Fragwürdige Lieferantenauswahl zwischen Barbados und Abu Dhabi
Woher die Sturmgewehre für die Bundeswehr kommen, interessiert mich im Regelfall nicht wirklich, Hauptsache sie erfüllen ihre Aufgabe in einer Parlamentsarmee. Aber Berichte über das Gewehr der Zukunft, das die Bundeswehr nun geordert hat, werfen auch für mich Fragen auf. Irritierend war es bereits, als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das G36 ausmustern wollte, da es nicht zielgenau schieße, doch das Landgericht Koblenz lehnte Schadensersatzforderungen des Ministeriums ab, denn Heckler & Koch aus dem baden-württembergischen Oberndorf habe genau das Gewehr geliefert, das die Beschaffungsabteilung auch bestellt habe. Aber eine Ministerin, die stets lachte, wenn es brannte oder krachte, hat dies selbstredend nicht erschüttert – und alsbald setzte sie sich ohnehin nach Brüssel ab. Nun hat ihre Nachfolgerin und CDU-Parteifreundin Annegret Kramp-Karrenbauer das neue Modell an die Thüringer Waffenschmiede C. G. Haenel vergeben. Warum auch nicht, so könnte man sagen, denn erstens belebt Wettbewerb das Geschäft und zweitens würde dann in einem der ‚neuen‘ Bundesländer produziert. Hinter Haenel steht jedoch ein Staatskonzern mit Sitz in Abu Dhabi, und wenn man tiefer bohrt, dann endet die Besitzkette bei Heckler & Koch wohl bei einem Briefkasten in Barbados. Da stellt sich schon mit aller Dramatik die Frage: Was ist denn mit den ‚deutschen‘ Herstellern von Sturmgewehren los?

Von Briefkastenfirmen und Menschenrechtsverletzungen
In einer weltweit verwobenen Wirtschaft kann natürlich nicht auf allen Produkten ‚Made in Germany‘ stehen, und im Rüstungsgeschäft freuen sich viele Kunden ohnehin, wenn deutsche Stellen wegen möglicher Bedenken bei der Ausfuhr erst gar nicht beteiligt sind und kaufen anderswo. Globalisierung hat eben nicht nur Sonnen-, sondern auch Schattenseiten. Im Grunde ist es ein Unding, wenn ein deutscher Waffenhersteller aus Steuergeldern finanzierte Aufträge erhält, obwohl die Besitzer des Unternehmens in den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzen. Zwar besuchte kürzlich Papst Franziskus den Staat auf der arabischen Halbinsel, doch die Toleranz der Regierenden hat engste Grenzen: „Die Vereinigten Arabischen Emirate sind kein toleranter Staat. Es gibt dort massive Menschenrechtsverletzungen – gerade, was die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlungsfreiheit angeht“, so Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch in Deutschland. Und er fuhr im Interview mit der Deutschen Welle fort: „Wer diese Rechte in Anspruch nimmt, läuft Gefahr, im Gefängnis zu landen. Es gibt zwei prominente Menschenrechtsverteidiger, die jetzt zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt worden sind: der eine, weil er Ägypten kritisiert hat, und der andere, weil er die allgemeine Menschenrechtslage innerhalb des Landes kritisiert hat. Der Staat geht sehr hart und brutal gegen Oppositionelle und Kritiker vor.“

Nun kommen die von der Bundeswehr bestellten Waffen zwar nicht aus Abu Dhabi, aber ist ein Unternehmen, das an der langen Leine des Staatskonzerns Tawazun läuft und welches seinen Sitz in Abu Dhabi hat, der richtige Lieferant? Ist denn die Moral längst zum Opfer wirtschaftlicher Interessen geworden? Diesen Eindruck gewinne ich zunehmend. Doch auch beim Waffenlieferanten Heckler & Koch mochte ich es kaum glauben, als die Stuttgarter Zeitung berichtete: „Die Oberndorfer sind rechtlich in der Hand einer Briefkastenfirma auf Barbados, die Insidern zufolge auf vier Personen eingetragen sein soll: den französischen Banker Gerhard Lussan, zwei seiner Söhne und eine Sekretärin.“

Augen zu und durch?
Der Qualität der Sturmgewehre, die die Bundeswehr einsetzen möchte, muss es keinen Abbruch tun, wenn die Besitzlinien mal auf der Atlantikinsel Barbados oder am Persischen Golf enden, aber gibt es unseren politischen Entscheidungsträgern nicht zu denken, wenn Lieferanten für Sturmgewehre mal von einer Briefkastenfirma gelenkt werden oder aus einem Land, in dem man es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt? Beim Verteidigungsministerium allerdings wundert mich fast nichts mehr, denn Panzer rollen häufig nicht, Flugzeuge können nicht abheben, und es mangelt selbst an passender Winterunterwäsche oder Uniformen. Wird im Verteidigungsbereich nach dem Motto ‚Augen zu und durch‘ gehandelt? Ich würde mir eine stärkere europäische Kooperation im Verteidigungsbereich wünschen, die jedoch nicht nur fragt, wo die Waffen hergestellt werden, sondern auch die Besitzstrukturen der Lieferanten hinterfragt! Es kann doch nicht wahr sein, dass in Deutschland bei der Beschaffung von Sturmgewehren nur noch Unternehmen mitbieten, deren Besitzverhältnisse auf Barbados oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten enden, wo sich die Herrschenden über die Menschenrechte hinwegsetzen. Der Deutsche Bundestag muss als Gesetzgeber festlegen, dass öffentliche Aufträge nicht an Betriebe vergeben werden können, die zu einem Unternehmen gehören, das sich im Besitz eines Staats befindet, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Mein Empfinden sagt mir: Hände weg von Firmen mit Besitzern, die in undemokratischen Staaten – wie in Abu Dhabi – residieren. Vielleicht sehe ich dies überspitzt, aber beruflich hatte ich sowohl mit der historisch-moralischen Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit in deutschen Unternehmen, als auch der Verwicklung von deutschen Firmen in das südafrikanische Apartheidsystem oder die Militärdiktatur in Argentinien zu tun: Wer sich mit undemokratischen Regimen und deren Handlangern einlässt, der macht sich selbst ebenfalls die Hände schmutzig.

P.S. Hinweis zum Beitragsbild:
Selbstredend brauchen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – einer Parlamentsarmee – ein möglichst optimales Standardgewehr. Zweifel kommen mir bei der Besitzstruktur des bisherigen Lieferanten Heckler & Koch, aber noch mehr beim zukünftigen Hersteller Haenel, denn dieses gehört über die Merkel-Group und Caracal International dem Staatskonzern Tawazun. Und die Vereinigten Arabischen Emirate glänzen bisher leider nicht durch Höchstleistungen bei Menschenrechten! (Bild: Screenshot, Instagram, Bundeswehr, 3.10.2020)