Baden-Württemberg – Waldschutz contra Windkraft?
Manchmal bin ich doch froh, dass ich mich nicht zu einem Leben in der Politik entschieden habe, denn ich würde es nicht fertigbringen, am einen Tag Windräder in den Staatswald bauen zu lassen und am anderen über die Bedeutung des Waldschutzes zu philosophieren. Grüne und CDU scheinen sich damit in Baden-Württemberg weniger schwer zu tun, jetzt, da sie an der Fortsetzung ihrer Koalition basteln. Windenergie ist für mich unerlässlich, wenn wir die fossilen Energieträger hinter uns lassen wollen, doch als CO2-Speicher und Sauerstoffproduzenten benötigen wir mehr und nicht weniger Wald. Aber nicht nur bei diesem offensichtlichen Gegensatz fehlt mir in Deutschland eine umfassende Strategie, sondern bei den energiepolitischen Veränderungen insgesamt, was auch Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, so sieht: „Seit unserer letzten Bilanz in 2018 hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Das ist ernüchternd. Die Bundesregierung steuert den Transformationsprozess weiterhin unzureichend. Das gefährdet eine sichere und bezahlbare Stromversorgung.“ Dies klingt in meinen Ohren fürwahr nicht gut, und der Eindruck deckt sich mit unserer Stromrechnung: Eine Vielzahl von Belastungen treibt den Strompreis in die Höhe, ohne dass ich bei der Erzeugung, aber auch beim Transport und der Speicherung des Stroms eine zukunftsorientierte und innovative Gesamtstrategie erkennen könnte.
Windenergieanlagen auf den Acker statt in den Wald!
Der Anteil der regenerativ erzeugten Energie zeigt in Deutschland nach oben, und dies ist gut und richtig. Doch es bleiben Fragen nach der Versorgungssicherheit, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht: Wo entstehen die erforderlichen Energiespeicher, wenn in der Zukunft nicht mehr auf Gaskraftwerke zurückgegriffen werden kann und Kohle, Öl sowie Kernkraft keinen Beitrag mehr leisten? Wie steht es um den Netzausbau, ohne den die jeweils benötigte Strommenge nicht von einer Region in die andere geleitet werden kann? Wer Windparks vor der Küste oder in abgelegenen ländlichen Gebieten errichtet, der muss gleichfalls dafür Sorge tragen, dass der Strom zum Kunden in den urbanen und industriellen Ballungszentren fließt. Stromtransporte lassen sich vermeiden, wenn möglichst nah beim Verbraucher Solardächer und Windräder für den Strom sorgen. Daher ist es auch richtig, wenn sich die baden-württembergische Landesregierung hier noch mehr als bisher engagieren möchte: Solardächer als Pflicht auf alle Neubauten, Windkraftanlagen auf landeseigenes Gelände – und damit sind wir beim Staatswald.
Ob es gut ist, wenn Windräder sich zukünftig besonders in den ohnehin geschädigten Wäldern drehen sollen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Die Dürre und eine häufig falsch ausgerichtete Politik, die den Wald zum Forst degradierte und den Mischwald durch Fichtenplantagen ersetzte, haben den Wäldern sehr stark zugesetzt. Und mögen sich Windräder ganz ‚malerisch‘ über den Wipfeln drehen, so kann doch die Tatsache nicht geleugnet werden, dass nicht nur die Fläche am Aufstellungsort freigeschlagen werden muss, sondern auch breite Pisten für den Transport der Rotoren und der Turmteile entstehen. Vor diesem Hintergrund ist es abstrus, sich über das Gewicht von Vollerntern und über Rückegassen aufzuregen, wenn nebenan deutlich schwerere Geräte zum Einsatz kommen und tonnenweise Beton und Stahl für die Fundamente im Waldboden verschwinden. Die von Grünen und CDU, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dem CDU-Verhandlungsführer, Thomas Strobel, vereinbarten 1 000 Windkraftanlagen auf landeseigenem Gelände sind sicherlich notwendig, wenn wir die Wende zu den regenerativen Energien schaffen wollen, doch in den Wald gehören sie nicht! Viele Landwirte werden sicherlich hörbar nach Luft schnappen, wenn ich für den Bau von Windkraftanlagen auf Ackerflächen eintrete, dabei sollten sie bedenken, dass Pachtzahlungen winken, die die Abhängigkeit von EU-Subventionen mildern. Und Stromerzeugung macht nicht selten mehr Sinn, als zu nicht kostendeckenden Preisen Fleisch, Milch oder Eier zu liefern!
