Kritische Infrastruktur muss geschützt werden
In einer vernetzten Welt sind Beteiligungen ausländischer Unternehmen an deutschen Firmen sinnvoll und daher im Grunde auch nicht beklagenswert. Allerdings kommt es darauf an, wer sich wo und in welchem Umfang an deutschen Betrieben beteiligt. Beim ‚Wer‘ beginnen bereits meine Zweifel daran, ob eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sinnvoll ist. Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich kommende Woche auf nach China, und da möchte er dem inzwischen allmächtigen chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping nicht nur seine Aufwartung machen, sondern selbstverständlich ein nettes ‚Präsent‘ überreichen. Wer Diktatoren besucht, muss etwas mitbringen, so scheint noch immer der Grundsatz zu lauten! Der ansonsten eher blasse und entscheidungsschwache Kanzler setzte sich nun gegen sechs Bundesministerien durch, die sich gegen die Beteiligung aussprachen. Es scheint, dass Scholz und Schröder nicht nur namensmäßig beide mit ‚Sch‘ beginnen und ein SPD-Parteibuch besitzen, sondern sich gerne als Türöffner für Autokraten und Diktatoren betätigen. Aus der fatalen Abhängigkeit von russischem Gas, die wir Gerhard Schröder und seiner christdemokratischen Nachfolgerin Angela Merkel verdanken, scheint zumindest Scholz nichts gelernt zu haben. Ein chinesischer Staatskonzern, der die weltweite Expansion Chinas vorantreibt, sollte sich weder mit 24,9 % noch 35 % – wie ursprünglich gewünscht – an einem Logistikunternehmen im Hamburger Hafen beteiligen können, das zur kritischen Infrastruktur zählt.
Fehleinschätzungen werden zum Desaster
Natürlich geht es nicht darum, das volkreichste Land der Welt, das eine enorme wirtschaftliche Entwicklung genommen hat, zu isolieren: Dies würde weder gelingen, noch ist es sinnvoll, auch wenn dort die Kommunistische Partei Chinas eine Diktatur errichtet hat. Es geht beim Einstieg der Chinesen in Hamburg jedoch nicht um eine privatwirtschaftliche Initiative, sondern letztendlich um einen weiteren Schritt der chinesischen Führung in Richtung geopolitischer Vorherrschaft. Kein anderer Staat kauft sich so konsequent in Häfen ein oder übernimmt sie wie im griechischen Piräus gleich komplett. Und kein anderer Staat schafft neue – von ihm dominierte – Verkehrswege zwischen Asien und Europa und legt seine Wirtschaft in diesem Maße an die Kandare der Partei – alles, um den eigenen Einfluss weltweit auszuweiten. Cosco, die zweitgrößte Reederei der Welt, lockt die HHLA mit der Zusage, weiteren Verkehr in den norddeutschen Hafen zu lenken, und mehr als deutlich wird, dass andernfalls eben Häfen angelaufen werden, die wie Rotterdam schon ins Netz der Chinesen eingewoben wurden.
Auch beim Streit um die von Cosco angestrebte Beteiligung zeigt es sich, dass die widerstrebenden Kräfte in der Bundesregierung gewaltig sind. Scholz und seine SPD machen sich sehenden Auges wieder daran, vorhandene Abhängigkeiten von China zu verstärken, und dies trotz des augenscheinlichen Scheiterns der Politik gegenüber Russland. Autokraten und Diktatoren lassen sich eben nicht einbinden, sondern folgen ihrer eigenen Agenda. Die katastrophale Fehleinschätzung Wladimir Putins durch die Bundesregierungen unter Gerhard Schröder, der seinen Kumpel Putin bis heute wohl für einen „lupenreinen Demokraten“ hält, und Angela Merkel hat uns in eine Lage gebracht, wo Gasnotstand, Gaspreisdeckel oder Blackout zum täglichen Wortschatz gehören. Wer in einer solchen Zeit Anteile an Unternehmen der kritischen Infrastruktur über einen Staatskonzern an die chinesischen Machthaber verscherbelt, hat wirklich nichts aus den vorhergehenden Fehlern gelernt. Vielleicht sollte Scholz mal vor seinem Besuch in Peking bei Mao-Tse-Tung nachlesen: „Wir müssen es erlernen, die Probleme allseitig zu betrachten, nicht nur die Vorderseite der Dinge zu sehen, sondern auch ihre Kehrseite.“ Und genau auf dieser Kehrseite findet Olaf Scholz die Menschenrechtsverletzungen in China – Tibet, Uiguren, demokratische Kräfte in Hongkong usw. Mal langsamer, mal schneller führen politische Fehleinschätzungen – wie bei Schröder und Scholz – ins Desaster!
