Wenn das Holz gen China und USA schippert
Mir klingt noch das Dauergejammer aus dem vergangenen Jahr im Ohr, welches viele Waldbesitzer angestimmt hatten: Überall schien der Borkenkäfer sein Unwesen zu treiben, und selbst die Bundeswehr musste zum Holzrücken aufmarschieren, der Holzpreis sei im Keller und niemand wisse mehr, wohin mit dem anfallenden ‚Schadholz‘. Und nun 2021 erhebt sich die nächste Wehklage, den einheimischen Zimmerleuten fehle das Bauholz, man müsse mehr einschlagen, denn China und die USA kauften Holz zu Wucherpreisen auf. Diese widersprüchlichen Klagelieder zeigen überdeutlich, dass wir eine neue Politik zum Schutz unserer Wälder und der Forstplantagen brauchen, in denen häufig Fichten in Reih und Glied auf den Borkenkäfer warten. Als Folge von Corona wandern wir noch häufiger in den Wäldern unserer Region, und nicht nur wir erschrecken über die mehr als mannshohen Holzstapel und Flächen, auf denen nur noch einige mittelalte Bäume vereinsamt um sich zu blicken scheinen. In einer globalisierten Welt wird selbstredend auch Holz weltweit gehandelt, doch gewaltige Holzmengen aus deutschen Wäldern werden heute um die halbe Welt nach China und sogar in die waldreichen USA transportiert. Die Nachfrage nach deutschen Stämmen ist derartig explodiert, dass zunehmend der Holzmarkt in Deutschland in die Knie geht. Immer häufiger frage ich mich schon, ob die industrielle Holzproduktion wirklich noch dem jahrhundertealten Gedanken der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft verpflichtet ist? Wollten wir nicht die Wälder stärker schützen, um sie auch als CO2-Senken zu sichern?
Borkenkäferholz bleibt werthaltig
Die Dürre in den Jahren seit 2018 hat den Wäldern zugesetzt, und die Schäden an den Bäumen sind offensichtlich. In 2021 hat sich bisher keine durchschlagende Änderung ergeben: Gerade in tieferen Bodenschichten, wo die Wurzeln der Bäume nach Wasser suchen, ist die Trockenheit nicht gebannt. Besonders hart trafen Dürre und Erwärmung bisher Fichten, die in Forstplantagen und dann auch noch in den falschen Regionen gepflanzt wurden. Mischwälder schlagen sich deutlich besser, doch selbst den Buchen und Eichen setzt die Dürre zu. Je schwächer Fichten werden, desto eifriger bohren die Borkenkäfer ihre Gänge. Damit sind wir bei einem zentralen Problem des Jahres 2020, als Waldbesitzer klagten, sie könnten das Käferholz nicht schnell genug aus dem Forst holen, die Preise würden in den Keller rauschen, und somit sei staatliche Hilfe dringend erforderlich. Bei vielen Bürgern setzte sich der Gedanke fest, Holz sei wertlos, wenn der Borkenkäfer unter der Rinde seine Gänge für die Fortpflanzung bohrt. Der Borkenkäfer, dessen Bedeutung ich nicht kleinreden möchte, avancierte in den vergangenen Jahren vom Schädling zum Helfer – zumindest bei politischen Forderungen nach Subventionen oder Entschädigungen!
Aus zwei Gründen bin ich der Ansicht, dass staatliche Unterstützung bei Schäden im Forst oft nicht gerechtfertigt ist: Wer Monokulturen aus Fichten pflanzt, der trägt selbst die Schuld für Probleme mit Borkenkäfern, Windbruch oder Dürreschäden. Der Eindruck ist auch völlig falsch, dass vom Borkenkäfer befallene Bäume wertlos seien: „Borkenkäferholz kann wie herkömmliches Bauholz verwendet werden, was seine Tragfähigkeit betrifft, da der Borkenkäfer nicht in das Holz eindringt“, so Peter Aicher im ‚Manager Magazin‘. Und der Vorsitzende des Interessenverbandes ‚Holzbau Deutschland‘ fuhr fort: „Daher sollte das Kalamitätsholz in Nassholzlagern gelagert anstatt notverkauft werden.“ Es hat sich auch gezeigt, dass gerade in den USA die Kundschaft keinen Anstand nimmt, wenn das Holz leichte farbliche Veränderungen nach dem Borkenkäferbefall in bestimmten Schichten aufweist. Mehr als abwegig war es daher, dass im vergangenen Jahr Holz zum Teil noch im Forst geschreddert wurde, obwohl es heute gut absetzbar wäre. Die Ressource Holz ist zu kostbar, um sie kurzsichtigen Entscheidungen einzelner Waldbesitzer oder Förster zu überlassen. Generell würde ich mir wünschen, dass sensibler mit dem deutschen Wald umgegangen würde, doch dazu weiter unten mehr.
