Die Landwirtschaft muss ökologischer werden
Es ist im Grunde eine Schande, doch wann immer in der Landwirtschaft ein Problem auftaucht, dann wird nicht die Art des Landbaus diskutiert, sondern flugs der Schwarze Peter dem Wolf, den Rabenvögeln, dem Wildschwein oder dem Konsumenten zugeschoben. Weder die Tierwelt noch die Abnehmer der häufig auf fragwürdige Weise produzierten Agrarprodukte können es so manchem Bauern rechtmachen. Der eine greift im Laden ins falsche Fach und der andere schnappt sich ein ungeschütztes Schaf oder lässt sich frisch ausgesäte Maiskörner schmecken. Und folglich hat sich der baden-württembergische Landtag jüngst mit der lautstarken Wehklage von Landwirten befasst, über deren Feldern Krähen den Blick gen Himmel zu verdunkeln scheinen. Der ein- oder andere Zeitgenosse hat wohl Hitchcocks ‚Die Vögel‘ aus dem Jahre 1963 zu häufig gesehen, und so werden gleich Urängste wach, sollte mal ein Krähenschwarm vorbeiziehen. Doch nicht die Krähen bringen uns der Apokalypse näher, sondern das Unheil droht durch eine naturferne Landwirtschaft! Symptomatisch ist es, wenn im SWR in einem Filmbeitrag Gemüsebauern gezeigt werden, die sich über Krähen beklagen, die sich an ihrem frisch gesetzten Salat laben, Erdbeeren anpicken oder Kürbisse zerhacken. Schaut man allerdings in die Statistik, dann sind 60 % der Schäden in Maiskulturen festzustellen, nicht auf dem Erdbeerfeld. Niemand scheint auf die Idee zu kommen, die gewaltigen Monokulturen mit Maispflanzen zu überdenken, sondern lauthals rufen Bauernverbände nach dem Abschuss von Krähen. Ist die ‚Vermaisung‘ der Landschaft nun das Übel oder sind es die Krähen, die sich über die Aussaat hermachen?

Fehlanreize durch EU-Agrarpolitik
Die Schwierigkeiten, die Landwirte in einer Subventionswirtschaft haben, die von EU-Bürokraten gesteuert wird, will ich nicht geringschätzen und ebenso wenig die Schwierigkeiten, die durch kleine oder größere Wildtiere auftreten können. Wer jedoch auf den Abschuss von Krähen – oder Wölfen – setzt und die chemische Keule nicht missen möchte, der hat den ‚Schuss‘ noch nicht vernommen: Wir brauchen eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft! Und das ewige Gejammer einer Branche, die zu einem erheblichen Teil von der grünlackierten Subventionsmaschine in Brüssel lebt, die sich Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nennt, geht mir zunehmend auf die Nerven. Ganz besonders nervig ist es für mich, dass Bündnis90/Die Grünen bisher keinen Wandel einzuleiten versucht, sondern auf den breitgewalzten Wegen des Deutschen Bauernverbands lustwandelt! Ein Musterbeispiel war Cem Özdemirs Entscheidung als Bundeslandwirtschaftsminister, die Ausweisung weiterer Artenschutzflächen zurückzustellen und die vorgegebene Fruchtfolge aufzuheben, damit auf deutschen Feldern mehr Weizen angebaut werden kann.