Menschenrechte im Blick behalten
Man kann eben eine chinesische Beteiligung an einem Terminal des Hamburger Hafens nicht von der Verfolgung Andersdenkender im Heimatland von Cosco trennen. Für mich ist es immer wieder irritierend, in welcher Weise namhafte politische Entscheider, die Menschenrechtssituation ausblenden können, wenn es ihren eigenen Vorhaben dient. In den zurückliegenden Jahrzehnten habe ich mich immer wieder beruflich mit der Verstrickung von Firmen in undemokratische Systeme befasst und auf Seiten eines Unternehmens an der Aufarbeitung beteiligt. Dabei ging es um Zwangsarbeiter, die in den dunklen Tagen des Nationalsozialismus in Fabriken leiden mussten, um verfolgte Betriebsräte im diktatorischen Argentinien der 1970er Jahre oder im Südafrika der Apartheid. Die Politik drängte zurecht auf Aufklärung, doch Scholz & Co. scheinen vergessen zu haben, dass man sich die Finger schmutzig macht, wenn man mit diktatorischen Systemen zu innig paktiert.
Bereits im ersten Abschnitt habe ich die Frage aufgerufen, wer sich denn an was beteiligt, und möchte hier nochmals ansetzen. In der deutschen Nachkriegsgeschichte erschallte auch in den 1960er und 1970er Jahren der Ruf, die deutschen Unternehmen würden an US-Konzerne verschachert. Der französische Journalist und Politiker Jean-Jacques Servan-Schreiber machte mit seinem Buch ‚Die amerikanische Herausforderung‘ Furore, in dem er ein Mittel gegen den Ausverkauf Europas an US-Unternehmen suchte. Kurt Blauhorn, lange Jahre Wirtschaftsredakteur beim ‚Spiegel‘, titelte: ‚Ausverkauf in Germany?‘. Die Übernahme Europas fiel aus, aber die Vernetzung und der Einfluss US-amerikanischer Firmen nahm zu – man denke vor allem an den Softwarebereich. Nun kann man über die Philosophie mancher Unternehmer trefflich diskutieren – man denke nur an Elon Musk -, doch es kauften sich keine Staatsunternehmen aus den USA in die europäische Infrastruktur ein. Und wenn, dann wären sie aus einem demokratischen Bündnisland gekommen. Ganz anders ist die Situation bei chinesischen Staatskonzernen, die, an der Leine der Kommunistischen Partei geführt, den Einfluss Chinas auf allen Kontinenten ausbauen. Wer in China nicht auf Linie ist, der verschwindet! Selbst der altgediente Hu Jintao wurde vor versammelter Weltpresse auf dem jüngst abgehaltenen Kongress der Kommunistischen Partei von der Bühne weggeführt.
Abhängigkeit nimmt zu
Unsere Anfälligkeit steigt selbstredend, wenn chinesische Staatsunternehmen sich in die deutsche Infrastruktur einkaufen und dort Daten über Warenströme abgreifen können. China bekommt immer umfassenderen Zugang zu Lieferketten von der Produktion in chinesischen Betrieben bis zum Endabnehmer, und wird das – wann immer es politisch opportun erscheint – auch ausnützen. Sollte China unter Xi Jinping Taiwan überfallen, um dieses demokratische Land ‚heim ins Reich‘ zu holen, dann würde das nicht nur an die traurigsten Jahre Deutschlands unter Adolf Hitler erinnern, sondern auch Gegenmaßnahmen – Sanktionen – ins Leere laufen lassen. Die Abhängigkeit der deutschen Industrie und des Handels sind bereits jetzt enorm, allerdings sind Deutschland, ganz Europa und die USA auch wichtige Abnehmerländer chinesischer Waren. In den Anfängen der Coronapandemie, die aus dem chinesischen Wuhan die Welt überrollte, waren in Deutschland noch nicht einmal Schutzmasken in ausreichendem Maße vorhanden, weil sie erst aus China geliefert werden mussten. Nun krebsen die deutschen Maskenhersteller am Abgrund entlang, weil billigere Schutzmasken wieder aus China beschafft werden. So wird das nichts mit einer größeren Unabhängigkeit von China! Ausgeschlossen ist ein kriegerischer Angriff auf Taiwan nicht, dies hat Xi Jinping auf dem 20. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas erneut unterstrichen: „Aber wir werden niemals versprechen, auf militärische Gewalt zu verzichten.“ Da wandelt der chinesische Machthaber auf den Spuren Maos: „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.“ Zwar sind die Tage vorbei, in denen das kleine rote Büchlein Mao Tse-tungs, die ‚Mao-Bibel‘, eifrig in unseren Universitäten geschwenkt wurde, denn selbst aus dem Maoisten der 1970er Jahre, Winfried Kretschmann, ist inzwischen ein grüner Ministerpräsident geworden – sogar in Baden-Württemberg! Dennoch ist es nicht verkehrt, sich hin und wieder beim ‘Großen Vorsitzenden‘ zu versichern, was denn die Ziele seiner Nachfolger sein könnten. Mögen auch Privatunternehmen manchen Chinesen zu Milliarden verholfen haben – das System ist trotz allem eine kommunistische Diktatur geblieben.
