatschen

Deutschland hat endlich eine Bundesregierung verdient, die soziales Engagement nicht mit dem Verteilen von Steuergeldern aus der Gießkanne verwechselt und dies mit dem kuriosen Begriff ‚Bürgergeld‘ zu kaschieren versucht.  Die Wirtschaft benötigt nicht kurzatmige Förderprogramme, sondern die Entlastung von bürokratischen Lasten und ein innovationsfreundliches Steuersystem. Bei Neuwahlen kann ich nur hoffen, dass es eine Regierungsmehrheit gibt, die Deutschland voranbringt und zukunftsorientiert die Probleme löst. Donald Trump wird in seiner sprunghaften und somit unberechenbaren Art kaum zu einer Beruhigung in unserer Welt beitragen, daher ist es umso wichtiger, dass Deutschland und seine europäischen Partner – in EU und NATO – geschlossen auftreten und einen höheren Beitrag zur eigenen Sicherheit leisten. Die irreguläre Migration muss eingedämmt werden, denn ansonsten bekommen AfD und BSW weiteren Zulauf. In den USA ließ sich bei den jüngsten Wahlen erkennen, dass gerade die ungelöste Migrationsfrage, sowie Inflation und sinkender Lebensstandard die Bürger in die Arme der Republikaner getrieben haben. Migration ist auch der Spaltpilz in der EU, und die Reaktionen von Ursula von der Leyen und der Kommissar-Brigade trugen zu einer Lösung ebenso wenig bei wie die gescheiterte Bundesregierung unter Olaf Scholz, wo viel geredet, aber zu wenig gehandelt wurde. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Tatsache, dass selbst zugewanderte Hispanics für Trump stimmten, denn sie fürchten um ihren inzwischen erarbeiteten Wohlstand. Auch in Deutschland können und sollten wir aus den US-Wahlen lernen.

Nicht eine Welt voller Konflikte hat das Ende der Bundesregierung unter Olaf Scholz besiegelt. Nein, das haben die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP eigenhändig besorgt. Neuwahlen sind unausweichlich geworden. Wir brauchen baldmöglichst eine Bundesregierung, die nicht über offensichtliche Probleme streitet, sondern diese löst.

 

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Blick auf die Frontseite des Bundeskanzleramts mit drei Fahnen. Es dominieren Beton und Glas.Was hat Olaf Scholz die letzten Jahre eigentlich im Bundeskanzleramt getrieben? Eine konsistente Politik der Problemlösung hat er zumindest nicht umgesetzt. Vielleicht hat er sich schon mit den Steuermillionen für die Meyer Werft auf eine zweite Karriere als Kreuzfahrtkapitän vorbereitet? Aber was macht in diesem Fall Florian Silbereisen? Zumindest wurde unter Scholz die bauliche Verdopplung des Bundeskanzleramts nicht gestoppt, obwohl das Bundeskanzleramt bereits jetzt achtmal so groß ist wie das Weiße Haus. Ich weiß, der Vergleich hinkt, denn zu beiden Regierungssitzen gehören weitere Gebäude. Der Eindruck bleibt jedoch, dass die Problemlösungskapazität der Bundesregierung im umgekehrten Verhältnis zur Expansion der Bürokratenpaläste steht! Auf das ausufernde Bundeskanzleramt bin ich jüngst mehrfach eingegangen, zuletzt im Beitrag ‚Bundeskanzleramt: Prunk und Protz. Der Erweiterungsbaubau passt nicht in unsere Zeit‘. (Bild: Ulsamer)

 

 

Des Landrats Bimmelbahn – zweiter Akt

Eine Art langgezogener Kasten aus Holz und Plastikfolie führt zum Portal eines Tunnels. Die Eisenbahnschienen liegen bereits.

Steuerbürger und Fledermäuse zahlen die Zeche

Glauben wir manchen Planern, Politikern oder Medienvertretern, dann sind Fledermäuse und Eidechsen schuld, wenn es mit Infrastrukturprojekten in unserem Land nicht vorangeht. Diese Meinung halte ich – auch aus eigener Erfahrung – für völlig absurd! Der Fehler liegt nicht bei nächtlichen Flattertieren oder tagsüber krabbelnden Miniechsen, sondern bei der Hybris politischer Entscheider. Ja, Hochmut kommt vor dem Fall, doch das Dumme ist nur, dass wir Steuerbürger und die Natur die Zeche bezahlen und nicht die Amtsträger auf Abwegen. Ein Musterbeispiel ist die Hermann-Hesse-Bahn, die in Baden-Württemberg sage und schreibe siebzehn Buskilometer durch eine Bimmelbahn ersetzen soll, und die Kosten liegen bereits jetzt bei 160 Mio. Euro. Während es bei den wichtigen Zulaufstrecken zum Gotthardt-Basistunnel auf deutscher Seite nicht richtig vorangeht, haben Landes- und Regionalpolitiker ihr Herz für die Reaktivierung aufgelassener Bahnstrecken entdeckt, und dabei übersehen sie gerne, dass sich nach vier Jahrzehnten die Natur die Bahntrassen zurückerobert hat. Genau das ist in besonderer Weise bei den Tunneln der früheren Württembergischen Schwarzwaldbahn passiert, durch die seit 1988 kein Güterzug mehr rollte. Der letzte Personenzug befuhr die Gleise zwischen Calw und Weil der Stadt sogar schon 1983. Die alten Tunnel sind heute ein Überwinterungs- und Schwärmquartier von rd. 1 000 Fledermäusen. 18 der 23 in Baden-Württemberg vorkommenden Fledermausarten haben in den Tunneln eine Heimat gefunden und machen diese zu einem der bedeutendsten Quartiere in Süddeutschland. Das war beim Projektstart bekannt, doch weder der Calwer CDU-Landrat Helmut Riegger noch der baden-württembergische grüne Verkehrsminister Winfried Hermann waren bereit, der Natur den Vorrang zuzubilligen oder Alternativen sachgerecht in den Blick zu nehmen. So fließen unsere Steuergelder in ein fragwürdiges Bimmelbahn-Projekt, obwohl sich ein innovatives Busnetz kostengünstiger und schneller hätte realisieren lassen.

Eine breite Betonwand mit einer kleinen Tür und Einflugloch. Dahinter Waldbäume mit herbstlichen Blättern, davor liegen gefällte Baumstämme.
Dieses ‚schmucke‘ Ausweichquartier soll die Fledermäuse mit dazu anregen, den Hirsauer Tunnel zu verlassen und sich in diesem Betonkeller häuslich niederzulassen. „Klein- und mittelräumig ist ein gutes Raumgedächtnis für Flugrouten wichtig, welches sich Fledermäuse über wiederkehrende Flüge einprägen“, schreibt Dr. Christian Dietz in seinem Gutachten zur Bedrohung der Fledermäuse durch die Nutzung der Tunnel. „Daneben spielen beim Fledermauszug die Orientierung an Landmarken, der Horizontlinie und anhand von Magnetfeldern eine Rolle“. Ein lichter Wald ist für Fledermäuse attraktiv, doch ob man gleichzeitig Bäume fällen und Fledermäuse zum Umzug drängen sollte, das wage ich dann doch zu bezweifeln. (Bild: Ulsamer)

Fledermäuse vergrämen und Steuerbürger schröpfen

Über lange Jahre wurden Schienen demontiert und Bahnhöfe verhökert, doch immer mehr Rathauschefs und Landräte wollen wieder ihre Eisenbahn. Und zwar nicht in der Spielzeugvariante von Märklin für ihr trautes Heim, sondern leider in Originalgröße und auf Kosten der Steuerzahler. Als ich im Juni 2017 in einem Blog-Beitrag kritisch auf die Hermann-Hesse-Bahn eingegangen bin, sollten die Baukosten noch bei 50 Mio. Euro liegen, jetzt haben sie sich bereits auf 160 Mio. Euro mehr als verdreifacht, obwohl kein einziger Zug die Strecke befahren hat. Aber die Zweifel an diesem „Jahrhundertprojekt“ – wie es die Befürworter hochtrabend nennen – kommen in der Politik weiterhin zu kurz. Allenfalls wird in den Medien über die Mehrkosten berichtet, die vorschnell den Fledermäusen zugerechnet werden. In der Stuttgarter Zeitung betitelte Andreas Geldner seinen Beitrag „Triumph der Fledermäuse“, obwohl diese derzeit mit Vergrämungsaktionen dazu gebracht werden sollen, den ursprünglichen Tunneleingang nicht mehr zu benutzen, sondern durch ein kleines Loch in die angedachte doppelte Decke zu fliegen. Nach meiner Meinung müsste ein solcher Artikel eher mit ‚Triumph der Ignoranz‘ überschrieben werden, denn die Befürworter der Hermann-Hesse-Bahn sind sehenden Auges in ein finanzielles Fiasko gedampft. In einem ganzseitigen Zeitungsbeitrag hätte ich erwartet, dass zumindest die Sinnhaftigkeit des Vorhabens hinterfragt wird. Fehlanzeige. Zumindest wird von Andreas Geldner die Frage aufgeworfen, ob man nicht besser neue Tunnel gebuddelt hätte. Sicherlich richtig, doch auf einer völlig neuen Trasse wäre dieses ‚Bahn-Projektle‘ vermutlich kritischer betrachtet worden und hätte sich schon ohne die jetzigen Mehrkosten nicht mehr gerechnet. Auf meine kritischen Anmerkungen schrieb Andreas Geldner: „Wissen Sie: Das Ergebnis ist, dass man andernorts jetzt schaut, dass solche Biotope auf außer Betrieb befindlichen Bahnstrecken erst gar nicht mehr entstehen. Ob das im Sinne der Natur ist, weiß ich nicht.“ Das wäre selbstredend nicht im Sinne der Natur, doch die Grundfrage bleibt, ob einige Eisenbahnfans jede aus guten Gründen längst stillgelegte Nebenstrecke wieder reaktivieren und uns Steuerzahler dann die Zeche bezahlen lassen dürfen. Die Änderungen am Allgemeinen Eisenbahngesetz, die im Bundestag eine Mehrheit gefunden hatten und im Bundesrat durchgewunken wurden, zielen darauf ab, dass stillgelegte Bahnanlagen nur im Ausnahmefall anderweitig genutzt werden können. Mehr zu diesem Schildbürgerstreich finden Sie in meinem Beitrag ‚Bahngesetz: Kein Wohnungsbau auf Ex-Bahngelände? Trickser und Schlafmützen als Gesetzgeber‘.  Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass ich für die Ertüchtigung des Schienennetzes eintrete, allerdings müssen klare Prioritäten gesetzt werden, und dann haben sich solche Bimmelbahnen auf reaktivierten Kurzstrecken für mich erledigt.

Ein neu verlegtes Bahngleis auf hellem Schotter. Dahinter Bäume und Gebäude.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Weil der Stadt und Calw kostet inzwischen statt knapp 50 Mio. über 160 Mio. Euro. Da wäre es günstiger gewesen, die Busverbindung zu verbessern, denn ab Weil der Stadt fährt ohnehin die S-Bahn. Mit niedrigen Kosten in die politische Diskussion einsteigen und dann die explodierenden Mehrkosten dem Steuerzahler aufbürden, das scheint bei zahlreichen Vorhaben der öffentlichen Hand der Grundsatz zu sein. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt haben die Sanierung und Erweiterung des Opernhauses noch gar nicht begonnen, doch die Fertigstellung soll jetzt bereits auf 2044 verschoben werden, und die Kosten gehen nach einem neuen Bericht der Stuttgarter Zeitung in Richtung 1,5 Mrd. Euro. Mehr zu diesem leidigen Thema finden Sie in: ‚Stuttgart: Keine Mehrheit für milliardenteure Opernsanierung. Volksabstimmung sollte Klarheit bringen‘. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bunds der Steuerzahler hatte gezeigt, dass in Stuttgart und in Baden-Württemberg insgesamt eine Mehrheit der Befragten angesichts der Kosten für eine Neuplanung eintraten. (Bild: Ulsamer)

Warum wurde, so wird sich mancher Ortskenner fragen, nicht einfach die        S-Bahn von Weil der Stadt nach Calw verlängert? Die Antwort findet sich sogar auf der Internetseite der Befürworter des Bahnanschlusses: „Diese Variante hatte der Landkreis Calw bereits in den Jahren 2008 bis 2012 verfolgt. Damals konnte jedoch kein positiver Nutzen-Kosten-Faktor zur Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden, der eine Förderung gerechtfertigt hätte.“ Aber für die Fans von Nebenstrecken, die kaum rentabel sein dürften, findet sich immer ein Schlupfloch: Es wird so lange gerechnet, bis das Ergebnis passt. Das scheint im öffentlichen Bereich nicht nur für die Hermann-Hesse-Bahn zu gelten, sondern auch für das Landratsamt in Esslingen. Da wurde der sogenannte Altbau nach gerade mal vier Jahrzehnten abgerissen, denn allein das Konzept eines neuen Gebäudes sei zukunftsfähig. Mehr dazu in meinem Artikel ‚Landratsamt Esslingen: Abriss statt Sanierung. Würden Sie Ihr Haus nach 44 Jahren abreißen?‘ Der Steuerzahler lässt sich ja gerne schröpfen, um die finanziellen Höhenflüge mancher Bürokraten und ihrer regionalen Gefolgsleute in Gemeinde- oder Kreistagen, Landtagen oder im Bundestag zu begleichen.

Ein großer, dunkler Fledermauskasten mit der weißen Nummer 13 hängt an einer Kiefer.
Zahlreiche Fledermauskästen sollen Ersatzquartiere für die Flattertiere bieten, die an und in den Tunneln vergrämt werden. „Zusammenfassend ist für beide Bestandstunnel von einem deutlich höheren Überwinterungsbestand als bei den visuellen Kontrollen und der Lichtschrankenerfassung auszugehen. Der Überwinterungsbestand dürfte im Bereich des geschätzten Schwärmbestandes (Nagel 2014a) von minimal 2700 Tieren am Hirsauer und minimal 1000 Tieren am Forsttunnel liegen“, so das Gutachten von Dr. Dietz. „Ohne eine Vertreibung bzw. Vergrämung der derzeit in den Tunneln anwesenden Fledermäuse ist weder eine Besiedlung der neugeschaffenen Quartiere zu erwarten (die Tiere würden einfach weiter die Tunnel nutzen) noch eine Vermeidung oder zumindest Reduktion der Massentötung erreichbar.“ Ob die Vergrämung der streng geschützten Tiere für eine regionale Bimmelbahn angemessen ist, das wage ich zu bezweifeln. (Bild: Ulsamer)

Explodierende Kosten

Immer wieder läuft es bei öffentlichen Projekten nach identischem Schema ab: Mit niedrigen Kosten in die politische Diskussion einsteigen und so die Zustimmung der entsprechenden Gremien erlangen, aber das bittere finanzielle Ende kommt nach, denn die Kosten explodieren. In der Internetpräsentation der Projektpartner heißt es auch im Oktober 2024 noch: „Das (Die – Anm. d. Autors) Wiederinbetriebnahme der Hermann-Hesse-Bahn kostet nach derzeitigem Stand rund 49 Millionen Euro.“ Nach Medienberichten belaufen sich die Kosten inzwischen auf 164 Mio. Euro. Der unter dem Begriff ‚Stuttgart 21‘ zusammengefasste Tiefbahnhof in Stuttgart und die Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm sollten 1995 noch 2,5 Mrd. Euro kosten, jetzt wird mit 11,5 Mrd. Euro gerechnet. Die Kosten sind das eine, weit schwerwiegender allerdings ist die Frage, ob man solche Projekte nicht anders hätte steuern können und müssen, denn es geht nicht nur um das Finanzielle, sondern um die Zeiträume zwischen Planung und Fertigstellung. Ausgerechnet Infrastrukturprojekte geraten in Deutschland häufig zur unendlichen Geschichte. Kurios ist es, dass die Hermann-Hesse-Bahn aus Calw kommend ab Weil der Stadt auf dem gleichen Gleiskörper wie die vorhandene S-Bahnlinie 6 fährt, daher war die Begeisterung der S-Bahn-Verantwortlichen wenig ausgeprägt, denn es drohen zusätzliche Nutzungskonflikte und Verspätungen. Der spätere Abmangel beim Zugverkehr und bei der Erhaltung der Infrastruktur dürfte bei der Hermann-Hesse-Bahn nicht gerade klein ausfallen. Sollte sich das nicht bewahrheiten, so würde ich mich als Steuerzahler freuen.

