Austernfischer: Nahrung und Nistplätze werden knapp

Küsten- und Seevögel benötigen mehr Schutz

Austernfischer fallen unter den Vögeln an den Küsten schnell auf, denn sie melden sich lautstark zu Wort und sind mit ihrem langen roten Schnabel, ihren roten Beinen und roten Augen sowie dem schwarz-weißen Federkleid kaum zu übersehen. Wer die Austernfischer allerdings beobachten will, wie sie nach Austern tauchen oder Fische im Wasser jagen, der ist einem Irrtum aufgesessen, der sich vielfach aus ihrem Namen ergibt. Diese Watvögel sind in den auslaufenden Wellen und am Spülsaum auf Nahrungssuche, wo sie bevorzugt mit ihrem langen Schnabel im Schlick nach Ringelwürmern oder Krebstieren stochern und gerne Herz- bzw. Miesmuscheln verspeisen. Durch den ansteigenden Meeresspiegel sind die Wattflächen mit ihrem vielfältigen Nahrungsangebot ebenso gefährdet wie die Nester mit Eiern oder Küken, die von Frühjahrsfluten weggespült werden. Der Nahrungsmangel hat sich jedoch seit Jahren mit der Überfischung der Meere verschärft, aber auch mit der touristischen Erschließung von immer mehr Küstenabschnitten oder vorgelagerten Inseln. Die Rückgänge der Bestandszahlen an den Küsten gehen in Deutschland, genauso wie in Großbritannien oder Irland ungebremst weiter, was Austernfischer, die entlang von Flüssen im küstennahen Binnenland ihre Nester bauen oder auf feuchten Wiesen nach Würmern und Insekten bzw. deren Larven suchen, nicht auffangen.

In den sanft auslaufenden Wellen steht eine größere Gruppe von Steinwälzern und dahinter fünf Austernfischer.
Küstenvögel haben es nicht leicht, denn ihr Lebensraum ist bedroht. Die Steinwälzer drehen bei der Nahrungssuche Steine und Muscheln mit ihrem Schnabel um, die Austernfischer suchen mit ihrem langen Schnabel im Schlick, Sand oder auch in der Erde nach Beute. So sauber sollte der Strand überall aussehen, doch häufig versammelt sich allerlei Müll, wobei nicht selten Kunststoffreste überwiegen. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie in meinem Blog-Beitrag ‚Am Meer: Ein Spülsaum voller Plastikteilchen. EU-weites Pfandsystem für Plastikflaschen erforderlich‘. (Bild: Ulsamer)

Mehr Rücksicht auf Tiere nehmen!

Setzt sich der Anstieg des Meeresspiegels als Folge der Erderwärmung weiter fort, und alles spricht leider dafür, dann haben es Watvögel wie der Austernfischer schwerer, Nahrung zu finden, da Wattgebiete in kürzeren Zeiträumen oder gar nicht mehr zugänglich sein werden. Das bedroht in der Folge nicht nur die Existenz des Austernfischers, sondern weiterer Vögel, die wie Sandregenpfeifer, Alpenstrandläufer oder auch der Große Brachvogel gleichfalls im von Ebbe und Flut bestimmten Küstenbereich nach Nahrung suchen. Besonders schwer wird es für die Austernfischer, die ihr Nest in Strandzonen oder Dünen anlegen, die bereits im Frühjahr häufiger überspült werden. Ein Ausweichen auf entferntere Brutplätze erhöht die Gefahr, dass die Küken von Füchsen oder Marderhunden gefressen werden. Selbst auf den Halligen bedrohen Wanderratten den Bruterfolg. Das zentrale Problem, das längst zu einem Rückgang der Austernfischer geführt hat, dürfte aber der Nahrungsmangel und die starke Frequentierung von Küsten und vorgelagerten Inseln durch Freizeitaktivitäten und Tourismus sein. Freilaufende Hunde sind dabei geradeso ein Problem wie Wassersportler oder Wanderer, die häufig zu wenig Rücksicht auf brütende Vögel nehmen. Durch die Überfischung der Meere werden Muschelbänke in Mitleidenschaft gezogen, wodurch für den Austernfischer das Suchen nach Herz- und Miesmuscheln erschwert wird.

Ein Austernfischer läuft durch die auslaufenden Wellen. Das Meer erscheint blau, eine Welle zeigt weißen Gischt.
Von großer Bedeutung für den Austernfischer sind Watt- und Strandflächen, die bei Ebbe für ihn bei der Futtersuche zugänglich sind. (Bild: Ulsamer)