Nur bei Strompreisen Spitze
Schwerwiegender als die Debatte, ob Windkraftanlagen in den Wald oder auf Äcker gehören, ist jedoch das Fehlen einer in sich geschlossenen Strategie für den Übergang aus dem fossilen Zeitalter in die Welt der regenerativen Energie. Dies habe ich schon in meinen Blog-Beiträgen zum Braunkohleabbau bzw. Klimawandel beklagt, und in die gleiche Kerbe schlägt mit großer Wucht und deutlicher Sachkenntnis der Bundesrechnungshof. Schwerwiegende Fragen zur Stromversorgung bleiben nach Meinung von Kay Scheller weiter unbeantwortet: „Die Bezahlbarkeit ist noch immer nicht messbar bestimmt; die Versorgungssicherheit lückenhaft erfasst. Ob Bürger und Wirtschaft künftig verlässlich mit Strom versorgt werden, unterliegt Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick hat. Bedenklich stimmen mich die hohen Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen. Das setzt die Akzeptanz des Generationenprojektes aufs Spiel. Und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Hier besteht Handlungsbedarf: Wir schlagen vor, das System der staatlichen Umlagen und Entgelte grundlegend zu reformieren.“ In Deutschland drehen wir zumindest bei den Kosten ein großes Rad, doch der Erfolg für die Umwelt steht dazu manchmal in keinem vernünftigen Verhältnis. Der Bundesrechnungshof betont dazu: „Die staatlich geregelten Preisbestandteile mit Umlagen, Steuern und Netzentgelten machen bereits 75 % der Strompreise aus und tragen daher wesentlich zu dem hohen Preisniveau bei, vor allem durch die EEG-Umlage. Als Konsequenz liegen die Preise für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland europaweit an der Spitze.“
Die Strompreise werden auch in Zukunft weiter steigen, und bei manchen privaten Haushalten die Belastungsgrenze übersteigen. „Unsere Prüfungsergebnisse zeigen deutlich: Mit Blick auf die gesetzlichen Ziele einer sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Strom steuert das BMWi die Energiewende weiterhin unzureichend“, sagte Scheller mit kritischem Blick auf die Arbeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. „Das gefährdet den Erfolg der an sich notwendigen Energiewende.“ Da kann ich nur zustimmen, denn die Energiewende lässt sich gesellschaftlich nur längerfristig erfolgreich vorantreiben, wenn die Akzeptanz weiter zu- und nicht abnimmt! Deutschland darf nicht nur bei den Strompreisen den Spitzenplatz einnehmen, sondern muss Innovationen im Energiebereich schneller umsetzen. Nur dann werden diese sich selbst tragen und nicht dauerhaft auf Subventionen angewiesen sein.
Drohen Versorgungsengpässe?
Der Bundesrechnungshof bemängelt in seinem „Bericht zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität“ die unzureichende Einbeziehung verschiedener Faktoren in das Monitoring, so habe z. B. „die Bundesregierung den geplanten Kohleausstieg bislang nicht richtig berücksichtigt. Das hinterlässt eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt– die Leistung von vier großen konventionellen Kraftwerken.“ Auch hier wird wieder mehr als deutlich, dass es die Bundesregierung unter Angela Merkel an der notwendigen Präzision fehlen lässt – und dies nicht nur bei der Vorbereitung auf die Corona-Pandemie. Dazuhin verursacht der überfällige Ausbau der Wasserstofftechnologie einen vermehrten Strombedarf. Wasserstoff könnte gerade auch bei der Speicherung von Strom, der im Moment der Erzeugung aus Wind und Sonne nicht benötigt wird, eine wichtige Rolle spielen. Dieses Licht ist – wenn auch spät – inzwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission aufgegangen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht im Wasserstoff Chancen für die Zukunft, doch diese Einsicht hätte ihm – und seinen Vorgängern – deutlich früher kommen dürfen! Im Automobilbereich oder bei der Bahn wurden deutsche Initiativen viel zu zögerlich gefördert. Nicht nur beim Wasserstoff, sondern auch bei der Batterietechnologie hat das Schläfchen der Bundesregierung und der EU-Kommission reichlich lange gedauert.
Für die Energiewende ist der Ausbau der Windenergie unerlässlich, doch dürfen dabei andere Güter – wie Wald und Meeresleben – nicht geopfert werden. Im Solarbereich ist der Zubau auf Dächern wichtig, denn im Freiland sollten Anlagen nur genehmigt werden, wenn sie die Natur nicht verdrängen: Senkrecht stehende Module können eine weitere Nutzung als Weideflächen oder für die Gewinnung von Heu ermöglichen. Lärmschutzwände an Straßen sollten für die Stromgewinnung ebenfalls genutzt werden. Die Wasserkraft ist in Deutschland weitgehend ausgereizt, und es macht keinen Sinn, kleinere Fließgewässer für einen minimalen Stromertrag zu verbauen. Biogasanlagen haben sich in vielen Fällen als Irrweg erwiesen, wenn dem Anbau von Mais oder Kurzumtriebsplantagen aus Weiden, Pappeln oder Robinien die Artenvielfalt geopfert wird und die Abwärme kaum nutzbar ist. Das Potential von Wind und Sonne mag in der Theorie zwar gewaltig, vielleicht unerschöpflich sein, doch die Auswirkungen von Windrotoren oder Solarpanelen auf die Natur und das Stadtbild setzen Grenzen, daher müssen auch alle Möglichkeiten der Energieeinsparung genutzt werden.