Wer Silos mit Mais füllt, um diese an seine Rinder in der Massentierhaltung zu verfüttern oder damit die Biogasanlage zu befeuern, der muss sich nicht wundern, wenn Krähen dort Platz nehmen: “Bis zu 150 Krähen sitzen auf dem Silo und picken Löcher in die Folien vom Fahrsilo und Siloballen. Das Futter verfault“, so laut SWR der Schadensbericht der Bauernverbände zu Saat- und Rabenkrähen. Etwas mehr Nachdenklichkeit würde nicht nur hier den Sprechern der Bauern und den Journalisten gut zu Gesicht stehen. Fehlen solche nahrhaften Anziehungspunkte versammeln sich auch weniger Krähen, um sich den Bauch vollzuschlagen, was für Maissilos ebenso wie für Monokulturen auf Ackerflächen gilt, die bis an den Horizont reichen. Wer nun aber glaubt, mit Dauerfeuer aus allen Rohren die Krähen bekämpfen zu müssen, der schlägt einen Irrweg ein. Die in Schwärmen auftretenden Krähen sind zumeist keine brütenden Vögel, sondern unverpaarte Federträger oder Wintergäste, die auch wieder abziehen. „Die immer wieder behaupteten oder befürchteten Übervermehrungen von Rabenvögeln finden nachweislich nicht statt. Rabenvögel weisen in vielen Untersuchungen stabile Bestände auf, die keineswegs ‚in den Himmel wachsen‘. Dies können sie auch nicht, denn jeder Lebensraum kann nur einer begrenzten Zahl an Rabenvögeln Quartiere, Brutplätze und Nahrung bieten“, so der NABU. Ballungen von Krähen – genauso wie Möwen – gibt es im Grunde nur dort, wo der Mensch leicht erreichbare Nahrung anbietet. Flattern hungrige Vögel herbei, beschweren sich wiederum diejenigen, die durch ihr Handeln erst den Auflauf verursacht haben. Kleinere Äcker mit unterschiedlichen Feldfrüchten bieten keinen Anziehungspunkt, Monokulturen sind deutlich interessanter. Das ist ebenso für Wildschweine, die als Rotte in Maiskulturen einfallen, zutreffend, und auch hier stellt sich die Frage, wer das Überangebot geschaffen hat? Eine fehlgeleitete Landwirtschaft, die auf immer größere Felder und Monokulturen setzt und dabei auf chemische Hilfsmittel nicht verzichten kann oder will!

Anbaumethoden verändern
„Weil die Beize Mesurol fehlt, sind in diesem Jahr wieder viele Flächen von Vogelfraß betroffen“, heißt es in der Zeitschrift ‚topagrar‘. Wenn es ohne fragwürdige Utensilien aus der Giftküche nicht geht, dann stimmt etwas mit unserer konventionellen Landwirtschaft nicht. Selbstredend gibt es auch ökologisch denkende und handelnde Bauern, doch diese werden zu wenig unterstützt. Der Einsatz von Mesurol wurde aus gutem Grund untersagt, denn dessen Wirkstoff Methiocarn ist ein Nervengift. Es kam als Insektizid zum Einsatz, aber es hält genauso gut Vögel vom Fressen des damit gebeizten Samens ab. „Es ist auch für Menschen giftig und kann zu Erbrechen, Durchfall, Atemnot und Lungenödemen führen“, so Wikipedia. Die Landwirtschaft kann und darf nicht auf solche Mittel zugreifen, denn sie gefährden die Natur und uns alle. Mehr dazu in meinem Blog-Beitrag: ‚Die Hexenküche brodelt: Insektizide, Herbizide, Pestizide, Neonics …Werden Gärten und Parks zur Arche Noah der Insekten?‘

Nochmals ein Zitat aus ‚topagrar‘, das ein bezeichnendes Licht auf den großflächigen Maisanbau wirft: „Seit dem Wegfall von Mesurol schwindet der Status von Mais als Sorgloskultur zunehmend. Schädlings- und Vogelfraß führen immer öfter zu Ausfällen.“ Doch es werden auch Hinweise gegeben, wie es ohne Jagd auf Krähen weitergehen kann: „Eine späte Saat kann Abhilfe schaffen“. Zu den Ratschlägen von Fachleuten gehört es auch, zwischen Eggen und Säen zwei Tage vergehen zu lassen, denn von den beim Eggen nach oben beförderten Würmern werden Krähen angelockt. Das schweizerische Landwirtschaftliche Bildungs- und Beratungszentrum Hohenrain (LBBZ) rät außerdem dazu, im Umfeld der mit Mais eingesäten Felder Wiesen abzumähen, damit die Krähen dort auf Nahrungssuche gehen. Guter Hinweis! Doch oft fehlt es an echten Wiesen, denn aus ihnen wurde Dauergrünland, wo sich selbst der Regenwurm immer seltener regt. Es komme auf die saubere Bedeckung der Saat an, die tief genug eingebracht werden muss. Ob solche Ratschläge aufgegriffen werden, das kann ich nicht beurteilen, doch habe ich den Eindruck, dass auf die mediale Wehklage nur selten ein veränderter Anbau folgt. Eines ist sicher: Wer weiter auf riesige Monokulturen mit Mais etc. setzt, der lockt natürlich auch hungrige Krähen an. Die Flinte wird sicher keine Verbesserungen bringen.