Die Populationen von Küsten- und Seevögeln nehmen in weiten Regionen ab, da vielfach Raubbau an den Meeren, an Dünen und Stränden betrieben wird. Die Lebewesen in den Ozeanen und an den Küsten benötigen mehr Schutz, darauf habe ich in meinem Beitrag ‚Die Ozeane – Lebensraum für Tiere oder Spielplatz für Menschen?‘ hingewiesen. Die Tierwelt verdient mehr Respekt! Zunehmend brausen Speedboote mit Touristen, die Wildtiere auf kurze Distanz sehen wollen, viel zu nahe an Delfine oder Riesenhaie heran. Aber an Stränden und auf Klippen bleiben Seevögel ebenfalls nicht ohne Störung, weil zu wenige Mitbürger auf ausreichenden Abstand zu den Tieren achten. Immer mehr Boote – mit Motor oder Segel – bevölkern die küstennahen Gewässer, und so wird der ungestörte Lebensraum für Meeresbewohner pausenlos kleiner, und den Watvögeln machen unzählige Wanderer, Spaziergänger und Jogger zu schaffen, die ihnen – vielleicht auch unbeabsichtigt – zu nahekommen. Ein kleiner Umweg, wenn See- oder Küstenvögel damit ungestört bleiben, wäre doch nicht zu viel verlangt! Und dank entsprechender Teleobjektive und Ferngläser lassen sich Vögel und andere Wildtiere aus einiger Entfernung gleichfalls gut beobachten.

Ein schwarz-weißer Austernfischer hat seinen orangeroten Schnabel in den nassen Sand gesteckt.
Die bevorzugte Nahrung des Austernfischers „sind Herz- und Miesmuscheln, Krebstiere und Würmer. Tagsüber erkennt er seine Beute mit den Augen, beispielsweise anhand unterschiedlicher Färbung und Struktur der Wattoberfläche“, so die Deutsche Wildtierstiftung. „Nachts durchpflügen Austernfischer mit leicht geöffnetem Schnabel den Sand in einer Tiefe von bis zu zwei Zentimetern. Durch Tasten können sie Muscheln sehr gut von leeren Schalen oder anderen leblosen Objekten unterscheiden. Haben sie eine Muschel gefunden, wird sie auf einem festen Untergrund fixiert und durch Hämmern mit dem Schnabel auf den Schalenrand geöffnet. Die sich dabei abnutzende Schnabelspitze wächst ein Leben lang nach.“ (Bild: Ulsamer)

Austernfischer sind bedroht

Austernfischer werden an deutschen Küsten seltener, und so muss der NABU vermelden: „zwischen 1996 und 2017 hat sich die Anzahl der an der Nordsee brütenden Austernfischerpaare halbiert“. In Deutschland sollen – nach Angaben der Deutschen Wildtierstiftung – zwischen 21 000 und 27 000 Brutpaare leben, und der Bestand nimmt deutlich ab. Der Austernfischer gilt in Deutschland – nach offizieller Lesart – noch immer als ungefährdet, wogegen im internationalen Bereich und in Großbritannien bereits die Alarmglocken zu läuten beginnen. Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) stuft den Austernfischer (Oystercatcher) als ‚Near Threatend‘ ein, in Großbritannien steht er auf der ‚Amber‘- Liste, somit ist der Austernfischer zurecht als potenziell gefährdet einzuschätzen. Die ‚Rote Liste‘ in Deutschland hinkt nach meiner Ansicht nicht selten hinter der desaströsen Entwicklung bei bedrohten Tier- und Pflanzenarten her. Darauf bin ich in meinem Artikel ‚Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘ eingegangen.

Ein Austernfischer steht auf einem bräunlichen Felsen, dahinter schlägt die Gischt hoch.
Furchtsam darf man als Austernfischer nicht sein, wenn man auf Felsen nach Nahrung sucht, hinter denen die Wellen hochschlagen. Die Suche nach Futter wird für See- und Küstenvögel jahrein jahraus schwieriger. In immer mehr Mägen tot aufgefundener Seevögel findet sich Plastikmüll, den sie versehentlich bei der Nahrungssuche aufgenommen haben. Wenn wir unsere gefiederten Freunde nicht verlieren wollen, dann müssen weltweit mehr Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden, in denen die Einhaltung der Vorgaben auch konsequent überwacht wird. Mehr dazu in: ‘Seevögel in Not. Leergefischte und vermüllte Meere zerstören die Vogelwelt‘. (Bild: Ulsamer)

Zu den vorangehend genannten Bedrohungen durch Überfischung, Klimawandel, verstärkter Nutzung von Küsten und Inseln sowie einer Intensivierung der Landwirtschaft kommt die Errichtung zusätzlicher Küstenschutzeinrichtungen hinzu, die eine Folge des steigenden Meeresspiegels sind. Weitere Verluste an Lebensraum werden den negativen Trend verstärken, sollte nicht mehr zum Schutz der Austernfischer getan werden. Veränderungen des Habitats an deutschen, britischen oder irischen Küsten usw. beeinflussen nicht nur die dort lebenden Brutvögel, sondern machen auch den Zugvögeln zu schaffen. Im Winter versammeln sich bis zu 500 000 Austernfischer im deutschen Wattenmeer. Austernfischer können über 40 Jahre alt werden, was die Beobachtung beringter Vögel u. a. in ‚The Wash‘, einem Ästuar an der englischen Nordseeküste, belegt. Es ist allerdings von einer hohen Sterblichkeit unter den Küken auszugehen, und von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von zwölf Jahren. Gerade das Aufziehen der Küken wird für die Austernfischer kontinuierlich schwerer, wenn höher auflaufende Fluten die Eier oder Jungen wegspülen und das Futter weniger wird.

