Klappt die Wiederbelebung der Geisterhotels?
Was zog mich nach Bad Gastein? Der Wasserfall mitten durch den Ort oder die Thermen? Nein, es waren auch nicht die nahegelegenen Skigebiete. Es waren die seit Jahren oder gar Jahrzehnten leerstehenden Hotels der Belle Époque, die mich dorthin lockten! Ja, wo einstmals nicht nur der österreichische Kaiser, Franz Joseph I., sondern gleich gegenüber auch sein deutsches Pendant, Wilhelm I., residierten, da modern gewaltige Hotelruinen vor sich hin. Wobei Ruinen etwas übertrieben ist, denn Stein auf Stein gemauerte Hotels vergammeln nicht so schnell und lassen sich besser wieder auf Vordermann bringen, als die zum Teil aus Holz gebauten Prunkhotels an der Schwarzwaldhochstraße. Aber im Schwarzwald und im österreichischen Bad Gastein können die Kommunen ein trauriges Lied auf so manchen Investor singen. Nicht wenige kamen aus osteuropäischen Gefilden, der eine blieb, der andere verschwand so spurlos wie er auf der Bildfläche erschienen war. In Bad Gastein dürften auf den inzwischen verstorbenen eher glücklosen ‚Garagen-König‘ von Wien, Franz Duval, jetzt verlässlichere Geldgeber folgen. Sie machen sich ans Werk, ein schlummerndes Kleinod wachzuküssen.
Der morbide Geruch der Kaiserzeit
Meine Frau und ich machten uns daran, den morbiden Charme von Bad Gastein zu erkunden, und es ist schon beeindruckend und durchaus positiv, wenn man auf Schritt und Tritt geschichtsträchtige Gedenktafeln zu Gesicht bekommt. Doch hinter hunderten von Fenstern leuchtet keine Lampe, lassen sich weder Kaiser noch Könige oder deren illustre Nachfahren aus dem Geldadel blicken. Beeindruckend sind jedoch nicht nur die Baukörper beispielsweise des Hotels Straubinger, des Badeschlosses sowie des alten Postamts aus der Gründerzeit, sondern auch der gischtende Wasserfall, der sich mitten durch den Ort seine Bahn gegraben hat.
Etwas leichtgläubig scheint man in Bad Gastein über die Jahre Investoren auf den Leim gegangen zu sein, die viel versprachen, aber nichts hielten. Und die Zukunft wurde auch nicht mit renovierten Grandhotels eingeläutet, sondern mit Betonsünden wie einem Parkhaus über dem Hotel Austria und einem brutalistischen Kongresszentrum, das in den Jahren 1968 bis 1974 erbaut wurde und mittlerweile allen Ernstes unter Denkmalschutz steht. Gerhard Garstenauer wollte dem Niedergang Bad Gasteins damals mit architektonischen Betonmonstern entgegenwirken. Das Monster steht noch immer und trieb die Gemeinde in den finanziellen Ruin: die letzten Raten wurden getilgt, da hatte das Kongresszentrum längst sein Leben ausgehaucht. Das Gebäude, das nicht nur Veranstaltungssäle, sondern auch ein Casino, Restaurants und Ladengeschäfte beherbergte, steht seit 2007 leer. Wenn man aus der Schlucht nach oben blickt, stellt man freudig fest: Bäume und Sträucher haben die sich über den Abgrund streckende Fassade inzwischen schamvoll verdeckt.
Neue Investoren mit klaren Konzepten
Kaum zu glauben, welchen architektonischen Frevel man in unsere Welt hinein bauen darf! Aber solch architektonische Sünden finden wir ja nicht nur in Bad Gastein. Leider konnte sich der Prinz des besagten ‚Garagen-Königs‘, sein Sohn Philipp Duval, bisher nicht vom zerfallenden Veranstaltungstempel und dem Hotel Austria trennen. Investoren links und rechts dieser urbanen Brache können nur hoffen, dass das Land Salzburg und die Kommune dem Nicht-Investor Duval einheizen und auch für das Kongresszentrum und das Hotel Austria handlungsfähige Entwickler finden. Eine Gemeinde lässt sich nur schwer in die Zukunft führen, wenn dominante Gebäude vor sich hindämmern.
Die Münchner Hirmer-Gruppe hat nun vom Land Salzburg das bereits erwähnte Ensemble aus dem ehemaligen Grandhotel Straubinger, dem Badschloss und der alten Post erworben, das viel zu lange im Dornröschenschlaf lag. Dieses Familienunternehmen sollte es schon vermögen, die inzwischen in die Jahre gekommenen Gebäude wieder neu ‚einzukleiden‘, denn der Ursprung von Hirmer liegt in einem Modehaus. 50 bis 60 Millionen EURO will Hirmer in den Dreiklang der Gebäude investieren und sie in die hauseigene Travel Charme Hotels & Resorts eingliedern. Mehrere Hotels betreibt die Janus Hotel Betriebs GmbH der schwedischen Eigentümerfamilie Magnusson, die überwiegend Gäste aus Skandinavien nach Bad Gastein bringt. Auch dies ist ein Beispiel für die Zugkraft des Ortes, die über Jahre unterschätzt wurde. So liegen die Übernachtungszahlen im 4000-Einwohner-Ort tatsächlich bei über einer Million.
