In Thüringen und Sachsen schmilzt die politische Mitte weiter
Eine Überraschung waren die Verschiebungen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen nicht, eher war es zum Verzweifeln, dass die Ampelregierung aus SPD, Grünen und Liberalen unter Bundeskanzler Olaf Scholz sehenden Auges ins Verderben trudelte. Und im Grunde fehlt es auch bei den Christdemokraten an tragfähigen Konzepten, um das Erstarken der politischen Ränder zu stoppen, obwohl die CDU zumindest den Status einer Volkspartei sichern konnte. Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sammelten die politisch Unzufriedenen, und ohne eine von beiden gibt es keine Regierungsmehrheit. Da die CDU, die am ehesten eine Chance hat, die neuen Landesregierungen zu bilden, eine Zusammenarbeit mit der AfD durch einen Parteitagsbeschluss ausgeschlossen hat, wird es ohne BSW nicht gehen, und das, obwohl Wagenknecht eine Art Lautsprecher für Wladimir Putin ist. Wenn die CDU mit diesem fragwürdigen Bündnis, das Waffenlieferungen an die um ihre Freiheit kämpfende Ukraine ablehnt, kooperiert, verkauft sie ihre Seele oder das, was nach Angela Merkels inhaltlichem Ausverkauf noch davon übriggeblieben ist. In Thüringen müsste für eine mehrheitsfähige Regierung auch noch ‚Die Linke‘ einbezogen werden, die als SED-Nachfolgeorganisation bisher von der Union mit einem Unvereinbarkeitsbeschluss bedacht wurde. Die Brandmauer zur AfD macht politisch sicherlich Sinn, doch wenn in einzelnen Wahlbezirken nahezu die Hälfte der Wählerschaft für diese Partei stimmte, dann stellt sich in aller Dramatik die Frage, wie jene Mitbürger wieder für die politische Mitte gewonnen werden können. Nicht nur die Ampelregierung hat gerade durch ihre Migrationspolitik als Brandbeschleuniger für AfD und BSW gewirkt, sondern das Gefühl vieler Menschen, der Staat habe als ordnende Hand beim Zuzug von Flüchtlingen und Asylanten versagt, reicht bis zu Angela Merkel zurück, die als Bundeskanzlerin Tür und Tor für Migranten geöffnet hat – ohne Rücksicht auf den inneren Frieden.
Unkontrollierte Migration als Sargnagel für Ampelparteien
Die Ampelregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP hat zwar reichlich über die unkontrollierte Migration debattiert, doch es fehlte an deutlichen Schritten zu deren wirksamer Eindämmung. Wer mit medialem Getöse einige Straftäter und islamistische Gefährder wenige Tage vor den Landtagswahlen in deren Heimatland Afghanistan ausweist, der gewinnt damit die verlorengegangene Glaubwürdigkeit nicht zurück, sondern setzt sich dem Verdacht aus, aus parteipolitischer Taktik eine Schauveranstaltung durchzuführen. Das Gefühl der Unsicherheit hängt dabei nicht mit der Zahl der Asylanten oder Migranten insgesamt vor Ort zusammen, denn die AfD ist im ländlichen Raum in Thüringen und Sachsen am stärksten, wo man Asylbewerber teilweise mit dem Vergrößerungsglas suchen muss. Gefühle und Ängste wurden von der Ampelregierung viel zu lange negiert, die sich lieber auf interne Streitereien konzentrierte. Für mich ist es keine Frage, dass ohne Mitbürger mit Migrationshintergrund weite Teile unserer Wirtschaft zum Erliegen kommen würden, doch der jetzigen Bundesregierung – wie auch Merkels letztem Kabinett – ist es nicht gelungen, zwischen Zuwanderern, die unser Land mit voranbringen und Asylanten zu unterscheiden, die nicht zur Integration bereit sind, sondern z. B. als Islamisten unsere demokratische und pluralistische Gesellschaft zerstören wollen. Nun haben die Politiker der Ampel mal wieder die Quittung für ihr politisches Versagen per Stimmzettel bekommen, doch es gibt berechtigte Zweifel, dass sie die richtigen Lehren aus den Wahlergebnissen ziehen werden.
Die FDP mit ihrem redebegabten Vorreiter Christian Lindner kreist in Thüringen und Sachsen um ein Prozent der Wählerstimmen, die Grünen schafften es in Sachsen knapp über die Fünf-Prozent-Hürde, in Thüringen reichte es noch nicht einmal dazu. Deutschlands älteste demokratische Partei, die SPD, landete in Sachsen nur bei gut 7 % und in Thüringen bei desaströsen 6 %. Friedrich Ebert, der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, dürfte sich im Grab umdrehen, wenn er seine SPD so abstürzen sehen würde: Von Volkspartei keine Spur mehr! Es ist geradezu beschämend zusehen zu müssen, wie sich SPD, Grüne und Liberale selbst zerstören, indem sie an den Bürgern vorbei eine Politik betreiben, die Menschen nicht einbindet, sondern vor den Kopf stößt. Musterbeispiel: Heizungsgesetz. Der Unmut ist im Übrigen nicht nur in den östlichen Bundesländern groß, sondern in der ganzen Bundesrepublik, was zahlreiche Umfragen und Wahlergebnisse zeigen. Mehr dazu in meinem Beitrag: ‚Die Zufriedenheit mit der Politik welkt dahin. Viele Deutsche fühlen sich nicht wahrgenommen‘. Die Ampelparteien haben auch im Westen bei Landtagswahlen schlecht abgeschnitten, doch das zerstrittene Trio mit einem Kanzler ohne Fortune hämmert unverdrossen am eigenen Sarg.