Fünf Austernfischer stehen eng beieinander am Strand, dahinter auflaufende Wellen. Ein Vogel hat den Schnabel weit geöffnet.
Austernfischer gelten als soziale Vögel, daher sieht man sie häufig in Gruppen am Strand nach Nahrung suchen. Oftmals trennen sie sich nur für die Aufzucht der Küken vom Schwarm, wenn es in der Region noch zahlreiche Austernfischer gibt. Erst ab dem vierten Lebensjahr beginnen Austernfischer mit der Brut, und hat sich ein Paar gefunden, dann bleiben sie meist ein Leben lang zusammen. (Bild: Ulsamer)

Damit teilen die Austernfischer das Schicksal von Seevögeln wie Papageitauchern oder Basstölpeln, und es geht ihnen so schlecht wie den Vögeln, die im Landesinnern fortwährend weniger Lebensraum finden. Mehr dazu in: ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. Immer mehr Vogelarten finden sich in den ‚Roten Listen‘ bedrohter Tier- und Pflanzenarten wieder, doch es fehlt an konsequentem und nachhaltigem Naturschutz. Wenn unsere Enkel oder Urenkel noch Freude an Austernfischern haben sollen, die allein durch ihr Äußeres Blicke auf sich ziehen, wenn die Natur nicht weiter verarmen soll, dann müssen einzelne Tierarten, aber insbesondere ganze Lebensräume – wie Meer und Küsten – besser geschützt werden. Dies wird sich nur unter der Voraussetzung realisieren lassen, dass die menschliche Nutzung der für Austernfischer wichtigen Flächen zurückgefahren und sensibler mit unseren Meeren und deren Küsten umgegangen wird.

 

Ein Austernfischer steht auf einer kleinen Insel in einem temporären See hinter Dünen. Sein Schnabel ist vorne braun, da er nach Futter gestochert hatte.
Ein temporärer See hinter einer Düne lockte im Nu diesen Austernfischer und seine Artgenossen an. (Bild: Ulsamer)

 

Austernfischer suchen auf einer braun-grünen Feuchtwiese nach Nahrung.
Insekten oder deren Larven und Würmer lassen sich ebenso auf Feuchtwiesen finden, wenn es in einer intensiv genutzten Landschaft noch welche gibt. Die EU darf nicht länger auf eine dauerhaft intensivierte Nutzung von Äckern und Wiesen setzen und diese mit Subventionen vorantreiben! Natur und Nachhaltigkeit müssen in den Vordergrund der EU-Agrarpolitik rücken, damit auch Feucht- oder Magerwiesen sowie Brachflächen eine Chance haben. Weitere Hinweise hierzu lesen Sie in meinem Artikel ‚EU-Agrarförderung bleibt grünlackierte Geldverteilmaschine. Familiengeführte Betriebe und die Artenvielfalt sterben‘. (Bild: Ulsamer)

 

Vier Austernfischer laufen auf dem feuchten Sand, der gerade von einer auslaufenden Welle überspielt wurde. Zwei sind gerade hochgeflogen.
Austernfischer brauchen Strände, Dünen und Wattflächen, wo sie ungestört nach Futter suchen oder ein Nest bauen und ihre Küken aufziehen können. Nicht selten sind Strände überlaufen oder werden gar als Parkplatz missbraucht. Fahrzeuge dominieren nicht nur an Inch Beach, sondern an anderen irischen Stränden ohne Blaue Flagge gleichermaßen. Es ist an der Zeit, dass nicht nur in Irland mehr Wert auf den Schutz von Stränden, fragilen Dünen und der Gewässer insgesamt – vom Bach bis zum Meer – gelegt wird. Mehr dazu in: ‚Irland: Der Strand wird zum Parkplatz degradiert. Die ‚Blue Flag‘ – von der Fahne zur Farce?‘ (Bild: Ulsamer)

 

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Zwei Austernfischer suchen am Sandstrand nach Futter, und dies unmittelbar am Wasser. Deutlich sichtbar sind der rote Schnabel und die roten Beine. Das Federkleid ist an der Oberseite schwarz, der Bauch ist weiß.Der Anstieg des Meeresspiegels bringt Probleme für die Austernfischer mit sich. Die für die Nahrungssuche interessanten Watt- oder Strandflächen werden länger überschwemmt, und Nester in Gewässernähe häufig durch stürmische Fluten weggespült. Der anteigende Meeresspiegel bringt Tiere – wie den Austernfischer – und die Bewohner von tiefliegenden Küstenzonen gleichermaßen in Not, und wenn die Menschen mit Dämmen und anderen Verbauungen reagieren, dann wird der Lebensraum der Küstenvögel meist noch weiter reduziert. Mehr zu diesen Veränderungen finden Sie in: ‚Klimawandel: Von kleinen Brücken und großen Dämmen. Steigender Meeresspiegel bedroht Küstenregionen‘. (Bild: Ulsamer)

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