Eine schmale Straße führt unter einer Bahnbrücke hindurch. Ein Schild zeigt die Durchfahrtshöhe von 3,7 Metern an.
Es ist richtig, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, doch würde ich mir dabei mehr Sachverstand und eine Priorisierung wünschen. Die bundesweiten Trassen werden zu langsam ertüchtigt, so hinkt Deutschland z. B. bei den Zulaufstrecken zum Gotthard-Tunnel hinterher, dafür reaktivieren manche Politiker und Bürokraten Nebenstrecken für viel Steuergeld, die jedoch keinen oder kaum Nutzen bringen. Und versuchen sich Bahn und öffentliche Hand an einem Großprojekt wie dem neuen Tiefbahnhof in Stuttgart und der Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm, dann wird daraus eine unendliche Geschichte. Mehr zu dazu in ‘Stuttgart 21 hat endlich Fahrt aufgenommen. Infrastrukturprojekte: Wie wird man die rote Laterne los?‘ (Bild: Ulsamer)

Die Projektpartner haben für ihr Bähnle den Namen des Literaturnobelpreisträgers Hermann Hesse ausgewählt, der konnte sich bekanntlich nicht wehren. Gerne wird in diesem Zusammenhang ein Zitat aus seinem Roman ‚Unterm Rad‘ angeführt und der Württembergischen Schwarzwaldbahn zugeschrieben: „Die Eisenbahn lief vorüber — nicht im Sturm, denn die Linie steigt dort gewaltig, sondern schön behaglich, mit lauter offenen Fenstern und wenig Passagieren, eine lange, fröhliche Fahne von Rauch und Dampf hinter sich flattern lassend.“ Nun ‚Rauch und Dampf‘ wird es nicht mehr geben, denn es sollen auf der reaktivierten Trasse batterieelektrische Züge eingesetzt werden. Zumindest ein Lichtblick, denn anfänglich waren Diesellokomotiven vorgesehen. Warum dieses Zitat von Bahnbefürwortern verkündet wird, weiß ich nicht, denn Hermann Hesse spricht von „wenig Passagieren“. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, um nochmals Hermann Hesse, der in Calw geboren wurde, zu zitieren, dieses Mal aus seinem Gedicht ‘Stufen‘. Häufig hat der Autor damit sicherlich recht, doch ausgerechnet bei dem nach ihm benannten Bahnvorhaben konnte ich den ‚Zauber‘ noch nie erkennen.

Eine Art Holzverschlag führt auf ein altes Tunnelportal aus Naturstein zu. Darüber aus Beton ein weiterer Tunnelabschluss. Ein rechteckiges Loch soll den Fledermäusen den neuen Weg weisen.
Die alten Tunnel, die nun für die Hermann-Hesse-Bahn wieder befahren werden sollen, werden von mindestens 1 000 Fledermäusen als Quartier genutzt. Darunter sind Abendsegler, Bartfledermaus, Bechsteinfledermaus, Braunes Langohr, Breitflügelfledermaus, Fransenfledermaus, Graues Langohr, Große Hufeisennase, Mausohr, Mopsfledermaus, Mückenfledermaus, Rauhhautfledermaus, Wasserfledermaus, Wimperfledermaus, Zwergfledermaus. Zur Partnersuche kommen Fledermäuse aus der weiteren Region hinzu, somit “ergeben sich Bestandschätzungen des Schwärmbestandes von 1022-2400, im Mittel 1675 Tieren für den Forsttunnel und 2777-8040, im Mittel 5021 Tieren für den Hirsauer Tunnel“, so Dr. Dietz in seinem bereits zitierten Gutachten. Der Calwer Landrat Riegger und seine Bahnfans hätten sich viel Ärger und uns Steuerzahlern stark steigende Kosten ersparen können, wenn sie auf die Reaktivierung der aufgelassenen Bahntrasse verzichtet und stattdessen auf ein innovatives Bussystem gesetzt hätten. (Bild: Ulsamer)

Fledermäuse brauchen Schutz

Für die Fledermäuse, die die seit fast vier Jahrzehnten ungenutzten Tunnel bevölkern, wurden Ausweichquartiere geschaffen, doch im Gegensatz zu Zauneidechsen können sie nicht eingefangen und in ein anderes Habitat verbracht werden. Zahlreiche Fledermauskästen hängen schön nummeriert an Bäumen, und ein Betonkeller mit Einflugloch sticht dem Wanderer ins Auge. Ob es wirklich glücklich ist, dass sich das Umfeld dieser neuen ‚Unterkunft‘ wegen umfassender Holzfällarbeiten ständig verändert, das wage ich zu bezweifeln. Ein langer Vorbau vor dem alten Portal des Welzbergtunnels, der auch als Hirsauer Tunnel bezeichnet wird, soll die Fledermäuse davon abhalten, in diesen hineinzufliegen. Mit weiteren Vergrämungsmaßnahmen – wie Schallwellen – sollen die Fledermäuse zukünftig über ein bescheidenes Einflugloch in das obere Segment des Tunnels gelangen. Eine Zwischendecke würde sie dann vom Zugverkehr trennen. Der Vorbau soll, wenn die Fledermäuse die Umleitung akzeptieren, in Beton ausgeführt werden. Sollten manche Nachtschwärmer partout direkt in die Tunnelöffnung einfliegen wollen, könnte man die jetzige Tür etwas solider ausführen. Landrat Riegger und der bald in Rente gehende Verkehrsminister Hermann könnten sich ja abwechseln, und das Tor alle 30 Minuten für die Bimmelbahn öffnen!

Schienen auf hellem Schotter führen in Richtung Wald. Rechts ein kleines technisches Gebäude.
Mehr als 160 Mio. Euro an Steuergeldern für die Hermann-Hesse-Bahn, um Busse auf 17 Straßenkilometern zu ersetzen, das ist ein Skandal. Bin mal gespannt, wie stark die Züge zwischen Calw und Weil der Stadt (in Baden-Württemberg) ausgelastet sein werden! Wenn Infrastrukturprojekte nicht richtig in die Gänge kommen, dann müssen häufig Zauneidechsen oder Fledermäuse als Begründung herhalten. Meine Erfahrungen aus einem technisch orientierten Projekt auf einer Fläche von 500 Hektar in Baden-Württemberg zeigen aber, dass sich Lösungen – Eingriffsminimierung und Ersatzhabitate – finden lassen, wenn man rechtzeitig die wichtigen naturschutzfachlichen Probleme angeht. (Bild: Ulsamer)

Ich kann dem baden-württembergischen NABU-Vorsitzenden Johannes Enssle nur zustimmen, der sich engagiert für die Fledermäuse einsetzt: „Für eine regionale Bahnstrecke untergeordneter Bedeutung können wir nicht das Überleben seltener Arten riskieren.“ Es gehe darum, dass die Population der Fledermäuse nicht beeinträchtigt werde. „Die Bahn fährt entweder mit Fledermäusen oder gar nicht.“ Der NABU hatte im Übrigen Klagen gegen das Projekt zurückgezogen, da die Projektträger entsprechende Schutzmaßnahmen zugesagt hatten. Diese müssen vollumfänglich greifen, ehe der erste Zug fahren kann, was für mich außer Frage steht. Sicherlich haben die Befürworter des Projekts artenschutzrechtliche Fragen unterschätzt oder gehofft, die Bimmelbahn würde trotz der Untermieter rollen. Fledermäuse sind – wie Eidechsen auch – nicht der Grund für Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten, sondern Planungen und politische Entscheidungen, die zu spät realisieren, dass die Natur nicht als zweitrangig zu betrachten ist. Im ersten Akt dieses politischen Trauerspiels hatten sich die Projektträger der Hermann-Hesse-Bahn bereits verrannt, indem sie ein vermutlich unwirtschaftliches Vorhaben durchdrückten und die historische Trasse als gegeben ansahen. Im zweiten Akt, an dem wir jetzt alle teilhaben dürfen, zeigt sich, dass der Artenschutz und die Gesamtkosten des Projekts unterschätzt und alle Zeitpläne obsolet wurden. Sollten die Züge der Bimmelbahn von Calw nach Weil der Stadt und Renningen im Jahr 2025 wirklich fahren, dann hoffe ich nur, es finden sich so viele Passagiere ein, dass diese nicht mit batterieelektrischen oder Brennstoffzellenbussen hätten transportiert werden können. Ein dauerhaftes finanzielles Fiasko wäre der dritte Akt dieses politischen Trauerspiels.

Die Fledermäuse dürfen nicht die Leidtragenden einer Bimmelbahn sein, die ganz gewiss unsere verkehrspolitischen Probleme nicht lösen wird. Bedrohte Arten brauchen mehr Schutz, ansonsten siecht die Biodiversität weiter vor sich hin!

 

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Eine Art langgezogener Kasten aus Holz und Plastikfolie führt zum Portal eines Tunnels. Die Eisenbahnschienen liegen bereits.Dieser nicht ins Landschaftsbild passende Vorbau soll Fledermäusen den ‚richtigen‘ Weg in ihr beschnittenes Quartier zeigen. Zukünftig sollen die Flattertiere nicht mehr in den alten Hirsauer-Tunnel der früheren Württembergischen Schwarzwaldbahn einfliegen, denn dort sollen die Züge der Hermann-Hesse-Bahn nach vier Jahrzehnten wieder Passagiere transportieren. Die Fledermäuse werden genötigt, durch ein kleines Einflugloch zu ihren Schlaf- und Winterquartieren oberhalb einer Zwischendecke zu fliegen. Eines der wichtigsten Fledermausquartiere in Süddeutschland wird durch des Landrats Bimmelbahn gefährdet. In seinem Gutachten zur Reaktivierung der aufgelassenen Bahntrasse schrieb Dr. Christian Dietz bereits 2016 über die dadurch betroffenen Fledermäuse: „Mit dem hohen Lebensalter gehen eine konservative Lebensweise und eine ausgeprägte Traditionsbildung einher: sehr gut geeignete Quartiere und Lebensräume werden über Jahrzehnte genutzt und an nachfolgende Generationen weitervermittelt, so kann es zur Nutzung von Quartieren über viele Jahrhunderte kommen.“ Die Befürworter der Hermann-Hesse-Bahn scheinen im Übrigen auch andere Aussagen des Gutachters auf die leichte Schulter genommen zu haben. Hier der Link zum überaus lesenswerten Fachgutachten ‚Artenschutzrechtliches Konfliktpotential bei einer Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke Weil der Stadt – Calw als Hermann-Hesse-Bahn im Hinblick auf Fledermäuse in den Bestandstunneln‘. Wenn die Fledermäuse durch den Tunnelvorbau und weitere Vergrämungsmaßnahmen zum Einflugloch ‚umgeleitet‘ werden können, dann soll das Konstrukt aus Holz und Kunststofffolie durch ein Betongebilde ersetzt werden! (Bild: Ulsamer)

Opernhaus Stuttgart: Sanka statt Sancta

Blick auf die Vorderseite des Opernhauses aus rötlichem Stein. Auf der Dachbrüstung sind Skulpturen zu sehen.

Steuergelder für Florentina Holzingers Performance sind nicht gerechtfertigt

Wohnen in Stuttgart und Umgebung die zarteren Gemüter? Ich weiß es nicht, kann es mir allerdings nicht vorstellen. Umso überraschter war ich, dass im Opernhaus der Staatstheater Stuttgart zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern so mulmig wurde, dass ein Arzt gerufen werden musste. Das hing nicht mit dem baulichen Zustand zusammen, denn der sogenannte Littmann-Bau aus dem Jahre 1912 soll für rd. eine Milliarde Euro saniert und erweitert werden, sondern mit der Opernperformance ‚Sancta‘ von Florentina Holzinger. „Magie und religiöse Wunder erfahren eine Neudeutung in einer ekstatischen Feier der Gemeinschaft und der Selbstbestimmung, in der Bach auf Metal trifft, die Weather Girls auf Rachmaninow – und nackte Nonnen auf Rollschuhe“, so heißt es im Theaterprogramm. Nun gut, das klingt noch nicht nach Notarzt, doch es gibt den Hinweis, Besucher seien erst ab 18 Jahren zugelassen und: „Diese Aufführung zeigt explizite sexuelle Handlungen sowie Darstellungen und Beschreibungen von (sexueller) Gewalt. Zudem sind echtes Blut sowie Kunstblut, Piercingvorgänge und das Zufügen einer Wunde zu sehen. In der Vorstellung werden Stroboskopeffekte, Lautstärke und Weihrauch eingesetzt.“ Weihrauch war, obwohl katholisch, nie mein Fall und auf „echtes Blut“ kann ich getrost im Theater verzichten. Die Kunst ist frei, und dieser Grundsatz ist für mich sehr wichtig, nicht nur weil er im Grundgesetz steht. Für mich stellt sich jedoch die Frage, ob „nackte Nonnen auf Rollschuhen“ und „Piercingvorgänge“ durch uns Steuerzahler finanziert werden müssen. Und wenn statt ‚Sancta‘ der Sanka kommen muss, tanzt das Stuttgarter Opernhaus in eine Sackgasse.

Blick von oben auf Finanzministerium, Landtag und Opernhaus. Dahinter sind weitere Gebäude zu sehen.
Rechts im Bild ist gerade noch ein Ausläufer des baden-württembergischen Finanzministeriums, dahinter der Landtag von Baden-Württemberg zu sehen und daneben das Stuttgarter Opernhaus: Hier haben wir die Entscheider über die Opernsanierung für eine Milliarde Euro im Blick. Zwar ergab eine Befragung keine Mehrheit für diese Sanierung im Goldstandard, doch es wurde flugs auf eine ‚Bürgerbeteiligung‘ gesetzt, die keine ist. 40 bis 50 zufällig ausgewählte Bürger durften als Bürgerräte über die geplante Sanierung des Opernhauses in Stuttgart diskutieren. Im Grunde waren die Entscheidungen längst gefallen, und so bekommt Bürgerbeteiligung – „dialogische Bürgerbeteiligung“ – einen faden Beigeschmack. Mehr dazu in: ‚Bürgerbeteiligung wird zum Deckmäntelchen. Sanierung des Opernhauses in Stuttgart ohne echte Debatte‘. (Bild: Ulsamer)

Trash – und wir alle bezahlen

100 Mio. Euro schießen die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg jährlich an Steuergeldern beim Württembergischen Staatstheater zu, und eine Milliarde Euro sollen Renovierung und Erweiterung des Opernhauses kosten. Natürlich werden kunstbeflissene Zeitgenossen sofort den Finger heben, wenn man Kultur und Geld in einem Atemzug nennt, doch das hat mich noch nie geschreckt. Selbstredend ist bei der Verteilung von Steuergeldern stets abzuwägen, ob soziale und künstlerische Belange, um allein diese zu nennen, ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend berücksichtigt werden. Da habe nicht nur ich bei der Sanierung des Opernhauses in Stuttgart meine Zweifel, sondern auch bei der ‚Kulturscheune‘ in Berlin. Bei einer vom Bund der Steuerzahler in Auftrag gegebenen Umfrage sprach sich in Baden-Württemberg eine Dreiviertelmehrheit – angesichts der Kosten – für eine Neuplanung aus. Details dazu finden Sie in meinem Beitrag ‚Stuttgart: Keine Mehrheit für milliardenteure Opernsanierung. Volksabstimmung sollte Klarheit bringen‘. Nun vom schnöden Mammon wieder zur Kunst oder das, was manche dafür halten. „Florentina Holzingers Opernperformance verquickt Paul Hindemiths Operneinakter Sancta Susanna und Elemente der katholischen Liturgie zu einer radikalen Vision der heiligen Messe“, heißt es weiter auf der Internetseite des Staatstheaters. Es zieht immer weniger Katholiken und Protestanten in die Gottesdienste, ob wir da eine „radikale Vision der heiligen Messe“ im Stuttgarter Opernhaus brauchen, wage ich zu bezweifeln. Und weiter: „Mit ihren Performerinnen* begibt sie sich in spektakuläre körperliche Grenzerfahrungen und erkundet individuelle Spiritualität und Glaube, Sexualität und Schmerz, Scham und Befreiung.“ Das lockt mich nicht ins sogenannte ‚Große Haus‘, denn auf eine solche künstlerisch verbrämte ‚schwarze Messe‘ kann ich getrost verzichten. Der Intendant Victor Schoner sieht das erwartungsgemäß anders: „Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst.“ Nackte Performerinnen mit Nonnenhäubchen helfen also dabei „Grenzen …lustvoll zu überschreiten“. Vor nicht allzu langer Zeit wäre ein solcher Spruch höchstens am Stammtisch möglich gewesen und hätte ansonsten die Frauenbeauftragte alarmiert.

