Im Kampf gegen den Klimawandel fehlt es an Kommunikation
Die Ampelregierung und die EU schaffen es, selbst sinnvolle Vorhaben derart unkoordiniert in die Welt zu posaunen, dass man nur verzweifelt den Kopf schütteln kann. Anfänglich dachte ich noch, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein guter Erklärer politischen Handelns sei, doch weit gefehlt: Da landet ein unausgegorener Referentenentwurf zum Ende von Gas- und Ölheizungen in der Öffentlichkeit und der Ex-Kinderbuchautor ist nicht in der Lage dieses Thema in den Griff zu bekommen. Wer verkündet, dass ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen und sogar der Ersatz ausgefallener Anlagen nicht mehr möglich sein soll, der muss sich nicht wundern, wenn sich die Auftragsbücher der Installationsfirmen für das laufende Jahr füllen. Für den Klimaschutz ist das eine kontraproduktive Vorgehensweise. Parallel hat das Europaparlament ein neues Spielfeld entdeckt, wo sich die Abgeordneten ohne jede inhaltliche Kompetenz tummeln können: Alle Gebäude sollen in Klassen je nach der Energieeffizienz eingeteilt werden, und wer zurückbleibt, der soll per Zwang zur Sanierung ‚angeregt‘ werden. Kein Zweifel, die Sanierung von Gebäuden ist wichtig, doch auch diese Aufforderung bekommen die Bürgerinnen und Bürger flott um die Ohren gehauen. So habe ich mir die Einbindung der Bürgerschaft weder in Brüssel noch in Berlin vorgestellt!
Dilettanten machen Heizen zum Streitthema
Gebäudedämmung und Heizungstausch würden bei vielen Hauseigentümern bereits jeden Budgetrahmen sprengen. Doch ganz nebenbei wird zusätzlich die Solarpflicht für alle Häuser gepuscht – vermutlich nicht für staatliche Gebäude. Alle drei Aufgabenfelder sind für uns von großer Bedeutung, wenn wir den Klimawandel zumindest bremsen wollen. Wer allerdings die Menschen ständig und völlig unkoordiniert mit gesetzlichen Vorgaben oder deren Ankündigung traktiert, nimmt die Bürger nicht mit, sondern bringt sie gegen sich auf. Die Ampelkoalitionäre SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP können an ihren Umfrageergebnissen ablesen, dass eine solch sprunghafte Politik nicht ankommt, und das Licht der EU flackert eh nur trüb vor sich hin. Kommunikationstalente sind in dieser Bundesregierung ebenso Mangelware wie in Angela Merkels letztem Kabinett oder in der EU. Bei der EU wundert mich eh nichts mehr, denn die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konnte seinerzeit als deutsche Verteidigungsministerin flott reden, doch nicht einmal warme Winterunterwäsche für die Truppe besorgen. Und nun findet sich selbst die Atomkraft als ‚nachhaltige‘ Form der Energiegewinnung im sogenannten ‚Green Deal‘, für den sie sich so gerne loben lässt.
Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich sollen Politikerinnen und Politiker nicht ständig je nach Umfrageergebnis einen Haken schlagen und flugs die Richtung ändern. Wer es jedoch nicht vermag, zentrale Themen den Menschen nahezubringen, der muss sich nicht wundern, wenn er abschmiert. Am 19. März 2023 landeten die Grünen beim Sonntagstrend, der für ‚Bild am Sonntag‘ von den Insa-Meinungsforschern ermittelt wird, einen Prozentpunkt hinter der AfD, die auf 16 % kam. Der FDP reichte es 2022/23 noch nicht mal in die Länderparlamente in Niedersachen, im Saarland bzw. in Berlin. Die SPD liegt bei bundesweiten Umfragen deutlich hinter der Union. Diese Fakten führen leider nicht zu einer besseren Kommunikation der Regierungspolitik, sondern nur zu mehr Streitigkeiten: Künstliche Profilierungsversuche ersetzen aber weder eine sachorientierte Politik noch eine umfassende und offene Kommunikation! Und der handstreichartige Versuch, mit einer Wahlrechtsreform Die Linke und die CSU aus dem Deutschen Bundestag zu werfen, trägt gewiss nicht zur Stärkung der Demokratie bei.