Der Wald wird exportiert
In marktwirtschaftlichen Systemen ist Holz ein handelbares Gut, und dies ist auch richtig so. Die soziale und ökologische Marktwirtschaft allerdings muss den Gewinninteressen Grenzen setzen, wenn dabei andere Güter gefährdet werden. Man kann nicht nur in Sonntagsreden über die Bedeutung des Waldes als CO2-Senke fabulieren und wochentags die Vollernter breite Schneisen in die Wälder und Forstplantagen schlagen lassen. Völlig abwegig ist es, dass bei manchen Waldbauern kaum ein Ertrag hängenbleibt, Händler und Spekulanten dagegen das Holz auf dem Weg in die USA oder auch nach China vergolden können und hohe Gewinne abgreifen. Als Steuerzahler kann ich es nur als üblen Witz empfinden, dass öffentliche Kassen Schäden durch Käferbefall ausgleichen oder Subventionen bezahlen, um den Preisverfall abzufedern und anschließend klingeln im internationalen Holzhandel die Kassen. Eine solche Entwicklung hat nichts mit Markwirtschaft zu tun! Wenn gleichzeitig in Deutschland Holzbauunternehmen über extreme Preissteigerungen und gar Knappheit an Bauholz klagen, wird der politische Änderungsbedarf noch offensichtlicher.
Vergleichen wir die Jahre 2019 und 2020, dann hat der Export von Nadelschnittholz aus Deutschland in die USA um 42 % zugenommen. Dazu trugen der anhaltende Bauboom in den USA, aber auch die von Donald Trump verhängten Zölle auf die Einfuhren aus Kanada bei. Dazuhin treibt in kanadischen Wäldern der Bergkiefernkäfer sein Unwesen und reduziert das Angebot. Über die Hälfte der 12,7 Mio. Kubikmeter Rohholz, so das Statistische Bundesamt, gingen 2020 nach China. Und so mancher Baumstamm aus einem deutschen Wald kam zu Parkett zersägt wieder nach Deutschland zurück. Perverser geht es kaum! Ausgerechnet in einer Zeit, in der immer häufiger auf die Bedeutung des Waldes im Kampf gegen den Klimawandel hingewiesen wird, haben sich die Rohholz-Ausfuhren von 2015 bis 2020 mehr als verdreifacht, von 3,8 Mio. Kubikmetern in 2015 auf die bereits erwähnten 12,7 Mio. Kubikmeter im vergangenen Jahr. Bei Wanderungen durch Wälder und Forstplantagen wird augenscheinlich selbst dem Laien deutlich, dass die Einschlagsmengen enorm zugenommen haben: Mit 80,4 Mio. Kubikmetern wurde in 2020 mehr Holz eingeschlagen als in jedem anderen Jahr seit der Wiedervereinigung. Die Holzberge links und rechts der Forstwege sind erschreckend hoch, und sie unterstreichen eindrücklich, dass unsere Wälder mehr Schutz brauchen. 2020 soll der „Schadholzeinschlag“ 53,8 % des gesamten Einschlags umfasst haben, und da frage ich bewusst ketzerisch: Ist der Borkenkäfer hin und wieder nur ein vorgeschobener Grund, um im Wald ‚zuschlagen‘ zu können? Denn vom Borkenkäfer befallene Bäume lassen sich nicht nur in den USA bestens verkaufen! War so mancher Kahlschlag wirklich nicht vermeidbar oder ist er nicht dem Borkenkäfer oder der Dürre, sondern dem Gewinninteresse geschuldet?
Von Kahlschlägen und Aufforstungen
Ich bin mir bewusst, dass ich Kahlschlag begrifflich etwas anders gebrauche, als dies Forstwirte tun, doch wenn auf riesigen Flächen nur zwei oder drei Bäume mit 50+ stehen bleiben und die restliche Fläche von drei Meter hohen ‚Schösslingen‘ bewachsen werden, dann ist das für mich beim besten Willen kein Wald mehr. Nicht selten ähnelt die restliche Fläche einem von schweren Maschinen durchpflügten Feld – einem Truppenübungsplatz für Panzer ähnelnd. Wenn ohne Schutz gegen sommerliche Hitze Mini-Setzlinge gepflanzt werden, ist das ganz einfach abstrus. Natürlich gibt es immer wieder Flächen, auf denen nur noch eine Aufforstung hilft, doch im Grunde sollte der Wald die Chance bekommen, sich aus sich selbst heraus durch Sukzession zu erneuern. Dann wird in den meisten Fällen genau der gewünschte Mischwald heranwachsen. Und die aus den Samen vor Ort keimenden Bäumchen sind im Regelfall auch widerstandsfähiger als Setzlinge, die mit gekappten Wurzeln an einen neuen und ungewohnten Standort verpflanzt werden.
