Küsten- und Seevögel benötigen mehr Schutz
Austernfischer fallen unter den Vögeln an den Küsten schnell auf, denn sie melden sich lautstark zu Wort und sind mit ihrem langen roten Schnabel, ihren roten Beinen und roten Augen sowie dem schwarz-weißen Federkleid kaum zu übersehen. Wer die Austernfischer allerdings beobachten will, wie sie nach Austern tauchen oder Fische im Wasser jagen, der ist einem Irrtum aufgesessen, der sich vielfach aus ihrem Namen ergibt. Diese Watvögel sind in den auslaufenden Wellen und am Spülsaum auf Nahrungssuche, wo sie bevorzugt mit ihrem langen Schnabel im Schlick nach Ringelwürmern oder Krebstieren stochern und gerne Herz- bzw. Miesmuscheln verspeisen. Durch den ansteigenden Meeresspiegel sind die Wattflächen mit ihrem vielfältigen Nahrungsangebot ebenso gefährdet wie die Nester mit Eiern oder Küken, die von Frühjahrsfluten weggespült werden. Der Nahrungsmangel hat sich jedoch seit Jahren mit der Überfischung der Meere verschärft, aber auch mit der touristischen Erschließung von immer mehr Küstenabschnitten oder vorgelagerten Inseln. Die Rückgänge der Bestandszahlen an den Küsten gehen in Deutschland, genauso wie in Großbritannien oder Irland ungebremst weiter, was Austernfischer, die entlang von Flüssen im küstennahen Binnenland ihre Nester bauen oder auf feuchten Wiesen nach Würmern und Insekten bzw. deren Larven suchen, nicht auffangen.

Mehr Rücksicht auf Tiere nehmen!
Setzt sich der Anstieg des Meeresspiegels als Folge der Erderwärmung weiter fort, und alles spricht leider dafür, dann haben es Watvögel wie der Austernfischer schwerer, Nahrung zu finden, da Wattgebiete in kürzeren Zeiträumen oder gar nicht mehr zugänglich sein werden. Das bedroht in der Folge nicht nur die Existenz des Austernfischers, sondern weiterer Vögel, die wie Sandregenpfeifer, Alpenstrandläufer oder auch der Große Brachvogel gleichfalls im von Ebbe und Flut bestimmten Küstenbereich nach Nahrung suchen. Besonders schwer wird es für die Austernfischer, die ihr Nest in Strandzonen oder Dünen anlegen, die bereits im Frühjahr häufiger überspült werden. Ein Ausweichen auf entferntere Brutplätze erhöht die Gefahr, dass die Küken von Füchsen oder Marderhunden gefressen werden. Selbst auf den Halligen bedrohen Wanderratten den Bruterfolg. Das zentrale Problem, das längst zu einem Rückgang der Austernfischer geführt hat, dürfte aber der Nahrungsmangel und die starke Frequentierung von Küsten und vorgelagerten Inseln durch Freizeitaktivitäten und Tourismus sein. Freilaufende Hunde sind dabei geradeso ein Problem wie Wassersportler oder Wanderer, die häufig zu wenig Rücksicht auf brütende Vögel nehmen. Durch die Überfischung der Meere werden Muschelbänke in Mitleidenschaft gezogen, wodurch für den Austernfischer das Suchen nach Herz- und Miesmuscheln erschwert wird.

Die Populationen von Küsten- und Seevögeln nehmen in weiten Regionen ab, da vielfach Raubbau an den Meeren, an Dünen und Stränden betrieben wird. Die Lebewesen in den Ozeanen und an den Küsten benötigen mehr Schutz, darauf habe ich in meinem Beitrag ‚Die Ozeane – Lebensraum für Tiere oder Spielplatz für Menschen?‘ hingewiesen. Die Tierwelt verdient mehr Respekt! Zunehmend brausen Speedboote mit Touristen, die Wildtiere auf kurze Distanz sehen wollen, viel zu nahe an Delfine oder Riesenhaie heran. Aber an Stränden und auf Klippen bleiben Seevögel ebenfalls nicht ohne Störung, weil zu wenige Mitbürger auf ausreichenden Abstand zu den Tieren achten. Immer mehr Boote – mit Motor oder Segel – bevölkern die küstennahen Gewässer, und so wird der ungestörte Lebensraum für Meeresbewohner pausenlos kleiner, und den Watvögeln machen unzählige Wanderer, Spaziergänger und Jogger zu schaffen, die ihnen – vielleicht auch unbeabsichtigt – zu nahekommen. Ein kleiner Umweg, wenn See- oder Küstenvögel damit ungestört bleiben, wäre doch nicht zu viel verlangt! Und dank entsprechender Teleobjektive und Ferngläser lassen sich Vögel und andere Wildtiere aus einiger Entfernung gleichfalls gut beobachten.