Ein Massaker an Krähen hilft niemandem
Im Rahmen der Anhörung zu Schäden, die Krähen in der Landwirtschaft anrichten, erklärte im baden-württembergischen Landtag der Vizepräsident des Landesbauernverbands, Jürgen Maurer: „Die durch Saat- und Rabenkrähen verursachten Schäden in der Landwirtschaft haben ein nicht mehr tolerierbares Niveau erreicht. Wir fordern dringend eine effektive Bestandsregulierung. Die stetig ansteigenden Bestände beider Arten rechtfertigen diesen Eingriff. Dazu muss die Saatkrähe genauso wie die Rabenkrähe zur Bejagung zugelassen werden. Bei der Rabenkrähe brauchen wir die Aufhebung der Schonzeit, damit Schäden wirksam verhindert werden können.“ Würde die Politik solchen Forderungen folgen, könnte bald das ganze Jahr aus allen Rohren auf Krähen, aber wohl auch auf Wölfe, geschossen werden. Ein Massaker an Raben- oder Saatkrähen, und nach Meinung des Bauernverbands sicherlich auch gerne an den verbliebenen Staren, die sich an Weintrauben vergreifen, wäre nur ein weiterer Schritt, um unsere Natur zu zerstören. Bauernverbände rechnen häufig mit spitzem Bleistift auf, was Wildtiere an Schäden anrichten, doch dann sollten wir aber auch die Schäden aufsummieren, die eine intensive Landwirtschaft mit chemischer Keule und Gülleflut verursacht! Wo sind denn die Moorflächen und Feuchtwiesen, wo die Tümpel und Hecken geblieben? Bei einer Fläche Baden-Württembergs von 35 751 km2 gibt es bei 8 000 Brutpaaren gerade mal eines mit Saatkrähen auf vier Quadratkilometer. Und so manche Krähe ist inzwischen in die urbanen Regionen geflüchtet, denn auf landwirtschaftlichen Flächen fehlt es an Bäumen zur Anlage eines Nestes. Im Spätherbst kommen 300000 bis 450000 Saatkrähen als Wintergäste nach Baden-Württemberg. Sollen die nun ausgerechnet in Deutschland abgeschossen werden, wo wir gerne über die illegalen Vogelfänger im Süden Europas lästern? Ganz nebenbei: Krähen sind Singvögel, wenn man es ihrem Repertoire auch nicht immer anhört.

Auf die Leistungen, die Krähen erbringen, und dazu gehört das Fressen von Aas ebenso wie das Verspeisen von Schädlingen, habe ich in meinem Blog-Beitrag ‚Krähen und Raben: Intelligent, sozial und nützlich. Wenn der Göttervogel zum Hassobjekt wird‘ berichtet, daher möchte ich diese Aspekte hier nicht vertiefen. Wer Kühe, Schweine oder Hühner in Massenställen hält statt auf der Weide und eine vielgestaltige Landschaft in großflächige Monokulturen verwandelt hat, der übersieht leicht das Lebensrecht der Krähen in unserer Natur – oder dem, was davon noch übriggeblieben ist. Viele Landwirte sehen das wie ich, dessen bin ich mir bewusst, daher ist es längst überfällig, dass die politischen Entscheider in den Ländern, im Bund und in der EU den Schalter umlegen und auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzen! Schluss damit, dass Krähen und Wildschweine oder der Wolf zum Buhmann gemacht werden, um die Mängel einer überkommenen Agrarpolitik, die weiter auf Flächensubventionen setzt, zu verschleiern. Landbau und Tierhaltung müssen naturnäher werden, dann dient dies Mensch und Natur – und sichert auch ökologisch denkende Landwirte ab. Wenn es immer weniger familiengeführte bäuerliche Betriebe gibt, sind nicht die schwarzgefiederten Krähen schuld, sondern der Sensenmann ist in Gestalt von Subventionsjägern und Verbandslobbyisten unterwegs, die partout nicht auf eine ökologische Landwirtschaft setzen wollen. Die Bejagung von Krähen wird nicht helfen, sondern nur veränderte Anbaumethoden! Wer der Natur keinen Raum mehr zubilligt, der entzieht sich selbst und uns allen längerfristig die Lebensgrundlage!



Alle Vögel haben ein Recht auf Leben.
Da kann ich nur zustimmen!
sehr guter Beitrag zum Schutz der Rabenvögel, Danke
Herzlichen Dank für Ihre so positive Rückmeldung!