Einwohnerrückgang setzt sich fort
Bürgermeister Gerhard Steinbauer (ÖVP) betonte in den Salzburger Nachrichten bereits vor Jahren: „Wir spielen mit 1,12 Millionen Nächtigungen im Jahr in der Oberliga. Hotellerie und Bergbahnen investieren kräftig.“ Und er fuhr damals fort, es sei mehr als traurig, dass Eigentümer wie Duval, „das klassische Zentrum im Würgegriff halten”. Hier hat sich zumindest teilweise das Blatt gewendet, und dies zum Besseren für Bad Gastein.
Die Zugkraft im Ausland ist weiterhin groß, so kamen von den knapp 620 000 Gästen in der Wintersaison 2018/19 rd. 70 % aus dem Ausland. Die Nationalparkgemeinde – Nationalpark Hohe Tauern – musste jedoch im laufenden Jahr zumindest in den letzten Monaten einen Rückgang der Übernachtungszahlen vermelden. Vielleicht können ja auch einige asiatische Besucher aus Hallstatt nach Bad Gastein umgeleitet werden?
Die Einwohnerzahl von Bad Gastein lag 1961 bei 5 742, 2018 betrug sie nur noch 3 980. Dies ist sicherlich nicht nur eine Folge der Landflucht, die auch in Österreich immer mehr Menschen in die größeren Städte zieht, sondern ist gleichfalls dem Rückgang an Arbeitsplätzen im Hotelgewerbe geschuldet. Im Gegensatz dazu haben die Einwohnerzahlen in Bad Hofgastein deutlich zugenommen, in Dorfgastein seit 2000 abgenommen. So lässt sich eine unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung auf engstem Raum in der Region feststellen.
Kehrt der alte Glanz zurück?
Mögen die alten Hotels im zentralen Bereich um das Kongresszentrum auch ihre Leuchtkraft eingebüßt haben, so besteht doch die Chance, dass bald wieder der alte Glanz zurückkehrt. Zumindest würde ich dies den Hotels wünschen, die die letzten Jahre überstanden haben! Denn hier gilt: die neue bzw. alte Konkurrenz würde mit Sicherheit das Geschäft beleben, denn ansonsten könnte sich ein gefährlicher Verdrängungswettbewerb breitmachen, der nur zusätzliche Probleme schafft. So manches der noch belebten Hotels scheint ziemlich nahe am Abgrund zu stehen. Wichtig ist es sicherlich auch, die Verkehrsinfrastruktur nicht aus dem Blick zu verlieren. Dies heißt nicht nur vernünftige Zufahrten und Parkplätze für Pkw zu schaffen, ohne zu aberwitzigen Lösungen wie dem vorhandenen Parkhaus hoch über dem Hotel Austria zu greifen. Die Kommune geht nach Aussagen des Bürgermeisters auch sehr zukunftsweisende, nachhaltigere Wege. Eine Verbindung für Fußgänger von der Innenstadt zum 80 Meter höher gelegenen Bahnhof soll gebaut werden: angedacht ist ein Tunnel mit Förderband, der Menschen und Gepäck ohne eigene Schweißtropfen zum Bahnhof bringt. Dort kamen schon Kaiser und Könige an!
Bei längeren Wanderungen durch Bad Gastein, und wenn man die vielen Höhenmeter nicht scheut, wird das Potential des Ortes für den Tourismus schnell erkennbar. Deutlich wird aber, dass in Ferien- oder Kurgemeinden durch falsche Weichenstellungen auch der Niedergang selbst verschuldet werden kann. Nach kaiserlichen Hoheiten und dem Geldadel setzte man in zu vielen Häusern auf Kurgäste, deren Zahl sich jedoch radikal reduzierte, als Krankenkassen bei der Kostenübernahme zurückhaltender wurden. In einigen prunkvollen Hotels wurde die Anpassung an sich verändernde Erwartungen der Gäste schlicht verschlafen. Doch auch die Suche nach neuen Investoren verlief wenig zielführend: und dies gilt in gleichem Maße für so manches ehemalige First-Class-Hotel an der Schwarzwaldhochstraße.
Immobilien sind nichts für Heuschrecken
In unserer Welt gibt es wohl zu viele Sammler von in die Jahre gekommenen Hotels, denen zu guter Letzt aber die Mittel für die Sanierung und insbesondere das fachliche Know-how zu fehlen scheint. Hier würde ich mir wünschen, dass Kommunen, Landkreise, Bundesländer ein Durchgriffsrecht bei Schlüsselimmobilien bekämen, um diese geregelt in innovative Hände überführen zu können. Und dies sage ich als überzeugter Vertreter der sozialen Marktwirtschaft!
Es kann nicht sein, dass Heuschrecken sich Immobilien von zentraler Bedeutung krallen und dann im Nirwana verschwinden. Dies wird an der Schwarzwaldhochstraße augenscheinlicher als in Bad Gastein, denn Holzfassaden machen schneller schlapp als Steingebäude. So sieht es für Bad Gastein nach heutigem Stand recht gut aus, zumindest steigen die Chancen auf neuen Glanz in alten Gemäuern. Davon kann man an der Schwarzwaldhochstraße nicht sprechen. Leider.