Ohne Kommunikation wird das nichts
Wir müssen den Ausstoß an klimaschädlichen Gasen deutlich verringern, daran besteht kein Zweifel. Einen Beitrag können PV-Anlagen auf mehr Dächern ebenso leisten wie eine verbesserte Dämmung der Gebäude bzw. der Einbau von Heizsystemen ohne Einsatz fossiler Brennstoffe. Diese Veränderungen bringen erhebliche Kosten mit sich, die nur bei entsprechender staatlicher Förderung von vielen Hauseigentümern getragen werden können. In erster Linie geht es jedoch nicht um finanzielle Unterstützung, sondern um ausgereifte Konzepte. Bei Gas- oder Ölheizungen wurde ein Referentenentwurf zur Grundlage der öffentlichen Diskussion. Als ich meine erste Stelle in einem Ministerium annahm, wurden Referentenentwürfe selbstverständlich zwischen den Ministerien abgestimmt, jetzt scheint es üblich zu sein, mit unausgegorenen Papieren in die Öffentlichkeit zu gehen. So wird das nichts, liebe Politikerinnen und Politiker. Wer wie Robert Habeck im Frühjahr 2023 neue Vorgaben zum Heizungsbau vorgibt, die noch nicht einmal in der Bundesregierung abgestimmt sind, doch ab 2024 greifen sollen, der versteht so viel von der Politik wie eine Kuh vom Tanzen. Baupläne sind längst fertig oder in der Genehmigungsphase. Auf der einen Seite fordert die Ampelregierung mehr Wohnungsbau, auf der anderen Seite erschweren kurzfristige Vorgaben genau diesen. Wer effektiv gegen die Erderwärmung kämpfen möchte, sollte über klare und abgestimmte Strategien verfügen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Bündnis90/Die Grünen sich zu lange auf den Streit um die Kernkraft konzentriert und dadurch die Übersicht über andere Problemstellungen verloren hat. Hauptsache die AKWs werden abgestellt, auch wenn wir anschließend noch mehr Braunkohle abbaggern und aus Australien Steinkohle einführen und verheizen müssen.
Der Realitätsverlust bei Teilen der Bundesregierung setzt sich nahtlos beim Europaparlament und der EU-Kommission fort. Eigentlich ist das nicht verwunderlich, denn Jean-Claude Juncker hatte als EU-Kommissionspräsident schon 2018 das Ende der Zeitumstellung angekündigt: „Die Menschen wollen das, wir machen das“. Passiert ist nichts! Wenn die Parlamentarier in der EU die bessere Dämmung von Häusern in den Blick nehmen, werden Kategorien für den Zustand der Gebäude entwickelt und ohne jede Rücksicht auf die Außenwirkung publik gemacht. So manche Hausbesitzerin mit einer geringen Rente bekommt den Eindruck, dass ihr das Heim im Rahmen einer kalten Enteignung entrissen werden soll. In Berlin und Brüssel müssen sich die politischen Entscheider endlich dazu aufraffen, nur intern abgestimmte Vorhaben zu präsentieren, wobei die Machbarkeit in bestimmten Zeiträumen und die Förderung bereits einbezogen wurden. Wer immer nur gackert und dann faule Eier legt, vergrätzt die Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen gemeinsam alles tun, um die Erderwärmung zu begrenzen, und ganz sicher muss das auch sehr schnell gehen, doch unausgegorene politische Querschüsse sind kontraproduktiv. Dies zeigt sich auch beim Versuch der EU-Kommission, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2025 nicht mehr neu zuzulassen. Statt Technologieoffenheit zu fördern und innovative Ideen zu befördern, setzte die EU ausschließlich auf batterieelektrische Konzepte und wollte E-Fuels aus CO2 oder Brennstoffzellen für Pkw in die Schmuddelecke schieben. Ob es um die individuelle Mobilität oder die Weiterentwicklung von Immobilien geht: Nur Kommunikation mit der Bürgerschaft schafft die Voraussetzung für ein konstruktives und zügiges Umsetzen der politischen Vorschläge. Immer häufiger habe ich den Eindruck, dass eine politische Klasse – EU und Ampelregierung – den Kontakt zu den Menschen und die Bodenhaftung verloren hat. Einreihen können sich hier auch der französische Präsident Emmanuel Macron oder der britische Premierminister Rishi Sunak, die über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg regieren. Wenn die regierenden Parteien nicht wieder die Bürgernähe suchen und ihre Projekte besser kommunizieren, wird das die politischen Ränder stärken. Um es nochmals zu unterstreichen: PV-Anlagen sind ebenso wichtig wie möglichst gut gedämmte Häuser und Heizungen ohne schädliche Emissionen, doch wer ständig wenig überdachte Gesetze und Verordnungen in die Welt setzt, wird beim Klimaschutz wenig erreichen. So mancher Politiker scheint zu glauben, wir seien die Lakaien des Staates – siehe Grundsteuer. Vielleicht müssen wir mit unseren Wahlstimmen verdeutlichen, dass das Volk der Souverän in einer Demokratie ist!