Austernfischer sind bedroht
Austernfischer werden an deutschen Küsten seltener, und so muss der NABU vermelden: „zwischen 1996 und 2017 hat sich die Anzahl der an der Nordsee brütenden Austernfischerpaare halbiert“. In Deutschland sollen – nach Angaben der Deutschen Wildtierstiftung – zwischen 21 000 und 27 000 Brutpaare leben, und der Bestand nimmt deutlich ab. Der Austernfischer gilt in Deutschland – nach offizieller Lesart – noch immer als ungefährdet, wogegen im internationalen Bereich und in Großbritannien bereits die Alarmglocken zu läuten beginnen. Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) stuft den Austernfischer (Oystercatcher) als ‚Near Threatend‘ ein, in Großbritannien steht er auf der ‚Amber‘- Liste, somit ist der Austernfischer zurecht als potenziell gefährdet einzuschätzen. Die ‚Rote Liste‘ in Deutschland hinkt nach meiner Ansicht nicht selten hinter der desaströsen Entwicklung bei bedrohten Tier- und Pflanzenarten her. Darauf bin ich in meinem Artikel ‚Tieren und Pflanzen beim Aussterben zusehen? Rote Listen: Die Biodiversität schmilzt dahin‘ eingegangen.

Zu den vorangehend genannten Bedrohungen durch Überfischung, Klimawandel, verstärkter Nutzung von Küsten und Inseln sowie einer Intensivierung der Landwirtschaft kommt die Errichtung zusätzlicher Küstenschutzeinrichtungen hinzu, die eine Folge des steigenden Meeresspiegels sind. Weitere Verluste an Lebensraum werden den negativen Trend verstärken, sollte nicht mehr zum Schutz der Austernfischer getan werden. Veränderungen des Habitats an deutschen, britischen oder irischen Küsten usw. beeinflussen nicht nur die dort lebenden Brutvögel, sondern machen auch den Zugvögeln zu schaffen. Im Winter versammeln sich bis zu 500 000 Austernfischer im deutschen Wattenmeer. Austernfischer können über 40 Jahre alt werden, was die Beobachtung beringter Vögel u. a. in ‚The Wash‘, einem Ästuar an der englischen Nordseeküste, belegt. Es ist allerdings von einer hohen Sterblichkeit unter den Küken auszugehen, und von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von zwölf Jahren. Gerade das Aufziehen der Küken wird für die Austernfischer kontinuierlich schwerer, wenn höher auflaufende Fluten die Eier oder Jungen wegspülen und das Futter weniger wird.

Damit teilen die Austernfischer das Schicksal von Seevögeln wie Papageitauchern oder Basstölpeln, und es geht ihnen so schlecht wie den Vögeln, die im Landesinnern fortwährend weniger Lebensraum finden. Mehr dazu in: ‚600 Millionen Vögel weniger in Europa. Vögeln geht die Nahrung aus‘. Immer mehr Vogelarten finden sich in den ‚Roten Listen‘ bedrohter Tier- und Pflanzenarten wieder, doch es fehlt an konsequentem und nachhaltigem Naturschutz. Wenn unsere Enkel oder Urenkel noch Freude an Austernfischern haben sollen, die allein durch ihr Äußeres Blicke auf sich ziehen, wenn die Natur nicht weiter verarmen soll, dann müssen einzelne Tierarten, aber insbesondere ganze Lebensräume – wie Meer und Küsten – besser geschützt werden. Dies wird sich nur unter der Voraussetzung realisieren lassen, dass die menschliche Nutzung der für Austernfischer wichtigen Flächen zurückgefahren und sensibler mit unseren Meeren und deren Küsten umgegangen wird.



Zum Beitragsbild
Der Anstieg des Meeresspiegels bringt Probleme für die Austernfischer mit sich. Die für die Nahrungssuche interessanten Watt- oder Strandflächen werden länger überschwemmt, und Nester in Gewässernähe häufig durch stürmische Fluten weggespült. Der anteigende Meeresspiegel bringt Tiere – wie den Austernfischer – und die Bewohner von tiefliegenden Küstenzonen gleichermaßen in Not, und wenn die Menschen mit Dämmen und anderen Verbauungen reagieren, dann wird der Lebensraum der Küstenvögel meist noch weiter reduziert. Mehr zu diesen Veränderungen finden Sie in: ‚Klimawandel: Von kleinen Brücken und großen Dämmen. Steigender Meeresspiegel bedroht Küstenregionen‘. (Bild: Ulsamer)

