Kerry: Kahlschlag statt Blütenparadies am Straßenrand
Als ich beim Frühstück im ‚Irish Independent‘ las, dass die Hummeln innerhalb der nächsten 30 Jahre in Irland verschwinden könnten, war ich über den derzeit durchgeführten Kahlschlag an den Straßenrändern noch wütender. Ohne Sinn und Verstand werden nicht nur die blühenden Fuchsien bis auf die Stämme kahlrasiert, sondern auch die aufblühenden Montbretien reißt das Mähgerät in Stücke. Beide Pflanzen sind ausgesprochen beliebte Nektarquellen für Hummeln. Irgendwie kommt mir das aus Deutschland bekannt vor: zur Unzeit werden Hecken und Straßenränder auf Einheitsgröße herunter geschreddert. Doch im Südwesten Irlands passt dies weder zur beginnenden Touristensaison, noch viel weniger für die Tierwelt, die auf blühende Feldraine, auf Hecken und Gebüsche angewiesen ist.

Die Intensivierung der Landwirtschaft als Bedrohung
Über lange Zeit hatte ich den Eindruck, dass die Situation für Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge in Irland besser sei als in deutschen Landen, doch in den letzten Jahren scheint mir der Rückgang an Nachtfaltern, Wildbienen oder Hummeln noch dramatischer zu verlaufen. Früher ‚klopften‘ große Nachtfalter jeden Abend an unsere Fenster, wenn Licht brannte – sie sind verschwunden! In diesem Jahr vermissen wir tagsüber zusätzlich die Wildbienen und Hummeln an den blühenden Pflanzen. Zwar werden auch in Irland Pestizide, die Urbanisierung und der Klimawandel für den Rückgang der Fluginsekten verantwortlich gemacht, doch dachte ich lange, die eher extensiv bewirtschafteten Flächen in Kerry wären nicht in gleichem Maße betroffen. Die übereifrigen Mähtrupps des Kerry County Councils tragen sicherlich zum Verschwinden der notwendigen Büsche und anderer Pflanzen bei, im Verbund mit der deutlich ins Auge springenden Intensivierung der Rinderzucht. Langsam aber sicher werden auch die letzten Wiesen und Brachflächen auf mehr Ertrag getrimmt, denn Milchprodukte lassen sich bis nach China verkaufen.

Nun ist es immer so eine Sache, wenn man den eigenen Eindruck verallgemeinert, doch er scheint sich mit den wissenschaftlichen Analysen zu decken. So berichtet der Ökologe Dr Thomás Murray vom National Biodiversity Data Centre im ‚Irish Independent‘: „If current rates of decline continue, we would have lost 60pc of our bumblebees and 11pc of our butterflies by 2030.“ Und wenn nicht gegengesteuert wird, dann betrage der Rückgang bei den Hummeln bis 2050 sogar 87 %.

EU: ‚Greening‘ ersetzt keine Neuorientierung
Nun haben es Insekten im häufig windigen Irland gerade in den Küstenregionen nicht leicht, doch sie schlugen sich bislang wacker. Und bei böigem Wind habe ich mich häufig gefragt, wie die Hummel sich an einer Blüte festhalten konnte. Aber der Verlust an Lebensraum und der zunehmende Einsatz von Kunstdünger und der chemischen Keule macht sich bemerkbar. Der höhere Besatz mit Kühen bringt zwangsweise mehr Gülle auf so manche frühere Magerwiese. Umso bestürzender ist es, wenn das Desaster mutwillig durch Mähaktionen in der falschen Jahreszeit verstärkt wird. Und beim Straßenbau würde ich mir in Irland auch ein wenig mehr Augenmaß und Berücksichtigung der Ökologie wünschen.
Folgen wir einem EU-Monitoring zu Schmetterlingen, die auf Wiesen und Weiden vorkommen, dann ist seit 1990 ein Rückgang um 39 % zu beklagen. Dennoch hat sich bis auf ein Bisschen ‚Greening‘ an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU wenig geändert. Und auch die Verhandlungen über die nächste Förderperiode lassen bisher keine Neuausrichtung an Ökologie und Nachhaltigkeit erkennen. In Nordwesteuropa ist einer der Hauptgründe für den Verlust an Schmetterlingen die Intensivierung der Landwirtschaft, so die Europäische Umweltagentur. Wäre es dann nicht an der Zeit, das Ruder herum zu werfen?

In Irland fehlen grüne Impulse
Der Klimawandel mit langen Trockenperioden dürfte in den letzten Jahren natürlich seinen Teil zur Verringerung von Hummeln, Wildbienen und Schmetterlingen sowie anderer Insekten beigetragen haben. Kleingewässer fanden wir in diesem Jahr im irischen Kerry bereits um Ostern ausgetrocknet vor, und der Juli zeigte sich in seiner ersten Hälfte ziemlich regenarm. Auffällig war bereits in Baden-Württemberg, dass sich zahllose Insekten an unserer Vogeltränke drängelten. Starkregen bringt dann natürlich keinen echten Ausgleich, sondern setzt, verbunden mit Stürmen, den Insekten weiter zu.

Das ökologische Bewusstsein wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten im politischen Raum gerade auch in Deutschland durch das Aufkommen der Grünen gestärkt, und dies hat sich in den Parlamenten niedergeschlagen. Es ist wirklich bemerkenswert, wie schnell der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und die von ihm geführte Landesregierung von CSU und Freien Wählern das erfolgreiche ‚Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen!‘ aufgegriffen und in die Gesetzgebung einbezogen hat. Eine ähnliche Initiative – ‚proBiene‘ – nahm in Baden-Württemberg jüngst die erste Hürde zum Volksbegehren – auch mit unseren Unterschriften. Leider lassen sich in Irland noch nicht einmal im Ansatz ähnlich starke ökologische Bewegungen erkennen, und die Naturschutzverbände tun sich in der öffentlichen Diskussion schwer. Ohnehin ist bei den Themen Natur- und Umweltschutz von der schwächelnden Regierung unter Premierminister Leo Varadkar wenig zu erwarten, die noch nicht einmal die Einführung dringend notwendiger Wassergebühren durchsetzen konnte.

Blütenparadies vernichtet
Wo der Kahlschlag am Straßenrand und die Intensivierung der Produktion auf Wiesen, Weiden und Äckern ihren Tribut fordern, da haben Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge keine Chance. Wir brauchen in Irland und Deutschland, in ganz Europa und der Welt mehr Aktivitäten zum Schutz unserer Insekten. Über die dringend notwendigen Diskussionen über den Klimaschutz dürfen wir den Naturschutz nicht vergessen.

Es ist bedrückend, wenn selbst auf der ‚grünen Insel‘ die Natur immer mehr zu kurz kommt. Schnell kann ein Punkt erreicht werden, wo die Natur nur noch in der Tourismuswerbung eine Rolle spielt. Nicht nur Naturschützer, Insekten- und Vogelfreunde, sondern auch die Tourismusmanager müssten sich zu Wort melden, wenn die Blütenpracht an Straßenrändern den Mähgeräten zur Unzeit zum Opfer fällt. Touristen bewundern die Blütenpracht an Straßen- und Wegrändern, doch Hummeln, Wildbienen und Schmetterlinge können ohne dieses Blütenparadies nicht leben.


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