Breitseite des Opernhauses in Stuttgart. Rötlicher Stein dominiert.
Das Dreispartenhaus der Württembergischen Staatstheater in Stuttgart beschäftigt 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da frage ich mich schon, ob man statt ‚Sancta‘ von Florentina Holzinger keine andere Idee hätte umsetzen können. Die geschröpften Steuerzahler schießen jährlich um die 100 Mio. Euro für das Staatstheater zu, und die Sanierung und Erweiterung des Opernhauses soll eine Milliarde Euro verschlingen. Wollten die vier Intendanten – alles Männer! – zum Dank ihrem Publikum mal nackte Frauenkörper und reichlich Blut bieten? Mehr zu Kulturgütern mit Sanierungsrückstand finden Sie in: ‚Stuttgart: Erst vergammeln lassen, dann teuer sanieren. Opernhaus, Villa Berg und Villa Moser wurden sträflich vernachlässigt‘. (Bild: Ulsamer)

Die künstlerische Leiterin und Mitperformerin Holzinger hat für alle Skeptiker einen guten Ratschlag: „Wer es nicht sehen will soll nicht kommen“, bemerkt Florentina Holzinger auf ihrer Instagramseite. Das fehlende Komma habe ich im Übrigen nicht aus Boshaftigkeit verschwinden lassen, sondern der Text steht so bei ‚floholzinger‘ weiß auf schwarz. Da hat die Vorturnerin der nackten Nonnen sicherlich recht, doch sie übersieht, dass wir alle indirekt anwesend sind: als Steuerzahler, die den ganzen Trash finanzieren! Die Kunst ist frei, aber für solcherlei Spektakel wie Holzingers ‚Sancta‘ wäre ein experimentelles Theater – möglichst ohne öffentliche Zuschüsse – besser geeignet als das hoch subventionierte Opernhaus in Stuttgart. Solange Mitbürger am Tafelladen anstehen, Wohnungsnot herrscht und so manche Schule über Lehrermangel oder marode Toiletten klagt, sollten die Steuergelder bevorzugt dorthin fließen und ganz gewiss nicht in Ramsch, der sich als Kunst tarnt und nur Beifall von einer kleinen Schickeria einheimst.

 

Tische und Sitzgelegenheiten unter Laubbäumen. Im Hintergrund das Opernhaus mit hohen Säulen im Eingangsbereich.
Da die ‚Fleischbeschau‘ bei ‚Sancta‘ im Opernhaus erfolgt, kann in der lange umstrittenen Außengastronomie des Staatstheaters ja zukünftig auf vegane und vegetarische Gerichte gesetzt werden. Ich habe auf Fotos von Florentina Holzingers Instagramseite verzichtet, weil ich mich nicht an deren Verbreitung beteiligen möchte. Zu finden sind die Bilder unter ‚floholzinger‘ bei Instagram. (Bild: Ulsamer)

 

Ein großer Knäuel aus grün-braunem Kupferblech in einem See.
Dass das Stuttgarter Opernhaus aus dem Jahr 1912 einen hohen Sanierungsbedarf hat, steht außer Frage, doch wer als verantwortlicher Politiker dafür eine Milliarde Euro bewilligt, der hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Als ein Teil des Daches bei einem Sturm abhob, ließ der baden-württembergische grüne Finanzminister Danyal Bayaz das zurückgebliebene Kupferknäuel als Mahnmal für den Klimawandel ausstellen, doch es war ein Symbol für die Vernachlässigung öffentlicher Gebäude und mangelnder Instandhaltung der Infrastruktur. Mehr zu dieser Aktion, die der Satire nahekommt, finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‚Stuttgart: Wenn das Operndach als Knäuel endet … und der Klimawandel schuld sein soll‘. Der Schrotthaufen bzw. sein Auf- und Abbau schaffte es ins ‚Schwarzbuch 2024‘ des Bunds der Steuerzahler: zurecht, wie ich meine. (Bild: Ulsamer)

 

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Blick auf die Vorderseite des Opernhauses aus rötlichem Stein. Auf der Dachbrüstung sind Skulpturen zu sehen.Auch wer sich ‚Sancta‘ im Stuttgarter Opernhaus nicht anschaut, ist als Steuerzahler mit dabei, denn rd. 100 Mio. Euro fließen jährlich von Stadt und Land in die Württembergischen Staatstheater. Wenn Kritik an ihrem Werk aufkommt, reagiert Florentina Holzinger auf bezeichnende, altbewährte Weise: „Ich will mich auf keinen Fall zensieren lassen“. Darum geht es mir selbstverständlich nicht, allerdings ist die Frage berechtigt und darf gestellt werden, was auf Kosten von uns Steuerzahlern in hoch alimentierten Häusern gespielt wird. Ich habe auf Fotos von Florentina Holzingers Instagramseite verzichtet, weil ich mich nicht an deren Verbreitung beteiligen möchte. Zu finden sind die Bilder unter ‚floholzinger‘ bei Instagram. (Bild: Ulsamer)

Bahngesetz: Kein Wohnungsbau auf Ex-Bahngelände?

Sechs gelb-orangene Baukräne recken sich in den Himmel. Im Hintergrund der Turm des Hauptbahnhofs von Stuttgart aus Naturstein. Im Vordergrund eine Baustelle.

Trickser und Schlafmützen als Gesetzgeber

Im Deutschen Bundestag und den Landtagen sitzen insgesamt rd. 2500 Abgeordnete und in Bundes- und Landesbehörden arbeiten 300 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da sollte man eigentlich annehmen, Gesetze seien Maßarbeit. So überrascht es schon, wenn es bei der Novellierung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) weder im Bundestag noch im Bundesrat irgendjemandem auffiel, dass bei der Nachnutzung von aufgegebenen Bahnanlagen dem „überragenden öffentlichen Interesse“ Rechnung getragen werden muss. Nach der Verabschiedung in beiden Gremien dauerte es noch ein Dreivierteljahr – denn diese erfolgte Ende 2023 – bis bei den betroffenen Kommunen der Groschen fiel: Ihre Wohnbauprojekte auf stillgelegten Bahnarealen könnten nach jetzigem Sachstand nicht umgesetzt werden, weil sie nicht in die Kategorie des überragenden öffentlichen Interesses fallen! Straßen und Energieanlagen könnten gebaut werden, auch die Bundeswehr dürfte zur Landesverteidigung Bedarf anmelden, doch Wohnungs- und Städtebau fallen nach Expertenmeinung nicht darunter. Nun bin ich kein Jurist und würde Wohnungsbau in unseren Tagen gewiss dem überragenden öffentlichen Interesse zuordnen, Fachjuristen allerdings scheinen das anders zu sehen. Danach könnte plötzlich das durch den unterirdischen Durchgangsbahnhof in Stuttgart freiwerdende Gleisvorfeld usw. nicht mehr bebaut werden, eines der wichtigsten Argumente für den Umbau! Und somit würde Stuttgart 21, ein Monsterprojekt, das sich durch überlange Planungs- und Bauzeiten auszeichnet, einen Teil seines Charmes verlieren. Hat hier jemand getrickst, der auch den letzten Bahndamm für die Nachwelt sichern möchte, oder handelt es sich um Schlamperei vermischt mit Schlafmützigkeit bei der Erarbeitung der Gesetzesänderungen?

Bahnsteig ohne Menschen und Gleis ohne Zug. Der Bereich ist überdacht.
Würde man den Zeitgenossen folgen, die Bahnanlagen auch nach deren Stilllegung nicht für andere Zwecke nutzen wollen, dann würden bereits jetzt recht trostlos aussehende Bahnsteige eingemottet. Da bin ich doch für die Erweiterung der Parkanlagen und für Wohnungsbau auf den betreffenden Arealen. (Bild: Ulsamer)

Einmal Bahn – immer Bahn?

Nun habe ich zu Beginn meines Berufswegs im Stuttgarter Sozialministerium gearbeitet und kann mir beim Allgemeinen Eisenbahngesetz daher durchaus beides vorstellen: Trickser und Schlafmützen waren am Werk. Einen interessanten Hinweis gibt die linksorientierte und Stuttgart 21 wenig zugeneigte ‚Wochenzeitung Kontext‘: „Im Verkehrsausschuss des Bundestages, auf dessen ‚expliziten Wunsch‘ laut Bundesverkehrsministerium die Verschärfung von Paragraf 23 zustande gekommen sei, hatte die Auswirkungen auf S 21 dem Vernehmen nach kaum jemand auf dem Schirm. Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, für die Grünen im Ausschuss, aber offensichtlich schon. So argumentierte Gastel bereits am 16. Juni bei einer Veranstaltung in Singen: ‚Wir haben Entwidmungen von Eisenbahnflächen erschwert, indem wir die Beweislast umgedreht haben. Wer Schieneninfrastruktur auflösen und aus der rechtlichen Situation herausnehmen möchte, tut sich heute wesentlich schwerer. Wir wollen nämlich als Ampel-Koalition ausbauen und zusätzliche Infrastruktur schaffen.‘ Und er fügt hinzu: ‚Das könnte auch für Stuttgart 21 noch ein Thema sein.‘“ War es nun ein politischer Kniff des Bundestagsabgeordneten Gastel und Gleichgesinnter, die zwar den Tiefbahnhof in Stuttgart nicht verhindern konnten, die oberirdischen Gleisanlagen aber nicht aufgeben wollen und deswegen die Begrifflichkeit des überragenden öffentlichen Interesses in das Allgemeine Eisenbahngesetz geschmuggelt haben? Das kann ich nicht beurteilen, doch es würde zur Fraktion derer passen, die jede längst aufgegebene Bahntrasse reaktivieren wollen – wie der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann – und für zukünftige Bahnzwecke schon mal stillgelegte Flächen der Bahn vorbehalten wollen.

Blick von der Höhe des Chinesischen Pavillions auf die Stadt Stuttgart im Umfeld des Hauptbahnhofs. ZU sehen sind Kräne auf der Baustelle, links ein modernes Bankgebäude, rechts die ehemalige Bahndirektion.
Im Stuttgarter Talkessel ist es eng, da würde es sowohl den Parkanlagen als auch dem Wohnungsbau helfen, wenn baldmöglichst die jetzigen Gleisflächen freigegeben werden könnten. (Bild: Ulsamer)

Gerne habe ich als Kind mit meiner elektrischen Eisenbahn gespielt und sie erweitert, doch manche Politiker scheinen das erst im späteren Leben tun zu wollen, und statt sich um wichtige Hauptstrecken zu kümmern, schlägt ihr Herz für aufgelassene Nebenstrecken. „Ein Jahrhundertprojekt mit Geschichte“, so hieß es auf der Internetseite der Projektträger, die eine frühere Bahntrasse wieder mit Leben füllen wollten. Dabei ging es im Übrigen nicht um die Zulaufstrecken für den Gotthardt-Tunnel, bei denen die deutschen Akteure im Bummelzugtempo unterwegs sind, sondern um die Verbindung von Calw nach Weil der Stadt. Selbst Ortskundige fragten sich früh, ob diese vor vier Jahrzehnten aufgelassene Strecke unerlässlich sei für die beiden Kommunen, die nicht mal zehn Kilometer auseinanderliegen. Mehr zu jenem aus meiner Sicht fragwürdigen Vorhaben finden Sie in meinem bereits 2017 veröffentlichten Artikel ‚Des Landrats Bimmelbahn. Eisenbahn treibt Fledermäuse in die Flucht‘. Inzwischen sind die Kosten dieses ach so wichtigen Bahnprojets auf über 160 Mio. Euro angewachsen, und die Fledermäuse wollen noch immer nicht begreifen, dass sie in den Tunneln und vor dem Portal nicht mehr gelitten sind. Naturschutz wird leider bei so mancher Planung als Nebensache angesehen, und das führt zu Verzögerungen und kostet Steuergelder. Völlig abwegig ist es, wenn ohne gründliche Voruntersuchungen die Politik ein Bauvorhaben durchwinkt – wie dies beispielsweise auch in Brandenburg geschah.  Mehr dazu in: ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘. Es ist schwierig, Natur und Technik unter einen Hut zu bekommen, dessen bin ich mir aus eigener Erfahrung bewusst. Für ein Prüf- und Technologiezentrum eines Automobilunternehmens konnten wir einen Standort mit 500 Hektar finden und entwickeln, und dies in Baden-Württemberg. Von Anbeginn gab es einen engen Austausch mit der Bürgerschaft und Behörden, aber insbesondere auch mit den Naturschutzverbänden.

Die jetzige Ampelregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz oder ihr Nachfolger wird den gesetzlichen Stolperstein im Allgemeinen Eisenbahngesetz auf die Seite räumen, dessen bin ich mir sicher, denn zahlreiche Projekte in Deutschland kommen durch den aktuellen Text des Gesetzes ins Stolpern. Denkbar ist es, den Gesetzestext zu belassen und den Wohnungsbau zum allgemeinen öffentlichen Interesse zu erheben, was mit Sicherheit in einer Zeit des Zuzugs und der ohnehin vorhandenen Wohnungsnot sachlich richtig wäre. Im Grunde ist es nicht verwunderlich, dass das Allgemeine Eisenbahngesetz ins Ressort des FDP-Bundesverkehrsministers Volker Wissing fällt, der nach fast 20 Jahren Planung den Ausbau der Neckarschleusen ad acta legte. Mehr dazu in: ‚Neckar: Schleusenverlängerung fällt ins Wasser. Ertüchtigung der Infrastruktur kommt in Deutschland zu kurz‘. Überaus ärgerlich ist es für mich, dass im XXL-Bundestag bzw. Bundesrat Gesetze durchgewunken werden, die entweder kaum einer gelesen oder die Bedeutung des Textes verstanden hat. Politikverdrossenheit entsteht auch, wenn Gesetze und Verordnungen der Nachbearbeitung bedürfen, kaum dass sie beschlossen wurden. Trickser und Schlafmützen sollten sich nicht an Gesetzesvorhaben beteiligen.

 

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Sechs gelb-orangene Baukräne recken sich in den Himmel. Im Hintergrund der Turm des Hauptbahnhofs von Stuttgart aus Naturstein. Im Vordergrund eine Baustelle.Selbst als Befürworter von Stuttgart 21 tut man sich mit dem Schneckentempo schwer, mit dem die Planung sowie die politischen Entscheidungsprozesse und dann noch der Bau ablaufen. Es ist sicherlich nicht einfach, mitten in der Stadt und unter laufendem Betrieb einen Tiefbahnhof zu bauen und eine Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm mit langen Tunneln fertigzustellen, doch die Vorstellung des Projekts erfolgte in der Öffentlichkeit bereits vor 30 Jahren. Mehr zu dieser unendlichen Geschichte: ‚Stuttgart 21 hat endlich Fahrt aufgenommen. Infrastrukturprojekte: Wie wird man die rote Laterne los?‘ (Bild: Ulsamer)

Schützt die Igel vor den Mährobotern!

Ein grauer Mähroboter mit einem roten Kunststoffteil im hinteren Bereich und Grasschnitt an den Rädern fährt über eine ohnehin kurze Rasenfläche.

Stadt Köln: Vorbildliches Verbot für Mähroboter bei Nacht

Im Grunde meines Herzens bin ich der Meinung, dass Mähroboter zu den sinnlosesten Erfindungen unserer Welt gehören, speziell, wenn sie quasi rund um die Uhr Rasenflächen auf militärischen Bürstenhaarschnitt trimmen. Igel, aber auch Eidechsen, Frösche oder Kröten und Insekten werden von den rotierenden Messern getötet oder schwer verletzt. Gerade in der Dämmerung oder gar bei Nacht geraten Igel unter die Mähroboter, weil sie bei Gefahr nicht das Weite suchen, sondern sich zu einer Kugel zusammenrollen. Gegen Mähroboter nutzen jedoch die Stacheln leider nichts. Vorbildlich hat die Stadt Köln mit einer Allgemeinverfügung gehandelt, die den Einsatz von Mährobotern in der Dämmerung und bei Nacht verbietet. Ich hoffe sehr, dass andere Kommunen ebenfalls den Kölner Weg beschreiten. Besser wäre es, Mähroboter gänzlich zu verbannen, aber zumindest in der Dämmerung und bei Nacht sollten sie ihr Unwesen nicht länger treiben dürfen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ein Nachtfahrverbot für Mähroboter nur ein Schritt für die Verbesserung des Igelschutzes sein kann, denn den stachligen Sympathieträgern fehlt es in unserer ausgeräumten Landschaft an Versteckmöglichkeiten in Hecken, es mangelt an Laubhaufen und Totholz für ein Winterquartier, im Zeichen des Insektensterbens verhungern zahlreiche Igel, und selbst zugängliche Wasserstellen sind in Stadt und Land rar geworden. So ist es kein Wunder, dass sich der bei uns beheimatete Westigel auf der Vorwarnliste der Roten Liste findet. Der Schutz der Igel muss in Deutschland deutlich verbessert werden!

