Auch Windgeneratoren haben mal ihre Lebenszeit erreicht
Über Windkraftanlagen wird fleißig diskutiert: Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen fühlt sich beim Ausbau der Windkraft immer mal wieder durch den Artenschutz ausgebremst, den seine Partei in Deutschland zum Teil erst erkämpft hat. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier streitet für einen Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrotoren und selbst kleinen Weilern, obwohl ein Steinbruch deutlich näher an menschliche Behausungen heranrücken darf. Aber es geht nicht nur um den Bau weiterer Windkraftanlagen, sondern vordringlich um das Recycling von in die Jahre gekommenen Systemen. Nun bin ich mir bewusst, dass in Deutschland inzwischen der Leitspruch gilt, ‚Gut Ding will Weile haben‘, doch nach zwei Jahrzehnten des verstärkten Ausbaus der Windkraft hielt ich das Recycling der Rotoren für gelöst. Leider weit gefehlt! Dies macht eine Analyse des Umweltbundesamts mehr als deutlich.
Recycling von Rotorblättern nicht gelöst
An fast 30 000 Windkraftanlagen drehen sich in Deutschland die Rotoren, und sie erbringen rd. 17 % des Stromverbrauchs. Ein weiterer Ausbau ist unerlässlich, wenn unser Land nicht nur seine Stromversorgung sicherstellen, sondern auch seinen Beitrag zum Klimaschutz schaffen will. Wer – wie Deutschland – gleichzeitig aus der Kernkraft und den fossilen Brennstoffen aussteigt, der kann nur auf regenerative Energiequellen setzen. Ab Ende 2020 fallen zunehmend Anlagen aus der 20-jährigen Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) heraus, was zum Abbau von Altanlagen führen wird. An manchen Standorten werden leistungsstärkere Systeme installiert (‚Repowering‘), manche Standorte haben sich als finanziell uninteressant herausgestellt und zunehmend haben Windkraftanlagen auch ihre Lebenszeit erreicht. Aus diesen Faktoren ergibt sich nicht nur der Bedarf für das Recycling von Beton und Metall beim Rückbau der Anlagen, sondern die noch drängendere Frage ist die Behandlung der faserverstärkten Kunststoffe. Für die vom Umweltbundesamt geschätzten jährlichen 5,5 Mio. Tonnen an Beton und für die in gleichem Maße unglaubliche Menge von einer Million Tonnen Stahl stünden in der Tat Recyclingkapazitäten zur Verfügung, was allerdings nicht in ausreichendem Maße für die Rotorblätter gilt mit einem Gewicht von 70 000 Tonnen pro Jahr.
In Deutschland steht bisher nach Angaben des Umweltbundesamts nur eine geeignete Verwertungsanlage für Rotorblätter aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) bzw. carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) zur Verfügung. So fordert Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes: „Bund und Länder sollten zügig Leitlinien für den Rückbau von Windenergieanlagen erarbeiten. Wir brauchen klare Vorgaben für Rückbauumfang und Rückbaumethoden, um Mensch und Umwelt zu schützen und die Materialien wertvoll zu recyceln.“ Diesen Aufruf kann ich nur unterstützen, doch ich bin auch verwundert: Kein Automobilhersteller kann heute in Deutschland ein neues Fahrzeug auf den Markt bringen, wenn er nicht einmal weiß, wie er beim Abwracken die klaren Vorgaben der EU einhalten kann.
Wohin mit den faserverstärkten Kunststoffen?
Bereits bei den glasfaserverstärkten Kunststoffen ist das Zersägen der Rotoren vor Ort nicht ohne, denn mit einer Einhausung müssen Mensch und Umwelt vor Stäuben geschützt werden. Verbundwerkstoffe bringen erfahrungsgemäß bei ihrer sortenreinen Zerlegung Probleme mit sich. Daher halte ich folgende Feststellung aus der Studie des Umweltbundesamts zum Rückbau von Windkraftanlagen für leicht skurril: „Die Lokalisierung der CFK-freien Bereiche, ist jedoch meist nur per „trial and error“ möglich. So sind spezifische Informationen in der erforderlichen Detailtiefe häufig nicht verfügbar. Die Identifikation des CFK-freien Blattbereichs eines Rotorblatts erfolgt somit zumeist visuell an höherem Materialwiderstand beim Sägen oder aufgrund von Erfahrung oder Herstellerwissen.“ Für mich klingt dies alles andere als überzeugend! Vielleicht bin ich zu naiv, doch selbstredend bin ich davon ausgegangen, dass bei der Genehmigung von Windkraftanalgen eine lückenlose Beschreibung des Materials vorgelegt werden muss.
Aber nicht nur das Zerlegen der Rotoren ruft Fragen auf, die noch einer Antwort harren, sondern gerade auch die stoffliche Verwendung der Materialien. Selbst die energetische Nutzung – sprich Verbrennung – ist gerade bei carbonverstärkten Kunststoffen noch nicht umfassend aufgearbeitet. Kein Wunder, dass das Umweltbundesamt „vor allem ab Mitte der zwanziger Jahre erhebliche Finanzierungslücken“ bei den Rücklagen der Betreiber von Windkraftanlagen erkennt. Diese müssen für den Rückbau Finanzmittel vorhalten, doch „wird eine Lücke von über 300 Millionen Euro prognostiziert“. Es kann nicht sein, dass der Verbraucher zuerst über die EEG-Umlage seinen Beitrag zur Windkraft leistet und dann auch noch den Rückbau von Anlagen finanziert, deren Betreiber pleite sind. Eine einheitliche Vorgabe steht selbst für den Rückbau der Betonfundamente aus.
Energiepolitische Gesamtstrategie fehlt
„Entwicklung eines Konzepts und Maßnahmen für einen ressourcensichernden Rückbau von Windenergieanlagen“, so lautet der Titel der bereits erwähnten Studie, die das Umweltbundesamt veröffentlicht hat. Sie ist hochinteressant, aber eigentlich kommt sie reichlich spät. Oder war es politisch nicht opportun, die ungelösten Recyclingthemen anzusprechen? Mit Carbonfasern bekam es auch Greta Thunberg zu tun, als sie sich mit einer ‚Segeljacht‘ auf den Weg in die USA machte, denn der Rumpf solcher Hightech-Boote besteht meist ebenfalls aus Kohlefaser-Werkstoffen.
Wer die Windkraft umfassender nutzen möchte, der muss sich besonders um deren bessere Akzeptanz bemühen. Dazu gehören nicht nur der möglichst pflegliche Umgang mit der Natur (Stichwort ‚Vogelschutz‘) oder historischen Orten und selbstredend die Einbeziehung der Bürger, sondern auch ein umfassendes Recyclingkonzept. Wenn erst mal ausgebrauchte carbonfaserverstärkte Rotoren auf Halde liegen, dann schadet dies dem Ruf der Windkraft. Bund und Länder sind hier am Zuge. Längst hätte ich auch den Aufbau notwendiger Speicherkapazitäten – z.B. Wasserstoff – erwartet, denn der Wind weht nun mal, wann es die Natur vorgibt und nicht nach den Wünschen der Stromverbraucher. Dies alles muss in eine energiepolitische Gesamtstrategie eingebunden werden! Es reicht nun mal nicht, auf UN-Weltklimakonferenzen Reden zu halten: Wir brauchen klare Konzepte für die Schaffung und Nutzung von regenerativ erzeugter Energie.
4 Antworten auf „Ausgedreht: Recycling von Rotorblättern unklar“