Zum Beitragsbild
Höhere Energieeffizienz bei Gebäuden ist wichtig, doch wer wie die EU meint, man könne neue Standards erzwingen, ohne die Bürgerschaft in die Diskussion einzubeziehen, der wird ein Desaster erleben. Bei Neubauten lassen sich strenge Vorgaben zur Dämmung natürlich leichter umsetzen als im Altbestand. Die hier gezeigten Häuser stehen auf einer früheren Streuobstwiese im Esslinger Greut. (Bild: Ulsamer)
Sehr geehrter Herr Dr. Ulsamer,
zurecht bezeichnen Sie den Referentenentwurf, der zu früh das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, als unausgegoren.
Vermutlich kann ein unabgestimmter Entwurf nicht besser sein.
Wenn die Darstellungen in der Presse zutreffend sind, wurde die Veröffentlichung nicht von Herrn Habeck bewirkt sondern von der FDP, die sich wohl selbst kaum mehr als Teil der Regierung versteht.
Die Veröffentlichung hat zu einer breiten Diskussion in der Öffentlichkeit geführt, die jetzt zumindest beteiligt ist. Möglicherweise muss die Politik nicht immer die Bürger mitnehmen, sondern kann sich von diesen mitnehmen lassen.
Optimistisch betrachtet besteht ein Konsens, dass wesentliche Änderungen in der Klimapolitik notwendig sind und diese nicht geschafft werden, wenn die Parteien nur nach ihren Wählern schauen, die dies hoffentlich auch gar nicht würdigen.
Die Hoffnung bleibt zumindest bei mir, dass es der Gesellschaft insgesamt gelingt richtige Strategien zu entwickeln die zeitnah, einigermaßen sozialverträglich umgesetzt werden können. Konsens bei der Umsetzung der gemeinsamen Ziele wird sich nicht erreichen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Walter
Sehr geehrter Herr Walter,
ich teile Ihren Optimismus, dass es unserer Gesellschaft gelingen wird, sachgerechte Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Robert Habeck sollte sein Ministerium besser im Griff haben. Und letztendlich teilt er ja die Aussagen des Referentenentwurfs. Er erscheint doch deutlich überfordert zu sein.
Mit besten Grüßen
Lothar Ulsamer
PATIENT ERDE
Die Pandemie hat man überwunden,
doch Mutter Erde bleibt Dauerpatient.
Obwohl die Therapie längst gefunden,
behindert man die Heilung vehement.
Mit Tempolimit auf der Autobahn
und Emissionshandel ist’s nicht getan.
Für neue Energien und den Verkehr
müssen zukunftsfeste Lösungen her.
Den Ampel-Streit und Stillstand beenden,
das Anthropozän zum Guten wenden.
Ökonomie und Ökologie im Verein,
der blaue Planet wird uns dankbar sein.
Keiner muss sich auf die Straße kleben;
wenn Politik und Wirtschaft aufwachen,
und nicht nur habe Sachen machen;
wir alle einfach bewusster leben.
Weniger ist mehr,
nicht nur im Verkehr
und beim Verzehr.
GEDICHT FÜR MUTTER ERDE
Die Erde ist ein herrlicher Ort,
doch wir bedrängen sie immerfort.
Der Mensch, dieses kluge Wesen
kann im Gesicht der Erde lesen.
Er sieht die drohende Gefahr,
spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
Homo sapiens muss aufwachen,
seine Hausaufgaben machen.
Man produziert und produziert,
plündert Ressourcen ungeniert.
Gewinnmaximierung ist Pflicht,
die intakte Natur zählt nicht.
Börsenkurse steh’n im Fokus,
Umweltschutz in den Lokus.
Plastikflut und Wegwerftrend,
man konsumiert permanent.
Nur unser ständiges Kaufen
hält das System am Laufen.
Unser westlicher Lebensstil
taugt nicht als Menschheitsziel.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
im Einklang mit der Natur leben
Zu viele Buchen und Eichen
mussten schon der Kohle weichen.
Retten wir den herrlichen Wald,
bewahren die Artenvielfalt.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
dass sie nicht zur Wüste werde.
Wir alle stehen in der Pflicht,
maßvoll leben ist kein Verzicht.
Teilen und Second Hand der Trend,
Repair vor Neukauf konsequent.
Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
nehmen wir uns die Freiheit.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen