Berlin: Auf anderer Leute Kosten feiern

Die klamme Hauptstadt macht Weltfrauentag zum Feiertag

Die meisten ArbeitnehmerInnen haben sicherlich nichts gegen einen bezahlten Feiertag. Und die Mehrheit der SchülerInnen vermutlich auch nicht. Warum sollten sie? Etwas anders sieht es aus, wenn wir die SteuerzahlerInnen – vor allem in anderen Regionen – befragen, denn die springen ein, um klammen Bundesländern das politische Überleben zu sichern. Ein Musterbeispiel dafür ist unsere Bundeshauptstadt: Berlin schleppt seit Jahren einen gewaltigen Schuldensack mit sich herum: 55 Milliarden EURO. Doch auch wer hohe Schulden hat, möchte mal feiern und macht den Weltfrauentag zum Feiertag. Bezahlen müssen diesen freien Tag die Unternehmen und die SteuerzahlerInnen über den Länderfinanzausgleich.

Michael Müller mit Anzug und Krawatte.
Wenn ein Feiertag wirklich dazu dienen würde, das mit seinem Anliegen verbundene Thema zu diskutieren, dann dürften an Christi Himmelfahrt keine Männer-Gruppen mit Bierfass durch die Lande ziehen, sondern sie müssen innehalten und über christliche Glaubensinhalte diskutieren. Und am 1. Mai würden die Marktplätze die Menschen nicht fassen, die sich am Tag der Arbeit bei Kundgebungen der Gewerkschaften einfinden. Der 17. Juni, der an den Aufstand der Arbeiter 1953 in der DDR erinnerte, verlor längst vor seiner Abschaffung seinen politischen und historischen Inhalt für die Mehrheit der BürgerInnen. Daher halte ich es für lächerlich, wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, schreibt: „Der 8. März als Weltfrauentag und nun auch als Berliner Feiertag heißt für Politik und Gesellschaft, weiter für Gleichstellung und die Rechte der Frauen zu kämpfen.” Da hätte Müller besser das Thema am Weltfrauentag in die Schulen und Universitäten, in Personal- und Betriebsversammlungen hineingetragen. (Bild: Screenshot, Facebook, 8.3.19)

„Brennende Aufgaben“ für den Feiertag

Nun habe ich ganz gewiss nichts gegen den Weltfrauentag. Die Gleichstellung von Mann und Frau gerade auch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft liegt mir sehr am Herzen. Unseren drei Töchtern und zwei Enkelinnen sollen selbstredend keine Nachteile aus ihrem Geschlecht entstehen, und dies sehen sicherlich nicht nur meine Frau und ich so. Daher geht es mir nicht um die Bedeutung des Internationalen Frauentags, sondern um die Art und Weise wie er begangen wird. An diesem neu kreierten Feiertag werden vermutlich genauso wenig Menschen an die Rechte der Frauen denken wie am 1. Mai an den Kampf der Arbeiterbewegung, der auch nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

Zurück zum neuen Berliner Feiertag, über den sich Michael Müller als Regierender Bürgermeister und Vormann eines rot-rot-grünen Senats freut: „Wir begehen in Berlin den Weltfrauentag das erste Mal als Feiertag. Das heißt für die Politik und ebenso für die Gesellschaft, weiter für Gleichstellung und die Rechte der Frauen zu kämpfen. Wie kein anderes Datum steht der 8. März für den langen Weg hin zur Gleichstellung der Geschlechter.“ Und ist das Stadtsäckel noch so leer, so meint der Regierende Bürgermeister: „Auch wenn vieles erreicht worden ist, es bleiben also noch immer viele brennende Aufgaben. Das ist die Botschaft des Internationalen Tags der Frau und des neuen Feiertags in unserer Stadt.“ Ich sehe ebenfalls noch viele „brennende Aufgaben“, allerdings weiß ich nicht, warum diese am besten an oder mit einem neuen Feiertag in Angriff genommen werden. Mit dem in Angriff nehmen von wichtigen politischen Aufgaben ist dies in Berlin seit Jahrzehnten ohnehin so eine Sache!

Facebook-Post mit einem Kalenderblatt '8. März'.
Eigentlich dachte ich, es gehe dem rot-rot-grünen Senat beim neuen Feiertag um die Gleichstellung von Frau und Mann, doch die Meldung des Senats macht mit einem zusätzlichen freien Tag für die Arbeitnehmer auf. Zur Ehrenrettung Berlins muss man sagen, dass Berlin weniger Feiertage als Bayern hat, worauf der Senat gerne hinweist. Dabei vergessen die Politiker von SPD, Linken und Grünen allerdings auch, dass sie am Tropf des Länderfinanzausgleich hängen, und dort bezahlt Bayern am meisten ein. (Bild: Screenshot, Berlin.de, 6.3.19)

Die einen zahlen – die anderen feiern

Wie erklärt Michael Müller einer Verkäuferin in Bayern, einer Polizistin in Baden-Württemberg oder einer Altenpflegerin in Hessen, dass sie mit ihren Steuern einen weiteren Feiertag in Berlin finanziert? Während die BerlinerInnen am 8. März in Ruhe über die weiteren Aufgaben bei der Gleichstellung nachdenken konnten, mussten die Damen – und natürlich auch die Herren – in den anderen Bundesländern arbeiten. Und die drei genannten Bundesländer tragen damit zum Länderfinanzausgleich bei, der 2018 rd. 4,4 Mrd. EURO in die Berliner Senatskassen spülte. Werfen wir einen Blick auf die Pro-Kopf-Verschuldung der Länder, dann liegt Berlin zwar mit 15 300 EURO nach Bremen, Hamburg und dem Saarland erst auf Platz vier, aber doch noch weit vor den neuen Bundesländern. Wer über die Angleichung der Lebensumstände in den neuen und alten Bundesländern spricht, der sollte eigentlich keine neuen Feiertage in den alten Bundesländern einführen. Vorhandene Finanzmittel müssten in erster Linie zur Angleichung der Lebensumstände zwischen neuen und alten Ländern beitragen und z.B. in eine neue Regionalpolitik fließen.

Ganz nebenfrei frage ich mich auch, wie manche evangelische Christen über diesen neuen Feiertag denken, hatte man doch den Buß- und Bettag 1995 zur Mitfinanzierung der Pflegeversicherung aus dem Kanon der bundesweiten Feiertage gestrichen – mit Ausnahme von Sachsen.

Ein Neuzuschnitt der Bundesländer wäre sinnvoll

Eigentlich wollte ich nicht mehr an einem Neuzuschnitt der Bundesländer rühren, denn dazu fehlt der deutschen Landes- und Bundespolitik seit Jahren der Mut. Aber wenn dauerhaft einige Regionen auf Kosten der anderen leben, dann müsste wirklich etwas geschehen. Dies betrifft nicht nur Berlin, denn ein kleines Bundesland wie das Saarland, gerade etwas größer als die beiden baden-württembergischen Landkreise Böblingen und Esslingen zusammen, hängt auch am Tropf der drei Nettozahler Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Zwar flossen im Jahre 2018 ‚nur‘ 194 Mio. EURO aus den Taschen der Nettozahler ins Saarland, aber dies bei weniger als 1 Mio. Einwohner. Und als in Baden-Württemberg die Lehrer mit einem Zeitvertrag über die Sommerferien ohne Bezüge blieben, da erfolgte in Rheinland-Pfalz die Bezahlung richtigerweise auch in den Sommermonaten. Sieht so gelebte Solidarität aus?

Selbstverständlich ist es in einer Gemeinschaft gerecht – und dies gilt in gleichem Maße für die EU – wenn die wirtschaftlich prosperierenden Regionen die anderen unterstützen, doch dies kann ja keine Dauerlösung sein. Subsidiarität darf nicht einer ungeregelten Solidarität geopfert werden. Nun verstehe ich landsmannschaftliche Befindlichkeiten durchaus, dennoch muss es innerhalb eines Staatsgebildes das Ziel sein, die Kostgänger in die Lage zu versetzen, für sich selbst zu sorgen. Gelingt dies augenscheinlich nicht, dann muss zumindest über die Zusammenlegung von bestimmten Bundesländern nachgedacht werden. Es ist zwar das Ziel, den Länderfinanzausgleich 2020 auslaufen zu lassen, jedoch führt dies nicht automatisch zur wirtschaftlichen Gesundung schwächerer Regionen: die Umverteilung wird in neuem Gewand weiterlaufen.