Bildung statt Beton!
In den sogenannten neuen Bundesländern hat sich wirtschaftlich und in der Umwelt oder in der Infrastruktur vieles verbessert, und trotz anderslautender Unkenrufe kurz nach der Wende konnte der meiste Unrat, den die SED in der DDR angehäuft hatte, beseitigt werden. Dennoch ist bei zahlreichen Menschen der Eindruck verfestigt, sie seien Bürger zweiter Klasse. Beim Untergang der DDR ist leider eine möglichst objektive Bestandsaufnahme der Situation unterblieben, so dass noch heute behauptet wird, in der DDR sei eine florierende Wirtschaft vorhanden gewesen, die durch die Treuhand zerstört bzw. die Betriebe verscherbelt wurden. Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit einer älteren Mitarbeiterin einer Schuhfabrik, als die Grenze zur DDR bereits offen war, die Wiedervereinigung jedoch noch anstand. Sie klagte zwar, dass sie ihren Job verliere, da die in ihrem Volkseigenen Betrieb (VEB) hergestellten Schuhe nicht mehr verkauft werden könnten, denn die noch DDR-Bürgerinnen würden jetzt modischere Schuhe aus dem Westen bevorzugen. Sie hielt kurz inne, um zu ergänzen, dass sie das durchaus verstehe. Sie meinte dann, sicherlich werde sich die Situation für die Jüngeren verbessern, doch ob sie wegen ihres Alters die Vorteile noch erleben werde, das bezweifelte sie. Dieses Gespräch war für uns sehr bewegend, denn ein Einzelschicksal wirkt anders als Zahlenreihen in einer Statistik. Die tiefgreifenden Veränderungen, die die Menschen in den neuen Bundesländern durchlebten, lassen sich nur schwer nachvollziehen, wenn man sie aus räumlicher Distanz im Westen erlebte.
Die DDR-Wirtschaft war – mit wenigen Ausnahmen – auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig, doch hätte nach der Wiedervereinigung über eine innovativere Regionalpolitik mehr getan werden müssen, um das Gefühl des ‚Abgehängtseins‘ zumindest abzumildern. Dies trifft im Übrigen für so manche Kommunen und Landkreise sowohl im Osten als auch im Westen der Bundesrepublik zu. Während prosperierende Städte über die letzte Streuobstwiese hinaus wuchern, stehen anderswo ganze Stadtviertel leer oder wurden abgerissen. Auf diese Thematik bin ich u. a. in meinem Artikel ‚Städte zwischen Wohnungsnot und Leerstand. Esslingen läuft über, Goslar und Halle-Neustadt schwächeln‘ eingegangen. Zum Tag der Deutschen Einheit sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2023 das Auseinanderdriften der Lebensumstände in Großstädten und auf dem Land an, wodurch in den östlichen und westlichen Bundesländern die Unzufriedenheit geschürt werde: „Die Tatsache, dass Vereine sterben, dass der Ort nicht mehr so belebt ist, dass die letzte Kneipe weg ist, dass die Wege zu den Schulen und Ärzten viel weiter geworden sind.“ Entsprechend zeigt das Wahlergebnis in Thüringen und Sachsen, dass die AfD gerade im ländlichen Raum besonders stark ist. Der Ausbau der Infrastruktur in der ehemaligen DDR war wichtig, ohne Frage, doch wurde zu lange auf Beton und weniger auf die Einbindung der Menschen gesetzt. Statt in Autobahnkilometer oder Umgehungsstraßen für das letzte Dorf hätten die Finanzmittel verstärkt in die politische und soziale Bildung fließen müssen. Vielleicht wäre dem einen oder anderen, der beklagt, Führungsfunktionen würden in Deutschland nicht mit ‚Ostdeutschen‘ besetzt, dann aufgefallen sein, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel, aufgewachsen in der DDR, 16 Jahre die Geschicke unseres Landes im politischen Sinne leitete und Joachim Gauck, Pastor und Kirchenfunktionär in der DDR, als Bundespräsident unser wiedervereinigtes Land repräsentierte. Das in manchen Kreisen kultivierte Gefühl, man sei von westlichen Eliten an den Rand gedrängt worden, wird jetzt von AfD und BSW eifrig bedient.
