Das 2. Biosphärenfest unterstrich die zunehmende Verankerung in der Bevölkerung
Der Einrichtung des zweiten baden-württembergischen Biosphärengebiets im Schwarzwald gingen umfassende Diskussionen in den beteiligten Gemeinden und besonders auch in der Landespolitik voraus. Wie so oft im Leben ist es jedoch besser, vor dem Start eines neuen Projekts gründlich und auch kontrovers alle anstehenden Fragen zu diskutieren und dann gemeinschaftlich das Vorhaben umzusetzen. So wies auch der Bürgermister der Gemeinde Häusern, Thomas Kaiser, beim diesjährigen Biosphärenfest auf die Debatten in der Bürgerschaft und im Gemeinderat hin, die dem Beitritt zum Biosphärengebiet Schwarzwald in seiner Kommune vorangingen, doch am Ende stand die einstimmige Befürwortung der Gemeinderäte. Das Biosphärenfest in Häusern war nun ein weiterer Beleg dafür, dass die Gemeinde und die Region hinter dem Biosphärengebiet stehen und dieses als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum weiterentwickeln wollen. Biosphärengebieten – in anderen Weltgegenden Biosphärenreservat genannt – kommt neben Nationalparken eine wichtige Funktion beim Schutz der Natur zu, allerdings steht bei den Biosphärengebieten die gleichgewichtige Entwicklung von Natur- und Kulturlandschaften im Mittelpunkt, sie sind Modellregionen für nachhaltige Entwicklung, wo gemeinsam mit den hier wirtschaftenden Menschen beispielhafte Konzepte für den Schutz und die Pflege von Natur- und Kulturlandschaft erarbeitet werden.
Ansprüche von Natur und Mensch in Einklang bringen
Das Biosphärengebiet Schwarzwald umfasst rd. 63 000 Hektar: Beteiligt sind die Landkreise Lörrach, Waldshut und Breisgau-Hochschwarzwald, 28 Gemeinden und die Stadt Freiburg. In unserer Zeit ist es schon ein Erfolg, so viele institutionelle Akteure und eine vielfältige Bürgerschaft unter einen Hut zu bringen, und gekrönt wurden die Vorarbeiten durch die UNESCO-Anerkennung im Jahr 2017 – ich habe darüber berichtet. Beim Biosphärengebiet Schwäbische Alb zeigt es sich inzwischen, dass Kommunen, die sich bei der Gründung nicht zu einer Beteiligung entschließen konnten, nach der ersten zehnjährigen Aufbauphase doch noch gerne Mitglied werden wollen.
Eine Mitwirkung würde ich mir im Biosphärengebiet Schwarzwald für die Gemeinde Feldberg wünschen: Als wir jüngst wieder an den Feldsee wanderten, einen malerisch gelegenen Karsee, sprang es geradezu ins Auge, dass hier eine Einbeziehung sinnvoll wäre. In einem Biosphärengebiet gibt es auch für die touristischen Zentren Entwicklungsmöglichkeiten, denn Mensch und Natur haben eine gleichgewichtige Bedeutung. Und zur Kulturlandschaft gehört auch der von Menschenhand überformte Feldberg, der mit 1493 Metern höchste Berg in Baden-Württemberg. Dort wird auch das Problem greifbar: der Zielkonflikt zwischen den Ansprüchen von Besuchern, seien es Wanderer, Mountainbiker oder Skifahrer, oder von Liftbetreibern, Hoteliers und Autofahrern auf der einen und den Bedürfnissen der Natur auf der anderen Seite – hier gilt es, gemeinschaftlich nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Trotz der Touristenflut haben bis heute auch Auerhühner ihren Platz behauptet, wenngleich sie auch stark gefährdet sind. Man kann und sollte an vielen Orten das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, und daher kann es auch häufig nur um einen tragbaren Kompromiss zwischen Natur und menschlichem Wirken gehen.
Alle Menschen für das Projekt begeistern
Der Regierungspräsidentin aus Freiburg, Bärbel Schäfer, ist es wichtig, dass sich die Bewohner im Biosphärengebiet bei jedem Schritt mitgenommen fühlen, denn nur dies sichert den Erfolg: „Ein gutes Jahr nach der Anerkennung durch die UNESCO ist das Biosphärengebiet Schwarzwald bereits mit Leben erfüllt, das zeigt sich bei diesem Fest eindrucksvoll.“ Und etwa 4000 Besucherinnen und Besucher stimmten am sonnigen Festsonntag gewissermaßen mit den Füßen ab und bestätigten ihre Aussage.
Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, hob in ihrem Grußwort die hohe Identität der Menschen im Südschwarzwald mit ihrer Region hervor: „Hier auf dem Biosphären-Fest zeigt sich, dass diese Region zusammenhält, Traditionen bewahrt und Perspektiven für die künftigen Generationen schafft.“ Zu diesen Chancen für die Zukunft gehört die zusätzliche Wertschöpfung im Tourismus, aber auch in den familiengeführten Landwirtschaftsbetrieben durch eine intensive Vernetzung und eine koordinierte Vermarktung. So sind die kleineren urwüchsigen Hinterwälder Rinder ihres geringeren Gewichts wegen nicht nur wichtig für eine an Ökologie und Tierwohl orientierte Beweidung und das Offenhalten der Landschaft, sondern ihr Fleisch bietet – Vegetarier mögen mir dies verzeihen – auch kulinarische Höhepunkte. Die Kulturlandschaft – z.B. sogenannte Allmendweiden – ist im Schwarzwald ebenso ein touristischer Anziehungspunkt wie noch weitgehend natürliche Moore oder Felsformationen. Nicht selten entwickelt sich auch aus menschlichen Eingriffen wie beispielsweise dem Aufstauen des Nonnenmattweihers eine neue Kulturlandschaft, der auch große ökologische Bedeutung zukommt: Nicht nur die Inseln aus aufgetriebenen Moorschichten, sondern auch die Umgebung des Sees bieten Lebensraum für unterschiedliche Tiere und Pflanzen.
Nachhaltigkeit braucht höheren Stellenwert
Ein Biosphärengebiet hat im Regelfall einen breiteren Ansatz als zum Beispiel ein Nationalpark, dessen Fläche zu 75 % der Nutzung entzogen ist. In einem Biosphärengebiet sind dies nur drei Prozent. Eine touristische und landwirtschaftliche Nutzung ist somit nicht nur ein Nebenaspekt, sondern von zentraler Bedeutung. Ausgerichtet werden soll das Arbeiten, Freizeit- und Konsumverhalten stärker an der Ökologie – obwohl dies längst für alles wirtschaftliche und politische Handeln zutreffen sollte. ‚Mitmachen, Erleben und Genießen‘, so lautete das Motto des Biosphärenfestes, das damit auch unterstreicht: Es kommt auf die Mitwirkung aller an, und es geht nicht um das künstliche Beschneiden menschlicher Aktivitäten, sondern um eine Ausrichtung an der Nachhaltigkeit. Der Bildung für nachhaltige Entwicklung gilt somit auch ein besonderes Augenmerk in einem Biosphärengebiet.
Nicht nur Menschen, sondern auch Ziegen – als Landschaftspfleger -, Hinterwälder Rinder – eine gedrungene und fast vergessene Rinderrasse – oder auch zwei Schwarzwälder, eine alte, für die Waldwirtschaft besonders geeignete, gutmütige Pferderasse, die die Besucher gemächlichen Schrittes in der Kutsche durch Häusern zogen, bevölkerten das Außengelände des Biosphärenfestes. Und auch 20 000 Bienen hatten in ihrem Schaubienenstock den Weg nicht gescheut. Zahlreiche Mitmachaktionen vermittelten Einblicke in die Natur oder ermöglichten das Arbeiten mit natürlichen Rohstoffen. Nicht nur bei einem Quiz am Stand der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets konnten Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene viel Wissenswertes erfahren. Oder hätten Sie gewusst, dass eine Biene in ihrem relativ kurzen ‚Arbeitsleben‘ umgerechnet 3 ½ mal um die Erde fliegt?
Das Biosphärengebiet Schwarzwald trägt – wie die anderen Biosphärengebiete – nicht nur zum Erhalt der Kulturlandschaft bei, mit einem wichtigen Schwerpunkt auf Natur, Nachhaltigkeit und Ökologie, sondern schafft auch ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit, unser menschliches Handeln immer wieder zu überdenken, uns an nachhaltigem Wirtschaften auszurichten und uns stärker in Einklang mit der Natur zu bringen. Somit hat die Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwarzwald, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Biosphärenfest mit organisierten, die Unterstützung aus Politik und Gesellschaft für ihre Arbeit mehr als verdient. Mit zwei Biosphärengebieten und einem Nationalpark hat das dicht bevölkerte Baden-Württemberg in Sachen Naturschutz und Ökologie in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. Weiter so!
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