Mehr Speicherkapazität ist zwingend
Zu einer umfassenden Strategie im Energiebereich gehört weit stärker als bisher der Aufbau von Speichermöglichkeiten, ansonsten werden konventionelle Kraftwerke weiterhin benötigt. Dabei setze ich auf Wasserstoff, obwohl die Wandlung von Strom in Wasserstoff und wieder zurück selbstredend Energie verschlingt, doch mit Batteriepuffern allein wird es nicht gehen. Der letzte Versuch, in Süddeutschland ein Pumpspeicherwerk zu errichten, wurde von RWE und EnBW 2014/17 aufgegeben. Der Widerstand im Hotzenwald war groß – auch beim Kreisverband der Grünen – und mittelfristig schien es günstiger, sich an der Strombörse bei Spitzenbedarf einzudecken. Hier hätte ich mir mehr staatliches Engagement gewünscht, denn es genügt eben nicht, bei Mobilität oder Heizung auf Strom zu setzen, wenn die technischen Voraussetzungen nicht genügen. „Wasserstoffstrategie und Einbeziehung von Verkehr (z. B. Förderung der Elektromobilität) und Wärme (wie der Ersatz von Öl und Gasheizungen durch „klimafreundliche Anlagen“ oder „erneuerbare Wärme“) in die Energiewende generieren zusätzliche Nachfrage nach Strom“, so nochmals der Bundesrechnungshof. Für die Erzeugung dieser Strommengen im eigenen Land zu vertretbaren Preisen fehlt bis heute eine sachgerechte Gesamtkonzeption – von ausreichenden Umsetzungsschritten ganz zu schweigen! Und eine Auslagerung der Energieerzeugung nach Nordafrika halte ich nicht für zielführend: Wenn dort Solarstrom erzeugt und in transportfähiges Gas gewandelt wird, begeben wir uns in neue Abhängigkeiten, die wir vermeiden sollten.
Nicht nur dem Bundesrechnungshof fehlt die Erarbeitung einer energiepolitischen Gesamtstrategie, ein umfassendes Monitoring und das Durchspielen von Worst-Case-Szenarien im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Es genügt eben nicht, deutsche Steinkohlezechen zu schließen und dann die Kohle aus Australien nach Deutschland zu schippern. Und wer Braunkohletagebaue schließen und Kernkraftwerke abschalten lässt, der muss auch sagen, wo nach dem Aus für Öl und Gas der Strom herkommt! Die Energiewende halte ich für richtig, doch es fehlt mal wieder bei der Bundesregierung unter Angela Merkel an einer handwerklich sauberen, komplexen, innovativen und zukunftsorientierten Strategie für den Übergang von fossilen auf regenerative Energien.
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Das fossile Zeitalter und die regenerative Energie der Zukunft begegnen sich im Rheinischen Braunkohlerevier. Wenn wir den Klimawandel und die Erderwärmung bremsen wollen, dann müssen wir auf erneuerbare Energien setzen. Kein Verständnis habe ich dafür, dass im Rheinischen Braunkohlerevier noch immer ganze Dorfgemeinschaften für die Erweiterung der Tagebau weichen müssen: Die RWE baggert die Heimat weg! (Bild: Ulsamer)
Im Wald ist nun mal mehr Platz und die zusammenhängenden Waldflächen haben größeren Abstand zu Siedlungen. Ich will damit nicht sagen, dass alle Waldflächen für Windkraftanlagen geeignet wären. Bei einem Abstand von mind. 1000 * 500 Metern zwischen modernen WEA (50 Hektar), bei größeren Anlagen dem doppelten, fällt eine Lichtung von 0,46 Hektar nicht ins Gewicht.
Übrigens erreicht die Rotorkreisfläche einer Windkraftanlage schnell mal über 2 Hektar, also das Vierfache der hier genannten Einschlagsfläche für Wege und Standfläche.
Danke für diesen Hinweis. Damit wird es noch wichtiger, möglichst viele Windkraftanlagen auf Äckern zu errichten und den Wald so zu schonen.