Zwei Igel nahe beieinander. Sie schauen sich an. Das Foto ist in Grautönen, da es mit einer Wildkamera bei Nacht aufgenommen wurde.
In unserem kleinen Gärtchen, das kaum 25 Quadratmeter umfasst, treffen sich immer wieder zwei oder drei Igel auf dem Weg zum Wasser oder zum Futterschälchen. Obwohl Igel Einzelgänger sind, bleibt es friedlich. Und natürlich kommen auch Steinmarder, Waschbären, mal ein Dachs oder Fuchs vorbei, denn das Gartentor steht dauerhaft offen. Mehr dazu in: ‚Wenn es Nacht wird im Gärtchen. Ein kleines Stück Natur für tierische Gäste‘. Viele kleine Gärten können zusammen auch ein Paradies für Wildtiere im städtischen Umfeld sein! (Bild: Ulsamer)

Wenn Igel unter den Mähroboter geraten

Von Herstellern und Nutzern der Mähroboter wird immer wieder behauptet, die Geräte würden Igel erkennen, doch die Menschen, die sich um verletzte Igel kümmern, können ein trauriges Lied von den brutalen Verletzungen singen, die diesen von den rotierenden Messern zugefügt werden. Vielen stachligen Freunden ist nicht mehr zu helfen, zahllose verenden irgendwo, wenn sie sich noch von der Rasenfläche schleppen konnten. Ich habe ganz bewusst auf Fotos der grausamen Verstümmelungen verzichtet, die sich jedoch im Internet auf den Facebookseiten von Igelstationen und anderen Helferinnen und Helfern finden lassen. Die Stiftung Warentest hat mehrfach Mähroboter getestet und kam zu dem Schluss, dass diese Geräte weder Igeln noch anderen kleineren Gegenständen ausweichen: „Die meisten Rasenmähroboter erkennen einen simulierten liegenden Kinder­arm nicht: Ihre Messer stoppen nicht, wenn ein mehrere Zenti­meter dicker Stab aus Buchen­holz unter den Roboter geschoben wird. Einige reagieren auch gar nicht oder zu spät bei der Fuß-Attrappe eines krabbelnden Kindes, einzelne ignorieren sogar einen stehenden Erwachsenenfuß.“ Die Ergebnisse der Stiftung Warentest decken sich mit einer Studie von Sophie Lund Rasmussen, die unter dem Titel ‚Wildlife Conservation at a Garden Level: The Effect of Robotic Lawn Mowers on European Hedgehogs (Erinaceus europaeus)‘ im Internet-Wissenschaftsjournal MDPI erschienen ist. Bei Tests mit tot aufgefundenen Igeln zeigte es sich, dass keiner der Mähroboter in der Lage war, junge Igel zu erkennen. Aber auch ausgewachsene Igel wurden erst nach Berührung als Hindernis erkannt, und dann dürfte es in den meisten Fällen bereits zu schwerwiegenden oder tödlichen Verletzungen gekommen sein.

Ein Igel frisst aus einer kleinen Tonschale unter einem kleinen Dach.
In den brandenburgischen Gemeinden Nuthetal und Borkheide wurde bereits vor der Verordnung der Stadt Köln der nächtliche Einsatz von Mährobotern untersagt. Es ist an der Zeit, dass weitere Kommunen nachziehen. Aber nicht nur die Besitzer von Mährobotern sind gefragt, sondern wir alle: Naturnahe Gärten schaffen Lebensraum für Igel und andere Wildtiere, und die Bereitstellung von Futter und Wasser hilft gleichfalls. (Bild: Ulsamer)

Am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) werden Meldungen von Igeln wissenschaftlich ausgewertet, die Schnittverletzungen durch Mähroboter erlitten haben, und das Ergebnis ist erschreckend: „Wir gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, da viele Tiere erst gar nicht gefunden bzw. gemeldet werden“, betonte Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW, die die Sammlung der Fälle wissenschaftlich begleitet, im Juni 2023. „Zudem berichten die Igelstationen, dass seit diesem Frühjahr ein Anstieg der Fälle um 30 bis 50 Prozent zu verzeichnen ist. Dies steht mutmaßlich mit den jährlich um 12 Prozent steigenden Absatzzahlen von Mährobotern in Zusammenhang.“ Selbst leichtere Schnittverletzungen können später zu schweren Entzündungen führen oder zur Ablage von Fliegeneiern in den Wunden. Wenn ein verletzter Igel nicht schnell genug Hilfe findet, ist es um ihn geschehen. „Die Verletzungen haben in den letzten Monaten ein Ausmaß angenommen, das viele Stationen physisch, psychisch und finanziell überfordert“, sagt Dr. Berger. „Nicht wenige stehen kurz vor der Aufgabe, wenn nicht von politischer Seite Unterstützung kommt.“ So viel zum vermeintlich problemlosen Einsatz von Mährobotern! Wer zu faul ist, seinen Rasen hin und wieder selbst zu mähen, oder schlicht keine Zeit hat, der sollte sich für eine Blühwiese entscheiden, die keinen Dauereinsatz von Mährobotern benötigt.

Zwei Igel an einer flachen Vogeltränke.
Anstehen an der Vogeltränke. Wasser darf gerade an heißen Tagen an Bedeutung für Wildtiere nicht unterschätzt werden. Wo gibt es in erreichbarer Entfernung noch einen Bachlauf oder einen Weiher, an dem Igel oder andere Wildtiere gefahrlos trinken können? Mehr dazu in: ‚Von Pfützen, Tümpeln, Weihern und Seen. Die kleinen Paradiese sind bedroht‘. (Bild: Ulsamer)

Igel leiden Hunger und Durst

Der deutliche Rückgang der Igelpopulation in Deutschland lässt sich auch an der Zahl überfahrener Igel ermitteln. Ein trauriges Kapitel der Welt, in der die Igel heute leben. So heißt es in der ‚Roten Liste‘ „Der Westigel war früher überall zahlreich vertreten. Langzeitzählungen überfahrener Igel in Bayern über einen Zeitraum von fast 40 Jahren (Reicholf 2015, LBV 2018) zeigen einen stetigen Rückgang der Funde auf etwa ein Fünftel der 1976 vorhandenen Bestände. Ob diese Entwicklung für das ganze Bundesgebiet gilt, ist nicht gesichert, weil vergleichbare Zählungen nicht vorliegen. Gelegenheitsbeobachtungen in Nordrhein-Westfalen deuten ebenfalls auf einen Rückgang des Westigels. Durch den zunehmenden Einsatz von Mährobotern werden Igel häufiger verletzt (LBV o.D.).“ Igel kommen nicht nur unter die unsinnigen Mähroboter oder werden überfahren, sondern sie verhungern in großer Zahl, weil es an Insekten fehlt. Insekten sind nun mal die Hauptnahrung der Igel, und deren Zahl ist dramatisch zurückgegangen, wie zahlreiche Studien belegen. Die Biomasse der Insekten hat sich um bis zu 75 % reduziert, wie der Entomologische Verein Krefeld in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 feststellte. Mehr dazu in: ‚Insekten verlieren ihre Heimat. Schmetterlinge, Hummeln, Bienen und Käfer sind akut bedroht‘. Laufkäfer und ihre Larven schmecken den Igeln besonders gut, doch sie werden – wie wiederum Studien belegen – immer weniger. Fressen die Igel aus Hunger zu viele Schnecken und Regenwürmer, nehmen sie für sie schädliche Parasiten zu sich. Es fehlt aber nicht nur an Nahrung, sondern gleichfalls am Zugang zu trinkbarem Wasser. Künstlerisch gestaltete Brunnen bieten zwar einen netten Anblick, das Wasser ist allerdings für Igel und andere Wildtiere zumeist nicht erreichbar, und ein betoniertes Wasserbecken – ob Swimmingpool oder Wasserspiele – eignen sich nur zum Ertrinken. An unserem Vogelbecken und einer Hühnertränke drängeln sich bei Tag und Nacht die Tiere, seien es Vögel, Igel oder Steinmarder und Eichhörnchen. Weitere Infos hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚Wildtiere: Jede Pfütze zählt! Den Zugang zu Wasser erleichtern‘.

Ein Igel läuft am Boden zwischen grünen Efeublättern usw. Sein Auge und der Rücken sind zu sehen.
Sind Igel tagsüber unterwegs, dann wurden sie häufig aufgeschreckt oder es plagt sie der Hunger. Bei uns steht ein Schälchen mit Futter bereit. Natürlich darf es an Wasser nicht fehlen. (Bild: Ulsamer)

Wir bieten in unserem kleinen Vorstadtgärtchen rund ums Jahr Vögeln Futter und Wasser an, und dies tun wir ebenfalls für Igel in den Jahreszeiten, in denen sie unterwegs sind. Jede kleine Hilfe zählt, und so haben wir auch mit den Nachbarn vereinbart, einen Durchschlupf für Igel zwischen den Gärten zu schaffen. Zwei Igelhäuschen laden zum Überwintern oder als Versteck tagsüber ein. Letztendlich ist die negative Entwicklung nur zu stoppen, wenn wir den Lebensraum für Igel zielgerichtet erweitern. Auf landwirtschaftlichen Flächen braucht die Natur wieder Vorrang vor einer ständigen Effizienzsteigerung, die zu immer größeren Flächen ohne Hecken, Bauminseln oder Lesesteinhügel geführt hat. Die Förderung der EU-Landwirtschaft ist weiterhin eine grünlackierte Subventionsmaschine, bei der die kleinen bäuerlichen Betriebe ebenso unter die Räder geraten wie Insekten, Vögel und eben der Igel. Im urbanen Raum müssen wir auf naturnahe Gärten setzen, die trostlosen Schotterflächen, die mit Mährobotern oder anderem Gerät abrasierten Rasenstücke und die akkurat zurechtgeschnittenen ‚Hecken‘, sollten der Vergangenheit angehören. Mehr zum zunehmend trostlosen Dasein der Igel lesen Sie in meinem Artikel ‚Igel: Stacheln helfen nicht gegen Verlust des Lebensraums. Igelfreundliche Felder, Parks und Gärten sind wichtig‘, auf den ich an dieser Stelle gerne verweise.

Ein Igel läuft bei Nacht zwischen kurzen Grashalmen und Blättern.
Der Lebensraum von Igeln wurde immer kleiner, und dies gerade auch auf landwirtschaftlichen Flächen, wo Nahrung, Wasser und Versteckmöglichkeiten kaum zu finden sind. So sind naturnahe Gärten und Parkanlagen nicht selten ein letzter Zufluchtsort. Dort finden sie noch eher Insekten und Wasser oder ein Plätzchen für den Winterschlaf. (Bild: Ulsamer)

Bei allen landwirtschaftlichen oder städtebaulichen Entscheidungen und Handlungen muss häufiger an den Igel und andere Wildtiere gedacht werden. Es reicht eben nicht, Igel als ‚niedliche‘ Stachler zu betrachten, sondern sie müssen auch dauerhaft ausreichenden Lebensraum und genügend Wasser und Insekten finden. Solange dies nicht gewährleistet ist, zählt jedes Schälchen mit Igelfutter bzw. Wasser. Das Letzte, was die bedrohten stacheligen Freunde in einer Situation größter Not benötigen, sind Mähroboter, die bei Tag und Nacht Rasenflächen zur Todeszone für Igel machen! Das Verbot der Stadt Köln, Mähroboter in der Dämmerung und bei Nacht fahren zu lassen, ist vorbildlich. Es ist an der Zeit, dass sich alle Kommunen anschließen, um das Leben von Igeln zu retten!

 

Igel trinkt aus einer flachen Vogeltränke, die von niedrigem Gras umgeben ist.
Wasser ist Leben, dies gilt auch für Igel. In unserer ausgeräumten Feldflur und in betonierten urbanen Quartieren fehlt der Zugang zu Wasser. Mehr dazu in: ‚Wildtiere: Jede Pfütze zählt! Den Zugang zu Wasser erleichtern‘. (Bild: Ulsamer)

 

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Ein grauer Mähroboter mit einem roten Kunststoffteil im hinteren Bereich und Grasschnitt an den Rädern fährt über eine ohnehin kurze Rasenfläche.Mähroboter laufen zum Teil rund um die Uhr und vor allem in der Dämmerung oder bei Nacht werden von den Schneidemessern Igel schwer verletzt oder getötet. (Bild: Ulsamer)

Neckar: Schleusenverlängerung fällt ins Wasser

Ein Schiff mit einem weiß-blauen Bug fährt aus einer engen Schleusenkammer und unter einer Brücke hindurch. Das Schiff ist mit Schrott beladen.

Ertüchtigung der Infrastruktur kommt in Deutschland zu kurz

Ob die 50 bis 100 Jahre alten Schleusen am Neckar instandgesetzt oder verlängert werden, ist auf den ersten Blick ein regionales Thema, doch bei näherer Betrachtung ist die stiefkindliche Behandlung des Neckars symptomatisch für unsere gesamte Infrastruktur. Brücken, die unter der Belastung ächzen oder gesperrt werden müssen, überlastete Schienenverbindungen, Straßen, die Rüttelpisten gleichen, fehlende Stromleitungen und mangelhaft instandgehaltene Schleusen, dies alles gehört leider zum Alltag in Deutschland. Wie soll ein Land wirtschaftlich und technologisch in der weltweiten Spitzengruppe mithalten, wenn die Infrastruktur vor sich hin bröselt und rostet? Planungen für die Ertüchtigung von Bahnstrecken oder Autobahnen benötigen Jahrzehnte, und sollten sie endlich in Angriff genommen werden, dann scheinen sie nicht selten wie aus der Zeit gefallen. 2007 hatten der Bund und das Land Baden-Württemberg eine Vereinbarung über den Ausbau der Neckarschleusen für Schiffe bis 135 Meter Länge beschlossen, der eigentlich bis 2025 abgeschlossen sein sollte. Auf Kosten des Landes Baden-Württemberg – sprich von uns Steuerzahlern – wurde eifrig geplant, doch geschehen ist im Grunde nichts, und 2024 verkündete das Bundesministerium für Digitales und Verkehr unter Volker Wissing (FDP), dass man sich auf die Instandhaltung der Schleusen konzentrieren wolle und den Ausbau bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zurückstellt. Gerne fordert die Politik, die Wirtschaft solle mehr Güter mit Binnenschiffen transportieren, die Infrastruktur dafür allerdings wird sträflich vernachlässigt. Den Schienen und Straßen geht es ebenso. Deutschland ist zu einem verkehrspolitischen Jammertal geworden.