Probleme lösen
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, die als Debakel für die Ampelparteien endeten, scharren die Parteien bereits mit den Hufen, denn am 22. September dürfte es für die Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen in Brandenburg nicht mehr reichen. Nach Umfragen liegt die AfD auch dort vorne, und das BSW könnte aus dem Stand hinter AfD, SPD und CDU auf Platz vier landen. Die politische Landschaft verändert sich weiter, und die Bildung von tragfähigen Regierungen wird immer schwerer, wenn man AfD und BSW nicht einbeziehen möchte. Schnelle Lösungen gibt es nicht, um den Anstieg der Wählerzahlen am rechten und linken Rand zu stoppen, doch ausschlaggebend wird es sein, dass die Bundesregierung endlich beginnt, Probleme zu lösen. Dies gilt insbesondere für die unkontrollierte Migration, die unser Land seit Jahren überfordert. Es geht nicht nur darum, die Politik besser zu erklären – wie Bundeskanzler Scholz betont -, sondern Gesetze müssen zu Ende gedacht sein, ehe sie zu Papier gebracht werden. Gerne dürfen es auch weniger bürokratische Vorgaben als mehr davon sein, und in diese Anmerkung beziehe ich ganz bewusst die Europäische Union mit ein! FDP und Grüne wünschen sich Englisch als zweite Amtssprache in Deutschland: Wäre es nicht angebracht, zuerst die Defizite beim Lesen und Schreiben in Deutsch zu verringern? Ich denke schon!
Wer Probleme löst, der nimmt AfD und BSW Wählerstimmen weg und stärkt die politische Mitte. Und darum geht es. Ständig verbal die Brandmauer gegen die AfD zu erhöhen hat bisher keinen Erfolg gezeitigt: Die AfD wird zwar aus den Regierungen herausgehalten, doch ihre Wählerschaft nimmt zu und scheint sich zu verfestigen. Als Zuschlag gibt’s jetzt noch das BSW, eine Art Polit-Verein von Sahra Wagenknecht, die 1989 in die SED eintrat, um den Sozialismus zu erhalten und dann bei der Linken Unfrieden stiftete. Heute hat sie für sich eine trübe Brühe aus nationalistischen, antiamerikanischen, Putin-freundlichen und sozialistischen Zutaten angerührt. Über die Brandmauer gegen die AfD – und gerne auch gegen das BSW – dürfen wir die Bürger nicht vergessen, die hinter besagter Mauer die AfD gewählt haben. Der Berliner Soziologe Thorsten Fass, der an der Freien Universität Soziologie lehrt, betont, dass die ‚Brandmauer‘ stehe und wirft zugleich wichtige Fragen in einem Interview mit ‚tagesschau.de‘ auf. „Schwieriger finde ich das Bild tatsächlich, wenn wir über die Gesellschaften vor Ort reden. Wenn wir die Stimmenanteile der AfD sehen, von 30, in Teilen ja 40 Prozent, in bestimmten Gruppen eher in Richtung 50 Prozent, dann kann ich diese breiten Teile der Gesellschaft nicht einfach hinter eine Brandmauer stecken. Damit muss man ja im Kleinen auch umgehen – am Arbeitsplatz, in sonstigen Kontexten, in der Familie. Und ich glaube, da erzeugt dieses Bild eher Frust-Reaktionen oder auch eine gewisse Widerspenstigkeit. Politisch steht die Mauer, aber gesellschaftlich muss man trotzdem Wege finden, damit umzugehen.“ Es geht nicht darum, Andersdenkende hinter einer ‚Brandmauer‘ zu isolieren, sondern die Wähler an den rechten und linken Rändern wieder für die politische Mitte zu begeistern. Dies kann nur gelingen, wenn die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP ihre Hausaufgaben machen und die CDU/CSU noch deutlicher ihre politischen Alternativen herausarbeitet. Nach der Wahl ist immer vor der Wahl. Reden ist in der Politik Silber, Handeln ist Gold. Zu lange bogen sich Politiker der Ampelparteien die Wirklichkeit zurecht, jetzt müssen die realen Probleme der Bürger gelöst werden. Gelingt dies, dann fasern die rechten und linken Ränder in der Wählerschaft nicht länger aus. Wenn die Ampelregierung weiterhin als Brandbeschleuniger für das Erstarken von AfD und BSW wirkt, können die Brandmauern gar nicht schnell genug hochgezogen werden. Unmut in der Bürgerschaft lässt sich nur überwinden, wenn konsequenter als bisher die zentralen politischen Probleme gelöst werden, und dazu zählt nun einmal auch die unkontrollierte Migration.
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Im Wahlkreis Görlitz 2 konnte zwar der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sein Direktmandat mit über 47 % der Stimmen sichern, doch der AfD-Kandidat folgte mit mehr als 39 %. Die SPD brachte es bei den Direktstimmen auf traurige 1,8 %. In Görlitz 1 erreichte der AfD-Kandidat Roberto Kuhnert 42,6 %, der CDU-Kandidat 33 %, die SPD landete bei 2,5 %. (Bild: Ulsamer)
2 Antworten auf „Ampelregierung als Brandbeschleuniger für AfD und BSW“