Viele Forstflächen ähneln heute eher einem Maisacker als einem vielfältigen Wald. Und genau dies ist das zentrale Problem: Wer vor Jahrzehnten auf Fichten gesetzt hat, der hat heute – je nach Region – über Schädlingsbefall und Dürreschäden zu klagen. Wer dagegen Mischwald entstehen ließ, hat es nur mit einzelnen Ausfällen zu tun und die Gesamtfläche steht nicht unter Druck. Zur heutigen misslichen Situation in so manchem Forstrevier hat auch die Aufräumwut vergangener Jahrzehnte beigetragen, als Totholz als Sakrileg betrachtet wurde und noch das letzte Ästlein weggeräumt wurde. Gerade aus Totholz entsteht neues Leben, was sich unschwer in einem echten Wald beobachten lässt: Pilze besiedeln im Wald verbliebene Äste oder Stämme, und an oder gar auf einem Baumstumpf wachsen neue Bäumchen heran. Wer heute über vertrocknende Forste klagt, der sollte sich auch mal fragen, wo denn die Tümpel, Vernässungen und die Moorflächen geblieben sind? So mancher kleine Wasserspeicher wurde zugeschüttet und bepflanzt oder gar zum Holzlagerplatz degradiert. Erderwärmung und Trockenheit und selbst zunehmende Stürme schaffen im Grunde keine neuen Probleme, sondern lassen nur die Fehler der Forstwirtschaft vergangener Jahrzehnte deutlicher hervortreten. Damit wir uns richtig verstehen: Ich zeige nicht anklagend auf die Förster oder Forstwirte, sondern richte meine Kritik in besonderer Weise an die Waldbesitzer. Bei Kommunen, in Land und Bund sowie bei vielen Privatwaldbesitzern steht der finanzielle Ertrag zu sehr im Vordergrund, und diese Gewinne, die längst im Stadtsäckel oder im privaten Geldbeutel eingeplant sind, gilt es zu erwirtschaften. Ein Umsteuern kann daher in der Breite nur über politische Grundsatzentscheidungen erfolgen, wobei selbstredend jeder Entscheidungsträger vor Ort schon mal mehr zum Schutz des Waldes tun kann und soll.
Der Wald braucht Ruhe und Zeit
Noch viel zu häufig wird der Wald zur Holzfabrik degradiert, und dies ist bei Bund und Land in der Förderpolitik zu erkennen. Nur wenige Waldflächen stehen in Nationalparken, Biosphären– oder Naturschutzgebieten wirklich dauerhaft unter Schutz. Wir müssten auch vor dem Hintergrund des Klimawandels deutlich größere Flächen aus der Nutzung nehmen und schützen. Doch davon ist die Politik zumeist weit entfernt. Beim Schutz des Waldes sollten wir aber auch daran denken, dass so mancher ‚Kletterwald‘ oder Trail für Mountainbiker im Widerspruch zum Schutz des Waldes steht. Und wer ohne Rücksicht auf Verluste an Pflanzen und Tieren querfeldein trampelt und seinen Müll zurücklässt, schädigt ebenfalls den Wald. Für mich ist es auch unverständlich, dass Windkraftanlagen – gerade in Baden-Württemberg unter einer von den Grünen geführten Landesregierung – im Staatswald errichtet werden sollen. Wir brauchen mehr regenerative Energie, das ist für mich keine Frage, doch Windräder gehören auf Ackerflächen und nicht in den Wald! Mehr dazu unter: Bundesrechnungshof bemängelt Strategie für Energiewende! Baden-Württemberg – Waldschutz contra Windkraft? Es muss endlich Schluss damit sein, dem ohnehin geschädigten Wald immer neue Lasten aufzubürden.