Ein Schiff fährt mit Containern beladen auf dem Neckar. Im Hintergrund grüne Büsche und Bäume.
Von großer Bedeutung sind Container-Transporte, doch hier sind durch die Brücken enge Grenzen gesetzt, daher sollte zumindest die Länge der Schiffe auf dem Neckar denen auf dem Rhein entsprechen. (Bild: Ulsamer)

Instandsetzung und Verlängerung

Aus dem von den Kelten einstmals ‚wilder Fluss‘ genannten Neckar wurde in den Jahren 1921 bis 1968 von Mannheim bis Plochingen (in der Nähe von Stuttgart) eine Bundeswasserstraße. Die 27 Staustufen haben aus dem Neckar in manchen Bereichen einen Kanal gemacht, der nur noch selten bei Starkregen seine ursprüngliche Kraft zeigt. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag ‘Der Neckar: Vom ‚wilden Fluss‘ zur Wasserstraße. Ein unterschätzter Fluss als Lebens- und Wirtschaftsader‘. Ökologisch gesehen ist die Schiffbarmachung des Neckars gewiss kein Musterbeispiel für die Berücksichtigung der Natur, doch wenn ein Fluss schon zur Schifffahrtsstraße gemacht wurde, dann sollte man ihn auch optimal für den Gütertransport nutzen und gleichzeitig – wo immer möglich – an die Renaturierung gerade der Uferbereiche oder der Altarme denken. Zwar hat das Landratsamt des Kreises Esslingen, dessen Hauptgebäude direkt am Neckar liegt und die Wasserstraße nichts miteinander zu tun. Aber im weiteren Sinne ist es schon eine Perversion, wenn es an der Instandsetzung oder Ertüchtigung der teilweise hundert Jahre alten Schleusen mangelt, der Kreistag andererseits nach 44 Jahren den sogenannten ‚Altbau‘ des Landratsamtes abreißen und einen Neubau errichten ließ. Die jüngste der Neckarschleusen bringt es immerhin auf 50 Jahre.  Mehr zu diesem aus meiner Sicht skandalösen Vorgehen finden Sie in meinem Artikel ‚Landratsamt Esslingen: Abriss statt Sanierung. Würden Sie Ihr Haus nach 44 Jahren abreißen?‘ Behördensilos sind halt mehr en vogue als die Verkehrsinfrastruktur, das sieht man auch beim von Bundeskanzler Scholz durchgezogenen Vorhaben, das Bundeskanzleramt raummäßig zu verdoppeln. Ergänzende Infos finden Sie in ‚Bundeskanzleramt: Prunk und Protz. Der Erweiterungsbau passt nicht in unsere Zeit‘. Nun – so ist das eben in unserem Land: Weite Teile der politischen Entscheidungsträger setzen Prioritäten, die uns nicht voranbringen.

Ein Binnenschiff verlässt eine große Schleusenkammer am Rhein.
Dieses Binnenschiff, das gerade die Schleuse bei Iffezheim verlässt, kann zwar den Rhein befahren, doch die Neckarschleusen wären 20 Meter zu kurz. (Bild: Ulsamer)

Zwar bin ich weit davon entfernt, heute noch Flüsse schiffbar machen zu wollen oder neue Verbindungen wie den Main-Donau-Kanal gutzuheißen, der zwischen 1960 und 1992 erbaut wurde, um den Rhein mit der Donau zu verbinden. Wirtschaftlich gesehen hat das Projekt wenig gebracht, es sei denn, man betrachtet es als ausreichend, wenn Flusskreuzfahrtschiffe dort verkehren. Aber am Neckar liegt der Ausgangspunkt völlig anders: Es geht darum, alte Technik auf den neusten Stand zu bringen und dabei die Schleusen so zu verlängern, dass sie auch von 135 Meter langen Schiffen, die auf dem Rhein verkehren, durchfahren werden können. Bisher liegt das Höchstmaß bei 105 Metern, und wer sich den Schleusenvorgang auf dem Neckar schon mal angeschaut hat, der kann die Schiffsführer nur zu ihrer Leistung beglückwünschen, denn in der Breite geht es gleichfalls um jeden Zentimeter. Zwischen der Schleuse Mannheim-Feudenheim und dem Hafen Plochingen, bei dem der schiffbare Teil des Neckars endet, überwindet der Fluss auf 203 Kilometern eine Höhendifferenz von ca. 160 Metern. Die Schleuse bei Deizisau im Kreis Esslingen verfügt im Übrigen bis heute lediglich über eine Kammer, was bei einem Ausfall natürlich Stillstand bedeutet. Beim angedachten und nun wohl ins Wasser fallenden Ausbau der Schleusen sollte ohnehin jeweils nur eine Kammer verlängert werden, was in ähnlichem Maße Probleme mit sich bringen kann.

Auf dem Neckar fährt ein Binnenschiff in einer Biegung leicht nach rechts. Links am Ufer zuerst eine Landstraße, dann Bahngleise.
Ohne eine ertüchtigte Infrastruktur mit Bahn, Straße und Binnenschifffahrt werden wir in Deutschland weiter an wirtschaftlicher Dynamik verlieren. Es nutzt für das gesamte Verkehrsaufkommen wenig, wenn sich Minister Scheuer für Flugtaxis begeistern konnte und sich sein Amtsnachfolger Wissing für eine Kreditbürgschaft des Bundes für den bayerischen Flugtaxi-Hersteller Lilium engagiert. Mehr zu dieser Thematik finden Sie in ‚Flugtaxi – das neue Polit-Spielzeug. Straßen-Chaos bald auch in der Luft?‘ (Bild: Ulsamer)

Potential ausbauen

Häufig fehlt es Planungskapazitäten, wenn Verkehrsprojekte möglichst zügig ausgearbeitet und dann realisiert werden sollen. Um dieses Hindernis zu umgehen, hat das Land Baden-Württemberg dem Bund entsprechende Planstellen zur Verfügung gestellt und dafür bisher rd. sieben Millionen Euro berappt. So sollte Bundesminister Wissing nicht mit unseren Steuergeldern umgehen, wenn er jetzt den Schleusenausbau versenkte. Aber mit Verkehrsministern ist das so eine Sache, man denke nur an Andreas Scheuer (CSU) und sein Mautdebakel oder eben seinen Nachfolger Volker Wissing, dessen FDP bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg als Splitterpartei bloß noch um ein Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Was wohl Theodor Heuss, Liberaler, Journalist, Schriftsteller und erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland (1949-1959), zur Entwicklung seiner Partei und der Vernachlässigung des Neckars sagen würde? Geboren wurde Heuss 1884 in Brackenheim, verstorben ist er 1963 in Stuttgart, somit hat er einen Teil seines Lebens in der Nähe des Neckars zugebracht. Heuss war dazuhin Chefredakteur der ‚Neckar-Zeitung‘ in Heilbronn und nach dem Ende der NS-Diktatur Lizenznehmer der in Heidelberg erscheinenden ‚Rhein-Neckar-Zeitung‘. Nun gut, nicht jeder Politiker muss den Neckar und das industrielle Umfeld kennen, doch es könnte nichts schaden, wenn sich Wissing & Co. überlegten, wo denn wichtige Wirtschaftsunternehmen in unserem Land sitzen. Mehr Weitblick könnte der jetzigen Bundesregierung nicht schaden. Wie es um die Neckarschleusen bestellt ist, zeigt ein Zitat von der Internetseite der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (wsv.de): „Aufgrund anhaltender technischer Probleme an den Neckarschleusen und anderer Bauwerke hat sich das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Neckar entschlossen, künftig jedes Jahr dringend notwendige Reparaturen durchzuführen. Da jeweils eine Kammer vieler Schleusen nicht betriebsbereit ist, fallen an den betroffenen Schleusen beide Kammern während der Reparaturmaßnahmen aus. Das WSA Neckar sieht die Maßnahme jährlich im Oktober vor.“ Unsere Infrastruktur zerfällt, und die Bundesregierung schaut zu!

Braunes Wasser und Wellen an einem Wehr bei Esslingen am Neckar. Über der Anlage aus Beton hängen dunkle Gewitterwolken.
Bei Hochwasser zeigt der von den Kelten ‚wilder Fluss’ genannte Neckar hin und wieder sein ungestümes Naturell. Es ist schon fast ein Wunder, dass die 50 bis 100 Jahre alten Schleusen und Wehre die Urgewalten noch überstehen, denn eine grundlegende Sanierung wäre längst überfällig. Verbunden mit der Verlängerung der Schleusenkammern wäre ein sinnvolles Paket daraus geworden. Mehr zur Entwicklung des Neckars in: ‚Der Neckar: Vom ‚wilden Fluss‘ zur Wasserstraße. Ein unterschätzter Fluss als Lebens- und Wirtschaftsader‘. (Bild: Ulsamer)

Die Binnenschifffahrt beförderte 2022 knapp 182,5 Mio. Tonnen an Gütern, 2007 waren es – laut destatis.de – immerhin noch fast 249 Mio. Tonnen. Daher ist deutlich Luft nach oben, und dies sollte zur Entlastung von Bahn und Straße genutzt werden. 2022 wurden – zum Vergleich – 359 Mio. Tonnen mit der Bahn transportiert. Das Schwergewicht bei der Binnenschifffahrt ist in Deutschland der Rhein, auf den allein rd. 70 % der Transportmengen entfallen. Daneben scheint der Neckar mit ca. 5 Mio. Tonnen an transportierten Gütern eher bescheiden, doch wäre das Potential deutlich erweiterbar, wenn Schiffe vergleichbar zum Rhein die Schleusen befahren könnten. Die grün-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann und weite Teile der Opposition im baden-württembergischen Landtag setzen sich – wie die Vertreter der Wirtschaft – weiterhin für die Schleusenverlängerung im Zuge der Instandhaltungsmaßnahmen ein.

Blick auf gestapelte Container und große Krananlagen im Stuttgarter Hafen.
Wer den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 im Güterverkehr reduzieren möchte, der sollte auch auf die Binnenschifffahrt setzen. Der Stuttgarter Hafen ist ein Drehkreuz, das Neckar, Schiene und Straße bedient. (Bild: Ulsamer)

Umsetzungswille fehlt

Im Zeichen des Klimawandels sollte nichts unversucht bleiben, den CO2 –Ausstoß zu reduzieren, und dazu kann die Binnenschifffahrt auf dem Neckar weiter beitragen. Die zahlreichen Schleusen ermöglichen eine relativ gute Regulierung des Wasserstands, selbst in regenärmeren Wochen. Die Instandsetzung der Schleusen und ihre Erweiterung sollte endlich starten, denn entsprechende Planungsleistungen wurden bereits erbracht. Wenn Bundesverkehrsminister Wissing nun die gestiegenen Kosten gegen die Verlängerung der Neckarschleusen ins Feld führt, dann erinnert mich dies an ‘Stuttgart 21‘ – den Bau des Tiefbahnhofs in Stuttgart und der Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm. Wer bei solchen Vorhaben zwischen Planungsstart und Fertigstellung zwei oder drei Jahrzehnte verstreichen lässt, der sollte sich nicht wundern, dass die Kosten – auch durch gestiegene Anforderungen – explodieren. Kostensteigerungen scheinen dagegen für die Politik weniger bedeutsam, wenn es sich um ein Behördensilo wie den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts oder ein Lieblingsspielzeug von Landesregierung und Stadt wie die Opernsanierung in Stuttgart handelt, die jeweils eine Milliarde Euro verschlingen werden. Flugs beteiligt sich der Bund an der ins Trudeln geratenen Meyer Werft, doch für die Erweiterung der Neckarschleusen soll es an Geld fehlen?

Renaturierte Fläche am Neckar. In der Mitte auf einer kleinen Insel ein Aussichtsturm. Im Wasser spiegeln sich der Turm und Häuser, die auf einem Hang liegen.
Natürlich geht es nicht nur um eine Verlängerung der Schleusen, sondern in gleichem Maße um die Renaturierung des Neckars, wo immer dies möglich ist. Gerade in Zeiten des Klimawandels kann die Wiederherstellung von Altarmen und Freiflächen hinter Dämmen zur Regulierung von Hochwasser beitragen. Ein gelungenes Beispiel sind die Zugwiesen bei Ludwigsburg. (Bild: Ulsamer)

Inzwischen ist es wohl typisch für die deutsche Politik und nachgeordnete Behörden, 20 Jahre oder mehr über ein Projekt zu philosophieren, um es dann erst gar nicht anzupacken oder lustlos umzusetzen. Bundesminister Wissing betont jetzt, die Sanierung der Schleusen hätte Vorrang, und lenkt damit vom Thema ab. Wer wird denn die Schleusen jemals verlängern, wenn sie zuerst teuer saniert werden? Die Sanierung, die längst überfällig ist, hätte schon vor Jahren gemeinsam mit der Verlängerung der Schleusenkammern durchgeführt werden müssen. Nun sind nach der Übereinkunft zwischen Bund und Land fast 20 Jahre verflossen und nichts ist geschehen! Zahllose wichtige Infrastrukturprojekte werden in Deutschland zerredet oder kommen im Bummelzugtempo voran, wie z. B. die Zulaufstrecken zum Gotthard-Basistunnel auf deutscher Seite. So titelte die NZZ am 16. Mai 2024: „Bessere Schienenwege quer durch Europa: Deutschland steht auf der Bremse“. Dieses und zahlreiche weitere Beispiele machen deutlich, dass die Neckarschleusen nur ein Symptom dafür sind, dass es zahllosen politischen Entscheidungsträgern – nicht zuletzt in der jetzigen und früheren Bundesregierungen – am Willen fehlt, die deutsche Infrastruktur auf Vordermann zu bringen.

 

Ein Schiff fährt aus dem Neckar in den Rhein ein. Im Hintergrund Produktionsanlagen der chemischen Industrie.
Binnenschiffe, die auf dem Neckar verkehren, passen problemlos in die Schleusen am Rhein, die längeren Rheinschiffe dagegen können den Zufluss Neckar nicht befahren. Die Politik muss Rhein und Neckar im Verbund sehen! (Bild: Ulsamer)

 

Blick vom gegenüberliegenden Hang auf das Heidelberger Schloss und eine Neckarbrücke aus Stein. Zu sehen ist auch ein vorbeifahrendes Binnenschiff.
Der Neckar ist ein verbindendes Band in Baden-Württemberg. Tübingen, Stuttgart, Heilbronn und Heidelberg (im Bild), um nur diese größeren Städte zu nennen, liegen am Neckar. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle die Friedrich Ebert gewidmete Gedenkstätte in der Heidelberger Pfaffengasse 18, die auch sein Geburtshaus einbezieht. Friedrich Ebert setzte sich als Reichspräsident mit ganzer Kraft dafür ein, die Weimarer Republik durch die politischen Stürme zu steuern. Mehr dazu in: ‚Vom Sattlergesellen zum ersten Reichspräsidenten. Friedrich Ebert: Streitbarer Demokrat und Reformer‘. Für politisch und historisch Interessierte ist das Museum in Heidelberg einen Besuch wert. (Bild: Ulsamer)

 

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Ein Schiff mit einem weiß-blauen Bug fährt aus einer engen Schleusenkammer und unter einer Brücke hindurch. Das Schiff ist mit Schrott beladen.In den Neckarschleusen – wie hier in Esslingen – kommt es auf jeden Zentimeter an. Die zwischen 50 und 100 Jahre alten Schleusen hätten längst instandgesetzt und so verlängert werden müssen, dass sie von den auf dem Rhein üblichen Schiffen mit einer Länge von 135 Metern passiert werden können. (Bild: Ulsamer)

Efeu – ein Paradies für Insekten und Vögel in harten Zeiten

Ein Schmetterlin, ein Admiral, sitzt auf Efeublüten. Seine Flügel sind halb geöffnet.

Nahrung im Herbst und Winter für gefährdete Tierarten

Gibt es im Herbst kaum noch Blüten, dann zieht der Efeu Schmetterlinge, Bienen und Wespen magisch an, und im Winter sind die herangereiften blauschwarzen Früchte ein Energiespender für Amseln und Drosseln. Aber auch Schwebfliegen, Marienkäfer oder Ameisen laben sich an den Efeublüten. Seit Jahrzehnten gibt es immer weniger Insekten in Deutschland, da kommt es wirklich auf jede Blüte an. Und im Winter finden viele Vögel in einer Landschaft ohne Hecken und überjährigen Blühstreifen zunehmend weniger Nahrung. Efeu kann einen Beitrag dazu leisten, den dramatischen Schwund bei Insekten und Vögeln zu bremsen, wenn man die Pflanze nur ranken lässt.

Eine Amsel hat eine Efeufrucht im gelborangenen Schnabel und sitzt im Efeu.
Amseln lassen sich im Winter die dann gereiften Früchte des Efeus schmecken. So ergänzen die Efeufrüchte die an Futterstellen angebotene Nahrung. Den dramatischen Schwund an Vögeln in der EU und dem Vereinigten Königreich belegt eine Studie, die in ‚Ecology and Evolution‘ veröffentlicht wurde: Innerhalb von vier Jahrzehnten ging die Vogelpopulation um 600 Millionen Individuen zurück! Weitergehende Informationen bietet mein Artikel ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. (Bild: Ulsamer)

Insekten und Vögel sind bedroht

Die Biomasse der Insekten hat sich um bis zu 75 % reduziert, wie der Entomologische Verein Krefeld in einer Langzeitstudie von 1989 bis 2016 feststellte. So ist der Tisch für Vögel jahraus jahrein ärmlicher gedeckt, besonders für Vögel, die ohne Insekten zumeist ihre Küken nicht aufziehen können. Und leider zeigen neuere Studien, dass sich das Insektensterben beschleunigt hat. Bleiben die Schnäbel leer, dann verschwinden selbst frühere ‚Allerweltsarten‘ unter den Vögeln. Mit Efeu im privaten Garten oder in Parkanlagen kann natürlich der Verlust an Lebensraum für Insekten und Vögel auf landwirtschaftlichen Flächen und betonierten Städten nicht ausgeglichen werden, doch jede Blüte hilft mit Pollen und Nektar, und jede Frucht am Efeu kann einen hungrigen Vogelmagen füllen.