Franziska Giffey, blonde Haare, im gelb-orange-farbenen Anzug einer Müllwerkerin.
Jetzt hat Franziska Giffey den emanzipatorischen Durchbruch geschafft: Frauen als Müll-Werkerin! Ich wusste gar nicht, dass dies bisher durch böse Mächte verhindert wurde. „Wir müssen endlich aufräumen mit den Rollenklischees” schreibt die Bundesministerin in einem zweiten Facebook-Post – und deshalb fährt sie gleich mal auf dem Müllwagen mit. (Bild: Screenshot, Facebook, 7.3.19)

Der emanzipatorische Durchbruch als ‚Müll-Frau‘

Etwas gewundert habe ich mich auch über die Zielvorstellungen der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die mit ihrem Einsatz als Müll-Frau kurz vor dem Internationalen Frauentag endlich klargemacht hat, dass es zur Gleichstellung des weiblichen Geschlechts gehört, sich intensiv in diesen ‚Männerberuf‘ einzubringen und sich als Müll-Frau zu den Müll-Männern gleichfalls auf das Sammelfahrzeug zu schwingen.

Ich weiß nicht, ob dies notwendig ist, doch betone ich ausdrücklich, dass ich mir der Bedeutung des Mülleinsammelns und des Recyclings bewusst bin. Ob ich allerdings den Vorstoß der Damenwelt in diesen Bereich als emanzipatorischen Durchbruch feiern würde, glaube ich wirklich nicht. Aber vielleicht ticken die Uhren ja auch in diesem Sektor in Berlin anders, und Franziska Giffey war ja immerhin mal Bezirksbürgermeisterin an der Spree.

Brandenburger Tor umgeben von Werbung und Klohäuschen.
Beim rot-rot-grünen Senat wundert es mich im Grunde nicht, dass er ausgerechnet in seiner permanent klammen Stadt, die sich nur mit Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich über Wasser hält, einen zusätzlichen Feiertag einführt. Mag auch der Großflughafen Berlin-Brandenburg nur schleppend vorankommen, das Feiern klappt dagegen schon! Dabei wird selbst auf historische Stätten wie das Brandenburger Tor wenig Rücksicht genommen: umringt von Klo-Häuschen wartet das Symbol der deutschen Teilung und Wiedervereinigung auf normale Tage. (Bild: Ulsamer)

Informieren, diskutieren und handeln

Feiertage werden immer wieder kritisch beleuchtet, und dabei denke ich jetzt nicht an die Arbeitgeberverbände, die die Kostenbelastungen ihrer Mitgliedsunternehmen gerne verringern möchten, sondern an viele BürgerInnen, Journalisten und Politiker. Dann heißt es, wer denke denn an Karfreitag an den Tod von Jesus Christus oder an Christi Himmelfahrt an seine Aufnahme in den Himmel? Viele Bürgerinnen und Bürger werden sich an diesen Tagen mit gänzlich anderen Themen beschäftigen. Dazu fallen vielen von uns Männer-Gruppen mit einem Bollerwagen voller Bierkisten oder einem Bierfass ein, die durch die Lande ziehen. Und am bereits erwähnten 1. Mai marschieren nur wenige Aktivisten zu den Maikundgebungen der Gewerkschaften. Daher halte ich es für einigermaßen verblüffend, dass der Berliner Senat auf die Idee kommt, mit einem neuen Feiertag das Streben nach Gleichberechtigung von Frau und Mann zu beflügeln.

Wäre es nicht weit besser gewesen, am Internationalen Frauentag das überaus wichtige Thema verstärkt in Schulen und Hochschulen, oder in Personal- und Betriebsversammlungen anzusprechen? Die Breitenwirkung wäre sicherlich größer! Auch die geschichtlichen Bezüge hätten bei einer solchen Gelegenheit intensiv diskutiert werden können: Hier könnte der Bogen geschlagen werden vom Kampf um das Frauenwahlrecht über Bildungschancen bis zum gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Und die internationalen Bezüge hätten ebenso in den Blickpunkt gerückt werden müssen. Wenn der rot-rot-grüne Senat glaubt, dass das alles nun am 8. März in den Berliner Haushalten, Kneipen und Clubs diskutiert wird, ist dieser in seiner Naivität kaum noch zu überbieten.

 

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