Wenn Politiker in Deutschland und Europa zu Recht anklagend die Stimme gegen die Abholzung des brasilianischen Regenwalds erheben, müssen sie auch die Wälder vor der eigenen Haustüre schützen. Wo sind denn die europäischen Urwälder geblieben? Sie wurden längst verheizt, für den Schiffs- und Hausbau abgeholzt. Wenn wir uns nicht an der eigenen Nase fassen, wird die Kritik an Jair Bolsonaro unglaubwürdig! Wir müssen aus Forstplantagen wieder Wälder machen und den Wäldern insgesamt mehr Zeit und Ruhe lassen, um sich selbst zu entwickeln. Dies scheint für mich der einzig gangbare Weg, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein. Dann werden sich durch die Sukzession solche Bäume durchsetzen, die besser an die sich verändernden klimatischen Bedingungen angepasst sind. Es ist menschliche Hybris, wenn Forstwissenschaftler heute besser als die Natur zu wissen vorgeben, welche Bäume denn in 20, 50 oder 100 Jahren in Deutschland am besten gedeihen werden! Sollte der Golfstrom durch die andauernde Klimaerwärmung und das Abschmelzen des nordpolaren Eises weiter schwächeln oder ganz zum Erliegen kommen, dann wird es trotz weltweiter Erwärmung bei uns kälter. Ganz eifrig wird im Forst heute für die Douglasie geworben, denn diese komme angeblich ‚besser‘ mit zunehmenden Stürmen und Dürre zurecht, und schon wird die nächste Studie veröffentlicht, die deren höhere Standfestigkeit bezweifelt! Mehr als obskur ist es auch, wenn die gleichen Politiker, die invasive Arten wie den Waschbären ausrotten wollen, keinerlei Bedenken zu haben scheinen, wenn es um regionsfremde Bäume geht, wie z.B. eben die Douglasie u.a. Manchmal frage ich mich, wie der Wald denn die letzten Jahrmillionen überstanden hat, so ganz ohne Aufforstungsspezialisten? Ist die Natur nicht der bessere Ratgeber? Ich denke schon!
Stoppt den Ausverkauf im Wald!
Wenn wir unseren Wäldern Ruhe und Zeit geben, dann sind wir auf der sicheren Seite. Kahlschläge und ständig neue Aufforstungsideen haben nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Die Politik muss mehr Mittel dafür bereitstellen, um Wälder aus der ‚Produktion‘ zu nehmen oder ihnen zumindest mehr Zeit für die Entwicklung zu geben. Wo sind denn zumeist die Baumriesen geblieben? Im Sägewerk! Und dann geht es ab nach China oder in die USA. Es ist an der Zeit, die globalen Warenströme gerade auch beim Holz kritischer unter die Lupe zu nehmen. Dies gilt nicht nur für unsere Exporte, sondern in gleicher Weise für die Importe. Es ist ökologisch nicht zu vertreten, Holz aus deutschen Wäldern vor der Verschiffung chemisch zu behandeln, dann über den Ozean nach Nordamerika zu transportieren, wo gewaltige einheimische Waldflächen vorhanden sind. An die entstehenden Emissionen wird noch zu wenig gedacht!
Die Holzpreise sind gestiegen, was den weltweiten Holzhandel noch lukrativer macht, doch die deutschen Wälder dürfen nicht verramscht werden! Die Wälder in Rumänien oder Brasilien, um nur diese zu nennen, natürlich auch nicht! Wir brauchen mehr Bäume und nicht weniger, wenn wir die Erderwärmung abbremsen wollen. Mehr Bäume ersparen uns zwar nicht die Reduktion der vom Menschen gemachten Emissionen, doch sie können uns in einer Übergangsphase helfen, die Klimaziele zu erreichen. Dies gilt gleichwohl nur, wenn die Wälder nicht unter dem Diktat der Ökonomie betrachtet werden, sondern die Ökologie in den Vordergrund tritt. Nachhaltigkeit wird zwar gerne von Politikern im Munde geführt, doch wir sollten nicht vergessen, dass Hans Carl von Carlowitz 1713 die Grundlagen für den Gedanken der Nachhaltigkeit zu Papier gebracht hat und dabei auf die Forstwirtschaft zielte. Er forderte eine „continuirlich beständige und nachhaltende Nutzung“ der Wälder in einer Periode des Raubbaus, und auch nach drei Jahrhunderten liegt er richtig. Wer sich heute verstärkt dem Bauen mit Holz verschreibt, der muss auf der anderen Seite die ökologischen Faktoren in die Bewertung mit einbeziehen, denn auf Dauer können die deutschen Wälder nicht den steigenden Bedarf an Bauholz für deutsche Bauherrn und ihre Kollegen in Übersee oder für Möbel und Toilettenpapier liefern und gleichzeitig mehr CO2 binden, um die Erderwärmung zu bremsen. Und ganz nebenbei sollen die Wälder Sauerstoff produzieren und den Freizeitbedürfnissen der Bürger gerecht werden.
Der Schutz der Wälder muss in Deutschland und weltweit eine deutlich höhere Priorität als bisher bekommen und dies nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch im Alltag! Der Ausverkauf im deutschen Wald muss gestoppt werden!
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In der Ballade „Mein Freund der Baum“ aus dem Jahre 1968 sang Alexandra: „Mein Freund der Baum ist tot / Er fiel im frühen Morgenrot“. Wo die Forstindustrie heute zuschlägt, da fallen die Bäume im Akkord, und auch das Umfeld gleicht zunehmend einem Schlachtfeld. (Bild: Ulsamer)
4 Antworten auf „Ausverkauf im deutschen Wald?“