Ein Taubenschwänzchen 'steht' mit schnellem Flügelschlag gewissermaßen vor Efeublüten und saugt mit dem ausgefahrenen Rüssel Nektar.
Das dramatische Insektensterben ist zwar durch zahllose Studien belegt, doch es geschieht zu wenig, um wieder für mehr Blüten in unserem Land zu sorgen. So hilft gerade im späteren Jahr jede Efeublüte mit Pollen und Nektar. Wenn die Insekten – hier ein Taubenschwänzchen – immer weniger werden, dann fehlt es nicht nur vielen Vogelarten an Nahrung, sondern auch Frösche oder Eidechsen darben. Mehr dazu in: ‚Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘. (Bild: Ulsamer)

Auf den gravierenden Schwund an Insekten und Vögeln bin ich in mehreren Blog-Artikeln eingegangen, so z. B. in ‚Vögel: hungrig, durstig, wohnungslos. Die industrielle Landwirtschaft befeuert den Vogelschwund‘ oder ‚Galoppierender Insektenschwund und lahmende Politiker. Rückgänge um bis zu 97 % bei Schwebfliegen‘. Der am 1. Oktober 2024 erschienene ‚Faktencheck Artenvielfalt‘, an dem 350 Autoren und Gutachter mitgewirkt haben, bestätigt leider den negativen Trend: „Die Populationen von Vögeln im Agrar- und Offenland sind in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen.“ Die Autoren des ‚Faktencheck Artenvielfalt‘ fahren fort: „Die Intensivierung der Landwirtschaft hat negative Effekte in fast allen Lebensräumen, nicht nur im Agrar- und Offenland, und bietet damit den größten Hebel für biodiversitätsschützende Ansätze.“ Doch gerade im Bereich der industrialisierten Landwirtschaft kommen Veränderungen hin zu einer ökologischeren und nachhaltigeren Landnutzung nur zögerlich voran. „Zur Intensivierung zählen die Aufgabe von Fruchtfolgen, der vermehrte Maisanbau und Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und schweren Maschinen auf Ackerflächen, der Anbau von Kulturgräsern im Grünland und der Rückgang der extensiven Beweidung.“ Im Grunde können diese Hebel nur genutzt werden, wenn sich die politischen Entscheidungsträger endlich dazu aufraffen, eine Neuorientierung der EU-Agrarförderung vorzunehmen.

Eine Drossel sitzt im Efeu, nur Kopf und Hals schauen heraus. Ringsum hat es Efeufrüchte.
Diese Drossel hat es sich am gedeckten Tisch bequem gemacht. Beachten sollte man bei Neupflanzung eines Efeus, dass er erst nach sieben Jahren mit dem Blühen beginnt. (Bild: Ulsamer)

Mehr Blüten und Früchte

Wir müssen daher alle gemeinsam politischen Druck auf die Politik ausüben, damit bedrohte Tiere und Pflanzen endlich mehr Fürsprecher in EU, Bundestag, Landtagen oder Kommunen und Regionen finden. Parallel dazu geht es darum, kleine Refugien für Insekten, Vögel und andere Wildtiere – wie den Igel – im eigenen Garten oder in Parks und städtischen Grünanlagen, auf Weiden, Wiesen, Äckern und in Wäldern zu schaffen. Jede einheimische Blühpflanze, die Nektar und Pollen spendet, ist wichtig, jede Wasserstelle zählt und jede Hecke! Brombeerhecken, die häufig achtlos zerstört werden, sind wegen ihrer Blüten und Beeren wichtig, an letzteren können sich z. B. die Stare stärken, ehe sie die gefährliche Reise in ihre Winterquartiere antreten. Mehr zu den Staren finden Sie in meinem Beitrag ‚Der Star – vielseitiger Sänger und Formationsflieger. Ein früherer ‚Allerweltsvogel‘ ist bedroht‘. Vögel wie die Amsel, die die kalte Jahreszeit bei uns verbringen, finden Nahrung im späteren Winter, wenn die Früchte des Efeus reif sind und ansonsten frische Kost Mangelware ist.

Zwei Bienen an einer Efeublüte.
Im Herbst wird die Nahrung für Insekten immer weniger, da können Efeublüten mit Pollen und Nektar helfen. (Bild: Ulsamer)

Bienen und Schmetterlinge, Schwebfliegen, Wespen und Hornissen erhalten beim spät blühenden Efeu ein letztes Gnadenbrot, ehe der Winter kommt, und später laben sich Amseln und Drosseln an den Früchten des Efeus. Manchmal stehen diesem freundlichen Bild jedoch Bürokraten im Weg, die sich in der kommunalen Kantine bedienen können und nicht auf Nektar, Pollen oder Früchte des Efeus angewiesen sind. So erreichte uns ein unfreundlicher Brief der Stadtverwaltung in Esslingen am Neckar, wir sollten unsere Efeuhecke zurückschneiden – obwohl auf dem Gehweg locker Platz für einen Zwillingskinderwagen, einen Rollstuhl oder ein Schülergrüppchen geblieben war! Kein Träger von Ärmelschonern schien sich dagegen am aufgehäuften Müll neben den Altglascontainern ganz in der Nähe zu stören, doch Efeuranken mit Blüten oder Früchten für Insekten bzw. Vögel, das ging selbstredend gar nicht. Mehr zu diesem unerquicklichen Aspekt lesen Sie in meinem Artikel ‚Esslingen am Neckar: Wenn der Amtsschimmel die Efeuhecke frisst. Kleingeistige Bürokraten gegen Bienen und Amseln‘. Geradezu berührend war es, als uns ein kleiner Junge ansprach und fragte, warum wir denn die Hecke zurückgeschnitten hätten. Wir erläuterten ihm unser Tun. Er konnte die Stadtverwaltung nicht verstehen, denn nun würden den Bienen seines Vaters wieder Blüten in erreichbarer Umgebung fehlen.

Eine Ringeltaube hängt fast kopfüber an einer Efeuranke und greift mit dem Schnabel nach Efeufrüchten.
Die Ringeltaube – auch Waldtaube genannt – macht fast einen Kopfstand, um an die Efeufrüchte zu kommen. Tauben haben es im ländlichen und städtischen Umfeld nicht leicht, denn häufig fehlen Nahrung und Wasser. Und wenn sie in den Einkaufszonen die Reste weggeworfener oder fallengelassener Brötchen aufpicken, werden sie nicht selten verjagt. ‚Von Stadt- und Friedenstauben‘ bietet ergänzende Informationen. (Bild: Ulsamer)

Efeu ist dank seines Nektars und seiner Pollen bzw. den späteren Früchten ein kleines Paradies für Insekten und Vögel. Wo immer möglich, sollte Efeu dazu beitragen, die Nahrungsgrundlage für Schmetterlinge und Bienen, Schwebfliegen oder Hornissen zu verbessern, aber auch für Amseln, Drosseln und weitere Vogelarten den Tisch zu decken.

 

Eine Mönchsgrasmücke mit hellem Federkleid und dunklem Kopf pickt Efeufrüchte.
Kaum ist die Mönchsgrasmücke aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt, kann sie sich an den letzten Efeufrüchten laben. (Bild: Ulsamer)

 

Admiral auf Efeublüten. Der Schmetterling hat die Flügel zugeklappt.
Im Herbst bieten Efeublüten noch Nektar und Pollen für Schmetterlinge – wie diesen Admiral. In einer Zeit, in der das Insektensterben zurecht beklagt wird, kommt es auf jede Blüte an. Mehr dazu in: ‚Insekten lechzen nach Nektar und Pollen. Wild- und Honigbienen auf Nahrungssuche‘. (Bild: Ulsamer)

 

Eine Hornisse sitzt an Efeublüten.
Auch Hornissen kommen an die Blüten des Efeus, der eine Vielzahl von Insekten anzieht. Gerade auf landwirtschaftlichen Flächen ist Schmalhans ganzjährig für Insekten Küchenmeister. Weitere Infos hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚Insekten als politische Verschiebemasse. Cem Özdemir stellt Fruchtfolge und Artenvielfaltsflächen zurück‘. (Bild: Ulsamer)

 

Bündnis 90/ Die Grünen: Die grüne Seele bei Natur- und Umweltschutz ist verwelkt

Braune Ackerfläche bis zum Horizont. Keine Hecke, keine Steinmauer. Blauer Himmel und einige weiße Wolken.

Rücktritt des Bundesvorstands verdient Respekt

Die Grünen hatten bereits bei der Wahl zum Europaparlament einen gehörigen Dämpfer bekommen, in Thüringen und Brandenburg sind sie aus den Landesparlamenten geflogen und in Sachsen erklommen sie gerade noch die Fünf-Prozent-Hürde. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen hatten die Grünen ohnehin schon den Rückwärtsgang eingelegt. Die Stimmung kippte, als Robert Habeck, der grüne Wirtschafts- und Klimaminister mit einem unausgegorenen Heizungsgesetz in die Öffentlichkeit stolperte. In einer solchen Situation darüber nachzudenken, Robert Habeck als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2025 aufzustellen und ihn noch mit dem Titel ‚Kanzlerkandidat‘ zu schmücken, lässt so manchen Bürger konsterniert zurück. Nach Annalena Baerbock soll es jetzt Robert Habeck bei der Bundestagswahl als Spitzenkandidat richten. Aus meiner Sicht haben die Grünen längst ihre Seele verloren, denn wo agieren sie augenblicklich stringent im Sinne von Natur-, Umwelt-, Klima- oder Tierschutz? Was ist eigentlich an den Grünen derzeit grün? Als beim letzten Atomkraftwerk in Deutschland der Stecker gezogen wurde, ging den Grünen endgültig die Luft aus. Respekt verdient der Rücktritt des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen, allen voran die Ko-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour. Diese beiden sind mit Sicherheit nicht allein schuld an der Misere, doch ist es ihnen nicht gelungen, das Vertrauen in die Grünen wieder herzustellen. So klingt es hohl, wenn Ricarda Lang noch immer auf der Internetseite der Bundes-Grünen betont: „Wir haben uns nicht weniger vorgenommen, als dieses Land auf ein klimaneutrales und solidarisches Fundament zu stellen.“ Mit Verboten lässt sich eine Mehrheit nicht für den Klimaschutz gewinnen, und die Solidarität zerbröselt, wenn die zentralen Anliegen breiter Bevölkerungsschichten, so z. B. eine deutliche Reduzierung der irregulären Migration, zerredet werden.

Bläulich-silbern glänzende Solarpaneele auf einem Hausdach mit roten Ziegeln. Im Hintergrund die grünen Blätter eines Kastanienbaums und rechts daneben eine Antenne für terrestrischen Empfang.
Robert Habeck hat als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem verkorksten Heizungsgesetz nicht nur seiner Partei, sondern auch dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen. So manches Förderprogramm nutzt wenig – wie bei Wärmepumpen -, wenn klare Zukunftsperspektiven fehlen. Und bei Anschluss und Betrieb einer PV-Anlage hätte ich mir überdies weniger Formulare und Zuständigkeiten gewünscht, doch alle Vorsätze zum Bürokratieabbau entpuppen sich in unserem Land als leeres Gerede. (Bild: Ulsamer)

Verbotskeule statt Überzeugungsarbeit

Die Grünen haben in weiten Bereichen die Chance vertan, sich in der politischen Mitte als Streiter für Klima- und Naturschutz zu etablieren. Und wer beim Umstieg auf CO2-neutrale Heizsysteme oder Kraftfahrzeuge ständig die Verbotskeule schwingt, der vergrault viele Bürgerinnen und Bürger, die um ihre Freiheit und ihren Wohlstand fürchten. „Mich begeistert der Mut, für Freiheit aufzustehen“, so Nouripour in der grünen Selbstdarstellung. Und er setzt noch eins drauf: „Wir sind die Unbeugsamen. Das ist unsere Tradition.“ Die Mehrheit der Wählerschaft sieht in den Grünen inzwischen nicht die unbeugsamen Streiter für die Freiheit, sondern ein zu Bevormundung und Belehrung neigendes Parteivölkchen, das seine ursprünglichen Ziele und Werte längst vergessen hat. Gerade junge Wähler zieht es heute nicht zu den Grünen, sondern zur AfD. Da helfen Brandmauern nicht weiter, wenn die Wählerschaft diese mit ihren Stimmzetteln längerfristig zum Einsturz bringt. Wer Probleme nicht löst, der bekommt den Frust der Bürger zu spüren, was für die Ampelparteien insgesamt gilt, und im Besonderen für die SPD und die Liberalen. Darüber kann auch der knappe Wahlsieg von Dietmar Woidke in Brandenburg nicht hinwegtäuschen, der wieder SPD-Ministerpräsident werden möchte. Allerdings hat sein Sieg einen erheblichen Flurschaden angerichtet, denn die bisherigen Koalitionspartner hat er in seinem Wahlkampf niedergewalzt. So wird er sich mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anfreunden müssen. Ein Gedanke, der für mich alarmierend ist.

Ein grüner Frosch mit braunen Flecken schwimmt in einem bräunlichen Tümpel.
Dieser Frosch wünscht sich mehr Tümpel, naturnahe Teiche und Seen in Deutschland. Solche Gewässer halten bei Starkregen Wasser zurück und bieten Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Hier hätte ich mehr Engagement der Grünen erwartet. Gerne verweise ich auf meinen Beitrag: ‚Haben die Wasserfrösche bald ausgequakt? Mehr Tümpel braucht’s im Land der Frösche‘. (Bild: Ulsamer)

Den Grünen stehen weiter unruhige Zeiten bevor, denn es stellt sich die Frage, ob sich Bündnis 90/Die Grünen eher pragmatisch in der Mitte des politischen Spektrums – wie ihr einziger Ministerpräsident Winfried Kretschmann – halten kann oder weiter nach links rücken wird. Der Vorstand der Grünen Jugend hat nicht nur seinen Rücktritt ‚eingereicht‘, sondern gleichzeitig den Parteiaustritt angekündigt. Die seit langem mit der Entwicklung der Gesamtpartei unzufriedenen Jungmitglieder wollen sich „aufmachen, einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen“, so die Vorsitzenden der grünen Jugendorganisation Svenja Appuhn und Katharina Stolla. Wie schlecht es um die Solidarität bei den Grünen bestellt ist, wobei Ricarda Lang ein solidarisches Gesellschaftsmodell umsetzen wollte, zeigen Aussagen von Renate Künast im RBB-Inforadio, die einst selbst Sprecherin der Grünen Jugend war. Die Spitzenvertreter des Parteinachwuchses seien “nicht realitätstauglich” gewesen und hätten “einen Klassensystem-Sozialismus aufbauen” wollen. “Da wundere ich mich nicht drüber und da weine ich jetzt auch nicht”, sagte die Bundestagsabgeordnete und frühere Bundeslandwirtschaftsministerin bzw. Fraktionschefin im Deutschen Bundestag. Wer den eigenen Jungmitgliedern noch einen Tritt versetzt, wenn diese das Weite suchen, der dürfte kaum zu einer Neuorientierung bereit sein, die wieder weite Schichten anspricht.

Ein Schwein schaut in die Kamera. Es steht auf einer matschigen Wiese, dahinter grünes Gras.
Von Bündnis 90/ Die Grünen hätte ich mir einen konsequenteren Kampf dafür gewünscht, dass Schweine, Rinder und Hühner auf die Weide gehen können und nicht in engen Ställen gehalten werden. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag ‚Klimaschutz: Kühe zwischen Milch und Methan. Weidetiere tragen zur Humusbildung bei‘. (Bild: Ulsamer)

Was ist daran grün?