Vergessen scheint in Peking Maos Aussage aus dem Jahr 1956: „Wir müssen aber bescheiden sein, und zwar nicht nur heute, auch nach 45 Jahren, für alle Zukunft. In den internationalen Beziehungen müssen die Chinesen den Großmacht-Chauvinismus entschlossen, gründlich, restlos und vollständig beseitigen.“ Von Bescheidenheit ist heute in der chinesischen Politik nichts zu spüren, wenn Xi Jinping über die Welt spricht, die er sich vorstellt.
Deutsche und europäische Interessen vernachlässigt
Olaf Scholz hat einen gravierenden Fehler begangen, als er in der Bundesregierung die Genehmigung für eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen durchdrückte. Bei diesem Politiker reiht sich ein politisches Versagen an das andere: Als der ‚Schwarze Block‘ 2017 in Hamburgs Straßen randalierte und brandschatzte, da saß Scholz als Erster Bürgermeister mit den Gästen des G20-Gipfels bequem und sicher in der Elbphilharmonie. Bei kriminellen Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank bleibt weiter unklar, ob sich Scholz bei den Steuerbehörden für das Bankhaus eingesetzt hat. Als Bundesfinanzminister sorgte Scholz dafür, dass für jedes Brötchen ein Kassenbon ausgedruckt wird und erhöhte die Zahl seiner Staatssekretäre von vier auf sechs. Mit der „Bazooka“ war Scholz in Corona-Tagen unterwegs, dann palaverte er über den „Wumms“, später den „Doppel-Wumms“ und gar über die „Zeitenwende“, doch meist gab’s nur ein kühles Lüftchen. Die Unterstützung der Ukraine, die grundlos von Putins Russland attackiert wird, behinderte er über weite Strecken mehr, als dass er sie förderte. Und nun der Skandal im Hamburger Hafen!
Es ist schon skurril zu nennen, wenn der Bundesnachrichtendienst (BND), sechs Ministerien, die EU-Kommission, Frankreich und weitere europäische Staaten sowie die USA vor dem Deal mit China warnen, doch Olaf Scholz drückt den Verkauf von 24,9 % an einem Terminal im Hamburger Hafen durch. Dies erinnert fatal an ‚Nord Stream 2‘: auch bei den Geschäften mit Russland verhallte die europäische und US-amerikanische Kritik in Berlin. Beim Gas lobbyierte die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, eifrig im Sinne der russischen Gazprom, jetzt ist es der sozialdemokratische Erste Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher, der flankiert vom schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther, für den Einstieg der Chinesen im Hamburger Hafen trommelte. Da frage ich mich schon, wie naiv politische Entscheider nach dem Gasdebakel mit Russland noch sein dürfen! Fehlerlos ist keiner, aber wer immer wieder den gleichen Fehler macht, der sollte seinen Hut nehmen! Bündnis90/Die Grünen und die FDP wandten sich gegen den Cosco-Einstieg in Hamburg, ebenso CDU/CSU, doch Olaf Scholz wollte nicht von seinem Gastgeschenk an einen Diktator lassen. Er denkt wohl lieber an den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts für 777 Mio. Euro als an die langfristigen Interessen unseres Landes. Das hat Scholz auf alle Fälle mit Schröder gemeinsam.
Olaf Scholz handelt weder im deutschen noch im europäischen Interesse, was tiefe Spuren hinterlässt, besonders bei unseren Partnern. Der Handel mit China wird seine Bedeutung behalten, doch das kann nicht heißen, dass wir uns noch stärker abhängig machen! Vielleicht sollte Scholz bei seinem Besuch Xi Jinping fragen, an welchem Teil der kritischen Infrastruktur sich in China deutsche Unternehmen beteiligen können. Ich glaube kaum, dass ihm der chinesische Machthaber eine Liste mit Vorschlägen auf die Rückreise mitgeben wird. Austausch ist zwischen Staaten richtig und wichtig, er sollte jedoch auf Gegenseitigkeit beruhen!
Zum Beitragsbild
Der chinesische Staatskonzern Cosco konnte sich auf Befürwortung von Bundeskanzler Olaf Scholz an der Betreibergesellschaft eines Terminals im Hamburger Hafen einkaufen. Der Bundesnachrichtendienst (BND), sechs Bundesministerin, die Regierungsparteien Bündnis90/Die Grünen und die FDP sowie die CDU/CSU als größte Oppositionsfraktion im XXL-Bundestag hatten sich dagegen ausgesprochen. (Bild: I.G.)
2 Antworten auf „Bundeskanzler Scholz als Türöffner für chinesische Interessen“