Wenn der Begriff ‚Die Grünen‘ nicht zu einer Floskel werden soll, dann muss sich Bündnis 90/Die Grünen von anderen Parteien bei landwirtschaftlichen Fragestellungen, beim Natur- oder Klimaschutz abheben, doch genau daran fehlt es. Nehmen wir Cem Özdemir, der als Landwirtschaftsminister im Handeln kaum von seiner CDU-Vorgängerin Julia Klöckner zu unterscheiden ist. Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte die Vorgabe von Brachflächen und der Fruchtfolge bereits für 2023 zurückgestellt – und die Bundesregierung hat das für 2024 verlängert. Wo aber sollen Insekten und Vögel leben, wenn die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion ungebremst voranschreitet? Als die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen die Pestizidverordnung zurückgezogen hat, die den Einsatz von sogenannten Pflanzenschutzmitteln eindämmen sollte, habe ich einen Aufschrei der Regierungs-Grünen in Deutschland vermisst. Und als sich CDU und AfD als Bauernversteher gaben, da wollte sich die Bundesregierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen gleichfalls den Traktoren nicht entgegenstellen. Die Regierung unter Olaf Scholz nahm schnell die Hälfte der geplanten Einsparungen wieder zurück. Mehr dazu in meinem Blog-Beitrag ‚Ampelregierung von Traktoren überrollt. Scholz & Co in Agrardiesellache ausgerutscht‘. Wir brauchen eine an ökologischen Grundsätzen orientierte Landwirtschaft, daran besteht für mich kein Zweifel, doch Bündnis 90/Die Grünen fehlt es an tragfähigen Konzepten und dem Rückgrat, sich für mehr Natur-, Pflanzen- und Tierschutz einzusetzen.

Ein Wolf mit relativ hellem Fell zwischen grünen Blättern.
Waren das noch Zeiten, als die Grünen für den Naturschutz eintraten! Heute brüstet sich die grüne Umweltministerin Steffi Lemke damit, man habe „eine Regelung beschlossen, die es bundesweit möglich macht, Wölfe nach Rissen auf Weidetiere schnell und unkompliziert abzuschießen“. Mehr zu den Parteien, die sich für die Jagd auf Wölfe begeistern, finden Sie in meinem Beitrag: ‚Kunterbunte Jagdgesellschaft bläst zur Wolfshatz. Die ganz große Koalition legt auf die Wölfe an‘. Die Aufnahme entstand im Alternativen Wolf- und Bärenpark in Bad Rippoldsau-Schapbach im Schwarzwald, wo geschundene Kreaturen eine Aufnahme finden. (Bild: Ulsamer)

Aber nicht nur in den Ställen fehlt es den Grünen am Willen, mehr für die eingepferchten Kreaturen zu tun, sondern auch bei wildlebenden Tieren vermisse ich konsequente Schritte zugunsten der immer mehr bedrängten Natur. Natürlich werden eifrig Konzepte entwickelt und internationale Abkommen abgeschlossen, allein es fehlt am notwendigen Nachdruck bei der Umsetzung. Dieser Vorwurf trifft selbstredend auf andere Parteien in gleicher Weise zu, doch wer sich ‚grün‘ nennt, der muss sich letztendlich an den Erfolgen für Natur und Umwelt messen lassen. So hätte ich nicht erwartet, dass sich eine grüne Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz selbst dafür lobt, man habe „eine Regelung beschlossen, die es bundesweit möglich macht, Wölfe nach Rissen auf Weidetiere schnell und unkompliziert abzuschießen“. Und Steffi Lemke setzte noch einen drauf: „Diese Schnellabschüsse sind unbürokratisch und praktikabel umsetzbar“. Mehr zu Lemkes Doppelmoral, die etwas gegen den Abschuss von Elefanten in Afrika zu haben scheint, dagegen ohne Probleme auf Wölfe in Deutschland anlegen lässt, lesen Sie in meinem Blog-Beitrag ‚Ministerin Lemke: Wölfe abschießen, Elefanten schützen. Die grüne Doppelmoral ist politisch gefährlich‘. Die Bundesregierung ermöglichte mit ihrer Stimme einen Beschluss der EU-Staaten, der die EU-Kommission auffordert, den Schutz des Wolfs in der Berner-Konvention herabsetzen zu lassen. Dies würde es dann der EU ermöglichen, schneller Wölfe abschießen zu lassen. Lange ist es noch nicht her, dass auch grüne Politiker die Rückkehr des Wolfs begrüßten. Besonders bedenklich ist es, dass selbst Grüne das Märchen verbreiten, die Weidetierhaltung, gerade die Schäferei, sei durch Wolfsrisse gefährdet, obwohl das Halten von Schafen wegen ihrer Wolle oder ihres Fleisches wegen bereits wenig lukrativ war, als der Wolf überdies einen weiten Bogen um deutsche Lande machte.

Ein Zaunkönig sitzt gut getarnt durch die Färbung seiner Federn am Rande einer Hecke.
In einer immer stärker durch menschliche Einflüsse geprägten Welt tun sich Vögel schwer, das eigene Überleben zu sichern und mit erfolgreichen Bruten für Nachwuchs zu sorgen. Wo soll der Zaunkönig leben, wenn die Hecken und Gebüschinseln auf landwirtschaftlich genutzten Flächen fehlen? Unzählige Studien belegen einen Zusammenhang zwischen dem Vogelschwund und der industriellen Landwirtschaft. Doch dies beeindruckt zahlreiche politische Entscheider weder in Brüssel und Berlin noch in den Bundesländern, und leider scheint das auch für viele Grüne zu gelten. Mehr dazu in: ‚Vögel: hungrig, durstig, wohnungslos. Die industrielle Landwirtschaft befeuert den Vogelschwund‘. (Bild: Ulsamer)

Große Worte, kleine Taten

Natürlich ist es sinnvoll, wenn die Politik Strategien entwickelt, um Probleme gezielter angehen zu können. Das trifft z.B. für die Nationale Moorschutzstrategie der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP vom Oktober 2022 zu. Zweifel bleiben allerdings, denn viel zu oft folgen auf Strategien und Konzepte nur vollmundige Erklärungen, aber leider keine oder unzureichende Handlungen zu deren Umsetzung. Beispielsweise beschloss die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD sogar schon 2007 in der ‚Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt‘, zwei Prozent der Landesfläche als Wildnis zu sichern, doch im Zieljahr 2020 waren es gerade mal 0,6 %. Auf die Dringlichkeit des Moorschutzes habe ich in meinem Artikel ‚Eine Strategie rettet noch kein Moor. Moore binden CO2 und stärken Wasserhaushalt‘ hingewiesen. An hehren Zielen fehlt es bei Großveranstaltungen wie dem Weltnaturgipfel in Montreal im Jahr 2022 nicht, doch an der Umsetzung hapert es meist. Wir sind somit weit entfernt von den Zusagen, die auch die deutsche Bundesumweltministern Steffi Lemke in Montreal mitverhandelte und propagierte: „Die Ziele sind klar: Mindestens 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläche werden bis 2030 unter Schutz gestellt“. Wer möchte hier nicht erfreut zustimmen und das hohe Lied der Naturschützer im Politikergewand singen, wenn da nicht das dauerhafte Versagen der politischen Entscheider zu einem Missklang führen würde. Es reicht eben nicht Schilder mit Natur- oder Landschaftsschutzgebiet aufzustellen, sondern es muss nachhaltig mehr für die Artenvielfalt getan werden!

Lastenfahrrad im Schnee. Die Transportbehälter sind offen, die Briefe sind nass.
Bei vielen Grünen scheint noch immer die Idee vorzuherrschen, man könne mit einer Nation von Fahrradfahrern die Welt retten. Gerade im ländlichen Raum sehen das die meisten Bürger anders und wählen eine andere Partei. Bemerkenswert ist es schon, wie eifrig von den grünen Ministern Flugzeuge – gerne auch die der Flugbereitschaft – genutzt werden, während die Partei gleichzeitig den ‚Normalbürgern‘ Auto und Flugzeug madig macht. So schrieb die Grüne Jugend in Baden-Württemberg: „Wir fordern daher von der Landesregierung, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Anzahl der Automobile in Baden-Württemberg bis 2030 um 30 Prozent und bis 2050 um 85 Prozent zu verringern. Der verbleibende Fahrzeugbestand muss 2050 komplett emissionsfrei sein.“ Weitere Informationen zu diesem Thema lesen Sie unter: ‚Grüne Jugend: 85 Prozent weniger Autos!‘ Bisher hat der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Autoland Baden-Württemberg meist den richtigen Ton zu Verkehrs- und Klimaaspekten gefunden, doch bei der nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2026 werden die Karten neu gemischt – ohne ihn! (Bild: Ulsamer)

Beim Verkehr habe ich den Eindruck, dass zahlreiche Grüne noch immer meinen, man könne mit dem Lastenfahrrad selbst den letzten Bürger im ländlichen Raum beglücken. Dabei sind die Grünen zu einer Bremse der technologischen Entwicklung geworden, weil sie auf batterieelektrische Antriebe bei Pkw als einzige Lösung setzten und das Verbot des Verbrennungsmotors zu ihrem Credo machten. Aber nein, könnte man sagen, es sind ja nicht alle Grünen, und das stimmt: Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erkannte früh die Vorzüge der mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle. Energiepolitisch war der Ausbau von Wind- und Solaranlagen längst überfällig, denn als die CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel den Beschluss durchsetze, aus der Nutzung der Kernenergie auszusteigen, machte sie sich nicht ergänzend daran, alternative Energiequellen vehement zu fördern. Und wo sind die notwendigen Speicherkapazitäten und die Stromleitungen für den bundesweiten Austausch des Stroms? Hier ist auch unter grüner Regierungsbeteiligung viel zu wenig geschehen. Erneut ist es im Übrigen der baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der gemeinsam mit seinem sächsischen CDU-Kollegen Michael Kretschmer dazu aufforderte, die Planung zu überdenken und die Nord-Süd-Stromleitungen nicht zu vergraben, sondern oberirdisch zu verlegen. Das dürfte Dutzende von Milliarden an Euro einsparen und zur dringend notwendigen Beschleunigung führen. Und ganz nebenbei: Wo sind denn die Gaskraftwerke, die bei Dunkelflaute die Stromlücke füllen sollen, die bei fehlenden Speichern entsteht, wenn der Wind nicht weht und sich die Sonne nicht blicken lässt?

Migrantenfamilien von hinten in bunter Bekleidung mit Kinderwagen und Fahrrad.
Bündnis 90/Die Grünen tun sich bis heute schwer, an einer sachgerechten Migrationspolitik mitzuwirken. Stimmte die Parteiführung bei Verschärfungen zu, die die irreguläre Migration eindämmen soll, dann wurde dies schnell wieder innerhalb der Grünen zerredet. Bei Bündnis 90/Die Grünen hat sich nie der Gedanke durchgesetzt, dass die Aufnahmekapazität und die Integrationsmöglichkeiten – selbst bei gutem Willen – beschränkt sind. Darauf hatte bereits 2015 der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zurecht hingewiesen. Natürlich müssen Menschen, die aus politischen Gründen verfolgt werden, weiterhin Asyl erhalten, und wir brauchen daneben einen Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte und ihrer Familien. Die Integrationskraft wird jedoch überstrapaziert, wenn auf irregulären Wegen hunderttausende von Personen ins Land kommen. (Bild: Ulsamer)

Versagen bei der Migrationspolitik

Das Versagen bei der Steuerung der Migration wird von breiten Wählerschichten gerade den Grünen angelastet, die nur widerwillig anerkennen wollen, dass eben nicht jeder Neuankömmling aus fernen Ländern ein politisch Verfolgter ist. Es geht nicht darum gegen Migranten zu wettern, ganz im Gegenteil. Ich habe den größten Teil meines Berufslebens in der Industrie verbracht, und es würde kaum ein Auto in Deutschland vom Band rollen, wenn es plötzlich keine Mitarbeiter mit Migrationshintergrund mehr geben würde, was in gleicher Weise für nahezu alle anderen Lebensbereiche zutrifft. Wer sich jedoch gegen irreguläre Migration wendet, der wird von links-grünen Politikern schnell in die rechtsextreme Schmuddelecke gerückt. Mit solchen weltfremden Äußerungen haben die Grünen zunehmend ihr Ansehen verspielt. Wer nicht für geordnete Verhältnisse bei der Zuwanderung Sorge trägt, der stärkt extreme Parteien und Gruppierungen. „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich“, betonte Joachim Gauck 2015 als Bundespräsident, da war er auf alle Fälle näher an der Realität als die CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Bundespräsident fuhr fort: „Unser Asyl- und Flüchtlingsrecht bemisst sich nicht nach Zahlen, und doch wissen wir unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, auch wenn wir nicht genau wissen, wo die Grenzen liegen.“ Zu lange haben sich weite Teil der Grünen einer ehrlichen Diskussion über diesen wichtigen Gedanken verweigert. Die Wählerschaft verpasste nun – gerade in den östlichen Bundesländern – den Grünen die Quittung für ihr fragwürdiges Verhalten bei Migrationsfragen. „Beim ‚Zukunftskongress‘ gibt es viele Gesprächsrunden und Workshops – aber keine davon befasst sich mit Migration“, so Tina Handel in ‚tagesschau.de‘. Dies lässt tief blicken und verstärkt den Eindruck, dass die Grünen die Dramatik der gegenwärtigen politischen Entwicklungen noch immer nicht verstanden haben.

Das Kernkraftwerk in Obrigheim wird rückgebaut. Das Reaktorgebäude ist noch zu sehen.
Seit das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gegangen ist, fehlt es den Grünen an einem intern einigenden Thema, und dass ausgerechnet die CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel den Atomausstieg einleitete, schmerzt so manchen Grünen sicherlich bis heute. (Bild: Ulsamer)

Der Rücktritt des Bundesvorstands der Grünen verdient Respekt, ausgerechnet jetzt zu einem Zeitpunkt, wo Vertreter von FDP und SPD so tun, als würden sie nicht von der Wählerschaft abgestraft. Bei der einstigen Volkspartei SPD müssen doch ebenfalls die Alarmglocken läuten, wenn sie in Sachsen momentan nur 6,2 % der Wähler für sich gewinnen konnte, in Thüringen waren es bei den Landesstimmen lediglich 6,1 %. Und den knappen Wahlsieg in Brandenburg verdankt die SPD nicht Olaf Scholz oder dem SPD-Bundesvorstand, sondern ihrem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Noch desaströser sind die Ergebnisse für die FDP, die in Thüringen mit 1,1 %, in Sachsen mit 0,9 % und in Brandenburg mit 1,3 % um ihre Existenz bangen muss. Bei FDP und SPD scheint sich jedoch niemand für den Niedergang verantwortlich zu fühlen. Spannend dürfte es beim Bündnis 90/Die Grünen bei der Nachbesetzung der Vorstandsposten werden, wo Franziska Brantner und Felix Banaszak als mögliche Nachfolger für Lang und Nouripour genannt werden. Brantner wird als Staatssekretärin im Hause von Wirtschafts- und Klimaminister Habeck den Realos zugerechnet, Banaszak als ehemaliger Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen eher dem linken Flügel. Mit Brantner als einer der beiden Bundesvorsitzenden würde Habeck Unterstützung finden, doch seine Performance – siehe Heizungsgesetz – dürfte dadurch nicht besser werden. Sollte im Grunde der bisherige Schlingerkurs weiterverfolgt werden, dann frage ich mich schon, was an den Grünen eigentlich ‚grün‘ ist. Natur- und Tierschutz kommen seit Jahren zu kurz, die ökologische Landwirtschaft wurde nicht gestärkt, beim Klimaschutz und in der Verkehrspolitik steht die Verbotskeule im Vordergrund. Und ob sich bei der Migration wirklich ein klarer Kurs, der auch umgesetzt wird, erkennen lässt, das wage ich zu bezweifeln. Aus meiner Sicht ist die grüne Seele der Grünen längst verwelkt! Leider!

 

Großplakat der Grünen mit einem Bild von Annalena Baerbock und dem Text "Kommt, wir ändern die Politik".
Bei der Bundestagswahl 2021 trat Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen an. „Kommt, wir ändern die Politik“. Da hatten sich die Grünen ja was vorgenommen, und nach vier Wahlperioden mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin, hoffte so mancher Wähler auf eine Änderung zum Besseren. Doch weit gefehlt, denn jetzt machte sich eine Laienspielgruppe ans Werk. Die Quittung für das Versagen der Bundesregierung unter Olaf Scholz bekamen jetzt auch die Grünen von den Wählern verpasst, denn Wahlplakate sind geduldig, die Wählerschaft nicht. Es reicht eben nicht, das Heizungsgesetz – Neuregelung des Gebäudeenergiegesetzes – zu verstolpern, sich für die Cannabis-Freigabe stark zu machen und bei der Migration auf einem Auge blind zu sein. Annalena Baerbock sammelt zwar Flugmeilen en masse, doch zu einer friedlicheren oder solidarischeren Welt vermag sie kaum beizutragen. Daran konnten auch „Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik“ nichts ändern. (Bild: Ulsamer)

 

Ein Tagpfauenauge sitzt auf den Blüten eines Sommerflieders.
Das Insektensterben setzt sich ungebremst fort, doch bei Bündnis 90/Die Grünen vermisse ich den Willen, in den jeweiligen politischen Ämtern alle vertretbaren Register zu ziehen, um Verbesserungen durch eine andere Landnutzung zu erreichen. Wer als Bundesregierung die wenigen Brachflächen in der Landwirtschaft opfert, der trägt zum Niedergang der Insektenpopulationen bei. Mehr dazu in: ‘Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘. (Bild: Ulsamer)

 

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Braune Ackerfläche bis zum Horizont. Keine Hecke, keine Steinmauer. Blauer Himmel und einige weiße Wolken.Wo sollen hier noch Insekten und Vögel überleben? Bei Fruchtfolge und Stilllegung von Flächen für den Schutz der Natur machte der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir schon vor der EU den Bauern Zugeständnisse. Als die Traktoren rollten, nahm die Ampelregierung flugs einen Teil der durchaus sinnvollen Kürzungen zurück. Mehr dazu in: ‚Bauernprotest: Regiert in Deutschland bald die Straße? Klimakleber kaufen sich jetzt Traktoren‘. Weitere Infos – passend zum Foto – zur Bedeutung des Ackerbodens: ‚Der Boden macht sich vom Acker. Erosion und Versiegelung zerstören die natürlichen Böden‘. (Bild: Ulsamer)

Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän

Ein Schiff der Aida-Flotte liegt im Hafen von Barcelona. Das Kreuzfahrtschiff ist überwiegend weiß. An der Längsseite verläuft ein blauer, wellenförmiger Strich mit einem Auge am Ende.

Übernahme der Meyer Werft ist ein wirtschaftspolitischer Irrweg

Selbstredend habe ich viel Verständnis dafür, wenn sich Politiker für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen, doch selten sind Landes- oder Bundesregierungen die besseren Unternehmer. Wird das bei der Meyer Werft mit ihren Standorten in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Finnland anders sein? Zu hoffen wäre das für die betroffenen Arbeitnehmer, die Zulieferer und natürlich die Steuerzahler, aber so richtig daran glauben kann ich nicht. Ins Firmenkässlein legen das Land Niedersachsen und die Bundesregierung je 200 Mio. Euro ein, und zusätzlich übernehmen Bund und Land jeweils Garantien von rd. einer Milliarde Euro. Die Meyer Werft habe volle Auftragsbücher, daher sei die 80-prozentige Übernahme lediglich vorübergehend, so Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil – beide SPD. Die Meyer Werft hatte auch bisher reichlich Aufträge, doch diese wurden wohl zu nicht kostendeckenden bzw. Gewinn bringenden Konditionen ins Haus geholt. Nicht nur die Meyer Werft steht derzeit auf schwankenden Planken, sondern manchem Abnehmer geht es ähnlich. So vermeldete ‚tagesschau.de‘ ganz passend zur schlingernden Werft: „Das Bundesfinanzministerium setzt sich laut NDR für eine Exportkreditgarantie für die verschuldete US-Kreuzfahrtreederei Carnival ein. Mit einem 1,25 Milliarden-Euro-Kredit will Carnival ein Schiff bei der angeschlagenen Meyer Werft bestellen.“ Ist das nicht wie im finanzpolitischen Tollhaus? Da braucht nicht nur die Werft staatliche Gelder, sondern der Abnehmer eine Garantie, dass der Kaufpreis bezahlt werden kann! Und damit der Steuerzahler freundlich gestimmt bleibt, erklärt Dieter Janecek, der Maritime Koordinator der Bundesregierung – auch das gibt es im Hause des Heizungsgesetz-Ministers Robert Habeck -, diese Großwerft sei „von strategischer Bedeutung für Deutschland“. Jetzt wissen wir es endlich genau: Eine Werft, die vor allen Dingen ihr Ansehen aus dem Bau von Kreuzfahrtschiffen bezieht, ist für die Vertreter der Grünen – Habeck und Janecek – trotz aller umweltpolitischer Kritik am Kreuzfahrtgewerbe von strategischer Bedeutung!

Kreuzfahrtschiff fährt in der irischen Dingle Bay in Richtung offener Atlantik. Im Hintergrund aufsteigende Berge.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich kritisiere nicht den Urlaub auf Kreuzfahrtschiffen, sondern den Einstieg von Bundesregierung und niedersächsischer Landesregierung bei der Meyer Werft. Zwar bin ich bisher nie mit einem Kreuzfahrtschiff über die Ozeane gedampft, doch nutzen wir mehrmals jährlich in Europa Fähren, die – dem Ausstoß aus dem Kamin nach zu urteilen – ebenfalls nicht gerade umweltfreundlich unterwegs sind. Im Seeverkehr haben wir Nachholbedarf in Sachen Umweltschutz, und dies gilt für Kreuzfahrtschiffe, Fähren oder Tanker und Containerschiffe gleichermaßen. Die Meere werden an den Küsten und auf offener See immer stärker belastet. Ergänzende Hinweise enthält mein Artikel ‚Die Ozeane – Lebensraum für Tiere oder Spielplatz für Menschen? Mehr Respekt für Meerestiere!‘ (Bild: Ulsamer)

Steuerzahler als Ersatz für private Investoren?

In den Auftragsbüchern der Meyer Werft finden sich wohl auch Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks, eine sicherlich im grünen Milieu besser verkäufliche Ware als Kreuzfahrtschiffe, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Weil nun ausgerechnet beim Produzenten von Kreuzfahrtschiffen angeheuert haben, obwohl die Strategie des Unternehmens durchaus Zweifel aufwirft. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das erinnert mich an Florian Silbereisen, der beim ‚Traumschiff‘ den Kapitän mimt, obwohl ich ihn mir eher als Leichtmatrosen vorstellen könnte. Und so ist es – nach der bisherigen Performance – auch bei Olaf Scholz. Nun aber lege ich schnell die Ironie beiseite, denn der Einsatz an Steuermitteln ist bei der Meyer Werft hoch und problematisch zugleich. Der Bund der Steuerzahler warnte in Niedersachsen vor einem direkten finanziellen Engagement von Land und Bund und konnte sich nur für Bürgschaften erwärmen, doch dies hielt Scholz und Weil nicht von einer direkten Beteiligung in Höhe von 80 % ab. Zwar wird berichtet, die Familie Meyer wolle die Anteile baldmöglichst zurückkaufen, aber ganz ehrlich, wie soll denn das funktionieren, wenn mit den gebauten Schiffen bereits seit Jahren wenig bis gar nichts verdient wurde?

Zwei Kreuzfahrtschiffe liegen hintereinander am Kai von Saint-Malo.
Kreuzfahrtschiffe werden in zahlreichen Staaten auf Kiel gelegt, daher muss die Frage erlaubt sein, warum deren Bau in Deutschland von „strategischer Bedeutung“ sein soll. (Bild: Ulsamer)

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete im Berliner ‚Tagesspiegel‘ den mehrheitlichen Einstieg bei der Meyer Werft als „weder klug noch angemessen“. Professor Fratzscher wendet sich auch gegen die Aussage, es gehe um strategisch wichtige Technologien: Die Meyer Werft „ist in ihre schwierige finanzielle Lage primär durch eigenes Verschulden gerutscht und nicht durch höhere Gewalt. Sie stellt keine Technologie her, die essenziell für Deutschland oder Europa ist, und es gibt keinen guten Grund, wieso Kreuzfahrtschiffe in Zukunft unbedingt in Deutschland hergestellt werden sollten.“ Bedenklich stimmen muss, dass weder die Banken ihr Kreditvolumen erhöhen noch private Investoren in das Unternehmen einsteigen wollten. „Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, dass die Rettung der Meyer Werft ultimativ scheitern wird, trotz oder vielleicht auch wegen der staatlichen Beteiligung“, so Fratzscher weiter. „Die gescheiterte Rettung von Karstadt – und damit verbundene finanzielle Verluste – sind nur ein Beispiel für eine gescheiterte staatliche Rettungsaktion.“

Zwei Kreuzfahrtschiffe liegen vor Anker, dahinter ein Berg.
Kreuzfahrtschiffe werden in verschiedenen Regionen nicht mehr gerne gesehen, da sich tausende von Passagieren beim Landgang durch die engen Gassen malerischer Städte schieben oder in die Natur ergießen. Ökologische Fragen spielten bei der Entscheidung von Bundes- und Landesregierung, bei der Meyer Werft einzusteigen, scheinbar keine Rolle. Generell würde ich mir mehr Sensibilität für Umwelt und Natur wünschen, in Deutschland, Europa und der Welt. Die Ozeane werden längst durch die Schifffahrt, den Eintrag von Abwässern, Vermüllung, Überfischung, Energiegwinnung und Freizeitnutzung überlastet. Es ist höchste Zeit, diese Situation nicht weiter zu verschlimmern. Informationen hierzu finden Sie in meinem Beitrag ‚UN-Hochseeschutzabkommen: Leerformel oder konkreter Fortschritt? Die Zerstörung der Ozeane muss gestoppt werden!‘ (Bild: I.G.)

Spielt die Umwelt keine Rolle?

Deutlich zu kurz kamen in der Diskussion um den Staatseinstieg bei der Meyer Werft Umweltaspekte. „Die Kreuzfahrtbranche gehört zu einer der schmutzigsten Branchen. Kreuzfahrtschiffe verursachen einen enormen Schaden für die Weltmeere und das Klima. Wenn die Politik in Deutschland die Tourismusbranche unterstützen möchte, sollte sie lieber den vielen kleinen Familienunternehmen vor Ort in Deutschland helfen als einer großen und global agierenden Werft“, betonte Fratzscher. Der ‚Wattenrat‘, eine Interessengemeinschaft von Naturschützern aus der Küstenregion Ostfrieslands, unterstrich, dass die Ems seit Jahrzehnten zerstört wird, damit riesige Pötte über den Fluss in die Nordsee manövriert werden können. „Ende des 19. Jahrhunderts war die Ems ca. 2,5 Meter tief, wurde sukzessive im Laufe der Jahrzehnte für die Schiffsüberführungen der Meyer Werft auf 7,30 Meter ausgebaggert und kann zusätzlich mit einem Stauwerk (‚Sperrwerk‘ genannt) bei Gandersum für die ganz großen Schiffe auf 8,50 Meter angehoben werden. Die Folgen für den Fluss sind eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit mit Erosionen und starkem Schlickeintrag mit Sauerstoffzehrung. Bei Sommerstaus ertrinken dann die Gelege und Jungvögel im EU-Vogelschutzgebiet der Unterems“, so der ‚Wattenrat‘. Der Naturschutz bleibt leider – selbst in einer Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen – ein Stiefkind der Politik! In gleicher Weise unterstützten die Bundesregierungen von Merkel und Scholz die Ansiedlung von ‚Tesla‘ im brandenburgischen Grünheide in einer Region, die bereits seit langem über Wassernot klagt, obwohl das wachsende Produktionswerk einen hohen Wasserbedarf hat. Schon direkt zum Baustart gab es erhebliche Bedenken von Naturschützern, auf die ich in meinem Artikel ‚Brandenburg: Tesla walzt die Natur nieder. Umweltverträglichkeitsprüfung wird zur Farce‘ eingegangen bin. Würde sich die von Olaf Scholz geführte Bundesregierung doch in gleichem Maße für kleine und mittlere Unternehmen einsetzen! Das wäre zielführender als mit üppigen Zuschüssen Großunternehmen zu ködern. Und selbst mit 10 Mrd. Euro lässt sich der Chiphersteller Intel derzeit nicht nach Magdeburg locken.

Kreuzfahrtschiff, Ruch kommt aus dem Kamin.
Kreuzfahrten locken – mit Ausnahme der Corona-Jahre – viele Gäste an Bord. Betrug die Anzahl der Passagiere auf dem weltweiten Kreuzfahrtmarkt – laut statista.com – 2002 noch 11,1 Mio., so bestiegen 2019 bereits 29,7 Mio. Urlauber ein Kreuzfahrtschiff. 2020 fiel die Passagierzahl auf 5,8, 2021 sogar auf 4,8 Mio. Reisende. Im Jahr 2023 wurden die Vor-Corona-Zahlen mit 31,7 Mio. Gästen sogar übertroffen. Trotz der hohen Gästezahlen ist das Kreuzfahrtgeschäft nicht ohne Risiken wie verschiedene Insolvenzen belegen oder die Schieflage bei der Meyer Werft und die enorme Verschuldung der Reederei ‚Carnival‘ – zu der auch ‚Aida‘ gehört – mit 27 Mrd. Dollar. (Bild: Ulsamer)

Jetzt aber zurück zur Meyer Werft. Nicht nur der vorangehend zitierte Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sondern auch Clemens Fuest, Vorstand des Münchner Ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), kritisierte den Staatseinstieg bei der Meyer Werft in der ‚WirtschaftsWoche‘: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, angeschlagene Privatunternehmen vor der Insolvenz zu retten.“ Und Professor Fuest fährt fort: „Wenn das Geschäftsmodell aussichtsreich ist, werden sich private Investoren finden.“ ‚tagesschau.de‘ hatte schon früher darüber berichtet, dass auch das Bundesfinanzministerium auf die Gewinnung eines privaten Investors – in Ergänzung zu Staatsmitteln – drängte. Obwohl sich kein Investor aus der Privatwirtschaft finden ließ, öffneten Bund und Land das Steuersäcklein für die Meyer Werft.

Links auf dem offenen Meer eine Plattform mit einem rechteckigen Aufbau. Links eine Arbeitsplattform mit abgesenkten Beinen einige Meter über dem Meeresspiegel. ZU sehen ist eine Landefläche für Hubschrauber und ein großer Kran.
Zur Besänftigung der ‚grünen Seele‘ wird betont, die Meyer Werft werde auch Konverter-Plattformen bauen, um bei Offshore-Windparks den Wechsel- in Gleichstrom umzuwandeln, denn dieser kann mit geringeren Verlusten transportiert werden. Hätte hier nicht früher bei der Meyer Werft umgesteuert werden müssen? Eine solche Konverter-Plattform kostet zwischen einer und zwei Milliarden Euro, ein Kreuzfahrtschiff mittlerer Größe gibt’s von 500 Mio. bis 900 Mio. Euro. Vor Arromanches-les-Bains in der Normandie entsteht der Calvados Windpark. Links im Bild die Konverter-Plattform, rechts die Arbeitsplattform, von der aus die Montage der Windräder und ihrer Fundamente erfolgt. Die Windfarm entsteht zehn Kilometer vor der Küste, an der die Alliierten landeten, um das verbrecherische NS-Regime zu stürzen und die Fackel der Freiheit wieder nach Europa zu tragen. Mehr dazu in meinem Blog-Beitrag: ‚6. Juni 1944: D-Day in der Normandie. Die Invasion zur Befreiung Europas von der NS-Diktatur‘. Ein Arbeitskreis kümmert sich in Arromanches darum, dass ‚Geschichte und Erinnerung‘ im Rahmen des Windpark-Projekts berücksichtigt werden. (Bild: Ulsamer)

Bundeskanzler Scholz, den noch immer unbeantwortete Fragen zum Cum-Ex-Steuerskandal verfolgen, in den die Warburg Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs verwickelt war, hat aus meiner Sicht in wirtschaftspolitischen Fragen kein gutes Händchen. So betätigte er sich als Türöffner für den chinesischen Staatskonzern Cosco, als dieser Anteile an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) erwarb. Mehr dazu finden Sie in meinem Beitrag: ‚Bundeskanzler Scholz als Türöffner für chinesische Interessen. Kritische Infrastruktur muss geschützt werden‘. Gerne überhört Scholz kritische Anmerkungen von Experten, denn er hält sich persönlich für einen exzellenten Fachmann in allen Lebensfragen. Notfalls setzt der Bundeskanzler sein übliches Grinsen auf und hofft, dass er so der Kritik entgeht. Selbst sein in den tiefsten Keller abgerutschtes Ansehen bei der Wählerschaft scheint Scholz nicht zu irritieren. Wir können nur hoffen, dass sich der Einstieg bei der Meyer Werft nicht zu einem Fass ohne Boden für den Steuerzahler entwickelt. Olaf Scholz als Kreuzfahrt-Kapitän, das ist für mich und sicherlich für viele andere ein Alptraum.